Bernardo Bellotto: venezian. Vedutenmaler | ARTinWORDS

Bernardo Bellotto

Wer war Bernardo Bellotto?

Bernardo Bellotto, genannt Canaletto (Venedig 20.5.1722–17.10.1780 Warschau), war ein venezianischer Maler des Rokoko, der für seine realistischen Veduten europäischer Städte bekannt ist. Zu seinen wichtigsten Veduten zählen die Ansichten von Venedig, Florenz, Rom und Turin vor allem Dresden, Wien und Warschau. Bellotto gilt als einer wichtigsten Künstler Venedigs im 18. Jahrhundert. Neben Giovanni Battista Tiepolo (1696–1770), seinem Onkel und Lehrmeister Canaletto (Giovanni Antonio Canal) (1697–1768), Francesco Guardi (1712–1793) und Pietro Longhi (1701–1785) hielt Bellotto die Lagunenstadt in seinen Bildern fest. Damit führte Bellotto die Tradition der Vedutenmalerei seines Onkels zu einem Höhepunkt und exportierte dieses Genre nach Mitteleuropa. Hatte er anfangs bevorzugt die lebendige Atmosphäre Venedigs mit ihrem flirrenden Licht festgehalten, so schätzten die Auftraggeber:innen Bellottos an seinen Bildern fortan die scheinbar realistische, immer aber mit „Weitwinkel“-Perspektive aufgenommene Wiedergabe ihrer urbanistischen Leistungen.

Kindheit

Bernardo Bellotto wurde am 20. Mai 1722 – anderen Quellen nennen den 30. Januar 1721 – in Venedig in der Corte della Madonna im Stadtteil San Paolo geboren. Das war ein armes, aber altes Viertel mit bescheidenen Häusern. Bellotto war das vierte von fünf Kindern des Gutsverwalters Lorenzo Antonio und der Fiorenza Domenica (geb. Canal); der Vater saß zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis. Der Großvater mütterlicherseits und dessen Bruder waren bereits Theatermaler (Bühnenbildner), der Bruder der Mutter war der damals schon berühmte venezianische Vedutenmaler Canaletto (Giovanni Antonio Canal, 1697–1768).

Ausbildung

Das Talent des jungen Bernardo Bellotto wurde von seinem Onkel Canaletto früh entdeckt, dem berühmtesten Vedutenmaler in Venedig. Bereits im Alter von 14 Jahren trat Bellotto 1736 in die Werkstatt des älteren Canaletto ein, im Haus 5485 im Stadtteil Castello. Im Jahr 1738 – als 16-Jähriger (!) – wurde das Wunderkind Mitglied der Malerzunft. Formell konnte Bellotto nun selbstständig tätig werden. Über die folgenden Jahre bis 1742 ist kaum etwas bekannt. In dieser Zeit entstanden jedoch etwa 300 der 564 erhaltenen Zeichnungen und weniger als 20 ihm zugeschriebene Veduten. Es ist außerordentlich schwierig, den Stil von Onkel und Neffe zu unterscheiden. Eine weitere Erschwernis stellt die Tatsache dar, dass Bellotto den Künstlernamen Canaletto vom Onkel übernahm, vermutlich um seine Bilder unter dem „Markennamen“ zu verkaufen. Die Hauptunterschiede zwischen Bellottos und Canalettos Werken sind laut Kowalczyk eine genauere Beobachtung und Wiedergabe der Architektur, eine dynamischere Behandlung von Himmel und Wasser und stärkere Licht-Schatten-Kontraste bei Bellotto.

Vedute und die Grand Tour

Das Genre der Vedute, die ihre Wurzeln im 16. Jahrhundert hat, sucht im 18. Jahrhundert eine Landschaft oder ein Stadtbild möglichst wirklichkeitsgetreu wiederzugeben – eine quasi-realistische, großformatige Schilderung des Stadtpanoramas. Im Zentrum einer Vedute steht meist ein Platz, eine Straße, ein Kanal oder ein Fluss, die eine perspektivische Tiefenerstreckung zeigen. Wichtige Monumente einer Stadt oder auch besondere Festlichkeiten wurden im Bild verewigt. Die Vedute geht dabei nicht allein auf bestimmte Auftraggeber:innen zurück, sondern wurde mehr und mehr ein Marktprodukt, was an der Karriere Canalettos deutlich nachzuweisen ist (→ Canaletto in der Royal Collection).

