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Ars Electronica 2013: Total Recall Die totale Erinnerung: Wunschbild oder Horrorvorstellung?

Ars Electronica Festival 2013, HR Giger, Gebärmaschine (1967), credit: HR Giger, 2013.

Ars Electronica Festival 2013, Plakat

Das Ars Electronica Festival 2013 ist „TOTAL RECALL“ gewidmet – der totalen Erinnerung zwischen DNA-Speicherung und steigenden Erkrankungen an Demenz. Das fünftägige Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft lotet technische Möglichkeiten und Funktionen des Erinnerns aus, immer auch mit dem Hintergedanken verbunden, dass Vergessen in Zukunft möglicherweise ein Menschenrecht wird. Zu diesem Zweck steht eine hochrangige Expertenrunde auf einem Symposium Rede und Antwort und Künstler_innen haben performative Arbeiten gestaltet. Zum Featured Artist wurde HR Giger gekürt, da er in den späten 60er Jahren für seine Malerei den Begriff der „Biomechanik“ etablierte. Die Verbindung von Mensch, Natur und Technologie wird in seinen albtraumhaften Visionen zu einer Möglichkeit zukünftigen Agierens.Kunst, Technologie und Gesellschaft.

Das Ars Electronica Festival hat sich seit seinen Anfangsjahren zu einer schier kaum zu überschauenden Vielzahl von Programmpunkten entwickelt – inklusive einem eigenen Jugend-Zukunftsfestival „u19 – Create your World“. Die intensive Zusammenarbeit mit internationalen Universitäten führt heuer zur Ausstellung „IL(L) Machine – Ars Campus Israel“, wo Studierende der zehn führenden Hochschulen Israels ihre Medienkunstwerke präsentieren. Bereits seit Anfang September sind im AEC Reflexionen über synthetische Biologie zu sehen „Projekt Genesis“ hinterfragt Zukunftsvisionen dieser aktuell so hoffnungsvoll agierenden Forscher_innen (siehe unten). Das im Labor designte Leben (z.B. leuchtende Bäume, um Straßenbeleuchtung einzusparen) führt zu spannenden wie drängenden Fragen zu Ethik, Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft. Soll alles, was technisch möglich ist, auch umgesetzt werden? Wie weit darf die Synthetische Biologie in die DNA eingreifen? Wie geht die Gesellschaft mit den neu erschaffenen Spezies um, und welchen gesellschaftlichen Status möchte man ihnen zusprechen? Aus welchen Gründen sollen diese neuen Arten überhaupt entwickelt werden? Patricia Piccininis „The Listener“ (2013), ein Schweinchen mit menschlichen Augen und blonder Haarpracht, beschreibt die auf unsere Gesellschaft zukommende Problematik auf ansprechende und witzige Art.

Eröffnung, Große Konzertnacht und Klassische Klangwolke

Zur Eröffnung am Abend des 5.9.2013 lässt das crossmediale Kunstprojekt „Wir sind hier“ von Salvatore Vanasco in der Tabakfabrik Linz an Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 in Berlin nicht vergessen. Die Nutzer der Website www.wir-sind.hier.org konnten Teil des Brecht`schen Beschwerdechors „Gegen Verführung“ aus dem Jahr 1925 werden, unterschiedlichste (alte) Kommunikationsmedien einschicken, über eine Skulptur im Öffentlichen Raum abstimmen und die Zukunft dieses Objekts festlegen. Für die Eröffnung des Ars Electronica Festivals entwickelte das Team rund um Salvatore Vasco eine multimediale, interdisziplinäre Performance, in der Themen wie Erinnerung, Bewusstsein, Verantwortung und Überwachung aufgegriffen wurden.
Gudrun Mayer berichtet: "Für „Target Area“ wurde das Publikum über eine halbe Stunde gefilmt und so manche Gesichter genauer anvisiert, wobei nicht klar war, ob diese fotografiert wurden oder nicht. Unbehagen machte sich bemerkbar, als die Aufnahmen auf eine Fabrikswand projiziert wurden. Man fühlte sich permanent beobachtet. Dass die Künstler_innen hier auf digitale Überwachung und Zensur aufmerksam und gegen Vorratsdatenspeicherung plädieren wollten, war nicht schwer zu erraten.
Anders jedoch beim zweiten Teil der Performance, „Don’t Hesitate“. Diese setzte sich mit der Bücherverbrennung in Berlin am 10. Mai 1933, also vor 80 Jahren, auseinander, weshalb auch kurz davor einige Mitwirkende einen Zettel mit sechs Textpassagen aus unterschiedlichen Büchern austeilten. Die einzelnen Passagen wurden von Personen, die auf einer Wand des Fabrikgebäudes projiziert wurden, rezitiert. Darauf folgten schauspielerische Szenen. Ob diese in Zusammenhang mit den jeweiligen Textpassagen standen, ging nicht hervor. Es fehlte ein persönlicher, emotionaler Zugang zur Darstellung, was es unmöglich machte, sich entsprechend hineinzuversetzen. Es fühlte sich wie ein surreales Spektakel an. Ob tatsächlich eine Verbindung mit der Bücherverbrennung bestand, war bis zum Schluss nicht ersichtlich."
Station Rose, bestehend aus der bildenden Künstlerin Elisa Rose und dem Musiker/Komponisten Gary Danner, reflektieren in Urban Gardening-Umgebung ihr Werk der letzten 25 Jahre. Als Pioniere der digitalen Kunst in Österreich sampeln und remixen sie ihre Arbeiten live im ShelTeR.

