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Wolken in der Malerei Welt des Flüchtigen

Gerhard Richter, Wolken (Fenster), 1970 (Essl Museum Klosterneuburg/Wien), Installationsansicht „Wolken“ im Leopold Museum, Foto: Alexandra Matzner.

Gerhard Richter, Wolken (Fenster), 1970 (Essl Museum Klosterneuburg/Wien), Installationsansicht „Wolken“ im Leopold Museum, Foto: Alexandra Matzner.

Wolken in der Kunst? Ein Wetterphänomen als künstlerische Herausforderung? Ja - nicht nur in der holländischen Landschaftsmalerei, wo Wolken zum ersten Mal inhaltlich, kompositionell und formal bedeutend wurden (→ Wetter-Smalltalk im Museum). Um 1800 gelangten Wisseschaftler und Künstler zu völlig neuen, weil auf Beobachtung basierenden Wolkenwissen. Ausgehend von naturkundlichem Interesse, der Erfindung der Meteorologie und der realistischen Landschaftsmalerei in England (Constable) wandten sich die Romantiker dem Thema zu. Mit der Landschaftsmalerei als der Leitgattung der Moderne erfuhren Wolken eine malerische Aufwertung, bevor sie im Jugendstil zum Ornament stilisiert wurden. Andy Warhol ließ silberne Wolken fliegen, und Anselm Kiefer richtete seinen Blick jenseits irdischr Wolken bis zu den Sternen darüber.

Wolkenbilder zwischen Aneignung und Ablehnung

Der Londoner Pharmazeut und Chemiker Luke Howard (1772 -1864) schlug 1803 erstmals eine verbindliche Klassifikation für Wolken vor: Der Quäker Howard unterschied in seinem „Essay über die Modifikationen der Wolken“ („Essay on the Modifications of Clouds“) bereits zwischen Cumulus-, Stratus- und Cirrus-Wolken. Aus dem reinen Chaos am Himmel wurde damit ein benenn- und zunehmend erklärbarer Zustand von Wasser. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) entdeckte 1815 den Essay und übersetzte ihn ins Deutsche. Um die einfachen und treffenden Beschreibungen Howards zu illustrieren wandte sich Goethe mit der Bitte um Illustrationen an Caspar David Friedrich (1774-1840), der ihm jedoch eine Abfuhr erteilte. Für den norddeutschen Romantiker war das Abbilden von Wolken in Klassen gleichbedeutend mit dem „Umsturz der Landschaftsmalerei“. Er weigerte sich, seine „leichten, freien Wolken sklavisch in diese Ordnung gezwängt“ zu sehen. Die ablehnende Haltung Friedrichs zeigt deutlich seine Auffassung von Landschaftsmalerei: Für ihn waren die Naturformen nur Elemente seiner Kompositionen, die ganz seinem inneren Auge entsprangen. Naturwissenschaftliche Korrektheit war ihm kein Anliegen.

Völlig konträr zu dieser Einstellung verhielt sich der englische Maler John Constable (1776-1837) zur gleichen Zeit. Das Bild „Weymouth Bay mit Blick auf Jordan Hill“ entstand ab Herbst 1816 und zeigt die Bucht von Weymouth in der Grafschaft Dorset mit ihren langen Sandstränden – auch heute noch ein beliebtes Ausflugsziel. Zeit seines Lebens beschäftigte er sich mit Wolkenstudien. Er widmete ganze Serien von kleinformatigen Skizzen sind der korrekten Wiedergabe dieser Naturerscheinungen. Die großen Ausstellungsbilder wurden dann im Atelier nach diesen Studien komponiert.

Diesem intensiven Naturstudium konnte wiederum der Landsmann Joseph Mallord William Turner (1775-1851) nichts abgewinnen. In seinen Landschaftsgemälden betont er die feuchte, duftige Atmosphäre und ermöglicht neue Farberlebnisse, indem er gleichsam die gesamte Landschaft „verflüssigt“. Erde und Himmeln nähern sich einander an, die Grenze zwischen den Elementen scheint aufgelöst. Der Kunstkritiker und Freund Turners, William Ruskin, fand für die Wolkenfaszination bereits eine beredte Formulierung: „Wir wollen unser Glück in Dingen finden, die in jedem Augenblick sich ändern oder vergehen; wir sollen die äußerste Befriedigung und Belehrung von dem erwarten, was man nicht halten kann und was schwer zu begreifen ist.“ So wandelte sich Turner von einem genauen Beobachter der Wolkenformationen zu einem Maler von sehr subjektiven Visionen. Niemand vor Turner hat Wolken, Nebel und Gischt zu einer solchen ästhetischen Einheit verschmolzen.

