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Der moderne Garten in der Malerei von Monet bis Matisse Impressionsmus und Natur

Joaquin Sorolla, Louis Comfort Tiffany, 1911, Öl auf Leinwand, 150 x 225.5 cm, On loan from the Hispanic Society of America, New York, NY, Photo © Courtesy of The Hispanic Society of America, New York.

Joaquin Sorolla, Louis Comfort Tiffany, 1911, Öl auf Leinwand, 150 x 225.5 cm, On loan from the Hispanic Society of America, New York, NY, Photo © Courtesy of The Hispanic Society of America, New York.

Eigentlich müsste die Ausstellung „Der moderne Garten in der Malerei von Monet bis Monet“ heißen, auch wenn die Überbetonung dieses einen Künstlers den Leistungen der anderen Malerinnen und Maler nicht gerecht werden würde. „Gärtnern war etwas, das ich in meiner Jugend lernte, als ich unglücklich war. Ich verdanke es vielleicht den Blumen, dass ich Maler geworden bin“1, resümierte Claude Monet am Ende seines Lebens. Die kontrastierende Farbenpracht frisch gezüchteter Pflanzen, exotische Importe und der Reichtum an Blüten in verschiedensten Formen kennzeichnen die Gartenkunst des 19. Jahrhunderts und inspirierten die Impressionist_innen und ihre Nachfolger_innen, die an neuen Farb- und Raumkonzepten arbeiteten. Wenn auch nicht so signifikante Erfindungen wie der barocke Garten oder der englische Landschaftsgarten mit diesem Jahrhundert verbunden werden können, so waren es doch die Veränderungen der Großstädte mit ihren weitläufigen Parkanlagen, die besseren Transportmöglichkeiten und die internationalen Pflanzenschauen, die Gärtner zu prächtigen Pflanzungen führten. Monet am Anfang und Matisse am Ende zu setzen, meint nicht nur zwei Meister der Moderne anzuführen, sondern auch die Avantgarde von Amerika bis Spanien und Schweden und ihre Begeisterung für die kontrollierte Natur zu erforschen.

Claude Monet und der moderne Garten

„Er liest mehr Kataloge und Preislisten über Gartenbau als Artikel über Ästhetik.“2 (Maurice Guillemot über Claude Monet, 1897)

Claude Monet (1840–1926) ist sicher einer der bedeutendsten Künstler in der Geschichte des Gartenbildes. Doch nicht nur in seiner Malerei, sondern auch als Gärtner beschäftigte sich Monet sein gesamtes Leben mit der Kultivierung von Pflanzen. Überall wo er lebte, in Sainte-Adresse, Argenteuil und Vétheuil bis zu seinem letzten Domizil in Giverny, legte er einen Garten an, der ihm gleichermaßen als Erholungsort und Motiv für seine Gemälde diente. Dass eine Reihe von Künstlern seinem Beispiel folgte, hing nicht nur mit Monets Vorbildwirkung als Künstler-Gärtner zusammen, sondern mit einem gesteigerten Interesse an dem Thema in der Gesellschaft allgemein: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Gartenschauen wichtige Bestandteile internationaler Messen. Die wachsende Mittelschicht verfügte über mehr Freizeit, und Gärten stillten das Bedürfnis nach Schönheit und Exotik. Eine wachsende Zahl an Garten-Magazinen und Gartenbaugesellschaften war die Folge. Neu importierte Pflanzenarten aus Afrika, Asien, Nord- und Südamerika, verbunden mit Fortschritten in der Botanik, führten zur Produktion von größeren, intensiver farbigen Hybriden mit variantenreicheren Formen und Größen. Der Chemiker Michel-Eugène Chevreul (→ Farbe in der Kunst) hatte mit seinem hochgelobten Buch „De la loi du contraste simultané des couleurs (Die Prinzipien von Harmonie und Kontrast von Farben)“ (1839), in dem er Grundlegendes zu Farbwirkungen wie den Komplementärkontrast vermittelte, nicht nur großen Einfluss auf Maler, sondern auch auf Gartengestalter. An diesen neuen Gärten entzündete sich die Fantasie der Maler, die in der Darstellung von Gärten neue Wege gingen.

Nicht nur die Impressionistinnen und Impressionisten wie Gustave Caillebotte (1848–1894) und Camille Pissarro (1830–1903) ließen sich von Monet zu Gartenbildern anregen, sondern auch eine überraschend große Zahl an Künstler_innen aus den folgenden Künstlergenerationen vom Symbolismus, Neo-Impressionismus bis zur Klassischen Moderne: John Singer Sargent, Henri Le Sidaner, Pierre Bonnard, Joaquín Sorolla, Max Liebermann, Gustav Klimt, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Emil Nolde und Henri Matisse gehören zu den wichtigsten Garten-Malern des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. William H. Robinson, Kurator der Ausstellung „Painting the Modern Garden“, stellt die spannende Frage, wie diese Künstler das traditionsreiche Thema3 mit ihrem Anspruch einer neuen Malerei vereinen konnten.

Der moderne Garten des 19. Jahrhunderts

Im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl und Größe von Gartenbauschauen in Europa und Nordamerika exponentiell zu. Erstmals in der Geschichte der Gartenkunst Europas wurden Blumen zentral, da sie in mehr Farben, Formen und Varianten gezüchtet werden konnten. Der wirtschaftliche Aufstieg der Mittelklasse bedeutete, dass Gärten nun für mehr Menschen zugänglich wurden, egal ob es sich um Stiefmütterchen im Fensterkasten, Rosen vor oder hinter dem Haus oder den städtischen Park handelte. Im Kontrast zum englischen Landschaftsgarten, der vorbildhaft für das 18. Jahrhundert war, wurden nun Blumenbeete zur „Dekoration“ angelegt. Dazwischen verteilten die Gärtner immer wieder Bäume und Büsche, um Kontraste zu setzen.

Im Paris der 1850er und 1860er Jahre dominierten die baumgesäumten Prachtstraßen und die ersten Parkanlagen inmitten der Stadt den Eindruck der modernen Metropole. Der Gartenfachmann Edouard André, der auch die „Revue horticole“ herausgab, war ein Mitarbeiter im Stab Haussmanns. Gemeinsam mit dem Hauptgärtner von Paris, Jean-Pierre Barillet-Deschamps und dem Chef-Ingenieur, Jean-Charles Adolphe Alphand entwarf er die Champ-Elysées Gärten auf einer Fläche von 1 Hektar Land. Es lösen sich wellige Rasenflächen mit leicht erhöhten Blumenbeeten ab, durchzogen von verschlungenen Wegen. Dass Renoir in seiner Darstellung von „Die Champs-Elysées während der Weltausstellung von 1867“ keine blühenden Blumenrabatte im Vordergrund malte, musste für die Gärtner als Niederlage gedeutet werden.

