0

2019: Auktions-Weltrekord für Monets „Getreideschober“ Teuerstes Gemälde des Impressionismus bei Sotheby’s versteigert

Claude Monet, Meule [Getreideschober], Detail, 1891, Öl auf Leinwand, 72.7 x 92.6 cm (Privatbesitz © Courtesy Sotheby’s New York)

Claude Monet, Meule [Getreideschober], Detail, 1891, Öl auf Leinwand, 72.7 x 92.6 cm (Privatbesitz © Courtesy Sotheby’s New York)

Claude Monets „Getreideschober“ aus dem Jahr 1890/91 erzielte am 14. Mai 2019 New Yorker Zeit einen neuen Auktions-Weltrekord: Ein unbekannter Bieter erwarb es für 110,747.000.- US-Dollar, das sind 98,797.399.- Euro. Damit ist nicht nur die anhaltende Beliebtheit des Malers und die Wertschätzung seiner Kunst einmal mehr bestätigt, sondern auch des Impressionismus, handelt es sich auch um den Bieterrekord für ein impressionistisches Kunstwerk.

Monets Serie der Getreideschober

In den Wintermonaten 1890/91 malte Claude Monet 25 Gemälde von Getreideschobern [frz. meules] in verschiedenen Licht- und Wetterstimmungen. Mit der Getreide- oder Kornschober-Serie begann Monet sich nach dem Bruch mit seinen Malerkollegen und vielen Reisen während der 1880er Jahre seriell mit einem Thema auseinanderzusetzen und die impressionistische Landschaftsmalerei der vorangegangenen Jahrzehnte zu hinterfragen. In der ländlichen Umgebung von Giverny fand Monet die idealen Bedingungen für seine Recherche zu Farbe, Unschärfe und Stimmung. Er stellte seine Leinwand nahe seiner Gartenmauer auf und blickte nach Westen bzw. Südwesten in Richtung der Seine. Das anschließende Feld wurde Clos Morin genannt.

Nach der Ernte hatten die Bauern dort unzählige „Heuschober“ (besser „Kornschober“ oder „Getreideschober“) aufgestellt, d. h. kreisförmige Bündel von Stroh mit charakteristischen konischen Dächern. Aus ökonomischer Perspektive stellten diese „Getreideschober“ den Ertrag und die Anstrengungen bäuerlicher Arbeit dar. Getreideschober bzw. Kornschober waren in der französischen Landschaftsmalerei seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wichtige Elemente bäuerlich organisierter Landschaften. Maler wie Millet und Van Gogh stellten rastende Bauern im Schatten der von ihnen geschaffenen Strukturen dar (→ Vincent van Gogh. Von Paris nach Arles), womit die gebäudeartigen Vorratslager auch zu Symbolen der Hoffnung wurden.

Dem nunmehr vierzigjährigen Monet ging es in der Serie nicht um die romantisierende Schilderung bäuerlicher Erwerbsarbeit, sondern um ein malerisches Experiment: Indem er immer das gleiche Sujet wählte, einen großen „Heuschober“ rechts im Vordergrund und kleinere Strukturen im Hintergrund, konnte er sich auf die Farbveränderungen konzentrieren. Die duftigen Rosa-, Flieder-, Orange- und Gelbtöne verband er mit dem winterlichen Weiß zu hellen bis feurigen Kompositionen. Anstelle die visuelle Erfahrung der Natur auf die Leinwand zu übersetzen, stellte Monet seine Empfindungen zunehmend in das Zentrum seiner Beobachtungen. Das Sujet verlor an Bedeutung, die Farbe gewann eine abstrakte Qualität und die künstlerischen Mittel wurden zunehmend autonomer von Monet eingesetzt. Das Spätwerk des Künstlers (ab 1890) gilt heute als wesentlicher Meilenstein zwischen Realismus, Impressionismus und der Erfindung der Abstraktion im frühen 20. Jahrhundert. In den folgenden Jahren inspirierte „Meule au soleil [Kornschober im Sommer]“ (1891, Kunsthaus Zürich; Abbildung und Text → Claude Monet in der Fondation Beyeler) dieser radikalen Serie Wassily Kandinsky Maler zu werden.