Wissenschaft bedient sich der Bilder

Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Internationalen Wolken-Atlanten sowohl mit Gemälden als auch Fotografien illustriert. Ziel war es, das Wetter und die Wolkenentstehung weltweit zu beobachten. Um Einigkeit über die Wolkentypen zu erlangen, setzten Meteorologen wie der Schwede Hugo Hildebrand Hildebrandsson  (1838-1925) auf Abbildungen.

Die ersten Wolkenfotografien tauchen bereits in den Anfangsjahren der Fotografie auf. Der Pionier Jean-Baptiste Gustave Le Gray (1820-1884) entwickelte eine interessante Strategie, um Undarstellbares wie Wolken mittels Retuschen doch abzufotografieren. Mitte des 19. Jahrhunderts mussten sich die Fotografen noch entscheiden, ob sie – aufgrund der unterschiedlichen Belichtungszeiten – entweder Bilder mit weißem Himmel und einer differenzierten Aufnahme der Landschaft oder eine gute Himmelswiedergabe bei gleichzeitiger Unterbelichtung der dunklen Partien haben wollten. 1855 oder 1856 schuf Le Gray plötzlich eine Folge von 30 Seestücken, mit denen er Überraschung und Erstaunen auslöste! Angeblich hätten sogar Maler diese Aufnahmen voller Bewunderung betrachtet. Le Gray schien ein Naturgesetz der Fotografie überwunden zu haben, da er sowohl die Wolken als auch die Wellen präzise wiederzugeben wusste. Erst eine genaue Untersuchung der Fotografien zeigt, den technischen Trick dahinter: Le Gray montierte einfach die Wolken aus einem anderen Negativ in die Strandszene. Aus zwei perfekt belichteten Aufnahmen machte er ein perfektes Bild von Wolken und gischtgekrönten Wellen und schrieb damit Fotografiegeschichte.

Technische Raffinesse war auch ein wichtiges Augenmerk des österreichischen Amateurfotografen Heinrich Kühn (1866-1944). Die Wanderer in seinen Bildern erklimmen die Berge und verharren erstaunt vor dem Wunder der „österreichischen Landschaft“. Kühns Ziel war, „allen Disharmonien aus dem Weg zu gehen“. Damit meinte er unter anderem die Telegrafenmasten, seiner Ansicht nach eine Verschandelung der Natur, die er kategorisch aus seinen Bildern ausschloss.

„Ich beginne ein Bild stets mit dem Himmel“

„Das eigentliche Mittel ist der Himmel, er darf nicht nur Hintergrund sein. Im Gegenteil, er verleiht mit seinen verschiedenen Ebenen dem Bild Tiefe, und über seine Form, sein Arrangement in Zusammenspiel mit der Wirkung und dem Aufbau des Bildes verleiht er ihm auch Bewegung. Gibt es etwas Großartigeres und Bewegenderes als das, was im Sommer häufig zu sehen ist? Ich meine einen strahlend blauen Himmel mit schönen, weißen, dahinziehenden Wolken (…) Ein Hinweis: Ich beginne ein Bild stets mit dem Himmel.“ (Alfred Sisley)

Diese Beschreibung stammt von  rel="nofollow"Alfred Sisley (1839-1899), einem wichtigen Mitstreiter des Impressionismus. Er lebte bis zum Deutsch-Französischen Krieg im 17. Arrondissement, wo auch Manet, Bazille und Renoir ansässig waren und widmete sich ab den 1860er Jahren der Landschaftsmalerei. Nachdem er das Vermögen seines Vaters durch den Krieg verloren hatte, entdeckte Sisley ab 1870 die Seine und die Umgebung von Paris. Der Fluss war zu einem wichtigen Faktor der Industrie geworden, und Sisley widmete sich mit besonders begeistert der Wiedergabe der Arbeit an ihren Ufern.

