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Japans Liebe zum Impressionismus Kulturaustausch zwischen Ost und West: Werke des Impressionismus in Japan und japanische Künstler in Frankreich

Édouard Manet, Chrysanthemen, 1881, Öl auf Papier, 17 × 59 cm, The Museum of Modern Art, Ibaraki, Präfektur Ibaraki.

Édouard Manet, Chrysanthemen, 1881, Öl auf Papier, 17 × 59 cm, The Museum of Modern Art, Ibaraki, Präfektur Ibaraki.

Etwa 100 Werke aus den Sammlungen bedeutender japanischer Museen und Sammlungen veranschaulichen die Liebe der Japaner zum französischen Impressionismus. Wer allerdings hofft, die berühmten „Sonnenblumen“1 (1888) Vincent van Goghs in der Schau zu entdecken, wird enttäuscht (→ Van Goghs Sonnenblumen). Stattdessen versammelt die Bundeskunsthalle in Bonn einige äußerst sehenswerte und vor allem wenig bekannte Exponate von Monet, einen wichtigen Degas, ein Gemälde von Berthe Morisot, Skulpturen von Rodin (z. T. posthume Güsse), während die Auswahl an Werken des bereits genannten Holländers und Paul Gauguins weniger atemberaubend ist. Die japanischen Impressionisten hingegen zeigen sowohl die Faszination derselben für diese europäische Gestaltungsform und übertragen sie in eine nochmals japanischere Variante. Dass den Europäern - und unter ihnen vor allem Claude Monet, immer wieder Farbholzschnitte zur Seite gestellt werden, verdeutlich die Verbindungen zwischen japanischen Kompositionsmethoden und impressionistischen Bildausschnitten. Die Neugier auf die Europäer_innen wie auch die Verwunderung über die „Langnasen“ und ihre Kultur belegen so genannte Yokohama-Drucke zu Beginn der Schau, die genauso wie die Farbholzschnitte (Ukijo-e) in Japan selbst nur als angewandte Kunst verstanden werden. Doch der Fokus der Ausstellungsmacher lag ohnedies mehr auf der Präsentation der japanischen Sammler und der in den letzten dreißig Jahren entstandenen Museen. Nur so lässt sich die sehr dichte Hängung erklären, die offensichtlich genügend Platz für Farbfotografien von den leihenden Museen in Japan ließ.

Als sich die Avantgarde im Wald und am Strand traf - die Schule von Barbizon und Eugéne Boudin

Die Auswahl der Werke in Bonn schließt auch nicht nur die Impressionist_innen ein. Genau genommen handelt es sich um einen Überblick über die Avantgarde Frankreichs seit der so genannten Schule von Barbizon, über die Impressionisten und Postimpressionisten bis hin zu den Nabis. Kurator Atsushi Miura, inhaltlich und v. a. textlich unterstützt durch Kuratorin Beate Marks-Hanssen, präsentiert die Gemälde von Corot, Millet, Courbet, Manet, Monet, Renoir, Cézanne, Gauguin, van Gogh und Bonnard in chronologischer Reihung.

Die Schule von Barbizon bestand aus einer Gruppe von Künstlern, die sich ab den 1830er-Jahren im Wald von Fontainebleau zum Malen traf und besonders für Landschaftsmalerei interessierte. Ihre Paysages intimes (vertraute Landschaften) huldigen der Natur, dem einfachen Landleben, dem „französischen“ Eichenwald und erstmals dem Malen vor dem Motiv. Zu den wichtigsten Protagonisten, die in der Schau vertreten sind, zählen Jean-Baptiste Camille Corot (1796–1875) und Étienne Pierre Théodore Rousseau (1812–1867, ab 1847 in Fontainebleau). Gustave Courbet (1819–1877) und Jean-François Millet (1814–1875, ab 1849 in Fontainebleau) werden zwar auch häufig der Gruppe zugerechnet, haben sich jedoch nicht uneingeschränkt dem naturalistischen Landschaftsbild verschrieben. Millets „Die Schafschur“, das 1863 im Pariser Salon ausgestellt worden ist, heroisiert die Bauern bei ihrer alltäglichen Beschäftigung, wie es für den Künstler charakteristisch ist.