Die an Kunstschätzen reiche Stadt Venedig entwickelte sich zu einer der ersten Städte, die zu Teilen auch vom Tourismus leben: Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts strömten jährlich fast 30.000 Auswärtige in die Stadt. Ein Besuch Venedigs gehörte bald zum klassischen Bildungsprogramm der Italienreisenden, und so fand die Vedute dank der Grand Tour, mit der vor allem junge Adelige Europa kennenlernen sollen, Verbreitung als Souvenir. Bellotto malte etwa 20 großformatige Veduten von Venedig, um die Nachfrage des internationalen Klientels zu befriedigen.

Bellottos Arbeitsmethode und seine Maltechnik

Bei der Anfertigung einer Vedute ging Bellotto stets ähnlich vor. Zunächst fertigte er mehrere kleine und mittlere Zeichnungen mit Hilfe einer Camera obscura an. Die Lochkamera ist ein dunkler Holzkasten, durch den ein schmales Loch Licht fällt; auf der Rückwand entsteht ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes Bild. Dieses verarbeitete Bellotto in einer großen, mit einem Lineal sehr genau ausgeführten Zeichnung auf lichtdurchlässigem Papier. Diese Zeichnungen quadrierte Bellotto im Anschluss, d. h. er versah sie mit einem Liniengitter. Mit Hilfe der Quadrate konnte Bellotto das Motiv des Gemäldes vergrößert und proportionsgerecht auf die Leinwand übertragen.

Doch sind Bellottos Veduten von Venedig und anderer Städte keine genauen Übertragungen des Sichtbaren, sondern weisen eine gesteigerte Wirkung der Perspektive und der tiefen Fluchten auf. Sein Onkel Canaletto hatte diese Technik als Maler von Bühnenbildern für die venezianische Oper gelernt. Bellotto nutzte die Stadt als „Bühne“, das „Personal“ war die Stadtbevölkerung, die Geschichte schrieb der Alltag. Belotto dokumentierte in seinen ersten Skizzen einfache Alltagsszenen seiner Heimatstadt, wobei die Architektur zur Hauptdarstellerin wird.

Ergänzend fertigte Bellotto auch Skizzen architektonischer Details und freie Skizzen der Staffagefiguren im Maßstab des Gemäldes an. Diese Zeichnungen wurden gewöhnlich sorgfältig aufbewahrt, denn sollte ein Bild nochmals nachgefragt werden (was oft geschah), konnte Bellotto anhand der Zeichnungen Wiederholungen der Motive – auch in verschiedenen Größen – anfertigen.

Die vorgeleimte (d. h. mit Leim bestrichene) Leinwand wurde zunächst einmal mit rotem bolo veneziano (Bolusgrundierung) bestrichen und dann noch zwei weitere Mal grundiert. Auf die fertige Grundierung zeichnete Bellotto ein Gitternetz entsprechend der Quadrierung auf der Zeichnung, in das er die Zeichnung mit dunkelbraunem Pinselstrich vergrößert übertrug. Manche Kompositionslinien und architektonische Details zog der Maler mit dem Lineal nach, sie sind oft noch mit bloßem Auge erkennbar. Der Venezianer trug die Schattenpartien mit lasierender Farbe auf, sodass die Grundierung durchscheint. Die deckenden Partien führte er mit pastoser Ölfarbe aus. Für feine Linien verwendete Bellotto Tempera. Manche Linien betonte er, indem er sie in die frische Farbe einritzte. Zuletzt führte Bellotto die Staffagefiguren aus.

Padua, Florenz, Rom (1741/42)

Vor seiner Hochzeit mit Maria Elisabetta Pizzorno am 5. November 1741 reiste Bellotto zusammen mit seinem Onkel Giovanni Antonio Canal durch das Umfeld von Venedig, entlang der Riviera del Brenta und nach Padua. Die auf dieser Kunstreise entstandenen Zeichnungen dienten dem Maler später als Vorbilder für seine Capricci, demgegenüber entstand nur ein einziges Gemälde als Resultat der Fahrt.