„Ich empfand dumpf, dass das Bild nicht nur packt, sondern sich unverwischbar in das Gedächtnis einprägt und immer ganz unerwartet bis zur letzten Einzelheit vor den Augen schwebt.“1 (Wassily Kandinsky)

Monets Getreideschober bei Paul Durand-Ruel

Fünfzehn der Gemälde der Kornschober-Serie stellte Paul Durand-Ruel im Mai 1891 in seiner Galerie aus. Bis Ende des Jahres hatten alle bis auf zwei Werke das Atelier des Künstlers bereits verlassen. Das 2019 auktionierte Gemälde sticht mit seiner einzigartigen Perspektive, der dynamischen Komposition und der vibrierenden Farbpalette aus der Serie der „Meules“ heraus. Mit Hilfe der steil ansteigenden Fluchtlinie, den Streifen von Sonnenlicht, das zwischen den Getreideschobern durchfällt, und den radial verlaufenden Pinselstrichen rund um die gelbe Sonne leitet Monet den Blick der Betrachtenden durch das Bild. Das Kolorit – und dessen subtile Abstufung – macht das Werk zu einem Symbol von Harmonie und Ruhe. Man darf durchaus an den großen Koloristen William Turner denken, dessen späte Landschaften diese brillierenden Bildern Monets vorbereitet haben. Im Jahr 1887, als knapp drei Jahre bevor Monet das Sujet Getreideschober für sich entdeckte, hatte er zum zweiten Mal London besucht und sich besonders für das Spätwerk von William Turner begeistert. Noch im September 1892 erinnert sich der amerikanische Maler Theodore Robinson in seinem Tagebuch, dass Monet „von Turner mit Bewunderung sprach“2.

Neuer Auktions-Weltrekord für Claude Monet 2019

Die gegenständlichen „Meules“ waren am 14. Mai 1986 zum letzten Mal auf dem Markt. Davor zählte das Gemälde zu den Höhepunkten der Sammlung Palmer. Deren Gründerin, Bertha Potter Palmer, hatte es 1892 direkt von Durand-Ruel erworben. Bevor sie sich entscheiden konnte, das Werk nach Chicago bringen zu lassen, ging es wieder an den Galeristen zurück, der es an W.C. Van Horne, Montreal, abtrat. Da auch Van Horne vom Kauf zurücktrat, eröffnete das für Mr. und Mrs. Potter Palmer am 22. November 1892 die Möglichkeit, sich endgültig für das Werk zu entscheiden. Bertha Potter Palmer tat dies im großen Stil, denn neben den „Meules“ kamen noch weitere acht Gemälde aus der Serie in ihr Haus! Wenn auch der Kauf des Bildes – oder besser der Bilder – sich als Tour de Force darstellt, so blieb es doch bis 1986 im Besitz der Chicagoer Familie. Hier hing es neben vier Gemälden aus der Pappel-Serie, drei Ansichten der Kathedrale von Rouen und drei Arbeiten aus der Serie „Morgen an der Seine“.

Claude Monets „Getreideschober“ aus dem Jahr 1890/91 erzielte am 14. Mai 2019 New Yorker Zeit einen neuen Auktions-Weltrekord: Sechs Bieter trieben den Preis auf 110,747.000.- US-Dollar, das sind 98,797.399.- Euro, hoch. Damit wurde der bestehende Aktions-Weltrekord für ein Monet-Gemälde um knapp ein Drittel überboten.

Am 16. November 2016 war Claude Monets „Meules [Getreideschober]“ bei Christie’s New York für $ 81.447.500.- (€ 75,774,215) verkauft worden (→ Auktions-Weltrekord für Monets „Heuschober“). Ein anonymer Telefonbieter erwarb das Gemälde innerhalb von 14 Minuten Bietergefecht. Zuvor war „Le bassin aux nymphéas“ (1919) mit einem Preis von $ 80.451.178.- das teuerste auktionierte Monet-Gemälde.