Aber auch so spektakuläre Entwürfe wie den Park von Buttes-Chaumont, der als Kunstlandschaft auf das steile Gelände eines Steinbruchs am Rande der ehemaligen Müllkippe von Paris errichtet wurde, waren beliebt. Diese „grünen Lungen“ sollten der städtischen Bevölkerung zu einem gesünderen Lebensstil verhelfen sowie erzieherisch und moralisch auf sie einwirken. Die Liebe zur Blumen wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gleichgesetzt mit Kultiviertheit, Erziehung, guten Geschmack.

Die größte Veränderung in der Gartenkunst brachte der so genannte Wardʼschen Kasten, ein transportables Gewächshaus, das ab den 1830er Jahren den Import von Pflanzen ermöglichte. Wissenschaftler im Dienst von Napoleon III. sammelten weltweit Pflanzen wie Rhododendren aus China. Für die Zucht und zum Überwintern dieser Pflanzen wurden Glashäuser essentiell, deren Architektur durch Joseph Paxton in Chatsworth House in Derbbyshire 1840 erstmals entwickelt worden war. Sie ermöglichten auch, dass Gärtner kontinuierlich gerade blühende Pflanzen aussetzen konnten. Bestimmte exotische Blumen erreichten in diesen Jahren Kultstatus, wie die Orchidee. Gustave Caillebotte malte in den frühen 1890ern Serien von Wandgemälden für sein Haus in Petit-Gennevilliers. Sein Gewächshaus breitet sich über die Wände seines Heims weiter aus. Mit diesen dekorativen Paneelen wurde ein Grundstein für die späteren großen Monet-Gemälde seines Seerosenteiches gelegt.

Durch Hybridisierung konnten auch Chrysanthemen und Layias in einer Vielzahl von Formen und Farben gezüchtet werden. Chrysanthemen wurden wie Dahlien erstmals 1789 von Pierre-Louis Blancard in Europa eingeführt, im späten 19. Jahrhundert waren winterfeste Sorten gezüchtet worden. Pink, Rot und Goldgelb sind die Chrysanthemen von Claude Monet, die dieser 1896/97 in Giverny malte und sich in diesen horizontlosen Kompositionen u. a. mit japanischen Kompositionsmethoden auseinandersetzte. Vielleicht sind sie aber auch „nur“ Bilder der Trauer, da Gustave Caillebotte, mit dem Monet seine Gartenleidenschaft teilte, 1894 verstorben war.

Impressionisten entdecken den Garten

In der Frühzeit des Impressionismus setzte sich die kommende Generation französischer Maler mit den Landschaften der Schule von Barbizon auseinander und arbeiteten in den frühen 1860er Jahren im Wald von Fontainebleau. Ein weiterer wichtiger Impuls war „Frühstück im Grünen“ (1863, Musée d’Orsay) von  rel="nofollow"Edouard Manet, das dieser zur Gänze im Freien gemalt hatte. Manet hatte sogar einen Graben ausgehoben, in den er die 208 mal 264,5 cm grosse Leinwand versenken konnte, sodass er seinen Standpunkt nicht aufgeben musste. Monet folgte sogleich mit seinem „Frühstück im Grünen“, dessen große Fassung er allerdings zerschnitt. Wenn auch die umgebende Natur in diesen beiden Gemälden eine wichtige Rolle spielt, so handelt es sich jedoch noch nicht um ein klassisches Gartenbild, scheinen sich die noblen Herren und ihre Damen doch in einer Art von undifferenziertem Wald oder Park zusammengefunden zu haben.

Im Jahr 1865 malte Claude Monet seine ersten identifizierbaren Gartenbilder bei seiner Tante in Sainte-Adresse, wie „Blumengarten in Sainte-Adresse“4 (um 1866), „Frau im Garten“5 (1866) und „Frauen in einem Garten“6 (1866 → Claude Monet: Werk & Leben). Sie hatte ihm während der vorangegangenen Jahre den Rücken gestärkt und ihn finanziell unterstützt. Während seiner Jugend und vor allem nach dem Tod seiner Mutter hatte Monet in diesem Garten bereits gegärtnert! In einem Artikel von Emil Zola, publiziert in „L’Evenement“, lobte dieser ihn 1868, mit den Worten: „Wie ein richtiger Pariser, nimmt er Paris mit ihn aufs Land.“ Der grobe Stil, der sich in den sonnenbeschienenen Figuren als Reduktion von Details und wenig subtile Übergänge offenbart, ließen Monet schon in diesen Jahren als Anführer einer neuen realistischen Schule erscheinen.

Die „Sprache der Blumen“ und Gartenbilder ohne Gartenarbeit?

Darüber hinaus sprach Monet die „Sprache der Blumen“. Camille, die spätere erste Ehefrau von Claude Monet, hält in „Frauen in einem Garten“ ein Bouquet mit roten und weißen Rosen in ihren Händen. Zeitgenossen sahen darin „die Leiden der Liebe“, die weiße Rosenknospe könnte als „unschuldiges Herz“ und damit als Liebesbeweis der Dame gedeutet werden. Die Verbindung von Frauen, Gärten und Blumen in vielen der kommenden impressionistischen Gemälde finden Parallelen in den Romanen der Zeit, wobei der Küchen- bzw. Bauerngarten für den praktisch denkenden Kleinbürger, der moderne Garten für den Wohlhabenden und der Haussmann Park für den Vertreter der Napoleonischen Politik stehen. Zeitschriften wie die luxuriöse „Promenades et Plantations“ (1867–1872) halfen, den neuen Stil in Frankreich zu verbreiten.

Camille Pissarro hatte in den 1860ern begonnen, Küchengärten zu malen. Dass ein Künstler wie er in seinem eigenen Garten Gemüse und Blumen nebeneinander zog, ist daher – ohne Übertreibung – als politisches Statement zu werten. Der Impressionist war ein Anhänger des Sozialutopisten Pierre-Joseph Proudhon, der von der Erde als großen Garten sprach. Das Nützliche, das Gemüse, und das Schöne, die Blumen, werden von der Frau des Künstlers in perfekter Harmonie mit der Natur gepflegt. Dass er sich lieber mit Krautköpfen beschäftigte als mit dem Kunstmarkt unterstreicht seinen Hang zur Anarchie, den er in den 1890er Jahren auch politisch auslebte und sich auf die Seite der Dreyfus-Verteidiger stellte.