Auch Claude Monet (1840-1926) konnte sich der Faszination des ländlichen Umraums von Paris nicht entziehen. Von Dezember 1871 bis September 1878 lebte er in dem Freizeit- und Industrieort Argenteuil, wo ca. 170 Gemälde, darunter einige seiner berühmtesten Landschaftsbilder, entstanden. Die „Herbststimmung“ (1873) zeigt die impressionistische Formauflösung, das Beobachten der herbstlichen Farben, der Spiegelungen und Lichtreflexe auf der unruhigen Wasseroberfläche. Um Bilder wie dieses malen zu können, baute sich der Künstler eigens ein Atelierboot. Die duftigen Wolken am Himmel sind jedoch nicht mehr alle natürlichen Ursprungs: Der hohe Schlot im Hintergrund bläst gerade eine leicht rosa eingefärbte Wolke in den Himmel. Er ist ein Symbol für den wirtschaftlichen Aufbruch der Stadt in den 1870er Jahren und die noch als unproblematisch empfundene Verbindung von Mensch, Natur und Industrie.

Ähnliches lässt sich auch für das wohl berühmteste Bild der Ausstellung sagen: „La Gare Saint-Lazare“ (1877). Im Jänner 1877 mietete sich Claude Monet ein kleines Atelier in der Nähe des Bahnhofs Saint-Lazare. Er fertigte eine Serie von sieben Bildern der Bahnhofshalle, die auf der 3. Impressionisten-Ausstellung gezeigt wurde. Weitere vier Gemälde mit diesem Sujet sollten noch folgen. Monet hatte von der Leitung der Eisenbahnlinie die Erlaubnis erhalten, unter dem Glasdach des Bauwerks zu arbeiten. Daraufhin entstanden völlig neue Bilder von Dampfloks, die weder die Technik würdigen noch die Geschwindigkeit inszenieren. Der Dichter Émile Zola sprach in einem Kommentar von der „Poesie der Bahnhöfe“, die Monet in den „herrlichen Innenansichten“ und den sich durch die riesigen Hallen wälzenden „Rauchschwaden“ suche.

Künstler wie Paul Cézanne (1839-1906) und Vincent van Gogh (1853-1890) sollten sich den Wolken wieder von anderer Seite annähern. Nicht mehr Naturwiedergabe und Spontaneität, sondern Konstruktion bei Cézanne und Dynamik bei Van Gogh stehen im Mittelpunkt. Das berühmte Wort Cézannes, er male keine Dinge sondern Gemälde, lässt sich bestens auf sein Verhältnis zu Wolken anwenden. Die Wolkenwand im Bild „Badende“(um 1890) dient dazu, die Figurengruppe zu hinterfangen und zusammenzubinden. Die farbigen Flecken in den Wolkenmassen gleichen die Komposition aus, entstammen somit der „Notwendigkeit“ des Bildgefüges und nicht einer Naturbeobachtung. Vincent van Gogh verfährt ähnlich in einer Ansicht der Nervenheilanstalt von Saint-Rémy (1889), wo er sich von Mai 1889 bis Mai 1890 aufhielt. Die Stilisierung des Motivs wie der bewegte Baum und die kaum sichtbaren Wolke gehen Hand in Hand mit der gestischen Strichführung. Ohne sich gänzlich vom Naturvorbild zu lösen, entwickelte van Gogh eine stark reduzierte Form, die sich immer mehr seinem Pinselstrich unterordnete. Fern von jeder Art der Wolkenklassifikation übernahm bei Van Gogh erneut die Fantasie die Führung.

