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Günther Oberhollenzer: Von der Liebe zur Kunst Alexandra Matzner im Gespräch mit dem Autor

Oberhollenzer, Von der Liebe zur Kunst.

Oberhollenzer, Von der Liebe zur Kunst.

Günter Oberhollenzer zählt zu den aufstrebenden Kuratoren in Wien und Umgebung. Jüngst legte er mit seinem Essay „Von der Liebe zur Kunst“ seine persönliche Beziehung zur Kunst offen. Wir haben ihn getroffen, um über sein Verhältnis zum Kuratieren, zur Kunstvermittlung und zu seiner Machtposition als Kurator zu sprechen.

Das Gespräch für ARTinWORDS führte Alexandra Matzner.

Von Günter Oberhollenzers subjektive „Liebe zur Kunst“

ARTinWORDS: Du hast einen etwas dickeren Essayband mit dem Titel „Von der Liebe zur Kunst“ veröffentlicht. Wir treffen uns heute im Café Prückl, um über dein Verhältnis zur Kunst zu sprechen und warum du diesen Essay geschrieben hast.

Günther Oberhollenzer (GO): Ich habe schon den Eindruck, dass jedes Kapitel als Einzelessay funktioniert. Man kann sie einzeln studieren und muss sie nicht in der veröffentlichten Reihenfolge lesen. Sonst ist mir die Form des Essays sehr gelegen gekommen, da ich unbedingt den subjektiven Blickwinkel einnehmen wollte. Ich habe bewusst versucht, mich davon zu entfernen, so zu tun, als ob ich objektiv wäre. Mir hat auch gefallen, dass, das was ich fordere, nämlich sich zu äußern, sich zu zeigen, Subjektives und Emotionalität in der Kunst zuzulassen, durch die Art, wie das Buch geschrieben ist, einzufordern. Wenn ich versucht hätte, eine objektive Form zu wahren, hätte ich mir selbst widersprochen.

ARTinWORDS: Dadurch wirst du aber auch angreifbar, oder?

Günther Oberhollenzer: Natürlich, werde ich das! Ich hoffe es sogar! Natürlich gibt es Gegenpositionen, die ich absolut nachvollziehen kann. Mein Problem ist aber, dass wir häufig so über Kunst sprechen, dass wir nicht mehr angreifbar sind, weil wir uns im Diskurs oder im pseudointellektuellen Geschwafel verlieren. Man bleibt sehr allgemein und lässt die eigene Person, das, was man selbst über Kunst denkt, außen vor, baut eine Mauer auf, um nicht mehr angreifbar zu sein. Dann wird es aber fad! Es kann auch feige sein, wenn man keinen Konflikt mehr zulässt.

ARTinWORDS: Wir treffen einander im Kaffeehaus. Wien hat eine alte Kaffeehaustradition, die Kunst auch. Glaubst du es gibt zu wenig Streit- und Diskursfreudigkeit in der Kunstszene, in der Kunstkritik?

Günther Oberhollenzer: Ich tue mir grundsätzlich schon mit dem Wort Diskurs schwer, weil der Begriff schon wieder exkludiert und nicht inkludiert. Mit diesem Begriff können viele Leute nichts anfangen. Ich glaube, es gibt grundsätzlich zu wenig ehrliche Diskussion über Kunst. Wenn heute über Kunst geredet wird, geht es um Befindlichkeiten, die durchaus auf einer intellektuellen, scheinbar theoretischen Ebene ausgetragen werden. Ich habe oft den Eindruck, wenn man über Kunst spricht, geht es um andere Dinge als um das Werk, die Ausstellung. Es geht oft um die Verteidigungen von Pfründen und von dem, was man selbst macht. Um ehrlichen Dialog, was Kunst/Ausstellung sein kann/soll, geht es mir zu selten.

Kunst-Vermittlung

ARTinWORDS: Ich empfinde dein Buch als ein Plädoyer für eine niederschwellige Vermittlung. Wie sehr hat dich in diese Richtung deine Arbeit im Essl-Museum geprägt. Es dient dir auch oft als Beispiel.

Günther Oberhollenzer: Absolut! Die Museumsarbeit hat mich geformt, dort arbeite ich. Es macht Sinn, über Probleme zu sprechen, die man kennt. Ich arbeite gerne im Essl Museum, weil es einen sehr niederschwelligen Zugang hat. Mein Ansatz für meine Arbeit im Kunstbereich war immer, dass man nicht im elitären Zirkel bleiben, sondern versuchen soll, möglichst viele Menschen für zeitgenössische Kunst zu begeistern. Deshalb arbeite ich gerne im Essl Museum, weil dort diese Idee sehr gut gelebt wird.