Gegen den formalisierten Garten - Blumen als Farbflecke

Mit Blumenstillleben7 versuchten Monet und Pierre-Auguste Renoir am Beginn ihrer Karrieren Geld zu verdienen und gleichzeitig das Problem der Farbwahl zu reflektieren. Vielleicht kamen die Blumen aus dem Garten von Monets Tante, den er in diesen Jahren auch malte. Es ging ihnen nicht mehr um eine symbolische Bedeutung der Blumensorten, oder darum auf ein kommendes Fest, das mit diesen Blumen dekoriert werden soll, hinzuweisen. Stattdessen untersuchten sie Licht und Schatten sowie Farbharmonien und -kontraste.

Mit dem Wissen um moderne Gartengestaltung fallen nun die prächtig blühenden Blumenrabatte – wie in Claude Monets „Adolphe Monet im Garten von Le Coteau in Sainte-Adresse“8 (1867) – viel stärker ins Auge als noch zu Beginn des Vortrags. Zweifellos wollte Monet die Figuren dezentral auf die Bildflächen setzen, um Spannung aufzubauen. Dennoch geben sie den Blick auf die Natur in der Mitte der Gemälde frei. Müßig zu erwähnen, dass dieses Sommerlicht und die blühenden Blumen schon im 19. Jahrhundert die Bewunderer den Tod vergessen ließen.

Gleichzeitig entstand unter den Künstlern eine hitzige Debatte über Vor- und Nachteile von streng regelmentierten Gärten, vor allem den Parks, wie es im „Garten der Prinzessin“9 (1867) von Monet dokumentiert ist. Das ist eine von drei gemalten Versionen, die er vom Balkon des Louvre 1867 in Angriff nahm. Der Garten war im 17. Jahrhundert mit einigen der ersten Blumen gepflanzt worden, die aus dem Ausland nach Frankreich gebracht worden waren. Im Jahr 1867 war er zu einer Rasenfläche mit Zäunen geworden. Die obere Hälfte des Bildes ist den Wolken gewidmet, die vielleicht als Symbol von Freiheit im Gegensatz zum Paris von Haussmann gedeutet werden können. Auch von Renoir ist bekannt, dass er zu stark gepflegte Gärten nicht mochte. Vielleicht stand ihnen ein halbwild gewachsener Garten, große Oleanderbüsche, mehr zu Gesicht – wie ihn der früh verstorbene Frédéric Bazille rund um die Terrasse pflanzte.10

Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir und Edouard Manet in Argenteuil

Dass ein Künstler sich selbst einen Garten anlegte, um Motive für seine Malerei zu finden, ist die wirkliche Neuerung in diesen Jahren. Dadurch wurde der Privatgarten zu einem Laboratorium der Moderne. Gleichzeitig handelt es sich um eine Art von Selbstbildnis, vereint ein Garten doch all die ästhetischen Überzeugungen, die eine Künstlerin bzw. ein Künstler entwickelte. Als Erinnerungsort fungiert Monets Garten in Giverny seit seinem Tod 1926 – und zwar bis heute.

Als Claude Monet sich Anfang der 1870er ein Haus in Argenteuil mietete,11 pflanzte er riesige Dahlien-Büsche im Garten. Renoir, der häufig zu Besuch war, malte den Künstler mit der Staffelei vor dem Blütenmeer. Während Monet den Gartenzaun hinter seinen Dahlien aufstellte, versetzte ihn Renoir flugs und schuf dadurch eine flache Raumbühne, auf der der seltsam aufrechte Monet seine Blumen betrachtet.

Auch Manet kam vom gegenüberliegenden Ufer, wo seine Familie ein Haus besaß, zu Besuch. Auch wenn er sich nicht als Impressionist verstand, experimentierte er im Windschatten seiner Freunde mit Unschärfe und unkonventionellen Themen (→ Monet und die Geburt des Impressionismus). So malte er im Juli 1874 „Monets Familie im Garten“12: Der harte Kontrast zwischen der grünen Natur und dem weißen Kleid faszinierte ihn genauso wie die Unschärfe, aber auch die kindliche Natürlichkeit von Monets Sohn. Im Hintergrund werkt der Maler in seinem Garten – im Übrigen das einzige impressionistische Gemälde, auf dem er als Gärtner abgebildet ist! Als Pierre-Auguste Renoir sah, dass Manet im Garten Monets am Arbeiten war, setzte er sich mit den geborgten Malutensilien von Monet gleich daneben, um seine Version des Nachmittags festzuhalten. Der Garten ist demnach nicht nur ein Ort freundschaftlicher Begegnungen, Austausch und Kreativität, sondern kann auch zu einem Platz von künstlerischer Rivalität werden.

Renoirs und Morisots wilde Gärten

Pierre-Auguste Renoirs Gemälde der 1870er wirken wie rokokohafte Farbimpressionen und sind meist in Grün- und Blautönen gehalten. Buntfarben – wie die Blumen in “Frauen im Garten”13 (1873) – scheinen wie aus den Bildern zu fallen, während die Spaziergängerin in der Umgebung nahezu aufgeht. „Der Garten in der Rue Cortot in Montmartre“14 (1876) war ein halbwilder Garten, der von dem Kritiker Georges Rivière, einem Freund von Renoir, als „wunderbare Dekoration“ beschrieben worden ist. Die Kombination von Dahlien und Wildwuchs hat den Künstler mehrfach zu einem Gemälde inspiriert, denn der Künstler hatte ein Atelier im Nebenhaus angemietet. In der Theorie wurde 1870 durch William Robinson15 und Edouard André das Konzept vom „wilden Garten“ begründet und in den 1880er Jahren populär verbreitet.

Berthe Morisot, wichtige Impressionistin und „Schülerin“ von Manet, malte in „Frau und Kind im Grünen in Bougival“16 ihre kleine Tochter Julie, wie sich während eines Aufenthalts in Bougival ihrer Gouvernante einen Strauß Blumen überreichte. Damit entsprach sie der neuesten Forschung in der Pädagogik, die nach dem Schweizer Friedrich Froebel den Kontakt zwischen Kindern und der Natur in einem Garten forderte. Das Grün wurde als essentiell für das Wohlbefinden und das Lernen von Kindern entdeckt. Wenn auch die Verbindung von Frauen und Gärten in den Werken der Impressionisten eine große Rolle spielt, so zeigt sich in den Gemälden der Impressionistinnen eine stärkere Konzentration auf die Menschen und weniger auf die getrimmte Natur.

