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Britische Aesthetic movement und Arts and Crafts-Bewegung Viktorianische Avantgarde, Teil 3

John Everett Millais, Mariana, 1850-1851, oil on mahogany, 59.7 x 49.5 x 1.5 cm (23 1/2 x 19 1/2 x 9/16 in.)framed: 87.6 x 76.7 x 5.5 cm (34 1/2 x 30 3/16 x 2 3/16 in.), Tate. Accepted by HM Government in lieu of tax and allocated to the Tate Gallery 1999.

John Everett Millais, Mariana, 1850-1851, Öl auf Mahagoni, 59.7 x 49.5 x 1.5 cm, gerahmt: 87.6 x 76.7 x 5.5 cm, Tate. Accepted by HM Government in lieu of tax and allocated to the Tate Gallery 1999.

Nachdem sich im Jahr 1853 die Bruderschaft der Präraffaeliten aufgelöst hatte, fanden sich rund um Dante Gabriel Rossetti und Ford Madox Brown erneut junge Künstler, die von den Leistungen der Älteren begeistert waren und in diesem Sinne weiterarbeiten wollten. William Morris und Edward Burne-Jones formten ab 1861 die Ideale der Präraffaeliten zur britischen Arts and Crafts-Bewegung weiter: Kunst, Poesie und Kunsthandwerk sollten zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen.

Pre-Raphaelites: Victorian Art and Design, 1848-1900 /
Präraffaeliten: Kunst und Design im Viktorianischen Zeitalter

England / London: Tate Britain
12.9.2012 - 13.1.2013

USA / Washington: National Gallery of Art
17.2. - 19.5.2013

Russland / Moskau: The State Pushkin Museum of Fine Arts
10.6. - 30.9.2013

Vom „British Aesthetic movement“ zur „Arts and Crafts“-Bewegung - avantgardistisch und mittelalterlich

Im Jahr 1857 begannen Dante Gabriel Rossetti und Ford Madox Brown mit dem jungen Dichter und Designer William Morris (1834–1896) sowie den Maler_innen Edward Burne-Jones (1833–1898), Elizabeth Siddall (1829–1862) und Simeon Solomon (1840–1905) zusammenzuarbeiten. Zwei Jahre später sollte das Bauen und Einrichten von Red House in Kent zum Nukleus der weiteren Entwicklungen werden: Im Jahr 1861 gründeten sie, aufbauend auf die Überzeugungen der Bruderschaft der Präraffaeliten, unter dem Namen „the Firm“, Morris, Marshall, Faulkner & Co., eine Werkstättengemeinschaft, in der sie die traditionelle Grenze zwischen Kunst und Kunsthandwerk einrissen (ab 1875 Morris & Co.). Rossetti, Morris und Burne-Jones hatten bereits bemalte Holzmöbel hergestellt, in denen sie das Konzept von italienischen cassoni (bemalte Hochzeitstruhen) wieder aufnahmen. Morris designte Stickereien, Tapeten, bedruckte Textilien und illuminierte Bücher aber auch Fensterscheiben aus bunten Glasstücken. Burne-Jones entwarf sämtliche figurativen Bilder und Morris die Muster. Die Gruppe untersuchte die Beziehungen zwischen Kunst, Musik und Poesie. Dabei gingen die Künstlerinnen und Künstler über die traditionellen Medien der Kunstproduktion weit hinaus und nutzten Möbelentwürfe, Textilien, Keramik, Tapeten, Glasfenster wie auch die Gestaltung und Illustration von Büchern.

Rund um Burne-Jones arbeitete eine Gruppe von Malern an neuen Formen des mythischen Historienbildes, das sie für die sich veränderten psychologischen und sozialen Bedingungen des Fin de Siècle angemessen hielten. Dekorative Gestaltung und geheimnisvolle Aura wurden zu wichtigen Charakteristika, die helle Farbigkeit und die Detailgenauigkeit der frühen Präraffaeliten dabei völlig aufgegeben. Nichtsdestotrotz führt der Weg, so ist sich Elizabeth Prettejohn sicher, von der Bruderschaft über das Aesthetic movement, besonders verkörpert durch Burne-Jones Werk, zu Symbolismus und Surrealismus.