ARTinWORDS: Inwiefern spielt auch das Sammeln von zeitgenössischer Kunst eine Rolle? Mit dem „Wert der Kunst oder Warum man zeitgenössische Kunst sammeln sollte“ endet dein Buch!

Günther Oberhollenzer: Ich wollte bewusst den Aspekt des Kunstmarktes und -sammelns nicht zu einem Hauptteil des Buches machen.

ARTinWORDS: … auch wenn du mit einer Oberhuber Edition durch die Tür gekommen bist?

Günther Oberhollenzer: Ja. Dennoch gibt es wahnsinnig viele Bücher über den Kunstmarkt. Natürlich beschäftigt mich das Sammeln. Ich arbeite in einem Sammlermuseum, und ich gebe zu, dass ich selbst hin und wieder ein kleines Werk kaufe.

Was macht ein Kurator?

ARTinWORDS: Deinem Lebenslauf kann ich entnehmen, dass du jüngst auch als Lehrender an der Universität für Musik und darstellende Kunst tätig bist. Hat dich das inspiriert, das Buch zu schreiben?

Günther Oberhollenzer: Nein, es war umgekehrt. Zuerst war das Buch vorhanden, und dann ist mir der Lehrauftrag angeboten worden. Beide haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Dennoch kann ich die Inhalte des Essaybandes jetzt in die Lehre miteinfließen lassen. Als ich nach Wien gekommen bin, habe ich 2001 bis 2003 einen Master am Institut für Kulturmanagement gemacht. Schon damals ist in mir der Wusch aufgekommen, vielleicht eines Tages wieder zurückzukommen, um zu unterrichten. Im Frühjahr 2014 hat sich nun die Gelegenheit ergeben, Bildende Kunst, vor allem zeitgenössische Kunst, zu unterrichten. Mein Fokus liegt auf dem Aufgabenbereich des Kurators. Es ist eine sehr praxisbezogene Vorlesung, in der ich darlege, wie man Ausstellungsprojekte realisiert, und was man unter Kunst versteht. Das überschneidet sich schon sehr mit dem Buch. Dadurch war auch die Vorbereitung für die Lehrveranstaltung ein wenig geleistet.

ARTinWORDS: Die Arbeitsaufgabe des Kurators ist ein wichtiges Thema! Was macht ein Kurator? Du hast ihm ein eigenes Kapitel gewidmet.

Günther Oberhollenzer: Natürlich ist auch ein Kapitel enthalten, das meinen Arbeitsalltag beschreibt, oder wie ich die Rolle des Kurators sehe. Auch diese Rolle kann jeweils anders interpretiert werden.

ARTinWORDS: Ich würde sogar sagen, dass jedes Projekt eine andere Rolle verlangt!

Günther Oberhollenzer: Ja, da stimme ich dir zu. Ich glaube, dass sich das Rollenbild in den letzten Jahrzehnten sehr verändert hat. Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Betreuer einer Sammlung, der vor allem inhaltlich arbeitet und Ausstellungsprojekte betreut, mögen heute auch noch wichtig sein. Die organisatorische Arbeit, die Administration, Projektmanagement, seine Vermittlerrolle zwischen Künstlern und den Ausstellungsräumen, seine Rolle als Kunstvermittler sehe ich jedoch stärker. Die Kurator macht jene Arbeit vor, die schlussendlich von den Kunstvermittlern in der Ausstellung selbst durchgeführt wird, die aber in der Konzeption der Ausstellung schon mitgedacht werden muss.

ARTinWORDS: Wie würdest du dann das „Machtdreieck“ beschreiben zwischen der Institution (welche auch immer) – Künstlerin resp. Künstler – Kuratorin und Kurator?

Günther Oberhollenzer: Ich schätze den Begriff „Macht“ nicht. Natürlich ist es so, wenn ich eine Ausstellung wie die „Zukunft der Malerei“ mache und aus über 700 Bewerbungen 23 auswähle, habe ich sie getroffen. Wenn man so will, kann man hier von einem Machtgefälle zu sprechen. Ich versuche, die Rolle des Kurators nicht so wichtig zu nehmen. Das passiert häufig, dass sich die Kuratoren nicht hinter sondern vor den Werken positionieren. Darin sehe ich ein großes Problem. Ich sehe sie im Dienste der Kunst und letztendlich im Dienst der Künstler. Hier beginnt das Machtgefälle aufzuweichen. Schlussendlich sollte es so sein, dass ich mit den Künstlern gemeinsam eine Ausstellung mache.