Im Frühjahr 1742 begab sich der jung vermählte Bellotto allein über Florenz, Lucca und Livorno nach Rom, wo er erst im Frühsommer ankam. In Florenz entstanden drei Bildpaare, in Lucca nur eine von vermutlich fünf geplanten Ansichten der Stadt. Sein erster Auftrag in der Toskana war eine Ansicht der Piazza della Signoria, vermittelt durch seinen Onkel Canaletto. Obschon in Florenz, blieb Bellotto seinem venezianischen Stil treu und zeigt den Bildaufbau der Piazza della Signoria aber auch Ansichten des „Arno in Richtung des Ponte Vecchio“ oder „Arno vom Ponte Vecchio“ wie seine Ansichten des Markusplatzes. Das Licht ist gebrochen, und er spielt mit Wasserreflexionen. Nach vier Ansichten von Florenz machte sich der venezianische Maler nach Lucca auf, wo er die „Piazza di San Martino“ festhielt. Vermutlich beauftragte ihn dazu ein venezianischer Bischof. Die Zeichnungen aus Lucca entstanden nach dem „Canaletto-System“1, das heißt nach Einzelaufnahmen vor Ort. Entsprechend der Horizontlinie bewegte Bellotto die Camera obscura in verschiedene Richtungen. Dadurch entsteht ein Effekt, der heute als Weitwinkelaufnahme bezeichnet wird. Im Atelier fügte Bellotto die mit Bleistift ausgeführten Einzelaufnahmen zu einer großen Federzeichnung (ohne Schatten) zusammen. Ein hoher Standpunkt vermeidet stürzende Linien, beispielsweise indem er erstmals auf das Dach des Erzbischöflichen Palast stieg. So „korrigierte“ Bellotto die Wirklichkeit.

Nach Florenz und Lucca reiste Bernardo Bellotto in Begleitung seines Onkels nach Rom, wo er die antiken Ruinen und Gebäude studieren wollte. In Rom fertigte Bellotto im Laufe von kaum zwei Monaten Dutzende von Zeichnungen an. Im Juli 1742 hielt sich Bernardo Bellotto bereits wieder in Venedig auf, wo er erst Ende 1742 und 1743 zu 16 Ansichten von Rom verarbeitete. Ein Großteil seines sehr atmosphärischen Rom-Zyklus zeigt hauptsächlich antiker Ruinen. Der Maler interessierte sich für die antiken Proportionen, die er in venezianische Lichtstimmungen tauchte: das Pantheon, die Engelsburg, das Kolosseum. Mit diesen Ansichten war Bellotto endgültig aus dem Schatten seines Onkels herausgetreten und hatte sich von dessen Einfluss befreit.

Venedig, Turin (1742/43)

Die Monate von der Heimkehr aus Rom bis Ende 1743 verbrachte Bellotto mit der Anfertigung der 16 Ansichten Roms. Aber auch das sich permanent verändernde Venedig bot reiche Möglichkeiten, sich mit dem Stadtbild zu beschäftigen. Auch wenn Canaletto und Bellotto die gleichen Motive festhielten und mit dem gleichen Namen signierten, so zeigt sich in der Gegenüberstellung die unterschiedlichen Herangehensweisen der beiden Künstler: Canaletto zeigt die Stadt nüchterner, während sein Neffe einen lebendigeren Malstil bevorzugte und den Verfall der Stadt thematisierte. Diagonale Schatten und die an deren Rändern stehenden Figuren machen zudem seine Kompositionen einzigartig. Im August 1743 stellte Bellotto erfolgreich im Salon venezianischer Maler aus. Damit war er als anerkannter Künstler dem großen Canaletto gleichgestellt.

Erst ab 1744 ging Bellotto wieder auf kurze Reisen. Vermutlich fuhr er jeweils in den Frühlings- und Sommermonaten zu kurzen Abstechern aus Venedig fort. In dieser Zeit entstanden etwa 20 Veduten aus der Lombardei, dem Piemont und Verona sowie etwa ebenso viele Capricci. Der Österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748) machte offenbar die Auftragslage schwieriger.