Morris, Brown und Walter Crane (1845–1915) radikalisierten in den 1880ern und 1890ern ihr politisches Interesse in eine explizit sozialistische Bewegung. Dabei entwickelten sie erstmals eine Ikonographie für die Britischen Linken, die u.a. Morris in einem utopischen Roman mit dem Titel „News from Nowhere, or an Epoch of rest: being some chapters from a Utopian romance“ (1892) entwickelte. 1891 gründete Morris die Kelmscott Press, um sich gänzlich der künstlerischen Buchproduktion zu verschreiben. Er entwarf alles, von Schrifttypen, ornamentalem Initialen und Bordüren bis hin zum Layout, Format und Bindung. Alle Drucke wurden an einer Handpresse auf handgeschöpftem Papier gefertigt. Burne-Jones stellte Holzschnitt-Illustrationen zur Verfügung, darunter die wunderbaren Bilder für „Works of Geoffrey Chaucer“, die kurz vor Morris` Tod 1896 herausgegeben wurden.

Die „Schwesternschaft“ der Präraffaelitinnen

Die Bruderschaft nahm grundsätzlich keine Künstlerinnen in ihren Reihen auf, dennoch sind Frauen als Modelle, Musen und Kolleginnen für die Entwicklung der Präraffaeliten und ihrer Nachfolger von größter Bedeutung. Genaue Beobachtung und tiefe religiöse Überzeugung prägten auch die Werke ihrer Begleiterinnen, wie der Dichterin Christina Rossetti (1830–1894), die Schwester von Dante Gabriel. Als Modell und jüngst auch als begabte Malerin ist Elizabeth Siddall (1829–1862) von der Forschung identifiziert worden. Sie treibt als Ophelia in Millais` gleichnamigem Gemälde auf der Wasseroberfläche und heiratete Dante Gabriel Rossetti. Während die meisten der Modelle, Geliebten und Künstlerinnen rund um die Präraffaeliten aus schwierigen Verhältnissen stammten, wurde Julia Margaret Cameron (1815–1879) als Tochter von Adeligen auf der Teeplantage von Dimbola in Ceylon (heute Dimbula / Sri Lanka) geboren. Ihre einfühlsamen Porträtfotografien spiegeln die künstlerischen Konzepte des aesthetic movement und inszenieren ihrerseits Frauen zu geheimnisvollen, melancholischen Wesen.

Frauen spielten auch eine wichtige Rolle im Revival des Kunsthandwerks rund um William Morris, da sie sowohl als Designerinnen als auch Handwerkerinnen tätig waren. May Morris (1862-1938), die jüngere Tochter von William und Jane Morris, wurde für ihre Stickereien, als Autorin von wichtigen Publikationen und aktive Sozialistin bekannt.

„Präraffaelitismus“ heute?

Elizabeth Prettejohn argumentiert in ihrem Aufsatz1 gegen die landläufige Meinung der Folgenlosigkeit, dass der „Pre-Raphaelitism“ im 20. Jahrhundert nie wirklich von der Bildfläche verschwunden ist. Seit den 1960ern werden die Werke wieder regelmäßig ausgestellt. Der Umstand, dass Laura Ashley mit Designs, die an William Morris` Muster erinnern, arbeitet, kann aber als ein Symptom dafür angesehen werden, dass die Ideale der Bruderschaft und ihrer Nachfolger nicht mehr präsent sind. Sie werden mehr als „typisch englisch“ denn als revolutionär angesehen, obwohl seit der großen Präraffaeliten-Schau der Tate 1984 Morris als ein „Vater des englischen Sozialismus“ gilt.