Gärten in den Werken von Cézanne und Van Gogh

Dass sich nicht alle Impressionisten gleichermaßen mit dem Thema beschäftigten, zeigt ein Blick auf das Werk von Paul Cézanne. Während sich dessen Inspiration Jahre später an einem Berg entzündete, spielen Gärten kaum eine Rolle. Überhaupt war er den Buntfarben wohl abhold, weshalb sein Familienanwesen Jas de Bouffan, das der Vater 1859 erworben hatte, mehr in einer Variantenreichen Grünvision erscheint als bunt.17

Sogar Vincent van Gogh, der selbst nicht im Garten arbeitete, beschäftigte sich mit Gärten und schrieb darüber an seinen Bruder. Er bewunderte den Garten ihres Vaters und stellte die Theorie auf, dass Gärtnern dienlich für die Erhaltung der Gesundheit wäre. In einem Brief an seine Schwester Willemien beschrieb er, wie er den Simultankontrast entdeckte, als er Blumen genau studiert hätte. Dazu malte er einige Male den kleinen Park gegenüber seinem Hause in Arles und nannte ihn im Geheimen den „Garten des Dichters“ (1888 → Vincent van Gogh : Paul Gauguin in Arles). Damit spielt er an den Park in Emil Zolas Roman „Die Sünde des Abbé Moret“ (1875) an, in dem ein Priester erkrankt und sein Gedächtnis verliert, solange bis ihm eine junge Frau auf Spaziergänge durch den Park Le Paradou mitnimmt. Nun klingt Le Paradou durchaus wie Paradies und Garten Eden, womit Zola andeuten wollte, dass die Kirche den Priester krank gemacht, die Natur und das einfache Mädchen ihn allerdings geheilt hätten.

John Singer Sargent - vom Salonmaler zum Gartenspezialisten

Nicht nur impressionistische Künstler aus Frankreich interessierten sich Ende des 19. Jahrhunderts für Gärten, sondern auch Kolleg_innen aus Amerika, Großbritannien und Kontinentaleuropa. Das ursprünglich urbane Phänomen breitete sich bis zur Jahrhundertwende über die gesamte westliche Hemisphäre aus. Viele Impulse gingen dabei von den verehrten Impressionisten aus.

John Singer Sargent18 schuf in einem Garten sein berühmtestes Gemälde: „Carnation, Lily, Lily, Rose“ (1885–1886). Der Salonmaler bewunderte den Außenseiter Edouard Manet. Obwohl die zeitgenössische Presse den amerikanischen Kosmopoliten bereits als dessen Nachfolger sah, ist nicht bekannt, ob sich beide jemals persönlich getroffen haben. Wann er den um 16 Jahre älteren Claude Monet zum ersten Mal begegnete, kann ebenfalls nicht genau festgestellt werden, wird in der Forschung aber mit 1876 angenommen. Ab Mitte der 1880er Jahre und durch die 1890er hindurch waren Sargent und Monet gute Freunde. Bei einem Besuch in Giverny hielt er „Claude Monet, malt am Waldrand“ (viell. 1885) fest und war schockiert, weil Monet kein Schwarz verwendete. Dieser Aufenthalt dürfte Sargent dennoch dazu bewogen haben, die kontrollierte, dunkle Atmosphäre des Ateliers zu verlassen, um sich Licht- und Farbeffekten zu widmen.

Während des Sommers und des Herbstes 1884 beauftragte Albert Vickers John Singer Sargent mit einigen Familienbildnissen in ihrem Zuhause in Beechwood, in der Nähe von Petworth. Sargent malte anlässlich dieser Einladung zum ersten Mal einen Englischen Landschaftsgarten. In der „Gartenstudie von den Vickers Kindern“19 (1884) sind die Geschwister Dorothy und Vincent Cartwright vor einen smaragdfarbenen Hintergrund gesetzt. Der Pinselstrich ist breit, die Palette zurückhaltend und die Lilien mit ihren trompetenartigen Blüten dekorativ über die Fläche verteilt. Sowohl die weißen Königslilien wie auch die Kinder sind Symbole für Unschuld. Dass sich Sargent mit diesem Thema auch vielleicht selbst beruhigen wollte, liegt nahe, hatte doch sein „Porträt der Madame X“20 (1883–1884) in Paris gerade einen Skandal verursacht. Der Künstler floh vor der Kritik über den Ärmelkanal und landete prompt im Garten seines Mäzens. Das in der Folge entstandene, geheimnisvoll-romantische Gemälde „Carnation, Lily, Lily, Rose“ wurde zu einem der berühmtesten der englischsprachigen Welt und ist wohl das bekannteste Bild einer Gartenszene aus dem 19. Jahrhundert.

Ab etwa 1900 wurden Landschaften im Werk von Singer Sargent wichtiger als Gesellschaftsporträts, und 1907 wandte er sich ausschließlich dem neuen Genre zu. In der Natur fühlte sich der Maler freier und selbstbestimmter denn als Lieferant von beeindruckend gemalten Bildnissen. Er genoss seine Reisen und Pleinairmalen in Gesellschaft von Freunden, mit denen er die Alpen, Venedig, Rom, Mallorca, Korfu und Südeuropa erkundete. Zu seinen liebsten Begleiterinnen und Begleitern zählte unter anderem seine Schwester Emily, eine begabte Aquarellistin. Im Oktober 1910 malte er den Garten bei Torre Galli, einer Villa im Renaissance-Stil in der Nähe von Florenz. Die symmetrische Anlage des italienischen Gartens und der Blick von der dunklen Loggia in den hellen Garten wird in anderen Kompositionen aufgebrochen, die Formen durch das Licht nicht mehr körperlich definiert, sondern nur noch als bunte Flecken wiedergegeben.

Alfred Parsons und James Tissot

Ein Freund von Sargent, der ebenfalls in Broadway arbeitete, war Alfred Parsons (1847–1920). Er zeigt sich in seinen Gemälden und Aquarellen als größerer Realist. Vielleicht war diese Auffassung durch seine Freundschaft mit dem Gartenspezialisten und -journalisten William Robinson beeinflusst, der den natürlichen Garten bevorzugte. Mit dem Gemälde „Orange Lilien, Broadway, Worcestershire“21 wurde er 1911 in die Royal Academy aufgenommen. Es zeigt den eigenen Garten des Künstlers in Broadway. Nach Robinsons Idee sollten Blumen in großen Mengen blühen, weshalb Parsons zu den Rosen noch orange du weiße Lilien pflanzte.