Eugène Boudin (1824–1898) ist mit einer Szenen vom „Strand von Trouville“ (1867) und einer Ansicht vom „Canal Grande, Venedig“ (1895) vertreten, die ihn als einen ersten Vertreter der Plein air Malerei auszeichnen. Er logierte vor allem in seiner Heimatstadt Honfeur in der Auberge Saint Siméon und malte in der Umgebung, wo er auch den jungen Claude Monet mit der Ölmalerei einführte. Neben Boudin gilt heute auch Edouard Manet (1832–1883) als „Vater“ des Impressionismus. Auch wenn er sich selbst nicht als Impressionist sah und nie an den Gruppenausstellungen teilnahm, so ist seine nahezu völlig aufgelöste Skizze „Maskenball in der Oper“ (1873) mit der Reduktion der Figuren auf helle und dunkle Flecken ein wichtiger Schritt in Richtung impressionistischer Stilfindung. Sicherlich eines der überzeugendsten Bilder der Ausstellung stammt ebenfalls von Manet: „Jungen mit Blumen (Jacques Hoschedé)“ (1876 in Montgeron) zeigt den Alice Hoschedés Sohn aus erster Ehe als schemenhaftes Gesicht vor leuchtend grünem Hintergrund.

Licht und Farbe einfangen - der Impressionismus

Camille Pissarro (1830–1903) und sein Werk bilden den Übergang zum Impressionismus. Er war um zehn Jahre älter als Claude Monet und hatte in Barbizon seine Malstudien betrieben. „Winterlandschaft bei Pontoise“ (1873) in gedämpften Grau- und Brauntönen ist noch deutlich vom Naturalismus geprägt, während das Spätwerk „Frühling, Morgen, wolkig, Eragny“ (1900) mit einander überlagernden Bildelementen japanische Gestaltungsformen aufweist. Deutlich bunter arbeitete Alfred Sisley (1839–1899), der in den 1880ern nach Moret-sur-Loing zog und dort die Umgebung festhielt.

Mit Berthe Morisot (1841–1895) und Gustave Caillebotte (1848–1894) sind auch zwei weniger bekannte, wenn auch eine außerordentlich wichtige Mitstreiterin und ein Mitstreiter des Impressionismus vertreten. Morisot beteiligte sich an fast allen gemeinsamen Ausstellungen und war eng befreundet mit Manet. „Auf der Terrasse“ (1874) zeigt die Möglichkeiten der „impressionistischsten“ aller Impressionist_innen: Als Frau war ihr Werk an häusliche Szenen gebunden, der Hintergrund öffnet Blick in den Außenraum. Den Superlativ verdiente sie sich durch ihre skizzenhafte Gestaltungsweise und den leuchtenden, ins Weiß aufgehellte Kolorit. Im Vergleich dazu wirkt Gustave Caillebottes „Landhaus in Trouville“ (1882) wie durch ein Gebüsch beobachtet. Hinter dem versperrten Blick öffnet sich aber auch hier die Weiten von Küste und Meer.

Claude Monet in Japan

Die Schau findet sicher ihre Höhepunkte im Claude Monet-Raum und dessen phänomenalem Seerosen-Bild am Ende: Sonnendurchflutete Seine-Landschaften („Sonnenuntergang über der Seine im Winter“, 1880), das nebelvergangene London („Houses of Parliament – Symphonie in Rosa“, 1900), schneestrotzende Norwegen, wild umtoste Klippen („Die Nadel und das Tor von Aval“, 1886; „Belle-Île, Regeneffekt“, 1886), rot aufleuchtende „Heuschober bei Giverny“ (1889), aufgelöstes Flirren auf dem Wasser („Seerosen (Nymphéas)“, 1908; ) und am Bahnhof von St. Lazare (1877) zeigen interessante Varianten seiner Licht- und Farbstudien auf. Die höchste Dichte an hochqualitativen und gleichzeitig wunderschön anzuschauenden Werken findet sich hier.