Stilisierung und Expression – Wolken zwischen Muster und Ausdruck

Um 1900 wich das genaue Wolkenstudium der Stilisierung, während die Expressionisten Wolken ab 1905 zu wahren Farbnebeln umdeuteten. Der „Thurnersee mit symmetrischen Reflexen“ (1909) von Ferdinand Hodler (1853–1918) zeigt die hohe Bedeutung der dekorativen Bildauffassung für den Schweizer Maler. Landschaften waren für ihn keine realistischen Schilderungen mit allen Details, sondern Sinnbilder der kosmischen Ordnung. Sämtliche Motive in dem Bild werden im Sinne des Parallelismus symmetrisch überformt: Wolken können wie gemalte Rahmungen aussehen, geraten dadurch aber in einen Zustand der Erstarrung. Ihren eigentlich plastischen Körpern raubt Hodler das Volumen und macht sie zu hellen Flächen im Blau des Himmels.

Inspiriert durch Hodler setzten sich in Wien Koloman (Kolo) Moser, Emil Orlik (→ Wie ein Traum! Emil Orlik in Japan), Ferdinand Andri, Rudolf Junk und Maximilian Lenz mit einer flächigen Wiedergabe der Wolken auseinander. Andris Plakat für die 25. Ausstellung der Wiener Secession lässt Wolkenbänder zu geschwungenen Zeilen werden, während Rudolf Junk seine Häufchenwolken blasenförmig entwickeln lässt.

Es gibt wohl wenige Maler, die sich so am himmlischen Farbenspiel berauschen konnten wie Emil Nolde (1867–1956). Der deutsche Expressionist schien in seinen Ölgemälden und Aquarellen geradezu himmelhoch aufragende Wolkenberge, bleierne Gewitterwolken oder glutrote Sonnenuntergänge zu suchen. „Landschaft (Haus und Kirche)“ (1916) zeigt, dass die Wetterstimmung deutlich wichtiger ist als die kleinen menschlichen Behausungen, Menschen spielen gar keine Rolle. Das Spiel der Farben am Himmel und in den Landschaften zu verschiedenen Tageszeiten faszinierte Nolde, ja er steigerte diese Eindrücke zu wahren Farborgien. „Die Farben waren mir ein Glück. Es war, als ob sie meine Hände liebten“, war Nolde überzeugt. Beim Arbeiten gelang es ihm immer wieder den Verstand beiseite zu schieben und ganz in den Farben aufzugehen. Im Vergleich dazu wirken die 1918 entstandenen „Wolkenschatten“ über dem Meer von Erich Heckel (1883–1970) nahezu gezähmt (und erinnern auch frappant an Baiser-Häufchen).

Direkt neben Noldes Bild findet sich aber – eine Überraschung – die drohende Gewitterwand von Gustav Klimts „Große Pappel II“ (1902–1903) und Van Goghs „Ansicht von Saint-Rémy". Ein genauer Blick auf die graue Masse lohnt, denn dann erst lässt sich ermessen, mit wie vielen farbigen Flecken in Lila, Grün und Blau das düstere Grau durchdrungen ist. Mit dieser Gegenüberstellung – Van Gogh, Klimt, Nolde - wird Gustav Klimt (1862-1918) mit seinen koloristischen Qualitäten als Vorläufer der deutschen Expressionisten, vornehmlich der Dresdener Brücke und Nolde eingeordnet.

Wolken, die keine sind

Je mehr die realistische Darstellung von Wolken von der Fotografie übernommen wurde, so könnte man schlussfolgern, desto freier wurden sie als Motiv. Vor allem die Surrealisten mit ihrer Hinwendung zu Traum und Freiheit nutzten seit den 1920ern Wolken als Symbol für Unbeständiges und Wandelbares. So finden sich wunderbare Schäfchenwolken in Bildern von René Magritte (1898–1967) und Fotomontagen von Herbert Bayer (1900–1985). Das wohl überraschendste Exponat in dieser Abteilung ist Anton Romakos (1823–1889) „Odysseus vor Circe“ (1884-1885)! Das riesige Format aus Privatbesitz erstaunt mit seiner verschieden durchgebildeten Malerei und dem mit Verlaub kitschigsten Sonnenuntergang der Ausstellung.