James Tissot (1836–1902) war nach dem Preußisch-Französischen Krieg 1871 von Paris nach London übersiedelt, wo er im Vorort St. John’s Wood ein Haus mit Atelier und Garten einrichtete. Das Haus hatte einen großen Wintergarten, was in England nach der Aufhebung der Glas-Steuer 1845 sehr populär wurde. Er nutzte den Garten, um in Genrebildern das Leben von modernen Frauen darzustellen. In „Der Brief”22 (um 1878) steht seine Geliebte Kathleen Newton als modisch gekleidete junge Dame mit Brief in einem formalen Garten mit einer efeubewachsenen Arkade Modell. Die Anlage befand sich in Holland House des 4. Baron Holland. Zeitgenössische Betrachter_innen konnten sich an einen Skandal erinnert fühlen, der 1872 Österreich-Ungarn und England erschütterte: Marie Fox, die adoptierte Tochter von Lord und Lady Holland, heiratete Prinz Louis Aloys von Liechtenstein. Erst nach der Eheschließung fand der Prinz, ein Sozialreformer und später ab 1891 Mitglied der SPÖ heraus, dass seiner Braut keine noble Abstammung hatte, und sie die uneheliche Tochter eines Bürgerlichen war. Die Enthüllung führte zum Bruch zwischen Marie und ihren Adoptiveltern, was im Gemälde durch die melancholische Stimmung der Dame im herbstlichen Garten angedeutet werden könnte.

In „Chrysanthemen“23 (um 1874–1876) bückt sich eine junge Frau nach Pflanztöpfen, ihre Kleidung ist in ähnlichen Farben gehalten wie die Blüten. Ihre Schönheit spiegelt sich in den Chrysanthemen, die anfällig und wertvoll waren, und daher den Schutz eines Glashauses benötigten. Diese Blumen wurden in Europa im Zuge des Japonismus erstmals richtig geschätzt.

Dennis Miller Bunker und Childe Hassam – amerikanische Impressionisten und ihre Gärten

Dennis Miller Bunker malte seine ersten impressionistischen Bilder im Herbst 1888, nachdem er einen Sommer mit Singer Sargent gemalt hatte. Eigentlich war Bunker ein akademischer Porträtmaler, doch der Aufenthalt in England verwandelte ihn in den einen der ersten Maler des Amerikanischen Impressionismus. „Chrysanthemen“24 entstand 1888 nach seiner Rückkehr aus Amerika. Das Gewächshaus seiner Mäzenin Isabella Steward Gardner in Boston stand in voller Blüte. Die schwere Blumen beugen sich über den Weg und ergeben impressionistische Farbflecke.

Der amerikanische Impressionist Childe Hassam war nie selbst Gärtner, dennoch waren Blumen und Gärten lebenslang Thema seiner Gemälde. In den Sommermonaten der Jahre 1886 bis 1889 bereiste er Frankreich, wo er in der Nähe von Paris sein erstes Garten-Gemälde schuf. Das 1888 entstandene „Blumenpflücken in einem französischen Garten“25 zeigt den höchst gepflegten Garten von Ernest Blumenthal und seiner Familie in Vilier-le-Bel. Wie schon in vielen Gemälden seiner Zeitgenossen zu sehen war, verbindet auch Childe Hassam Frauen mit Blumen. Weitere Inspirationsquelle wurde der Garten von Celia Thaxter auf der amerikanischen Insel Appledore (im Osten in der Nähe von Boston), so für „Mohn auf der Insel Shoals”26 (1890). Die Mohnblumen im Vordergrund, das Meer im Hintergrund – wilde Freiheit in einem Gartenparadies.

Joaquín Sorolla – spanische Gärten in der Malerei

Joaquín Sorolla (1863–1923) war vor allem von den Gärten des Alcázar in Sevilla und seinem eigenen fasziniert. Der in Valencia geborene Künstler hat es wie kein anderer seiner Zeit verstanden, das Licht des Südens in Farbe zu fassen; seine sonnendurchfluteten Bilder haben selbst Zeitgenossen wie Claude Monet tief beeindruckt. Neben der spanischen Landschaft, Strandszenen und einfühlsame Porträts sind Gärten immer wiederkehrende Motive, mit denen er im Pariser Salon Aufmerksamkeit erregte. So verband er in einem seiner berühmtesten Bildnisse den Dargestellten mit seinem Garten: „Louis Comfort Tiffany“27 (1911), Gründer und Designer der gleichnamigen Firma für Glasproduktion, sitzt in seinem Garten und fängt die neuesten Impressionen für Fensterscheiben und Vasenentwürfe ein.

Joaquín Sorolla gilt als bedeutendster spanischer Künstler der Jahrhundertwende. Im Jahr 1909 kaufte er ein großes Grundstück in der Nähe von Madrid, wo er ein Haus und Garten errichtete. Viele Gemälde wie „Garten vom Sorolla Haus“28 (1918–1919) und „Madonnenlilien“29 (1916) bezeugen seine Liebe zu allem Blühenden, zum Sonnenlicht und der typisch spanischen Gartenarchitektur. Wie sein Kollege Santigo Rusigñol, dessen melancholische Gemälde die königlichen Gärten von Spanien beschreiben, war sich Sorolla der historischen Bedeutung der heimischen Gärten voll bewusst. Wie auch für alle andere Künstler war sein Garten persönlicher Rückzugsort und Quelle für Motive. Seine Gemälde können mit Begriffen wie Intimität, leuchtende Farben, Licht, offene Malweise, Unschärfe am besten beschrieben werden.