Der Garten seines Landsitzes in Giverny mit dem Seerosenteich, einer gewölbten Brücke, Trauerweiden und Glyzinienspalieren im japanischen Stil war ab den 1890er Jahren sein wichtigstes Motiv (→ Der moderne Garten in der Malerei von Monet bis Matisse). Als Züchter von Chrysanthemen orientierte er sich genauso nach Fernost wie als leidenschaftlicher Sammler japanischer Farbholzschnitte (→ Malerei und Kalligraphie in Japan). Monet sammelte selbst leidenschaftlich seit den frühen 1870er Jahren und besaß 231 japanische Druckgrafiken u. a. von Utamaro, Hokusai und Hiroshige (→ Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan)2. Einige ausgewählte Drucke werden in Bonn neben seinen Werken präsentiert.

Monet interessierte sich in Motivwahl, Farbgestaltung und Komposition, aber auch im Arbeiten in Serien für den vielfältigen Ausdruck der Landschaft. Die Kombination klarer Farben und der Bildaufbau - ein erhöhter Betrachterstandpunkt und der Bildausschnitt - zeugt von seiner Auseinandersetzung mit ungewöhnlichen Perspektiven aus den Ukiyoe-Holzschnitten (vor allem denen Hiroshiges). Monet verarbeitete in „Häuser im Schnee und der Berg Kolsaas“ die Kompositionsmethoden japanischer Meister, darunter angeschnittene Elemente und das Verhältnis von Figur und Grund, sowie motivisch seine Liebe zur Natur. Die eigentümliche Komposition der jungen Damen „Im Boot“ (1877) ist direkt von japanischen Holzschnitten beeinflusst, genauso wie die Aufmerksamkeit, die Monet der sich mit Licht und Wetter verändernden Landschaft entgegenbrachte.

Vor allem das Spätwerk „Seerosen (Nymphéas)“ (1916–1919) reflektiert in mehrfacher Hinsicht die japanische Kunst: Monet plante seinen Garten nach fernöstlichen Prinzipien (Brücke, Trauerweiden, Irise) und konzentrierte sich auf eine perspektivlose Wiedergabe von Wasseroberfläche, schwebenden Seerosen und reflektierten Weiden. Wie bedeutend diese Perspektivänderung ist, zeigt in der Ausstellung ein Vergleich mit Takeshi Fujishimas „Teich der Villa d’Este, Tivoli“ (1909), das - bei aller Offenheit der Malweise - den Blick durch das Blätterwerk auf die bewegte Wasserfläche und eine Mauer dahinter führt und dadurch viel traditioneller impressionistisch wirkt. Claude Monets späte Arbeiten gehen hingegen über den Impressionismus hinaus, haben mehr mit abstrahierendem Sehen oder Farbraumerforschung zu tun als dem Festhalten von Gesehenem.

Über den Impressionismus hinaus - Degas, Renoir und Cézanne

Ob Edgar Degas (1834–1917) überhaupt als Impressionist zu bezeichnen ist, wird jüngst mehr denn je hinterfragt (→ Edgar Degas, Klassik und Experiment), lehnte er doch die Freilichtmalerei völlig ab. Im Jahr 1868 malte er ein Doppelporträt „Monsieur und Madame Manet“ (1868–1869). Warum der Beschenkte es zerschnitt, so dass Suzanne nur noch schemenhaft zu erkennen ist, ist nicht dokumentiert. Degas nahm das Fragment zurück und versprach es zu reparieren, was nie geschah. Die zunehmende Einzelvermarktung der Impressionisten durch Galerien (v. a. Paul Durand-Ruel) brachte in der Geschichte des Impressionismus eine deutliche Veränderung und schlussendlich eine Abkehr vom Konzept der Gruppenausstellung. Mit dem Tod von Édouard Manet (1883), Gustave Caillebotte (1894), Berthe Morisot (1895) und Alfred Sisley (1899) war das Ende der Bewegung eingeläutet.

Für seine Frauenporträts und weiblichen Akte ist Pierre-Auguste Renoir (1841–1919) bis heute berühmt. Das fein und fast gänzlich aufgelöste „Lesende Mädchen mit einem Hund auf dem Schoß in einem Garten“ (1874) wurde auf der ersten Impressionisten-Ausstellung gezeigt. Eine Italienreise 1881 und die Beschäftigung mit dem Werk von Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867) ließen ihn zunehmend an der impressionistischen Auffassung zweifeln. In der Folge kam es in seinem Werk zu einer Verfestigung der Konturen und einem glatteren Farbauftrag. Anfang 1882 hielt sich Renoir im Fischerdorf L’Estaque bei Marseille auf. Er malte dort mit Cézanne, dessen Einfluss in der vereinheitlichten Pinselführung bei den „Olivenbäumen von l’Estaque“ (1882) deutlich wird. Das wichtigste Werk von Paul Cézanne (1839–1906) in der Bonner Ausstellung sind die „Vier badenden Frauen“ (1877/78), die 1913 in der New Yorker Armory Show präsentiert wurden.

