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Aiwasowski Maler des Meeres

Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski, Eisberge in der Antarktis, 1870, Öl auf Leinwand, 112 x 136 cm, Aiwasowski-Galerie, Feodossija.

Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski, Eisberge in der Antarktis, 1870, Öl auf Leinwand, 112 x 136 cm, Aiwasowski-Galerie, Feodossija.

Der russischen Marinemaler mit armenischer Abstammung Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski (1817-1900) wurde in der kleinen Hafenstadt Feodossija (Krim) geboren. Aiwasowski erhielt 1833 ein Stipendium für die Kaiserliche Akademie von Sankt Petersburg, an der er bis Ende der 1830er Jahre Landschaftsmalerei studierte. 1840 trat er eine erste Italienreise an; 1842 traf er in Rom William Turner (1775-1851) und reiste daraufhin nach England und Holland. Eine Ausstellung im Pariser Louvre wurde zum großen Erfolg. 1844 nach Sankt Petersburg zurückgekehrt, wurde Aiwasowski zum Mitglied der Akademie und zum offiziellen Maler des Marinestabs ernannt. In den folgenden Jahren bereiste er Konstantinopel, den Kaukasus, die USA und Westeuropa, wo er sehr erfolgreiche Ausstellungen in Paris, Nizza und Florenz und natürlich auch in Sankt Petersburg bestritt.

Wasser, Wasser, immer wieder Wasser

Die teils riesigen Formate der Seestücke beeindrucken auf den ersten Blick nicht nur wegen ihrer Größe, sondern vor allem aufgrund der meisterlichen akademischen Malweise. Iwan Konstantinowitsch Aiwasowskis Kompositionen reichen von völlig ruhigen Meereslandschaften zu Bildern der Idylle mit öligen Wasseroberflächen, Sonnenuntergängen, dem rauchenden Vesuv, Pinien sowie Staffagefiguren im Vordergrund, auf die das sanfte Licht des Mondes fällt oder die vom gelbgoldenen Licht der Mittelmeersonne beschienen werden. Viel häufiger jedoch findet sich die See aufgewühlt: Aufbrausende Wasserstürme machen das Abenteuer aber auch die Unberechenbarkeit des Meeres und somit die Gefahren der Schifffahrt spürbar. Als offizieller Maler des Marienstabs war es Aiwasowskis Aufgabe, Seekriege, wie zum Beispiel die Seeschlacht von Sinope 1853, möglichst realistisch wiederzugeben. Auch wenn der Künstler selbst nicht vor Ort war, so hat er sich nachweislich um Augenzeugenberichte bemüht, um einen hohen Grad an Realismus und Überzeugungskraft zu entwickeln. Gleichzeitig bezeugen Bilder mit religiösem Inhalt, etwa „Die Sintflut“ und „Die Erschaffung der Welt“ (beide 1864), dass Aiwasowski das Wasser auch als lebensbestimmendes Element aus religiöser Sicht dazustellen wusste. Das Entstehen und die Vernichtung des Lebens aus dem und durch das Wasser findet sich unterschwellig auch in allen anderen Bildern des Künstlers. Sie sind allesamt Metaphern für das menschliche Leben, die „Stürme des Lebens“ und ein unbedingtes Gottvertrauen.

Aiwasowksi als „russischer Turner“

Ingried Brugger bezeichnet Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski medienwirksam als den „russischen Turner“. Auch wenn die Farbkombinationen, die dunstige Atmosphäre der sonnendurchfluteten Landschaften und das Verschwimmen der Formen darin bei so manchem Bild an Turners späte Gemälde der 1840er Jahre erinnert, so sind die Werke Aiwasowskis deutlich weniger radikal in ihrer Auflösung der Formen und der Entwicklung von Lichtnebel, wie sie bei Turner besonders um 1845 zu beobachten ist. Der 1851 verstorbene Joseph Mallord William Turner ist v.a. für diese späten Arbeiten berühmt, in denen das Licht alles „einschmilzt, was immer im Umkreis seiner Melancholie liegt“ (Lady Eastlake, Journals of Correspondence, London 1895). Auch wenn die Darstellung von spektakulären Licht- und Witterungseffekte die Virtuosität Aiwasowskis deutlich belegen, so unterscheidet sich die Haptik seiner Bilder von jener berühmten „Materialauflösung“ Turners. Dessen späte Werke basieren auf nahezu abstrakten Farbnebeln, auf denen der Künstler innerhalb von zwei bis drei Tagen sämtliche „Details“ einfügte. Aiwasowskis Bilder hingegen sind detailreich, wurden zwar auch schnell und lasierend angelegt, entsprechen jedoch stärker der akademischen Tradition. Die Leistung Aiwasowskis kann man am besten als ein Überführen der Errungenschaften der holländischen Maler des 17. Jahrhunderts (Van de Velde und Ludwolf Backhuysen) und der Romantiker (hier sind neben Turner auch noch Caspar David Friedrich, Fitz Hugh Lane, Wijnandus Johannes Joseph Nuyen u.a. zu nennen) in die akademische Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts übertragen zu haben. So wechseln seine Ansichten von Küsten und Bilder von Seestürmen zwischen romantisch anmutenden Kompositionen und realistischen Beschreibungen, immer virtuos vorgetragen und die changierenden Farben des Wassers perfekt wiedergebend.

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.