Deutschsprachige Gärten I: Gustav Klimt, Max Liebermann und Emil Nolde

Von Klimt, Liebermann und Emil Nolde war nur Gustav Klimt kein Gärtner, liebte aber Blumen über alles. In einer privaten Notiz an seine „Lebensfrau“ Emilie Flöge berichtete er entzückt über die blühenden Krokusse in seinem (verwilderten) Garten, die ihn an Sterne erinnerten. In seinem gesamten Werk findet sich nur eine Darstellung eines Parks – jenem von Schloss Schönbrunn. Wenn Klimt Gärten malen wollte, fuhr er dazu etwa 250 Kilometer gen Westen an den Attersee. Dort entstanden während der Sommerfrische nicht nur romantisch-verträumte Landschaften, sondern auch Gemälde von Bauerngärten. Im Gegensatz zu den Malerinnen und Malern Stimmungsimpressionismus (oder Stimmungsimpressionismus), also der Generation rund um Emil Jakob Schindler, Tina Blau und Olga Wiesinger-Florian, sind seine Blumen zum Großteil nicht identifizierbar. So reihen sich neben großgewachsenen Sonnenblumen, die Gustav Klimt offenbar als Symbol für den Menschen verstand, Rosenstauden, weiße Winden, orange Ringelblumen (?) und andere harmonische Farbflecken.

Für Max Liebermann und Emil Nolde waren Gärten von größerer Bedeutung, ließen sich doch beide Gärten pflanzen. Liebermann malte die Anlage bei seinem Haus am Wannsee, die ihm Alfred Lichtwark entworfen hatte. Für Liebermann war der Garten ein Raum, mit dem er sein Haus erweiterte. Emil Noldes Zugang zur Malerei wurde stark von seinem Gärtnern auf der Insel Alsen in der Baltischen See beeinflusst. In der Folge wurde die Ehefrau Noldes, Ada, zur wichtigsten Mitarbeiterin der Blumenbilder ihres Mannes, da sie in Seebüll eigens jenen Blumengarten anlgete, die Nolde in seinen berühmten Blumenaquarellen und -gemälden verarbeitete.

Gärten und die Avantgarde

„Warum solltest du dich mit der Gottesfrage beschäftigen = Schau auf eines seiner Blumenbeete, das ist genug.“ (Paul Klee, Tagebuch, 1908)

Wassily Kandinsky und Gabriele Münter malten Bilder, die von ihrem Garten in Murnau inspiriert worden waren. Münters Fotografie „August Macke wässert die Pflanze der modernen Kunst“ (1912) zeigt, dass die Künstler_innen des Blauen Reiter gärtnern auch als Metapher für ihre eigenen Bemühungen um eine neue Formensprache nutzten. Darüber hinaus ist Wassily Kandinsky nicht vordringlich für Gartenbilder bekannt, auch wenn in einigen der abstrakten Werke auf Park- und Gartenideen angespielt wird. Am deutlichsten wird das in „Murnau, der Garten II“30 (1910). Im Vergleich zu den spätimpressionistischen Bildern seiner Lebensgefährtin schuf Kandinsky eine befreite Paraphrase auf ein Gartenbild, das nur noch in einigen Details an Blumen und Häuser erinnert. Wie sein später bester Freund Paul Klee ließ sich Kandinsky von Pflanzen aus seinem Garten inspirieren.

Auch Henri Matisse ist weniger für seine Gartenbilder als für Fensterausblicke und Interieurs bekannt. Dennoch spielten Gärten für ihn eine nicht unbedeutende Rolle. Vor allem in seiner Frühzeit widmete er sich dem Gartenthema, oder besser den Parks von Paris: 1902 bis 1903 beschäftigte er sich mit Luxembourg Gärten31, ein Jahr später mit einer Terrasse in Saint-Tropez[/note]Henri Matisse, Die Terrasse, Saint-Tropez, 1904 (Boston, Isabela Stuart Gardner Museum)32 so dienten ihm Blumen dann doch eher als „Farbimpressionen, die sich in meine Netzhaut einbrennen, so wie mit einem rot-heißen Eisen“: „Der Wintergarten“33 (1938). So dramatisch formuliert es zumindest der Künstler in einem Interview 1919. Trotz dieser Euphorie sind Gärten in seinem Werk nur schwer auszumachen. Oft sind sie nur durch Fenster zu erahnen, doch immer sollen sie eine harmonische Verbindung zwischen Innen und Außen andeuten.

Monets Garten in Giverny – Seerosen und Wasser

„Alle von uns arbeiteten im Garten. Ich grub, pflanzte, jätete das Unkraut und hackte selbst; am Abend gossen die Kinder.“34 (Claude Monet)

Der letzte von Claude Monets Gärten, bis heute wohl der berühmteste Künstlergarten der Welt, wurde sein Meisterstück. Der Garten in Giverny besteht aus verschiedenen Teilen und wurde Quelle von bekannten Bildsujets: der Weg zum Haus, die Irisbeete, die japanische Brücke und der Seerosenteich, oder – wie Monet seinen Garten selbst nannte – den „Clos Normand“ (Normannen-Garten). Monet gab viel Geld für seine Leidenschaft aus, konsultierte auch bekannte Fachmänner für Gartenbau und beschäftigte mindestens sechs Gärtner, importierte exotische Pflanzen und zog über 70 verschiedene Pflanzenarten in seinen Glashäusern. Wie in seinen Gemälden beschäftigte sich Monet mit dem Garten aus rein ästhetischer Sicht, indem er die Pflanzen nach Farbe, Form und Höhe aussuchte, und sich auch manchmal mit seiner Ehefrau darüber stritt. Die Pflanzung folgt einem harmonischen Prinzip, wonach im Wechsel der Jahreszeiten die Blumen in verschiedenen Farbharmonien blühen.

Das Jahr 1891 ist von besondere Bedeutung für die Malerei von Claude Monet: Er kaufte sich Haus und Grundstück in Giverny, das er sukzessive in einen Künstlergarten umwandelte. Im März des Jahres schrieb er, dass er von Arbeitern bis zum Hals umgeben sei, in Pflanzungen und alle möglichen Entsorgungen, um Haus und Garten nach eigenen Vorstellungen zu formen. In der Zwischenzeit publizierte Mirabeau einen Artikel, in dem er die Pflanzen aufzählte, die Monet bereits in Giverny hatte: Kapuzinerkresse, Iris in Mauve, Weiß, Lila, Gelb und Blau, Mohnblumen, Dahlien, Astern, Phlox und Gladiolen. Doch die waren nicht genug! Er wollte noch Chrysanthemen und Layias aus Nordamerika, wie er seinem Gärtner-Freund Gustave Caillebotte auftrug, für ihn ausfindig zu machen.