Die Maltechnik Bellottos wurde in dieser kurzen Zeit enorm bereichert: kühle Farbtöne, starke Licht-Schatten-Kontraste, eine von der Diagonalen bestimmte Bildkomposition und ein unnatürlich tiefer Horizont. Der Maler präsentiert eine Bühne, auf der das Stadtleben „gespielt“ wird. Hinzu trat als neues Bildsujet auch die ländliche Landschaft. Während bei seinem Onkel Canaletto die Stadt „aufgeräumt“, d. h. von allem Unansehnlichen befreit wurde, um ein Idealbild zu schaffen, bezog Bellotto das tägliche, alltägliche Leben in seine Bilder ein. Ein Vorgehen, das eher auf das nächste Jahrhundert voraus- als in die Vergangenheit zurückweist. Mit zunehmender technischer Sicherheit vergrößerte Bellotto auch das Bildformat.

Im Jahr 1745 erhielt Bellotto von Karl Emanuel III., Herzog von Savoyen und König von Sardinien, den Auftrag für zwei Veduten von Turin. Obwohl dieser königliche Auftraggeber nicht dem Kundenkreis seines Onkels entsprach, signierte er dennoch mit dessen Künstlernamen, der offensichtlich immer noch Klang besaß: „BERNARDO BELLOTTO / DT. IL CANALETTO“. Erstmals bezog Bellotto hier auch die ländliche Landschaft in die Stadtansicht mit ein. In den Veduten von Verona gelang es ihm, die Individualität dieser Stadt darzustellen. Das tritt besonders im Vergleich mit Veroneser Veduten anderer Meister zutage und wird in seinen späteren Wiener, Dresdner und Warschauer Bildern noch deutlicher.

Dresden I (1747–1758)

Warum Bellotto sich 1747 entschloss, Venedig den Rücken zu kehren, ist nicht bekannt. Der Wegzug hatte sicher mehrere Gründe. Neben dem Tod von drei Kindern in vier Jahren war es wohl auch die Befürchtung, in Venedig geschäftlich erfolglos zu sein und künstlerisch zu verkümmern. Nach dem 5. April 1747 fuhr Bellotto nach Dresden, um dort die Bedingungen seiner Anstellung am kurfürstlichen Hof auszuhandeln. Er kehrte noch einmal kurz nach Venedig zurück und verließ zusammen mit seiner Frau, dem fünfjährigen Sohn Lorenzo und einem Diener seine Heimatstadt im Juli 1747 für immer.

Dresden, in dem sich der 25-jährige Maler 1747 niederließ, war nicht nur die Hauptstadt des Kurfürstentums Sachsen, sondern in Person des Kurfürsten Friedrich August II. auch Residenz des polnischen Königs (als August III.). Der Kurfürst und König war ein außergewöhnlicher Kunstkenner und einer der international renommiertesten Mäzene. Augusts Vorliebe für zeitgenössische venezianische Malerei wurde von seinem Ersten Minister, Graf Heinrich von Brühl, maßgeblich unterstützt. Vermutlich vermittelt durch den Diplomaten und Kunstkenner Francesco Algarotti (1712–1764), ernannte der König Bellotto zum Hofmaler mit einem Jahresgehalt von 1750 Talern. Weitere Zeichen der hohen Wertschätzung waren eine goldene Tabaksdose und die Übernahme der Patenschaft seiner vier in den Jahren 1748 bis 1752 geborenen Töchter durch das Königspaar, Mitglieder des Fürstenhauses und den Grafen und die Gräfin Brühl.

In dieser ersten Dresdner Zeit von 1747 bis 1758 perfektionierte Bellotto die Kenntnisse, die er in seiner Ausbildungszeit und während seiner Reisen durch Italien erworben hatte. Er ergänzte sie durch das Studium der holländischen Kunst in der kurfürstlichen Sammlung und wandte sein gewachsenes Können in der Anfertigung mehrerer Vedutenzyklen in königlichem Auftrag an. Ein Hauptzyklus von 14 Dresdner Ansichten (Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden) entstand bis 1754. Wie seine Venedig-Bilder wählte Bellotto nun die Elbe mit der Frauenkirche als Motiv eines Bildes. 13 der 14 Panoramen wurden für den Grafen Brühl in gleicher Größe nochmals angefertigt. In den Jahren 1753 bis 1756 schuf er einen weiteren Zyklus von elf Ansichten der kleinen Stadt Pirna, südlich Dresdens an der Elbe gelegen. Von denen wiederum wurden acht für den Grafen Brühl reproduziert.