Schräg gegenüber finden sich dann auch passend (?) Industrieschlote und Umweltverschmutzung, wiedergegeben von dem belgischen Maler Pierre Paulus. Im Gegensatz zu Monet, der in den 1870ern noch von einer „Verschmutzungs-Ästhetik“ (Pollution Aesthetics) ausgeht, wird hier die Industrialisierung kritisch gesehen. Die Wolken rauben dem Betrachter nicht nur das Licht, sondern buchstäblich auch die Atemluft. Paulus sah sich als ein Vertreter der sozialkritischen Kunst und widmete sich das gesamte Leben seiner wallonischen Heimat. Die Bergwerksregion, die auch wegen des Kohlestaubs und der pechschwarzen Berge das „schwarze Land“ genannt wurde, stand für ihn stellvertretend für den Raubbau der modernen Gesellschaft an der Natur und dem Menschen.

Kriegswolken

Dass die Freiheit wohl über den Wolken zu finden ist, ist eine alte Vorstellung. Bilder von Alpengipfeln im Nebelmeer oder Fotografien aus Flugzeugen unterstützen diese Vorstellung. Wolken ziehen aber nicht nur friedlich über das Himmelszelt, sondern sind auch Symbole für den Untergang. Die Aufnahme des Atompilzes über Hiroshima am 6. August 1945 von George Robert Caron macht dies nur überdeutlich.

„Operation Crossroads“ war der Codename  für die ersten beiden von insgesamt 23 Atomwaffentests, die die USA auf dem Bikini-Atoll zwischen 1946 und 1958 durchführten. Die zweite Explosion fand am 25. Juli 1946 statt. Die Bombe wurde unter Wasser gezündet, zig ausrangierte Schiffe der US-Navy waren in unterschiedlichen Distanzen zur Detonation positioniert. Eine riesige Wasserfontäne stieg auf, der Atompilz erstreckte sich über 3 Kilometer in der Breite. Mehr als 700 Kameras hielten den Vorgang von verschiedensten Punkten zu Lande und zu Wasser fest, insgesamt 64 Flugzeuge waren mit 328 Fotoapparaten und Filmkameras ausgestattet und umkreisten das Ereignis. Diese Explosion gehört zu den meistfotografierten historischen Momenten der Geschichte! Der amerikanische Künstler Bruce Conner (1933-2008) verarbeitete 1976 für einen Schwarz-weiß-Film mit dem Titel „Crossroads“ das  historische Filmmaterial aus den National Archives. Er zeigt dieselbe Detonation etwa zwanzig Mal aus verschiedenen Blickwinkeln, springt zwischen verschiedenen Einstellungen hin und. Conners Film dauert nun 36 Minuten, sodass der Eindruck einer unendlich langsamen Bewegung entsteht.

Zeitgenössische Wolken

Andy Warhol (1928–1987) machte mit seinen „Silver Clouds“ die Wolke 1966 wieder „galeriefähig“, auch wenn die Form der „Silver Clouds“ vielleicht doch mehr an Pölster erinnert. In ihnen verschmolzen Zeitgeist und künstlerische Fragestellungen kongenial miteinander. Einerseits symbolisiert das ziellose Schweben der Wolken den Wunsch von Warhols Zeitgenossen nach Freiheit, psychedelischen Erfahrungen und einem sich berauscht Treibenlassen. Andererseits sind sie bewegliche Kunstgebilde, die in den 60er Jahren eben so sehr in Mode waren wie „Mitmachkunstwerke“. „Playhouse“ von Dietrich Wegner (* 1978) scheint an dieses Konzept zumindest ideell anzuschließen, wenn das Wolkenbaumhaus sich auch nicht betreten lässt. Die Form lässt sich sowohl mit einem Baum als auch einem Atompilz assoziieren.

Maler wie Gerhard Richter, Anselm Kiefer, Howard Kanovitz, Max Weiler (→ Max Weiler. Die Natur der Malerei) oder auch die Fotografin Eva Schlegel zeigen, wie Wolken bis heute ihre Strahlkraft und Faszination in der zeitgenössischen Kunst bewahrt haben. Ihre Wolkenbilder machen das sonst Unsichtbare sichtbar, indem sie sich ganz darauf einlassen. So wie Corey Arcangel in seiner Videoinstallation am Beginn der Ausstellung die Spielfigur des Super Mario aus dem Bild herausschnitt, um die Wolken aus dem Hintergrund erstmals wirken zu lassen.

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.