Claude Monet, Getreideschober: Bild

  • Claude Monet, Meule [Getreideschober], 1891, Öl auf Leinwand, 72.7 x 92.6 cm (Privatbesitz © Courtesy Sotheby’s New York)

Weitere Beiträge zu Claude Monet

18. März 2024
Claude Monet, Saint Germain l'Auxerrois, 1967, Öl auf Leinwand, 79 x 98 cm (Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Foto Jörg P. Anders)

Berlin | Alte Nationalgalerie: Claude Monet Monets früheste Bilder des Impressionismus | 2024

Die drei frühesten Gemälde Monets von Paris stehen am Beginn der impressionistischen Bewegung und einer kleinen, konzentrierten Schau zum Bild der Stadt im Impressionismus. Mit rund 20 Werke der Malerei, Fotografie und Grafik.
11. März 2024
Alfred Sisley, Die Brücke von Hampton Court, Detail, 1874, Öl auf Leinwand (Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln)

Köln | Wallraf: 1863 PARIS 1874: Revolution in der Kunst Revolution in der Kunst - Vom Salon zum Impressionismus | 2024

Wie kam es dazu, dass sich Maler:innen jenseits der offiziellen Salon-Ausstellung der Pariser Akademie selbst organisierten? Warum wurde ihre Kunst anfänglich abgelehnt und später weltweit gefeiert? Antworten darauf zeigt das Wallraf im Frühjahr 2024.
16. Februar 2024
Verena Bretschneider (vormals Georgy Bretschneider), Adam, Detail, 1989, Materialbild (ALBERTINA, Wien – Sammlung Dagmar und Manfred Chobot | © Verena Bretschneider)

Wien | Albertina modern: The Beauty of Diversity Neuerwerbungen und Außenseiter:innen | 2024

Die Ausstellung bringt die Diversität unserer Zeit, die Vielfalt der Identitäten und Kunstformen, der Materialien und Geschlechter zur Sprache. Zudem legt sie ein Augenmerk auf die Außenseiter:innen der Kunst und will eine Inklusion von hervorragenden und bislang wenig beleuchteten Positionen bewirken.
15. Oktober 2023
Rembrandt, Juno, Detail (Armand Hammer Collection, Los Angeles)

Houston | MFA: Rembrandt bis Van Gogh aus der Armand Hammer Collection Kunstwerke aus vier Jahrhunderten | 2023/24

Bedeutende Kunstwerke aus vier Jahrhunderten - von Tizian über Rembrandt, die Impressionisten bis Vincent van Gogh - spiegeln die Sammelinteressen von Armand Hammer (1898–1990), dem Museumsgründer in Los Angeles, wider.
7. Oktober 2023
Claude Monet, Unter den Pappeln, Detail, 1887, Öl/Lw, 73 x 92 cm, Wildenstein 1136 (Privatsammlung)

Bremen | Kunsthalle Bremen: Französischer Impressionismus. Monet bis Van Gogh Geburtstagsgäste zum 200. Jubiläum des Kunstvereins | 2023/24

Die Jubiläumsausstellung feiert die herausragende Bedeutung Bremens und Deutschlands bei der Durchsetzung der französischen Kunst der Moderne - vom Realismus über den Impressionismus zum Postimpressionismus. Zimelien der Bremer Sammlung treffen auf hochkarätige Gäste aus deutschen Museen, mit Werken von Courbet, Manet, Monet, Renoir, Van Gogh.
21. September 2023
Claude Monet, Das Parlament, Sonnenuntergang, 1900-1903, Öl/Lw, 81,2 x 92 cm (Sammlung Hasso Plattner)

London | Courtauld Gallery: Monet und London Ansichten der Themse | 2024/25

Claude Monet begann malte während dreier Aufenthalte zwischen 1899 und 1901 London. Die Bilder wurden 1904 auf einer wegweisenden Ausstellung in der Galerie seines Händlers in Paris dem Publikum vorgestellt. Monet wollte die Bilder unbedingt im darauffolgenden Jahr in London zeigen, aber die Pläne scheiterten. 2024/25 zeigt das Courtauld die Serien zur Charing Cross Bridge, die Waterloo Bridge und zum Houses of Parliament nahe der Themse.
  1. Zitiert nach Karin Sagner-Düchting, Monets Spätwerk im Blick der Moderne, in: Claude Monet und die Moderne (Ausst.-Kat. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München) München 2001, S. 22.
  2. John House, Tinted steam: Turner and Impressionism, in: Katherine Lochnan (Hg.), Turner Whistler Monet (Ausst.-Kat. Tate Britain, London, 10.2.–15.5.2005), London 2004, S. 44.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.