Canaletto, wie er sich nun nannte, nahm sich in den zahlreichen Ansichten der Stadt Dresden einige künstlerische Freiheiten: Er malte manche Gebäude in vollendetem Zustand, obwohl sie zur Entstehungszeit der Gemälde noch im Bau waren. Aber er zeigt auch das Errichten neuer Architekturen, ein Symbol für den sich kümmernden Herrscher. Dem König lag wohl daran, die sich verändernde Stadt, sein „Elbflorenz“, in dokumentarisch anmutenden, minutiösen, topografischen Schilderungen festzuhalten. Seine deutschen Künstlerkollegen, der Hofmaler Johann Alexander Thiele und sein Schüler Christian Wilhelm Ernst Dietrich, zeigen Dresden in verklärend romantischer Sicht. Weiters setzte Bellotto fast alle seine Gemälde auch in großformatigen Kupferstichen um; in Dresden entstand die umfangreichste Druckserie seiner Laufbahn. Damit trug Bellotto wesentlich zur Verbreitung von Dresden als luxuriöser, barocker Ort bei. Nach nur einem Jahr war Bellotto der verehrteste Künstler in Dresden.

Sein berühmtestes Bild – „Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke“ (1748) – zeigt das rechte Elbufer mit dem eingerüsteten Turm der Hofkirche, der zur Entstehungszeit des Gemäldes allerdings erst in den unteren Stockwerken ausgeführt war. Bellotto behalf sich mit den Bauplänen eines befreundeten Architekten und vervollständigte den Turm. Deshalb wurde Bellotto bereits häufig mit einem Filmregisseur verglichen. Weiters ist das gängige Format der Dresdner Veduten-Serie 135 x 235 cm, was fast dem heutigen 16:9 Film- und Fernsehformat entspricht. Das Werk, das heute den „Canaletto-Blick“ bestimmt, war das zweite Panorama Bellottos in Dresden. Bis heute prägt das Bild die Vorstellung von Dresden aus dem 18. Jahrhundert, obwohl es eine Mischung aus Realität und Fiktion darstellt. Die Blüte der Stadt ging noch zu Lebzeiten des Künstlers fast unwiederbringlich verloren.

Fünf Veduten der Festung Königstein im Elbsandsteingebirge konnte Bellotto nur nach eigenen, 1755/1756 entstandenen, Zeichnungen in den Jahren 1757/58 vollenden. 1756 begann der Siebenjährige Krieg; Pirna und Königstein waren Hauptkampfgebiete. Da im Verlauf des Krieges Sachsen gänzlich von preußischen Truppen besetzt wurde, war die Auftragslage für Bellotto sehr schlecht. Sein Auftraggeber, August der II. (1733–1763), begab sich zudem ins Exil nach Warschau. Vermutlich fürchtete Canaletto um die Bezahlung seiner Arbeiten vom Königstein, denn er verkaufte sie kurz nach ihrer Entstehung an Kunsthändler, die sie an englische Adelsfamilien veräußerten. Um Geld zu verdienen, war der Künstler gezwungen, auf Wanderschaft zu gehen, und reiste um den Jahreswechsel 1758/1759 ab.2

Wien und München (1759–1761)

Am 5. Dezember 1758 wurde für Bernardo Bellotto ein Passierschein nach Bayreuth ausgestellt. Vermutlich ging er dorthin auf Empfehlung des Architekten und Bühnenbildners Giuseppe Galli Bibiena, der bereits 1747/48 das Bayreuther Theater errichtet und den Bellotto in Dresden kennengelernt hatte. Versuche, dort Arbeit zu finden, blieben jedoch anscheinend erfolglos, da der Künstler schon im Januar 1759 nach Wien kam. Hier arbeitete Bellotto zunächst für zwei Vertreter des hohen Adels, Fürst Wenzel Anton von Kaunitz-Riedberg und Fürst Joseph Wenzel von Liechtenstein (→ Wien | Gartenpalais Liechtenstein: Joseph Wenzel und seine Kunst). In die Veduten ihres Gartenpalais integrierte er erstmals detaillierte und anspruchsvolle Porträts der Auftraggeber.