Die drei Arbeiten von Vincent van Gogh fallen mehr durch ihre stilistische Uneinheitlichkeit als ihre Qualität auf, einzig „Paysans ramassant des bûches sur le champ de neige“3 (1884) ist ein respektables Frühwerk, ähnlich verhält es sich mit den Gemälden von Paul Gauguin. Gleiches kann man von den Werken der Post- oder Neo-Impressionisten vermelden: Maurice Denis‘ „Tanzende Mädchen“4 (um 1905) gehören noch zu den jugendstiligen, stark stilisierten Visionen, während „Die Welle“5 (1916) einen rosafarbenen Traum während des Ersten Weltkriegs darstellt.

Rodin und Bourdelle

Die Geschichte der französischen Kunst um 1900 vervollständigen frühe, aber posthume Abgüsse des Bildhauers Auguste Rodin (1840–1917), die mit Unterstützung des ersten Direktors des Musée Rodin, Léonce Bénédite (1859–1925), hergestellt wurden. Zudem finden sich einige Werke des Assistenten und Freundes Rodins, Antoine Bourdelle (1861–1929), die diesen als wichtigen Symbolisten ausweisen.

Interesse und Prestige - impressionistische Werke in Japan

Dass sich überhaupt so viele Werke aus Frankreich im Land der aufgehenden Sonne befinden, hat mit der Öffnung der Insel während der Regierung von Kaiser Mutsuhito, genannt Meji (reg. 1868–1912) zu tun. Im Jahr 1858 schloss er Freundschafts- und Handelsverträge mit Amerika, England, Frankreich, Russland und den Niederlanden ab. Kaiser Meiji förderte Industrialisierung und organisierte das Staatswesen neu, beides nach westlichen Vorbildern. Zur Zeit der Pariser Weltausstellung 1878 reiste die erste Generation japanischer Künstler nach Frankreich, um dort abendländische Malerei zu studieren. So traten bald Wechselbeziehung zwischen japanischer Kunst und französischer Malerei zutage. Der Japonismus erfasste Paris ab den frühen 1860er Jahren, und ab den 1890ern rezipierten japanische Künstler die westliche Malerei in eigenständigen Werken. Seiki Kuroda (1866–1924), der sich Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich aufhielt, brachte die akademische Freilichtmalerei und den Impressionismus nach Japan. Seit der Meiji-Ära galt die abendländische Kultur für Japaner als ein Sehnsuchtsziel. Der Besitz von Sammlungen westlicher Malerei bedeutete für Industrielle die Rückkehr zu finanziellem Wohlstand und war ein Zeichen für gesellschaftliches Prestige.

Tadamasa Hayashi

Zu den ersten japanischen Sammlern gehörte Tadamasa Hayashi (1853–1906). Er arbeitete 1878 bei der Weltausstellung als Dolmetscher für den Kunsthändler Kenzaburō Wakai (1838–1905) und war Mitautor der „Histoire de l’Art du Japon, Ouvrage publié par la Commission impériale du Japon à l’Exposition universelle de Paris“. Mit seiner 1883 gegründeten Handelsgesellschaft für japanische Drucke und kunsthandwerkliche Objekte wurde er einer - neben Samuel Bing - einer der erfolgreichsten Importeure von Japonica. Der Japonismus ging Ende des 19. Jahrhunderts seinem Höhepunkt entgegen, 1886 war die Mai-Ausgabe der Zeitschrift Paris Illustré Japan gewidmet. Tadamasa Hayashi verfasste dazu den Text. Auf dem Titel war der Farbholzschnitt „Die Kurtisane“ von Keisai Eisen (1790–1848) reproduziert. Bekanntlich malte Vincent van Gogh (1853–1890) sein berühmtes Gemälde „Japonaiserie“ nach diesem Vorbild.