Am Sonntag, den 8.9. verbindet die Große Konzertnacht Orchestermusik und digitale Klänge, Live-Elektronik und Visualisierungen miteinander. Am Programm stehen Bill Fontana, Carl Stone/Gil Kuno, Ernie Kovacs, Philip Glass, Luciano Berio, Leah Muir (mit dem Vibrafon-Solisten David Friedman).
Die beliebte Linzer Klangwolke wird heuer vom größten Smartphone-Orchester der Welt, nämlich allen Besucher_innen mit dem Gratis-App von der Ars Electronica Homepage, aufgeführt – allerdings ist man damit nur in der Lage die ersten beiden Töne von Bruckners 7. Symphonie anzustimmen (Donaupark 7.9. 20:00).

Für den Linzer Mariendom schuf der Linzer Soundkünstler Wolfgang „Fadi“ Dorniger eine 8-Kanal-Soundinstallation, die von den Besucher_innen selbst bespielt werden kann. Die Texteingabe an den acht Midi-Keyboards wird von der „Aural-Memory-Machine“in Klang umgewandelt. Wer sich Texte aus dem Ars Electronica Katalog vorspielen lassen möchte, kommt am Samstag, 7.9.2013 um 23:00 zum Konzert.

Schrifttafel trifft auf Pad und die DNA. TOTAL RECALL. The Evolution of Memory Symposium (Brucknerhaus, Fr., 6.9. und So., 8.9.2013)