Vermutlich für den Kaiserhof schuf Bellotto sechs, als Pendants konzipierte, Wiener städtische Interieurs, dazu zwei Ansichten von Schloss und Park Schönbrunn, ein Panorama der Stadt vom Belvedere und vier Ansichten von Schloss Hof (insgesamt 13 Bilder). Vermutlich dienten sie als Ausstattungsstücke eines Raumes in einem kaiserlichen Schloss, doch 1781 waren sie in der Burg in Preßburg aufgehängt; erst 1881 waren die Gemälde erstmals im Oberen Belvedere ausgestellt. Da Bellotto insgesamt nur etwas mehr als zwei Jahre in Wien blieb, lässt sich errechnen, dass er im Durchschnitt er für jede dort entstandene Vedute durchschnittlich sechs bis sieben Wochen benötigte.

In Wien erhielt Bellotto auch Nachricht von der Zerstörung seines Hauses und der Vernichtung eines Teils seiner Kunstwerke durch preußisches Bombardement vom 14. bis 20. Juli 1760. Seine Frau und Töchter blieben unversehrt, aber der Schaden durch Vernichtung eines Teils seiner Kunstwerke und Druckplatten belief sich auf 50.000 Taler.

Ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben Maria Theresias, zog Bellotto im Jänner 1761 weiter nach München, wo er auf den sächsischen Thronfolger Friedrich Christian von Sachsen traf, der bei seinem Schwager, Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern, Zuflucht gesucht hatte. Vermutlich als Geschenk für ihre Gastgeber ließ das Thronfolgerpaar zwei Ansichten von der Sommerresidenz Schloss Nymphenburg und ein Panorama von München malen (Kurfürstenzimmer der Münchner Residenz).

Dresden II (1761–1764)

Ende 1761 kehrte Bellotto in das kriegszerstörte Dresden zurück, auch seine Wohnung hat es getroffen. Die Darstellung der zerstörten Kreuzkirche im Jahr 1765 verarbeitet diesen Verlust; es ist so realitätsnah wie kaum ein anderes Gemälde des venezianischen Künstlers. Im Mittelpunkt steht jedoch die Überwindung des Krieges und der Wiederaufbau.

„Nach unserer Rückkehr im Februar des Jahres 1762 haben wir nichts anderes vorgefunden als einen Haufen Schrott. Die Schäden, die mir dieser Krieg bis jetzt zugefügt hat, lassen mich angesichts meines Alters jede Hoffnung verlieren, meinen Erben etwas zu hinterlassen. Über das, was ich verloren habe, und für das, was ich trotz all dieser Turbulenzen bis zu meinem Tod hätte weitermachen können.“3 (Bernardo Bellotto, Catalogo de‘ Danni)

Als im Oktober 1763 König August III. und Graf Heinrich von Brühl verstarben, verlor Bellotto seine wichtigsten Förderer. Die Nachfolger interessierten sich nicht mehr für die Rokoko-Veduten Bellottos. Die ab 1764 entstehende Akademie orientierte sich deutlich am aufkommenden, idealisierenden Klassizismus. Zwar wurde Bernardo Bellotto als Professor für Perspektive in die Akademie aufgenommen, doch sein Gehalt wurde auf 600 Taler gekürzt. Da er keine Aufträge für Veduten mehr erhielt, konzentrierte sich Bellotto nach mehreren Allegorien im Jahr 1762 auf Capricci. Diese Gattung war ihm bekannt, denn er hatte bereits in Italien ein knappes Dutzend Capricci gemalt. Neu ist aber, dass die Architekturphantasie in „überbordender“ Weise die ganze Bildfläche füllt. Bevölkert werden diese prunkvollen Freitreppen und Arkadenhallen von Vertreter:innen des „einfachen Volks“ und den niedrigeren sozialen Schichten. Neben einer Vedute Dresdens, die er – vermutlich im genauen Wissen um die Ablehnung, die sein Malstil und das Sujet bei der Beschenkten auslösen – der Akademie schenkte, entstanden nun auch Darstellungen der Pirnaer Vorstadt und der Kreuzkirche, die 1760 während des Siebenjährigen Krieges zu großen Teilen zerstört worden war.