Präraffaeliten: Bilder

  • Dante Gabriel Rossetti, Ecce Ancilla Domini! [Verkündigung], 1849/50, Öl auf Leinwand, auf Holz montiert, 73.7 x 41.9 cm, gerahmt: 100.2 x 69.8 x 8.8 cm, Tate. Purchased 1886.
  • John Everett Millais, Christus im Haus seiner Eltern (die Tischlerwerkstatt), 1849/50, Öl auf Leinwand, 86.4 x 139.7 cm, gerahmt: 159 x 187.3 x 141 cm, Tate. Purchased with assistance from the Art Fund and various subscribers 1921.
  • John Everett Millais, Mariana, 1850/51, Öl auf Mahagoni, 59.7 x 49.5 x 1.5 cm, gerahmt: 87.6 x 76.7 x 5.5 cm, Tate. Accepted by HM Government in lieu of tax and allocated to the Tate Gallery 1999.
  • John Everett Millais, Ophelia, 1851/52, Öl auf Leinwand, 76.2 x 111.8 cm, Tate. Presented by Sir Henry Tate 1894.
  • Alexander Munro, Paolo und / and Francesca, 1852, Marmor, 66 x 67.5 x 53 cm, Birmingham Museums and Art Gallery, Purchased 1960.
  • William Holman Hunt, Das erwachende Bewusstsein / The Awakening Conscience, 1853/54, Öl auf Leinwand, 76.2 x 55.9 cm, gerahmt: 106 x 85.7 x 9.7 cm, Tate. Presented by Sir Colin and Lady Anderson through the Friends of the Tate Gallery 1976.
  • Arthur Hughes, April Liebe/ April Love, 1855/56, Öl auf Leinwand, 88.9 x 49.5 cm, Tate. Purchased 1909.
  • John Everett Millais, Das blinde Mädchen / The Blind Girl, 1856, Öl auf Leinwand, 80.8 x 53.4 cm gerahmt: 111 x 84.5 x 10 cm (43 11/16 x 33 1/4 x 3 15/16 in.), Birmingham Museums and Art Gallery. Presented by the Rt Hon William Kendrick, 1892.
  • William Morris, Dante Gabriel Rossetti, The Arming of a Knight, 1856/57, Painted deal, leather and nails, 141.3 x 47.6 x 49.5 cm (55 5/8 x 18 3/4 x 19 1/2 in.), Delaware Art Museum, Acquired through the Bequest of Doris Wright Anderson and through the F.V. duPont Acquisition Fund, 1997.
  • Dante Gabriel Rossetti, Bocca Baciata, 1859, Öl auf Holz, 32.1 x 27 cm, Museum of Fine Arts, Boston, Gift of James Lawrence.
  • Ford Madox Brown, Arbeit / Work, 1863, Öl auf Leinwand, 68.4 x 99 cm, gerahmt: 99.5 x 130 x 9.5 cm, Birmingham Museums and Art Gallery. Bequeathed by James Richardson Holliday, 1927.
  • Dante Gabriel Rossetti, Beata Beatrix, um 1864–1870, Öl auf Leinwand, 86.4 x 66 cm, Tate. Presented by Georgiana, Baroness Mount-Temple in memory of her husband, Francis, Baron Mount-Temple 1889.
  • Julia Margaret Cameron, Mary Hillier, 1864–1866, 57 x 42 x 4 cm, Albumindruck von einem nassen Kollodiumnegativ © Victoria and Albert Museum, London.
  • Julia Margaret Cameron, The Mountain Nymph, Sweet Liberty, June 1866, Albumindruck von einem Kollodiumnegativ, 36.1 x 26.7 cm, National Gallery of Art, Washington, New Century Fund.
  • Dante Gabriel Rossetti, Lady Lilith, 1866–1868, Öl auf Leinwand, 96.5 x 85.1 cm, gerahmt: 134.6 x 121.9 x 7 cm, Delaware Art Museum, Samuel and Mary R. Bancroft Memorial, 1935.
  • Edward Fitzgerald, Rubaiyat von / of Omar Khayyam, 16. Oktober 1872, Tinte, Aquarell und Vergoldung auf Pergament, geöffnet: 13.5 x 23.5 cm, The British Library, London.
  • William Morris, Stoffentwurf / Design for Tulip and Willow printed textile, 1873–1875, pencil, watercolor, and bodycolor, 114.3 x 94 cm (45 x 37 in.), gerahmt: 120.3 x 100.6 x 3.3 cm (47 3/8 x 39 5/8 x 1 5/16 in.), Birmingham Museums and Art Gallery. Purchased from Morris & Co. through the Friends of BMAG, 1940.
  • Edward Burne-Jones, Laus Veneris, 1873–1878, Öl auf Leinwand, 121.9 x 182.9 cm, gerahmt: 154 x 216 x 7 cm, Laing Art Gallery, Newcastle upon Tyne.
  • Edward Burne-Jones, The Doom Fulfilled, 1885–1888, Öl auf Leinwand, 154.9 x 140.3 cm, Staatsgalerie Stuttgart.
  • Sir Edward Coley Burne-Jones, William Morris und John Henry Dearle, Bewaffnung und Abreise der Arthus-Ritter auf der Suche nach dem Heiligen Gral / The Arming and Departure of the Knights of the Round Table on the Quest for the Holy Grail), 1890–1894, Tapisserie / tapestry woven in wool and silk on a cotton warp, 240 x 347 cm (94 1/2 x 136 5/8 in.), Collection of Jimmy Page, courtesy of Paul Reeves London.
  1. Elizabeth Prettejohn, The Pre-Raphaelite Legacy im Ausstellungskatalog, S. 118-121.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.