Arte Povera

Was ist Arte Povera?

Der Begriff Arte Povera bedeutet im Italienischen „arme Kunst“. Damit wird eine Form der Objektkunst bezeichnet, die in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre und in den 1970er Jahren geprägt wurde. Charakteristisch ist für die Arte Povera, einfache, alltägliche Materialien zu „Urformen“ zu gestalten. Die wichtigsten Vertreter der Arte Povera stammen aus Italien, vor allem aus der Gegend um Turin.

Geschichte der Arte Povera

Ab 27. September bis Oktober 1967 stellten in der Galleria La Bertesca in Genua sechs italienische Künstler unter dem Titel „Arte povera e IM spazio“ aus: Alighiero Boetti, Luciano Fabro, Jannis Kounellis, Pino Piscali, Giulio Paolini und Emilio Prini. Der Kunstkritiker und Kurator Germano Celant schrieb für die Präsentation ein Manifest. Celant führt u. a. als für die Arte Povera charakteristisch an, dass die ikonografischen Konventionen ebenso aufgehoben würden wie die traditionelle Symbolsprache. Bei der Arte Povera ging es darum, Banales zum Kunstwerk zu machen, wobei die Armut des Materials sowie die Armut der Mittel und Wirkungen wichtig sind. Unter „armen Materialien“ versteht man unbearbeitete, leicht erhältliche (gefundene), alltägliche Werkstoffe wie Filz, Pflanzen, Steine, Erde, Glassplitter und dergleichen. Die Künstler gestalteten unter der Prämisse der Form-Armut, Objekte (Urformen). Ihr Ziel war es, eine revolutionäre Kunst zu machen, frei von Konventionen, ohne Strukturen und ohne Marktorientierung. Zudem interessierte sie die Ausdehnung der Sphäre des Sinnlichen.

Woran glaubten und womit arbeiteten die Arte Povera Künstler?

  • Rückkehr zu einfachen Objekten und Botschaften
  • Körper und Verhalten sind Kunst.
  • Das Alltägliche ist bedeutungsvoll.
  • Spuren der Natur und der Industrie erscheinen.
  • Die Natur kann in ihren physischen und chemischen Transformationsprozessen dokumentiert werden.
  • Dynamik und Energie werden im Kunstwerk eingeschrieben.
  • Erforschung von Raum und Sprache.
  • Komplexe und symbolische Zeichen verlieren ihre Bedeutung.
  • Stunde Null, keine Kultur, kein Kunstsystem. Kunst ist Leben!

Der 1969 in München von Alfred Gulden und Freunden gegründete „Aktionsraum 1“ war ein wichtiger Ort für die internationale Rezeption der Arte Povera. Das Kunstmuseum Liechtenstein besitzt die größte Sammlung an Werken der Arte Povera außerhalb Italiens.

Wichtige Künstler und Künstlerinnen der Arte Povera

  • Michelangelo Pistoletto
  • Alighiero e Boetti
  • Luciano Fabro
  • Giulio Paolini
  • Pino Pascali
  • Jannis Kounellis
  • Mario Merz: Obwohl der Mailänder Künstler nicht an der Ausstellung in Genua teilnahm, arbeitete auch er zur gleichen Zeit im Stil der Arte Povera.
  • Marisa Merz → Maria Lassnig & Marisa Merz - Goldene Löwen 2013
  • Giovanni Anselmo
  • Pier Paolo Calzolari
  • Gino de Dominicis
  • Joseph Beuys
  • Josef Bücheler
  • Alfred Gulden
  • Josef Überall
  • Anna Oppermann
  • Giuseppe Penone
  • Vettor Pisani
  • Michelangelo Pistoletto
  • Fabrizio Plessi
  • Salvo (Salvatore Mangione)
  • Gilberto Zorio
  • Alberto Burri
  • Rainer Ruthenbeck
  • Eva Hesse
  • Richard Serra
  • Lawrence Weiner
  • Thomas Kovachevich

Literatur

  • Germano Celant, Arte Povera Storie e protagonisti / Arte Povera. Histories and Protagonists, Mailand 1985.
  • Francesco Poli (Hg.), arte contemporanea. Le ricerche internationali dalla fine degli anno `50 a oggi, Mailand 2005.

Beiträge zur Arte Povera

18. März 2024
Giuseppe Penone, Essere Vento, 2014

Paris | Bourse de Commerce: Arte Povera Arte Povera und ihre Folgen | 2024/25

Anhand bedeutender Werke von 13 Hauptakteuren zeichnet Carolyn Christov-Bakargiev sowohl die italienische Entstehung als auch den internationalen Einfluss der Arte Povera nach und widmet sich auch ihren Auswirkungen auf die Kunst der folgenden Jahrzehnte.
13. August 2018
Jannis Kounellis, Installationsansicht MKM, 2018 (Stedelijk Museum Amsterdam (l,m), Privatsammlung (r) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 / Foto: Henning Krause)

Kunst & Kohle. Hommage an Jannis Kounellis Beginn einer neuen Ära der Kunst im Ruhrgebiet

Jannis Kounellis (1936–2017) unterrichtete von 1993 bis 2001 an der Kunstakademie Düsseldorf. Der während der Vorbereitung zur Ausstellung verstorbene Arte Povera-Künstler war mit der Region und den Materialien Kohle und Stahl bestens vertraut. Ihm zu Ehren erweiterten die Ausstellungsmacher die Personale zu einer Gruppenausstellung mit Ayşe Erkmen, Anselm Kiefer, Michael Sailstorfer, Sun Xun, Timm Ulrichs und Bernar Venet.
5. Juli 2013
Maria Lassnig (* 1919), Mutter Natur, 1999, Installationsfoto: Alexandra Matzner.

Maria Lassnig & Marisa Merz – Goldene Löwen 2013 55. Biennale von Venedig

Maria Lassnig (* 1919) und Marisa Merz (1926-2019) wurden heuer mit den „Goldenen Löwen“ für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Damit ehrt Massimiliano Gioni zwei Grandes Dames der österreichischen und italienischen Nachkriegskunst, die beide erst spät in ihren Karrieren internationale Aufmerksamkeit geschenkt bekommen haben. Beide Künstlerinnen sind in der Schau „Il Palazzo Enciclopedico“ im Zentralen Pavillon in den Giardini in einem gemeinsamen Saal ausgestellt.