Zentraler Diskussionsort des Festivals ist ein hochrangig besetztes Symposium zum Thema Erinnerung mit John-Dylan Haynes (Gehirn- und Kognitionsforschung), Alfred Anwander und Arno Villringer (Kartierung von Nervenbahnen und Demenz), Aleida Assmann (Erinnern und Vergessen kulturhistorisch), Helga Rohra (demenzerkrankt), Barbara Hohn (Gedächtnisübertraghung bei Pflanzen), Nick Goldman (Perspektive DNA) und Rodrigo Quian Quiroga („Jennifer Aniston Neuron“ als Ort der Erinnerung). Ausgangspunkt für die Leitung der Ars Electronica war die Erkenntnis, dass im Jahr 2015 erstmals 8 Zettabyte (eine Acht gefolgt von 21 Nullen!) Datenvolumen produziert werden, während die gesamte menschliche Produktion seit den babylonischen Schrifttafeln nur 2,7 Zetabyte Informationsmenge beträgt. Mit diesen sprunghaft ansteigenden Mengen stellt sich die Frage nach zukünftigen Speichermöglichkeiten dringend! Einerseits geht es beim Symposium um die Frage, wie das menschliche Gehirn funktioniert, um Maschinen das Denken beibringen zu können aber auch, um der Krankheit Demenz auf die Spur zu kommen. Andererseits wird die Frage gestellt, wie Gedächtnis über Generationen (biologisch) in der Flora weitergegeben wird, um „Lebenserfahrung“ für die Nachkommen automatisch nutzbar zu machen. Anfang des Jahres machte der Zoologe und Mathematiker Nick Goldman Furore, als er erstmals eine MP3-Datei in eine DNA verwandelte und durch DNA-Analyse das Musikstück wieder abspielbar machte. Die DNA als die perfekte, von der Natur entwickelte Speichereinheit zu nutzen, gilt nicht nur seither als platzsparender Zukunftstraum. Das diesjährige Sujet des Festivals überträgt dieses Faktum in eine einfache Bildsprache: von der Tontafel über die digitale Revolution zur DNA-Sequenz. Von Vorteil ist, dass museal verwahrte Tontafeln heute überall auf der Welt mittels Pad im Wohnzimmer studiert werden können. In Zukunft lassen sich sämtliche Informationen dann in einer DNA-Sequenz darstellen und wieder entschlüsseln.
Nach einer kurzen Einführung von Gerfried Stocker, dem künstlerischen Leiter des Ars Electronica, gibt der Psychologe und Hirnforscher John-Dylan Haynes einen Überblick über die moderne Gehirn- und Kognitionsforschung. Mit Hilfe von Szenen aus Science-Fiction-Filmen, wobei der Klassiker „Total Recall“ mit Arnold Schwarzenegger natürlich nicht fehlen darf, zieht Haynes Vergleiche zwischen dem aktuellen Stand der Wissenschaft und den künftigen Potentialen der Gehirnforschung.
Daraufhin setzt sich die Anglistin und Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann mit den unterschiedlichen Formen des Vergessens auseinander, die sie mit Zitaten aus der Literatur verständlich sowie greifbar unterstreicht. Dabei berücksichtigt sie, dass jeder Mensch Erinnerungen selektieren kann und hinterfragt kritisch, dass aufgrund neuer Medien und Speichermöglichkeiten, die dem Anschein nach unbegrenzt sind, Wissen über die Vergangenheit permanent und überall abgerufen werden kann.
Das Spezialgebiet des Neurowissenschaftlers Alfred Anwander ist die Kartierung von Nervenbahnen im menschlichen Gehirn. Er präsentiert die Fasertraktografie und Konnektomforschung, beides Methoden, mit deren Hilfe die Wissenschaftler_innen zurzeit versuchen, das menschliche Gedächtnis zu entschlüsseln. Anschließend beschäftigt sich der Neurowissenschaftler Arno Villringer mit dem Verlust von Erinnerung, wobei er das Krankheitsbild der Demenz aus neurologischer sowie klinischer Sicht beleuchtet.
Die Vortragsreihe beendet Helga Rohra, die selbst an Lewy-Body-Demenz erkrankt ist. Sie liefert einen äußerst authentischen, ehrlichen Bericht über das tagtägliche Leben mit dieser Diagnose, der als krönender Abschluss tief unter die Haut ging.

Parallel zum Symposium wird im Brucknerhaus die Ausstellung „The Memory we always wanted or the Memory we never asked for?“ gezeigt. Künstler_innen und Techniker_innen stellen Techniken zur Erinnerungsaufzeichnung zur Verfügung, sammeln Daten und verarbeiten diese und hinterfragen den Kontroll- und Überwachungswahn wie auch die mediale Selbstdarstellung kritisch.

Gesprächsforen und Workshops zu den Themen „Mapping an Unlimited Landscape“ (digitale Animation), Pixelspace Conference mit dem Preisträger Bill Fontana (Medienkunst), „Candlescape“ (LED-Kerze zum Selberbauen), „Glitch Embroidery“ (Daten als gewollte Fehler in der Strickware konserviert), dem u19 Zukunftsfestival der nächesten Generation und ein Blick in die Zukunft des österreichischen Films mit Karl Markovics (AEC, Maindeck, 6.9. 15:00)

Volkskrankheit Demenz?

Dem perfekten Gehirn steht jedoch in zunehmendem Maße das defekte gegenüber. Die Zahl an Demenzerkrankten steigt beständig, das Recht zu vergessen, ist jedoch weder gesellschaftlich noch technologisch anerkannt, denn auch Facebook und Co. vergessen nicht. Die an Demenz erkrankte Helga Rohra, ausgebildete Dolmetscherin und Autorin, wird von ihren Erfahrungen mit der Krankheit berichten. Das Evangelische Diakoniewerk ermöglicht eine Annäherung an das Thema in Form von Erinnerungsmusik (GallneukirchenAltes Rathaus, 7.9., 15:00-17:00) und einem Informationsnachmittag (AEC, SKY Loft, 8.9. 16:00-18:30).
Auf den Besuch der „CyberArts 13“ im OK Zentrum (5.-15.9.2013) wird trotz interessanten Diskussionsprogramms hoffentlich nicht vergessen. Die Preisträger_innen des diesjährigen Wettbewerbs für Computerkunst treffen dabei auf die Geschichte des Prix Ars Electronica, ein viertägiges Animation Festival, das Prix Forum und die OK Night am 7. September 2013.