Für Monet bedeutete der Garten eine Möglichkeit, sich persönlich auszudrücken und seine originellen Erfindungen in Farbharmonien und Entwürfen zu erproben. Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach und die deutschen Truppen immer näher kamen, konnte er die Kanonenschüsse von seinem Atelier aus hören. Viele Bewohner der Umgebung, wie auch seine eigene Familie, flohen in sichere Regionen. Nur der dickköpfige Künstler harrte aus, um seinen ambitionierten Plan umzusetzen, ein weites Panorama seines Wassergartens zu erschaffen. Wenn auch das Ergebnis nicht an das Leid so vieler in diesem Krieg gemahnt, ja scheinbar selbstsüchtig der Schönheit der Natur frönt, so sind die Briefe des Künstlers in dieser Zeit voll der Sorge und Gedanken mit den Soldanten an der Front. Statt sich den Schrecken des Kriegs hinzugeben, widmete sich Monet dem Gartenbild – und revolutionierte damit die Malerei aufs Neue. Impressionistisch wäre gewesen, die Atmosphäre, das Licht, die Veränderungen in einem kurzen Moment festzuhalten. Monet hingegen arbeitete viele Stunden an seinen Gemälden, um eine Grundstimmung, eigentlich ein Gefühl, einen Sinneseindruck zu formulieren. Dafür stand er täglich um vier Uhr früh auf und studierte das Licht von den ersten Strahlen, zum strahlenden Mittag und bis zum Abend. Indem er den Horizont aus seinen Gemälden verbannte, mehr Andeutung der Pflanzen machte, als sie malte, indem er das Vibrieren der Farben auf der Wasseroberfläche thematisierte, die Spiegelung des Himmels und der Wolken, löste er sich von gängigen Vorstellungen, was das Thema eines Bildes sein könnte, wie Raum im Bild darzustellen wäre. Dezentrale Motive (aus der japanischen Kunst abgeleitet), expressiver Pinselduktus, keine Perspektive35, mit zunehmendem Alter malte Monet aus dem Gedächtnis. Vor allem die Riesenformate entstanden aus der Erfahrung des Künstlers und im Dialog der Werke mit Monet und untereinander.

Monets Seerosen waren seine neue Züchtung, die als „Pflanzen für den wilden Garten“ katalogisiert wurden. Monet ergänzte sie durch Massen von verschiedenen Irisen am Ufer und einer Trauerweide, die Schatten spendet. Die Rose wurde hingegen als „Königin der Dekorpflanzen“ angesehen.

Seerosen für Rodin

Das in der Schau aus drei amerikanischen Museen zusammengestellte Seerosen-Triptychon36 malte Monet ursprünglich für das Hôtel Brion, das Atelier-Haus von Auguste Rodin, der 1917 verstorben war und es dem Staat vermacht hatte. Im Jahr 1919 wurde es der Öffentlichkeit als Musée Rodin zugänglich gemacht. Der Bildhauer hatte noch zu seinen Lebzeiten einige Skulpturen im Garten aufstellen lassen. Da es sich als zu schwierig herausstellte, im Gebäude eine Rotunde aufzustellen, wurde Monet schlussendlich die Orangerie angeboten.

Das Triptychon in der Orangerie zeigt Seerosen, Schmucklilien (Agapanthus), Irise und Trauerweiden. Ursprünglich sollte das Triptychon die Serie ergänzten. Die Schmucklilie, nach der es benannt ist, heißt auf Latein Agapanthus, was sich vom griechischen Wort Agape ableitet, das wiederum „brüderliche Liebe“ auch für Verstorbene bedeutet. Wie schon zuvor die Chrysanthemen auf den verstorbenen Gustave Caillebotte verwiesen, so waren die Seerosen bzw. Schmucklilien für den impressionistischen Bildhauer bestimmt. Über all die Fragen moderner Formfindung, klingt das doch wieder einfach nach Blumensprache.