In der Folge half der Japan-Spezialist Louis Gonse (1846–1921) bei „L’Art Japonais“ und schließlich Edmond de Goncourt (1822–1896) bei dessen ersten Monografien zu den Meistern des japanischen Farbholzschnitts: „Kitagawa Utamaro“ (1891), Katsushika Hokusai (1896).6 Vielleicht wurde Tadamasa Hayashi von Théodore Duret (1838–1927), den Autor von „Peintres impressionnistes“ (1871), dazu angeregt, selbst französische Kunst zu erwerben. Duret war seit 1863 ein enger Freund Édouard Manets und kaufte Gemälde von Manet, Monet, Degas, Renoir, Pissarro, Morisot und Sisley. Jedenfalls begann Hayashi in den 1880er-Jahren selbst westliche Kunst zu sammeln und erregte ab 1891 zunehmend Aufmerksamkeit. Zwischen 1891 und 1903 erwarb er 53 Gemälde. Zudem tauschte er mit Künstlern von diesen gesuchte Farbholzschnitte gegen Arbeiten ein. Wie sehr er mit den Impressionisten verbunden war, zeigt, dass er 1896 zur Erinnerung an die im Vorjahr verstorbene Künstlerin Berthe Morisot, eine Ausstellung bei Paul Durand-Ruel organisierte.

Bis zu seinem Lebensende im Jahr 1906 hatte Tadamasa Hayashi etwa 600 Werke erworben, darunter Arbeiten von Camille Corot, der Schule von Barbizon und von Jean-Léon Gérôme (1824–1904), Manet, Monet, Degas, Pissarro, Sisley, Renoir, Berthe Morisot, Guillaumin, Mary Cassatt, Raphaël Collin, Paul Renouards (1845–1924). Er kehrte mit seinen Schätzen 1905 nach Japan zurück und wollte das erste Museum für westliche Kunst gründen. Mit diesem Plan verfolgt er ein ähnliches Ziel wie der deutsche Sammler Karl Ernst Osthaus, der 1902 in Hagen das zukunftweisende Museum Folkwang gründete. Doch dazu sollte es in Japan vor 1930 nicht kommen! Im Jahr 1913 wurden 160 Arbeiten auf Wunsch seiner Familie in den American Art Galleries in New York veräußert.7

Kōjirō Matsukata und Magosaburō Ōhara

Kōjirō Matsukata (1865–1950), Präsident der Kawasaki-Werft, und Magosaburō Ōhara (1880–1943)8, Präsident der Kurashiki Textile Industry, Kurabō (Präfektur Okayama). Matsukatas Sammlung legte den Grundstock für das heutige Nationalmuseum für Westliche Kunst in Tokio, und das Ōhara-Kunstmuseum wurde als erstes Ausstellungshaus für westliche Kunst 1930 in Kurashiki eröffnet.

Infolge der japanischen Kriegsniederlage waren viele Sammler gezwungen, westliche Kunstwerke aus ihrem Besitz zu veräußern. Shōjirō Ishibashi, der Firmenchef des Reifenherstellers Bridgestone Co., Ltd., kaufte diese Bilder an und bewahrte sie so vor dem Schicksal, in alle Welt zerstreut zu werden In Tokio wurde das Bridgestone Museum of Art im Jahr 1952 eine der repräsentativsten Sammlungen

Kulturaustausch in beide Richtungen: Japan - Frankreich - Japan

Japans Liebe zum Impressionismus hängt vermutlich tief mit den ästhetischen Idealen der Japaner und den japanophilen Tendenzen in Frankreich zusammen. Zu den hervorstechenden Wesensmerkmalen der japanischen Kunst zählt, die Vergänglichkeit der Jahreszeiten und die subtilen Veränderungen in der Natur zu thematisieren. Die „Schönheit des Augenblicks“, die die Impressionisten festzuhalten versuchten, bildete eine weitere gemeinsame Grundlage, denn ein zentrales Thema der traditionellen japanischen Malerei war die „Schönheit der Natur“, oder, wie es in Japan heißt, „Blumen, Vögel, Wind und Mond“ einzufangen.