HR Giger. Die Kunst der Biomechanik (Lentos, 5.-29.9.2013)

Auch an HR Giger, dem „Erfinder“ von biomechanischen Welten seit den späten 60er Jahren, wird 2013 gedacht. Der 1940 im Schweizer Chur geborene Künstler feierte Ende der 70er Jahre als Film- und Plattencoverdesigner internationale Erfolge. 1980 mit dem Oscar für „Alien“ prämiert, gilt er als einer der Großen der Fantastischen Kunst. Seine Verbindungen von Mensch, Natur und Technologie führte zu dystopischen Visionen, die gerade kunstwissenschaftlich aufgearbeitet und in den Kontext der Züricher Avantgarde gestellt werden. Gigers Werkkatalog umfasst mehr als 4000 Einträge, von denen ca. 50 Arbeiten nach Linz kommen werden. „Biomechanik“ ist nur eines der Leitthemen in Gigers Werk, weshalb ein Querschnitt durch sein Schaffen im Deep Space des Ars Electronica Centers gezeigt wird. Mit Hilfe modernster Foto- und Wiedergabetechniken kommt man dort näher an die Oberfläche der Gemälde, Zeichnungen und Objekte als es der Künstler bislang selbst jemals konnte.

Es gibt ja auch noch einen Prix Ars Electronica 2013…und noch einmal CyberArts 2013

Vor lauter Ausstellungs- und Dikursrogramm könnte man fast vergessen, dass es ja auch noch den Prix Ars Electronica gibt. Aus 4.071 Projekten aus 73 Ländern wurden die Gewinner_innen ermittelt, die am Freitag, den 6.9. um 18:30 im Linzer Brucknerhaus ihre Preise entgegennehmen dürfen. Die Goldenen Nicas gehen heuer an Quayola und Memo Akten (Computer Animation/Film/VFX), Nicolas Bernier (Digital Musics und Sound Art), Nichel und André Décosterd (Interacitve Art), Koen Vanmecheln (Hybrid Art), El Campo de Cebada (Digital Communities) sowie Dominik Koller (u19). Müßig festzustellen, dass die CyberArts 2013 ein zentraler Anlaufpunkt des Ars Electronica Festivals ist. Hier werden die prämierten Arbeiten aus den Bereichen Digital Communities, Hybrid Art, Interactive Art, Digital Musics & Sound Art sowie Computer Animation präsentiert – wie zum Beispiel den „Rain Room“ von rAndom International (UK), einem 100m² großen Feld, das man trotz heftigem Regen trocken durchqueren kann. Der amerikanische Künstler Daniel Rozin stellt „Angels Mirror“ vor, ein digital-abstraktes Bild, das die Bewegungen der Besucher_innen davor widerspiegelt. Der Belgier Koen Vanmechelen hingegen widmet sich der Globalisierung des Huhns, indem er eine Hühnergattung züchtet, die schlussedlich sämtliche Merkmale aller Hühner der Welt in sich tragen soll. „The Cosmopolitan Chicken Project“ agiert jenseits regionaler Unterschiede, über Gesellschaftsformen hinweg.

Ars Electronica Center: Wie eine zweite Natur im RoboLab (Text von Gudrun Mayer)