  1. Claude Monet zitiert in Delange 1927. Zitiert nach William H. Robinson, Painting the Modern Garden: An Introduction, in: Painting the Modern Garden (Ausst.-Kat. The Cleveland Museum of Arts; Royal Academy of Arts), London 2015, S. 17.
  2. Ausst.-Kat. S. 8.
  3. Gärten können höchst unterschiedlich sein, sind aber durch ihre Abgeschlossenheit von der unkultivierten Natur gekennzeichnet. Die frühesten Darstellungen von Gärten stammen aus dem Alten Reich der Ägypter (ca. 3000–2000 vor Chr.), gefolgt von berühmten Anlagen von König Ashurnasirpal II (883–859 v. Chr.) in Nimrud, die Hängenden Gärten von Babylon (um 605–562 v. Chr.) und den königlichen Gärten von Cyrus dem Großen (559–530 v. Chr.). Plato gründete seine Akademie in einem Garten. Cato der Ältere, Vitruv, Vergil, Horaz und Plinius der Jüngere verbanden die Arbeit im Garten mit dem Ideal eines tugendhaften Lebens. Im Mittelalter wurde vor allem der Garten Eden als hortus conclusus, geschlossener Garten, wiedergegeben. Aber auch als Ort der Minne wurden grüne Oasen geschätzt. Doch erst im Barock fand, u. a. im Garten von Schloss Versailles, die europäische Entwicklung der Gartenkunst einen neuen Höhepunkt. Während in Frankreich der Garten als Symbol für die absolutistische Herrschaft des Monarchen interpretiert wurde, entwickelten die Engländer_innen mit dem Landschaftsgarten eine natürlichere Gartenform. In Wien wurde der Prater, ein kaiserliches Jagdrevier, bereits 1766 als Naherholungsgebiet für die Bevölkerung geöffnet. Während des 19. Jahrhunderts brachten die rasanten Fortschritte der Botanik wie die Anlage von öffentlichen Parks in Großstädten neue Impulse für die Gartengestaltung. Mitte des Jahrhunderts wurden der Bois de Bologne, der Luxembourg Garten, die Tuilerien, der Park von Versailles für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In London kümmerte sich Joseph Paxton um Parks, in New York City Frederick Law Olmsted um den Central Park und in Wien waren mit Volksgarten bzw. Stadtpark direkt an der Ringstraße Grünflächen angelegt worden.
  4. 65 x 54 cm (Musée d'Orsay)
  5. Musée de l’Ermitage, St Petersbourg
  6. Öl auf Leinwand, 255 x 205 cm (Musée d'Orsay, Paris)
  7. Monet, Blumen und Früchte, 1869 (J. Paul Getty Museum, Los Angeles); Pierre-Auguste Renoir, Blumen in einer Keramikvase, um 1869, 65 x 54 cm (Museum of Fine Arts, Boston); Claude Monet, Frühlingsblumen, 1864, Öl auf Stoff, 116,8 x 90,5 cm (The Cleveland Museum of Art. Gift of the Hanna Fund, Inv. 1953.155); Pierre-Auguste Renoir, Blumen in einem Glashaus, 1864, Öl auf Leinwand, 130 x 98 cm (Hamburger Kunsthalle)
  8. Öl auf Leinwand, 82,5 x 100,7 cm (Courtesy of the Larry Ellison Collection)
  9. 91 x 62 cm (Allen Memorial Art Museum, Oberlin, OH)
  10. Frédéric Bazille, Die Terrasse in Méric, 1867, Öl auf Leinwand, 59 x 98 cm (Cincinnati Art Museum. Gift of Mark P. Herschede, Inv. 1976.433)
  11. Claude Monet, Das Haus des Künstlers, 1873, 60 x 73 cm (Art Institute of Chicago) und Das Haus des Künstlers, 1873 (Washington, NG)
  12. 60,96 x 99,7 cm (Metropolitan Museum of Art, New York)
  13. Öl auf Leinwand, 55 x 65,5 cm (Courtesy of the Larry Ellison Collection)
  14. Öl auf Leinwand, 154,3 x 88,9 cm (Carnegie Museum of Art, Pittsburgh)
  15. „The Wild Garden (Le jardin sauvage ou jardin naturel, le fameux Wild Garden)“ (1870)
  16. Öl auf Leinwand, 60,1 x 73,3 cm, Amgueddfa Cymru – National Museum Wales, Cardiff
  17. Paul Cézanne, Der Teich im Jas de Bouffan, um 1874, Öl auf Leinwand, 46,4 x 56,2 cm (Museums Sheffeld. Erworben 1964, inv. VIS.2580)
  18. Am 12. Januar 1856 wurde John Singer Sargent in Florenz geboren. Mit 13 Jahren schrieb er sich in die Accademia di Belle Arti in Florenz ein. Er arbeitete alleine weiter, als sie im Winter schloss. 1874, im Jahr der 1. Impressionisten-Ausstellung, übersiedelte die Familie nach Paris, wo Singer Sargent im Oktober an der Akademie aufgenommen wurde. 1877 Erste Teilnahme am Pariser Salon. Auch nach seinem Umzug stellte er im Pariser Salon aus und unterstützte seine französischen Kollegen, wenn diese nach England kamen. Er lud Monet und Rodin ein, machte ihre Werke in England und den USA bekannt und empfahl seinen an Geld und Einfluss reichen Förderern zu kaufen. Rodin nannte ihn sogar den „Van Dyck unserer Zeit“. Erst 1887 bereiste er die USA und stieß dort auf großes Interesse an seiner Kunst. Ende der 1890er Jahre war er Mitglied der Royal Academy in London sowie der National Academy in New York und stellte in der Wiener Secession aus. 1900 war er einer der führenden Künstler in Europa und den USA.
  19. Öl auf Leinwand, 138,4 x 91,4 cm (Collection of the Flint Institute of Arts, Flint, Michigan. Gift of the Viola E. Bray Charitable Trust via Mr and Mrs William L. Richards, Inv. 1972.47)
  20. (Metropolitan Museum, New York)
  21. Öl auf Leinwand, 92 x 66 cm (Royal Academy of Arts, London, inv. 03/275)
  22. Öl auf Leinwand, 71,4 x 107,1 cm (National Gallery of Canada, Ottawa. Erworben 1964, Inv. 15191)
  23. Öl auf Leinwand, 118,4 x 76,2 cm (Sterling and Francine Clark Art Institute, Williamstown, Massachusetts)
  24. Öl auf Leinwand, 90 x 121 cm (Isabella Stewart Gardner Museum, Boston, inv. P3w5)
  25. Öl auf Leinwand, 71,1 x 55,1 cm (Worcester Art Museum, Massachusetts, Theodore T. and Mar y G. Ellis Collection, inv. 1940.87
  26. Öl auf Leinwand, 45.7 x 55.7 cm (Brooklyn Museum, New York)
  27. Öl auf Leinwand, 150 x 225,5 cm (Leihgabe von der Hispanic Society of America, New York, NY)
  28. Öl auf Leinwand, 64 x 95 cm (Museo Sorolla, Madrid, Inv. 01232)
  29. Öl auf Leinwand, 96 x 64,5 cm (Museo Sorolla, Madrid, Inv. 01245)
  30. Öl auf Karton, 67 x 51 cm, Merzbacher Kunststiftung Photo © Merzbacher Kunststiftung.
  31. Henri Matisse, Der Luxembourg-Garten, 1901–1902 (Eremitage); Henri Matisse, Weg im Bois de Boulogne, 1902 (Moskau, Puschkin-Museum)
  32. . „Die Lebensfreude“ spielt in einer Art paradiesischem Garten oder auch Elysium, während der „Blaue Akt“ (1907) in einem orientalischen Garten, der Oase Biskra in Algerien ruht. Auch wenn Matisse nach dem Ersten Weltkrieg zu einem aktiven Gärtner geworden war,[note]Henri Matisse, Tee, 1919, Öl auf Leinwand, 140,3 x 211,3 cm (LA County Museum of Art, bequest of David L. Loew in memory of his father, Marcus Loew)
  33. Öl auf Leinwand, 71,8 x 59,7 cm (Privatsammlung).
  34. Zitiert nach Ebenda, S. 20.
  35. 1909 schrieb Roger Marx über diese Kompositionen, dass sie die Befreiung vom traditionellen Gartenbild bedeuteten. Sie hätten keinen pyramidalen Aufbau, keine Linearperspektive mit zentralem Sehpunkt mehr. Für Paul Hayes Tucker waren die schimmernden Oberflächen und zerfallenden Formen wichtig, die er mit dem frühen analytischen Kubismus verglich.
  36. Claude Monet, Seerosen (Schmucklilie/Agapanthus), um 1915–1926, Öl auf Leinwand, 201,3 x 425,8 cm (The Cleveland Museum of Art. John L. Severance Fund and an anonymous gift, inv. 1960.81); Seerosen (Agapanthus), 1916–1926, Öl auf Leinwand, 200 x 426,1 cm (Saint Louis Art Museum. The Steinberg Charitable Fund, Inv. 134:1956); Seerosen (Agapanthus), um 1915–1926, Öl auf Leinwand, 200 x 425.5 cm (The Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City, Missouri. Kauf: William Rockhill Nelson Trust)
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.