„Bewundernswert, diese japanische Ausstellung: Hiroshige ist ein großartiger Impressionist. Monet, Rodin und ich sind hellauf begeistert. Ich bin zufrieden, dass ich den Effekt mit dem Schnee und der Überschwemmung hinbekommen habe. Diese japanischen Künstler bestätigen mir unsere visuelle Voreingenommenheit.“9 (Camille Pissarro in einem Brief an seinen Sohn Lucien 1893)

Impressionistische Japaner

Der Einfluss des Impressionismus auf die moderne japanische Malerei im westlichen Stil begann zur Zeit der Pariser Weltausstellung 1878. Die erste Generation japanischer Künstler reiste nach Frankreich, um dort abendländische Malerei zu studieren Doch nicht alle schlossen sich sofort den Impressionisten an. Hōsui Yamamoto oder Yoshimatsu Goseda studierten etwa bei Jean-Léon Gérôme bzw. Léon Bobbat, Seiki Kuroda (1866–1924) und Keiichirō Kume (1866–1934) wählten Louis-Joseph-Raphaël Collin (1850–1916) als Lehrer, der die akademische Maltradition mit vom Realismus und Impressionismus inspirierten Stilelementen eklektisch verknüpfte. Alle widmeten sich der akademischen Malerei. Kuroda spielte eine aktive Rolle als Gründer der modernen japanischen Malerei und Lehrer des westlichen Stils. Im Künstlerdorf Grez-sur-Loing in der Nähe von Barbizon betrieben die Künstler auch Freilichtstudien. 1893 kehrten sie nach Japan zurück. Sie gründeten die Kunstschule Tenshin Dōjō für westliche Malerei und wurden noch vor der Jahrhundertwende Professoren an der 1896 eröffneten „Fakultät für Westliche Malerei“ an der Tōkyō Bijutsu Gakkō (Kaiserliche Akademie der Künste) in Tokio.

Seiki Kuroda, Keiichirō Kume, Saburōsuke Okada (1869–1939) und der Druckgrafiker Kiyoshi Goda (1862–1938) hingegen gründeten die Vereinigung Hakuba-kai (Gesellschaft des Weißen Pferdes), eine Gesellschaft von Malern der „neuen Schule“ im westlichen Stil, und organisierten Ausstellungen. Zugleich war Kuroda Professor für Ölmalerei an der Kunstakademie Tokio. Okada war 1897 als erster japanischer Künstler mit einem staatlichen Stipendium nach Frankreich gekommen und studierte auf Empfehlung Kurodas ebenfalls bei Collin. 1902 wurde er in Tokio zum Professor an der Kunstakademie ernannt.

Erst die Maler der Generation, die ab Anfang des 20. Jahrhunderts ausgebildet wurde, rezipierte den Malstil der Impressionisten: Torajirō Kojima, Toyosaku Saïtō, Chū Asai (Professur an der Kunstgewerbehochschule Kyoto, eröffnete eine eigene Kunstschule namens Shōgoin Yōga Kenkyūjō (Shōgo-Institut für westliche Malerei) und widmete sich der Ausbildung begabter Nachwuchsmaler wie Sōtarō Yasui und Ryūzaburō Umehara), Eisaku Wada (1874–1959), Takeji Fujishima (1867–1943), Shintaro Yamashita (1881–1966), Shigeru Aoki (1882–1911), Torajirō Kojima (1881–1929), Sōtarō Yasui (1888–1955). Kojima besuchte 1920 mit seinem Freund Saïtō Claude Monet in Giverny. Im Gegensatz zu den französischen Impressionisten arbeiteten sie mit eher gedämpfte Nuancen, was ihre Arbeiten sanfter, eleganter und dekorativer erscheinen ließ. So erfuhr der Impressionismus eine „Japanisierung“.

Deutsche Kunstkritik und Impressionismus-Rezeption in Japan

Dass der Impressionismus bei japanischen Künstlern - auf zurück in Japan - eine so große Rolle spielte, war auch der deutschen Kunstkritik und -theorie von Richard Muther oder Julius Meier- Graefe geschuldet.