Für das RoboLab im Ars Electronica Center (Ebene -3) wurde ein Großteil der Exponate der erfolgreichen Ausstellung „Wie eine zweite Natur“ von Berlin nach Linz übersiedelt. Dieser Teil des Festivals macht uns bewusst, dass es keinen Bereich in unserem Leben mehr gibt, in dem technische Geräte oder Verfahren nicht eine essentielle Rolle spielen. Die moderne Technologie umgibt uns wie eine zweite, von uns und für uns selbst kreierte Natur. Bei der Entwicklung von neuen Materialien oder Werkzeugen steht uns vor allem die Natur als Vorbild Modell, die wir zuerst verstehen, dann kontrollieren und zu guter Letzt verbessern wollen.
Mit diesem Vorwissen gelingt es besser, diesen Teil der Ausstellung aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. So ergibt die Kopie eines Wirbelsturmes in „The Limitations of Logic and the Absence of Absolute Certainty“ von Alistair McClymont plötzlich Sinn, und man ist davon fasziniert, wie ein Wirbelsturm mit Hilfe von 3 Ventilatoren nachgestellt wird: ein Ventilator zieht die Luft nach oben, während die anderen beiden die Luft drehen. David Bowen versucht noch etwas Anderes: er simuliert einen Windhauch mit „Tele-Present Wind“, bei dem sich getrocknete Pflanzen mechanisch im Gleichklang in Bewegung setzen.
Im RoboLab befindet sich auch eine Spiegelinstallation von ART+COM, die ursprünglich für die World Expo Shanghai 2010 entwickelt wurde. Sie setzt sich aus 100 weißen Prothesenhänden aus Otto Bocks Werkstätten zusammen, einem führenden Entwickler und Hersteller von Prothesen, dem ebenfalls ein Teil der Ausstellung gewidmet ist. Die Hände halten jeweils einen Spiegel und drehen sich um die eigene Achse. Die Spiegel reflektieren das Licht eines Scheinwerfers auf eine gegenüber liegende Wand. Zuerst schwirren die Lichtpunkte chaotisch umher, ehe sie sich zum chinesischen Schriftzeichen für Bewegung vereinigen.

Medizinischer Bereich

In Ebene -3 des Ars Electronica Centers wurde ein weiterer Teil der Ausstellung der Medizin gewidmet. Auch wenn dieser nicht direkt mit dem Thema Erinnerung in Verbindung gebracht wird, so beinhaltet er einige interessante Vergleiche zwischen früheren medizinischen Methoden und jenen, die aktuell entwickelt werden.
Ein Beispiel dafür ist die gedankengesteuerte Prothese, entwickelt von Otto Bock. Sie kann Gedanken direkt in Bewegung umsetzen. Für die Armprothese ist eine komplexe Operation notwendig, bei der die Nerven des Arms in die Brustmuskulatur verlagert werden. Diese Nerven werden direkt mit der Prothese verbunden. Im Schaft der Prothese sind Elektroden eingearbeitet, die die gedanklichen Steuersignale aufnehmen und mittels elektronischem Analyseverfahren die Signale als die gewünschte Bewegung erkennen und ausführen. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Prothesen ist dies ein enormer Fortschritt, da eine intuitive Nutzung dieser ermöglicht wird.
Als weitere medizinische Errungenschaft wurde das Retina-Implantat vorgestellt. Es handelt sich um eine intelligente Sehprothese, die ausgefallene Funktionen der Netzhaut ersetzen und blinden Menschen wieder eine Sehwahrnehmung ermöglichen kann. Die Patient_innen tragen eine Brille ähnlich einer Sonnenbrille, mit der Videobilder aufgenommen und drahtlos zu einem Chip geschickt werden. Die geschädigten Sehzellen werden mittels Elektronik umgangen, indem ein in die Netzhaut implantierter Chip die Sinnesreize über den Sehnerv an das Gehirn weiterleitet.
Noch ist das Projekt „Nautilos“ Zukunftsmusik, ausgeschrieben bedeutet es „Near-autonomous injectable optofluidic system“. Hierbei soll ein Mini-U-Boot in den menschlichen Körper injiziert werden, um kontinuierlich nach Krankheitserregern und Krebszellen zu suchen und diese zu bekämpfen. Im Moment arbeiten Wissenschaftler_innen daran, ein komplettes biomedizinisches Labor auf die Größe eines Quadratmillimeters zu schrumpfen. Da sich das Projekt noch im Anfangsstadium befindet, ist mit einer Realisierung frühestens in 15 bis 20 Jahren zu rechnen.
Anhand des Roboters „Da Vinci“, , der in Linz im Prostatazentrum der Barmherzigen Schwestern im Einsatz ist, erfährt man Interessantes über Roboter-Chirurgie. Weitere Schwerpunkte sind das menschliche Gehirn, der Sehsinn oder die Innenansicht des menschlichen Körpers. Auch die flauschige Roboter-Robbe „Paro“ wird vorgestellt, die in der Pflege, insbesondere bei der Betreuung von Demenz-Erkrankten, eingesetzt werden soll. Sie reagiert auf Berührungen mit Geräuschen oder Augenzwinkern und ist fähig, Stimmen zu unterscheiden, was die Patienten_innen anregen und gleichzeitig beruhigen soll.

