Porzellan in Wien

Weißes Gold in der Donaumetropole ab 1718

Claudius Innozentius du Paquier aus Trier gründete 1717 die Wiener Porzellanmanufaktur, als er den von Meißen kommenden Wanderarkanisten Christoph Conrad Hunger verpflichtete. Dieser hatte das Geheimnis der Porzellanproduktion von Böttger selbst erfahren. Der hochbegabte Maler Höroldt und Böttgers Halbbruder vermittelten Spezialwissen zur Farbherstellung, dem Glasurbrand und den Bau der Öfen. 1718 erhielt Du Paquier ein kaiserliches Privileg für 25 Jahre. 

Echtes Hartporzellan konnte Du Paquier allerdings erst herstellen, nachem er den Spezialisten Samuel Stöltzel Anfang 1719 nach Wien geholt hatte. Du Paquier war jedoch den finanziellen Anforderungen des Unternehmens nicht gewachsen, weshalb er 1744 die Manufaktur an Maria Theresa verkauften musste. Ende des 18. Jahrhunderts erlebte die Manufaktur, nun unter dem Markenzeichen des Bindesnschildes, eine zweite Blüte, die bis weit ins 19. Jahrhundert hineinreichte. Gegen 1820 begann langsam der Niedergang, bis 1864 Kaiser Franz Joseph I. die vom Parlament beschlossene Auflösung der Fabrik genehmigte.

In nahezu ungebrochener Tradition arbeitet die Wiener Porzellan-Manufaktur seit 1718 bis heute. Als zweite Manufaktur in Europa gegründet, gelangte das Wiener Porzellan rasch auf höfische und hochadelige Tafeln. Sein hoher Wert, es wurde anfangs mit Gold aufgewogen, verschaffte ihm nicht nur den Namen Weißes Gold, sondern den Besitzerinnen und Besitzern der Manufaktur Probleme beim Absatz. Porzellan war vor dem 20. Jahrhundert niemals ein Massenprodukt.

Du Paquier Porzellan (1718–1744). Wiens erste Porzellanmanufaktur

  • Gründer: Claudius Innocentius du Paquier (1679–1751), Hofkriegsagent
  • Teilhaber waren der Arkanist Christoph Conrad Hunger (Goldschmied, Vergolder und Emailleur), der Kaufmann Martin Becker1 und der Hofkriegsratsagent Peter Zerder.
  • 1717: Claudius Innocentius du Paquier experimentierte in seinem Laboratorium im Kuefsteinischen Haus in der Rossau (heute: Liechtensteinstrasse 39, 41)
  • 27. Mai 1718: Kaiserliches Privileg für 25 Jahre
  • 1721: Nach Querelen und der Verwüstung der Manufaktur durch den flüchtenden Meissener Arkanisten Samuel Stöltzel erwarb Du Paquier 1721 das Gräflich Breunersche Sommerhaus an der nordöstlichen Gartenmauer als neuen Standort (heute: Porzellangasse).

Johann Basilius Küchelbecker (1697–1757) hielt sich im Rahmen seiner ausgedehnten Reisen durch Deutschland, England, Frankreich und Holland zweimal in Wien auf und hinterließ mit dieser Beschreibung eine bedeutende Quelle der von Claudius Innocentius Du Paquier (1679–1751) 1718 in der Rossau gegründeten Porzellanmanufaktur. Diese war nach Meissen die zweite Produktionsstätte für Porzellan in Europa.

„In der Rossau, nicht weit vom Liechtensteinischen Palais, ist die Porcellain-Fabrique, allwo man ein gutes hell= und durchsichtiges und mit allerhand Figuren gemahltes Porcellain sehr sauber arbeitet, dergestalt, daß es mit dem Indianischen ziemlich übereinkommt, und verfertigt man auch hier allerhand kostbare grosse Geschirre und Aufsätze zu Früchten und Confituren, auf Taffeln, mit allerhand Statuen, welche starck vergoldet sind und sehr theuer bezahlet werden. Wie denn überhaupt zu mercken, daß das hiesige Porcellaine etwas theuer ist. Man siehet dasselbst einen ziemlichen Vorrath von dergleichen Arbeit, welcher denen Liebhabern gezeiget wird; Man kann auch zusehen, wie diese Arbeit getrieben, gemahlet und verfertigt wird.“ 2

 