ARTinWORDS: Das habe ich eigentlich nicht gemeint. Es treffen die unterschiedlichsten Interessen, Fragenstellungen und Bedürfnisse aufeinander.

Günther Oberhollenzer: Hier ist der Kurator der Vermittler. Das Museum hat gewisse Bedürfnisse, ein gewisses Budget, Vermarktungsstrategien, Zeit, Personal - was auch immer. Künstler wollen ein großes Projekt verwirklichen, was manchmal gar nicht so einfach ist, weil die kreative Welt der Künstler und die doch strengere Welt des Museums aufeinanderprallen. Das kann zu Konflikten führen. Ein einfaches Beispiel ist, wenn Künstler nicht wollen, dass ihre Bilder für die Plakate beschnitten werden. Die Rolle des Kurators ist genau die des Vermittlers, der zwischen den Bedürfnissen und Interessen vermittelt. Man muss versuchen, Kompromisse zu finden. Eine der wesentlichen Fähigkeiten eines Kurators ist Kommunikation.

ARTinWORDS: Offenheit und Ehrlichkeit hineinzubringen!

Günther Oberhollenzer: Genau! Es geht darum, eine möglichst gute Ausstellung zu realisieren, und nicht, wie man sich als Kurator am besten selbst in Szene setzt.

Emotionaler Zugang

ARTinWORDS: Abschließende Frage an dich: Glaubst du, dass der Zeitpunkt deines Buchs einen Nerv der Zeit trifft?

Günther Oberhollenzer: Das weiß ich nicht! Es ist interessanterweise schon ein Thema, mein Plädoyer für einen Zugang, in dem Emotion wieder stärker in der Vordergrund tritt, indem man weggeht von einem rein intellektuellen Sprechen über Kunst. Ich bin alles andere als intellektuellenfeindlich, aber ich glaube, man muss Intellektualität richtig einsetzen. Ich möchte hin zu einem Zugang, wo man wieder in einfachen Worten über Kunst spricht, ohne dass es flach wird. Das wird derzeit viel diskutiert. Auch rund um das Schreiben des Buches ist mir aufgefallen, dass bei vielen Gesprächen – auch von Künstlerseite – oft das Argument gekommen ist, dass sie es nicht mehr hören können, wie über Kunst elitär gesprochen wird. Ich glaube schon, dass es zu einem Punkt gekommen ist, an dem viele genug davon haben, wie vieles im Kunstbetrieb läuft. Das Buch soll als Diskussionsgrundlage dienen. Wie sehr sich manches verfahren hat, merkt man, wenn man mit Künstlern konkret über ihre Arbeit spricht. Der Vergleich zu dem, wie über ihre Arbeiten geschrieben wird, und wie sie selbst nachdenken, zeigt, dass hier Welten auseinandergehen. Als Kurator, Wissenschaftler und Kunstkritiker habe ich zwar das Recht und sogar die Pflicht, andere Positionen einzunehmen als die des Künstlers, dennoch habe ich oft den Eindruck, dass über die Art, wie über Kunst gesprochen wird, das Kunstwerk mehr vom Menschen entrückt als ihm nähergebracht wird. Letztendlich muss das Kunstwerk selbst das Wesentlich sein.

ARTinWORDS: Welche Konsequenzen haben diese Überlegungen für deine zukünftige Arbeit?

Günther Oberhollenzer: Ich habe grundsätzlich schon versucht, das so zu handhaben. Ich wollte immer tiefsinnig sein, gleichzeitig verständlich bleiben und mich nicht in intellektuellen Floskeln verlieren. Das ist mir nicht immer gut gelungen. Ich würde aus der Arbeit am Buch nicht den Schluss ziehen, dass ich meine kuratorischen Methoden ändern soll, sondern mehr ein Resümee meiner bisherigen Aktivitäten vorlegen. Aber auch ich verfalle manchmal in Muster und muss mich selbst daran erinnern, nicht in eine Sprache zu verfallen, die Gemeinplätze aufreiht. Es geht mir auch weiterhin um den Vermittlungsaspekt. Man muss dazu sehr nahe am Werk bleiben, beim Sehen Unterstützung anbieten, Interpretationen als solche kennzeichnen, Meinungen der Künstler weitergeben. Das Insiderwissen ist es doch, das die Menschen interessiert.