Warschau (1764–1780)

Bernardo Bellotto fand offensichtlich in Dresden kein Auskommen mehr. Er suchte einen neuen Wirkungsort und fand ihn vermeintlich in Sankt Petersburg, am Hofe von Zarin Katharina II. Allerdings kam er nicht bis dorthin. Auf halbem Wege verblieb er am Hofe des neuen polnischen Königs, Stanisław II. August. Dessen Geschmack war noch barock geprägt, und er verehrte die venezianische Malerei, Stanisław II. August war hochgebildet und sprach mehrere Sprachen, darunter Italienisch. An seinem Hofe hatte er eine ganze Reihe italienischer Künstler versammelt, was dem sprachlich völlig unbegabten Bellotto entgegenkam. Canaletto wurde am Warschauer Hof nicht zum Hofmaler ernannt, sondern er arbeitete mit anderen Künstlern im sogenannten „Kunstdepartement“ zusammen.

Die Hauptbauaufgaben am Hofe waren die Modernisierung des königlichen Schlosses in Warschau, dazu das Krongut 1764 bis 1786, sowie der Umbau des dem König privat gehörenden Schlosses Ujazdów bei Warschau von 1766 bis 1771. Das Schloss Ujazdów war als Ersatzresidenz für die Dauer der Bauarbeiten am Warschauer Schloss gedacht und musste mit sämtlichen repräsentativen Räumlichkeiten ausgestattet werden. Hier konnte Bellotto mitarbeiten. Er stattete (nach den vorliegenden Quellen) einen ganzen Raum aus, der sogar nach ihm benannt wurde; unklar ist, ob er tatsächlich Fresken malte. Ebenfalls für Ujazdów schuf Bellotto 16 Rom-Ansichten nach Radierungen von Piranesi sowie die ersten Warschau-Veduten. Beim Rom-Zyklus, der 1768/69 datiert ist, half ihm der Sohn Lorenzo Bellotto, der aber schon 1770 verstarb. Teilweise sind wohl Rom- und Warschau-Veduten im Zusammenhang zu sehen: im direkten Vergleich sollten die beiden als einander ebenbürtig dargestellt werden – auch Venedig wurde oft als altera Roma, als zweites Rom beschrieben.

König Stanisław August war nicht in der Lage, die Umbauten in Ujazdów zu Ende zu führen, und beschloss daher, sich auf das Warschauer Königsschloss zu konzentrieren. Dorthin wurden die Veduten 1777 transferiert und im Senatorenvorzimmer aufgehängt. Deren Holzvertäfelung mussten den Gemälden angepasst wurde. Zu den bereits vorhandenen malte Bellotto weitere Warschau-Veduten, teils in kleinerem Format, sodass schließlich 22 Bellotto-Gemälde den Saal zierten. Darunter befindet sich ein prunkvolles Historienbild (eine für Bellotto ungewohnte Gattung), das die Wahl Stanisław August Poniatowskis zum polnischen König darstellt. Der Künstler, obwohl selbst bei diesem Ereignis nicht anwesend, stellte sich mit seinen Töchtern als Zuschauer dar. Die übrigen Bilder sind Warschauer Ansichten, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs als Vorlagen für den Wiederaufbau der Altstadt genutzt wurden – auch wenn es architektonische Details so nie gegeben hat. Damit ist Warschau neben Dresden, Wien und Venedig jene Stadt, in der der „Canaletto-Blick“ bis ins 20. und 21. Jahrhundert prägend reichte.