„Elysian Fields“ von Ina Conradi Chavez (Text von Gudrun Mayer)

Am 6. September 2013 stellte Ina Conradi Chavez ihren 3D-Film „Elysian Fields“ persönlich vor, der in Gedenken an ihren Vater entstanden war. Der Aufbau des Films (zirka 11:00) entspricht einem Traum, in dem die Grenzen zwischen Kriegsfilm und animiertem Gemälde verschmelzen sowie Fantastisches und Historisches dicht ineinander verwoben sind. Beginnend mit einer Verfolgungsjagd zweier Flugzeuge in der Luft, die unweigerlich zum Scheitern verurteilt ist, werden Tod, das Leben nach dem Tod und die darauffolgende Wiedergeburt thematisiert – mit dem Ziel, den Menschen Hoffnung zu vermitteln, so Chavez. Dieser Gedanke wird mit einem Feld von Mohnblumen symbolisiert, das sich in Schlaf, Frieden und dem Tod eines der beiden Piloten auflöst.
Der Kurzfilm ist ein komplexes Gedankengeflecht, das durch Symbole verschlüsselt ist, was zur Folge hat, dass sich der Sinn des Filmes dem Zuschauer nicht sogleich erschließt. Beim ersten Ansehen fühlt man sich wie vor den Kopf gestoßen, da der Inhalt nicht sofort greifbar ist. Doch der Film fasziniert. Er regt zum Nachdenken, zum Diskutieren, zum Interpretieren an und spornt dazu an, mehr über den Hintergrund der Geschichte zu erfahren.

ikono On Air Festival (Internet-Ausstrahlung in mehr als 30 Ländern, 6.-29.9.2013)

Die mediale Aufbereitung von Kunst ist im Kommunikationszeitalter eine der wesentlichen Aufgaben von Museen und Forschungsstätten. Parallel zum Ars Electronica Festival läuft das „ikono On Air Festival“. Das 2006 von Elizabeth Markevitch gegründete Unternehmen, das seit 2010 24-stündig vor allem im Nahen Osten und nun auch in Österreich über Red Bull Media House empfangen werden kann, sendet Videokunst und tonlose Reportagen über historische Kunstwerke und Stile. Neben Bill Viola, Alfredo Jaar, Marcel Odenbach und Anthony McCall gehen im Rahmen des Festivals auch die Österreicher Kurt Hentschläger, Heinz Riegler und Hans Schabus mit „ikono On Air“.
Link für den Livestream: ikono.org/festival

Kurzbiografie von HR Giger (1940-2014)

1940 in Chur geboren (Graubünden, Schweiz) als Sohn eines Apothekers
1962 bis 1968 Umzug nach Zürich, studiert Architektur (Innenausbau) und Industriedesign an der Kunstgewerbeschule
1965 bis 1968 erste Arbeiten noch mit Spritztechnik (Farbe mit Sieb und Zahnbürste über dem Blatt spritzen)
Ende der 1960er prägt HR Giger den Begriff des „Biomechnoiden“: Natur und Technik, Mensch und Maschine sind zu einem Wesen verschmolzen
Ab 1970 Landschaften, Biomechanische Wesen, Dystopien
seit Herbst 1971 Arbeit mit dem Airbrush (Spritzpistole)
1979 internationaler Durchbruch mit seinem Design für Ridley Scotts „Alien“
1980 Oscar in der Kategorie „Best Achievement for Visual Effects“
Filmprojekte wie „Poltergeist II“ und „Alien III“, „Species“ (Entwurf einer Alien-Schönheit und einer phantastischen Eisenbahn)
Entwürfe für Plattencover; das Musikmagazin „Rolling Stone“ wählte die Cover für Debbie Harrys LP „Koo Koo“ und für Emerson, Lake and Palmers „Brain Salad Surgery“ unter die 100 besten der Musikgeschichte
1998 erster illustrierter Roman "The Mystery of San Gottardo" und Eröffnung des Museum HR Giger Château St. Germain im schweizerischen Gruyéres
Am 12. Mai 2014 starb H.R. Giger in Zürich (Schweiz).