„Impressionismus ist Auflösung. Für die Alten war der Baum das gegebene Ding, mit dem wir leben, der Stamm mit Blättern und Ästen, der auf der Erde stand. […] Der Impressionismus war skeptischer. Er zweifelte an dem Dinge. Ihm war der Baum nicht Stamm mit Blättern auf der Erde unter dem Himmel, sondern zuerst eine Farbe und ein Licht.“10

Die deutschen Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe (1867–1935) und Richard Muther (1860–1909) trugen um die Wende zum 20. Jahrhundert bis in die 1920er Jahre sowohl im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) als auch im Japan der Meiji-Ära (1868–1912) und der Taishō-Ära (1912–1926) maßgeblich zur beginnenden Rezeption des französischen Impressionismus und Postimpressionismus bei.11 Die von Bruno Cassirer herausgegebene Zeitschrift „Kunst und Künstler“ entwickelte sich ebenfalls zur Plattform des Impressionismus und Neo-Impressionismus. Die Kritiker bedienten sich einer oftmals subjektiven Sicht und eines Personenkults. In Japan und Deutschland waren junge Künstler und Intellektuelle höchst empfänglich für die Idee der freien Persönlichkeitsentfaltung, die sie als notwendige Voraussetzung für die Herausbildung einer modernen Kultur in ihrem Land sahen.

Wichtige Sammlungen westlicher Kunst in Japan und Museumsgründungen

1930 Ōhara Museum
1952 Bridgestone Museum of Art
1972 Tochigi Prefectural Museum of Fine Art
1978 Hiroshima Museum of Art, Museum of Modern Art Saitama und Yamanashi Prefectural Museum of Art
1983 Tokyo Fuji Art Museum
1986 Shizuoka Prefectural Museum of Art
1987 Menard Art Museum in Komaki
1988 Museum of Modern Art, Ibaraki
1989 Yokohama Museum of Art
1998 Ehime Prefectural Museum of Art
1999 Shimane Prefectural Museum of Art
2000 Uehara Museum of Modern Art in Shimoda (Provinz Izu)
2002 Pola Museum of Art in Hakone
Yoshino Gypsum Collection im Yamagata Museum

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  1. Aus dem Seiji Togo Memorial Sompo Japan Nipponkoa Museum of Art Tokio.
  2. Vor allem Hokusais „36 Ansichten des Berges Fuji“ oder Hiroshiges „Die 53 Stationen des Tōkaidō“ und „Berühmte Ansichten der mehr als 60 Provinzen Japans“
  3. Öl auf Leinwand, Yoshino Gypsum Foundation, Tokyo.
  4. Öl auf Leinwand, The National Museum of Western Art, Tokyo, Matsukata Collection
  5. Öl auf Leinwand © Ohara Museum of Art, Kurashiki
  6. Marianne Mathieu, Tadamasa Hayashi, Kōjirō Matsukata und die westlichen Sammler und Sammlungen, in: Ebenda, S. 120-127, hier S. 121.
  7. Hayashi gehörte zu den wichtigen zeitgenössischen Unterstützern, die nicht nur sammelten, sondern den Impressionismus auch förderten. Man vergleiche dazu die deutschen Sammlungen von Tschudi und Karl Ernst Osthaus, in Russland Sergei Schtschukin und Iwan Morosow, in Amerika Louisine und Henry Osborne Havemeyer und Albert C. Barnes, in England Samuel Courtauld.
  8. Seine Sammlung umfasste: einen Toulouse- Lautrec, 3 Degas’, 4 Manets, 4 van Goghs, 8 Renoirs, 9 Pissarros, 10 Sisleys, 14 Cézannes, 16 Gauguins und 24 Monets. Siehe: Ebenda, S. 124.
  9. Zit. nach Atsushi Miura, Japan und die Impressionisten. Die Sammlungen französischer Malerei und die Wechselbeziehung zwischen französischer und japanischer Kunst, in: Japans Liebe zum Impressionismus (Ausst.-Kat. Bundeskunsthalle, Bonn 8.10.2015-21.2.2016), Bonn/München 2015, S. 12-27, hier S. 23.
  10. Julius Meier-Graefe, Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst: vergleichende Betrachtungen der bildenden Künste, als Beitrag zu einer neuen Aesthetik, Stuttgart 1904, Bd. 2, S. 246.
  11. Meier-Graefe war 1894/95 ein Mitbegründer der Zeitschrift PAN, er schrieb „Der moderne Impressionismus“ (1903) und die „Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst“ (1904, 1908 englische Ausgabe). Muther publizierte die „Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert“ (1893/94, 1907 englische Ausgabe) und „Ein Jahrhundert französische Malerei“ (1901, 126 Abbildungen).
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.