Auf diesen Warschauer Veduten widmet Bellotto der Staffage viel mehr Aufmerksamkeit als noch in Dresden. Man schätzt, dass circa 3000 Personen auf den Warschauer Bildern dargestellt sind, davon etwa die Hälfte in Stand und Beruf eindeutig identifizierbar. Die beiden Versionen der Wahl Stanisław Augusts und der Einzug des Gesandten Jerzy Ossoliński in Rom im Jahre 1733 sind mit Personen gefüllt, die trotzdem zum Teil identifizierbar sind.

Tod

Bernardo Bellotto starb im Alter von 58 Jahren unerwartet am 17. Oktober 1780 in Warschau. Die Todesursache war ein Gehirnschlag (Apoplexie).

Literatur zu Bernardo Bellotto, genannt Canaletto

  • Die Stadt als Bühne – Der Maler Bernardo Bellotto genannt Canaletto, ARTE-Dokumentation (ZDF), Regie: Leif Karpe und Christoph Goldmann, Italien/Deutschland/Österreich 2022.
  • Franceso Nevola, Giovanni Battista Piranesi’s origins as a vedutista: the impact of Canaletto and Bellotto, in: ders.: Giovanni Battista Piranesi – predecessori, contemporanei e successori. Studi in onore di John Wilton-Ely (Studi sul Settecento Romano, 32), Rom 2016, S. 59–82.
  • Canaletto. Bernardo Bellotto malt Europa, hg. v. Andreas Schumacher (Ausst.-Kat., Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek München), München 2014.
  • Günther Heinz, Bernardo Bellotto in Wien. Das Malerische als Ausdruck des Veränderlichen und die Statik des Architektonischen, in: Karl Schütz, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Claus Jesina (Hg.), Günther Heinz. Virtuosentum versus Pedanterie, Wien 2013, S. 223–233.
  • Bernardo Bellotto – der Canaletto-Blick, hg. v. Andreas Henning (Ausst.-Kat., Staatliche Kunstsammlungen Dresden), Dresden 2011.
  • Bożena Anna Kowalczyk (Hg.), Canaletto e Bellotto. L’arte della veduta, Mailand 2008.
  • Bernardo Bellotto, genannt Canaletto. Europäische Veduten, hg. v. Wilfried Seipel (Ausst.-Kat. Kunsthistorisches Museum, Wien), Wien/Mailand 2005.
  • Stefan Kozakiewicz, Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, Recklinghausen 1972.
  • Bernardo Bellotto, genannt Canaletto (Ausst.-Kat., Belvedere, Wien), Wien 1965.

Beiträge zu Bernardo Bellotto genannt Canaletto

20. Oktober 2022
Bernardo Bellotto gen. Canaletto, Die Kirche SS. Giovanni Paolo und die Scuola di San Marco in Venedig, 1740, Feder, braune Tinte über Bleistift (Hessisches Landesmuseum Darmstadt)

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21. Mai 2022
Bernardo Bellotto, Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke, Detail, 1748 (© Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Estel/Klut)

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1. März 2022

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10. August 2021
Bernardo Bellotto, Festung Königstein: Hof mit Brunnenhaus, Detail, 1756–1758, Öl/Lw, 133.9 × 238 cm (Manchester Art Gallery © Manchester Art Gallery, UK / Bridgeman Images)

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20. Dezember 2019
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29. Juni 2017
Friedrich Heinrich Füger, Kaiserin Maria Theresia im Kreise ihrer Kinder, 1776, Tempera auf Pergament 34,2 x 39 cm Rahmenmaße: 48 x 53 x 6 cm © Belvedere, Wien

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  1. Siehe die Publikationen von Bozena Anna Kowalczyk.
  2. Im Jahr 2014 kehrten zwei der fünf Veduten der Festung Königstein erstmals nach Deutschland an ihren Entstehungsort zurück. Vom 11. April bis zum 2. November 2014 waren sie in einer Sonderschau auf der Bergfestung als Leihgaben der Manchester City Galleries zu sehen. Es sind die beiden Innenansichten vom Festungsplateau. Sie vermitteln ein detailreiches Bild vom Alltagsleben auf dem Königstein.
  3. Das einzigartige Dokument wurde von Bellottos Tochter nach Vilnius gebracht. Die Kunsthistorikerin Eva Manikovska entdeckte es in der Bibliothek.