ARTinWORDS: Wie werden wir uns über die nächste Biennale unterhalten? Spiegelt dein Zugang eine eher jüngere Generation an Künstlerinnen und Künstlern wider? Gibst du deinem Diskussionsanstoß im deutschsprachigen Raum, der berühmt ist für seine diskursorientierte Diskussionskultur, eine Chance?

Günther Oberhollenzer: Vielleicht muss ich jetzt ein bisschen relativieren. Ich möchte keine Schwarz-Weiß-Malerei predigen. Man soll sich immer anschauen, worüber man spricht. Natürlich spreche ich über Heimo Zobernig anders als Michel Borremans. Mein großer Kritikpunkt ist, dass über alles gleich gesprochen wird. Aus jedem Pinselstrich kann eine kunsttheoretische Diskussion entbrennen. Ich finde, dass man sich zu wenig mit dem Werk auseinandersetzt und dann eine Sprache dafür findet. Diese kann sehr unterschiedlich sein. Ich habe nichts gegen eine Intellektualisierung oder einen kunsttheoretischen Diskurs. Ich muss aber wissen, wo ich mich befinde, und für welches Publikum ich spreche. Auch wenn angehende Künstler von Lehrenden aufgefordert werden, theoretische Texte über ihre eigenen Arbeiten zu schreiben, muss das nicht immer gut ausgehen. Es ist natürlich vorteilhaft und interessant, wenn sie ihre Arbeit reflektieren. Dennoch muss beispielsweise nicht immer Foucault zitiert werden, weil er ein wichtiger Theoretiker ist. Hier haben sich bestimmte Muster eingebürgert, die die Kunst teils austauschbar macht. Im Englischen ist etwa der Abstraktionsgrad der Sprache offenbar nicht so hoch wie im Deutschen. Dann zeigt sich bei den englischen Übersetzungen von Katalogtexten, was Substanz hat. Ich komme aus Südtirol und kann auf italienische Text verweisen.

ARTinWORDS: Die sind zum Teil aber so leidenschaftlich, dass die Autoren den Boden unter ihren Füßen verlieren! Das will ich zum Teil nicht auf Deutsch übersetzen müssen, was man in italienischen Katalogen über zeitgenössische Kunst lesen kann.

Günther Oberhollenzer: Natürlich! Genau um dieses Mittelmaß geht es mir, nicht um Pathos oder wissenschaftliches Arbeiten. Leidenschaft, Klarheit, Orientierung am Publikum – das sind meine Themen.

ARTinWORDS: Ist deine Art, über Kunst zu reden, zu schreiben, nachzudenken, von aktuellen Überlegungen mitgeprägt, wie die Zukunft der Ausstellungskataloge ausschauen könnte? Vor allem was ihre Verkaufbarkeit betrifft?

Günther Oberhollenzer: Nein, das hat bei meinen Überlegungen keine Rolle gespielt. Es geht mir auch nicht um eine Anpassung an den Massengeschmack des Publikums. So möchte ich nicht verstanden werden! Ich gebe zu, dass zeitgenössische Kunst oft schwer zu verstehen ist. Es geht mir aber nicht um eine Trivialisierung oder Vereinfachung. Das kann nicht das Ziel sein! Dennoch bin ich der Meinung, dass man über viele Kunstwerke in einfachen Worten sprechen kann.

Biografie von Günther Oberhollenzer (* 1976 Brixen)

Studium der Geschichte und Kunstgeschichte in Innsbruck und Venedig
2001 Umzug nach Wien
Postgraduate Lehrgang Kulturmanagement in Wien
Seit 2006 Kurator im Essl Museum
Ausstellungsprojekte u. a. mit Tim Eitel, Xenia Hausner, Rosa Loy und Neo Rauch, Muntean/Rosenblum, Markus Prachensky, Martin Schnur, Deborah Sengl, Esther Stocker, Erwin Wurm und Heimo Zobernig. Zahlreiche Aufsätze in Kunstbüchern und -zeitschriften.
Seit 2014 Mitglied des Südtiroler Kulturbeirats und Lehrbeauftragter am Institut für Kulturmanagement an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
Aktuell ist Günther Oberhollenzer Kurator am Landesmuseum Niederösterreich in Krems.

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.