Gründung der Porzellanmanufaktur Du Paquier

Im Jahr 1709 war es Johann Friedrich Böttger (1682–1719) nach langandauernden Experimenten aus den Bestandteilen Kaolin (50%), Quarz und Feldspat gelungen das Geheimnis der Porzellanherstellung („Arkanum“) zu lüften. Zunächst konnte er allerdings nur braune Scherben herstellen. Der sächsische Kurfürst August der Starke (1670–1733) ließ daraufhin die Albrechtsburg bei Meißen als „Porcelain-Fabrique“ zur Herstellung das begehrte Material adaptieren und die Abläufe der Produktion sorgfältig bewahren – „Arkanum“ wurde das Geheimnis der Herstellung genannt. Durch diese Monopolstellung war auch der ökonomische Erfolg gesichert und kurze Zeit später weißes Porzellan geschaffen. Am 29. September 1717 erhielten Christoph Conrad Hunger und der erfahrene Mitarbeiter Böttgers, Johann George Mehlhorn, von August dem Starken 300 Taler für die Erfindung der blauen Farbe auf Porzellan (Unterglasurblau).

Ab 1717 experimentierte der Hofkriegsagent Claudius Innocentius du Paquier (1679–1751) in seinem Laboratorium im Kuefsteinischen Haus in der Rossau (heute: Liechtensteinstrasse 39 und 41, 1090 Wien). Böttger war finanziell angeschlagen und seit 1717 so schwer erkrankt, dass er bettlägrig und nicht mehr arbeitsfähig war († 13.3.1719). Da sich die Meissener Porzellanmanufaktur in einer schweren Krise befand, konnten die dort arbeitenden Spezialisten relativ leicht abgeworben werden:

  • Der kaiserlichen Gesandte in Sachsen, Graf Damian Hugo von Virmont, warb den thüringischen Goldarbeiter Christoph Conrad Hunger (?–1748) für die Wiener Manufaktur ab. Hunger rühmte sich das „Arkanum“ von Böttger selbst mitgeteilt bekommen zu haben. Er teilte sein Wissen über die Blaumalerei und seine Meissener Kontakte. Ab Herbst 1717 war er in Wien. Am am 29. September hatte er noch von August dem Starken 300 Taler für die Erfindung des Unterglausblau erhalten. Da er die wichtigsten Mitarbeiter in Meissen kannte, korrespondierte er in der Folge mit ihnen über Materialien und deren Vorkommen bzw. Bezugsquellen. Nach einem Jahr Suche wurden Hunger und Du Paquier im Bistum Passau fündig.
  • Mit Just Friedrich Tiemann kam im August 1718 auch noch ein Halbbruder J.F. Böttgers mit Zeichnungen der Meissener Brennöfen nach Wien. Tiemann erhielt 50 Taler von Claudius Innocentius du Paquier.
  • Der Maler Johann Gregorius Höroldt (1696–1775) aus Jena kam Ende des Jahres von Strassburg nach Wien und wurde bei Du Paquier engagiert. Der in Meissen ausgebildete Porzellanmaler gab du Paquier durch sein Spezialwissen über Farben bedeutende Anregungen.
  • Nachdem du Paquier das kaiserliche Patent erhalten hatte, reiste er persönlich nach Dresden und Meißen, wo er den Meissener „Werkmeister“, den Arkanisten Samuel Stöltzel (1685–1737), traf, um ihn für Wien abzuwerben. Da er eine Frau geschwängert hatte, folgte er dem Wiener am 5. Januar 1719 nach Österreich. Stöltzel ist es zu verdanken, dass Du Paquier in Wien echtes Hartporzellan herstellen konnte.

Indem Kaiser Karl VI. dem k. k. Hofkriegsagenten Claudius Innocentius du Paquier am 27. Mai 1718 das Privileg zur Produktion von Porzellan in Wien übertrug, entsprach dies dem Interesse an der Möglichkeit der Herstellung des Materials und dem unmittelbaren Zugriff auf die erzeugten Gegenstände.

Du Paquier arbeitete im Kuefsteinischen Sommerhaus in der Rossau mit einem Brennofen und zehn Mitarbeitern sowie zu Beginn mit aus Sachsen importierter weißer feiner Tonerde (Kaolin) an der Entwicklung erster Formen und Farben. Vor allem die zügigen Fortschritte in der Farbenbereitung sorgte international für Aufregung (vor Mitte November 1719). Eine erste Exportsendung mit Wiener Porzellan wurde bereits 1719 nach Konstantinopel geschickt.3 Hunger und Stöltzel gerieten in einen heftigen Streit, vermutlich um die Urheberschaft der Wiener Erfolge.

 

Erste Krise

Du Paquier dürfte allerdings der finanziellen Herausforderung des Unternehmens nicht gewachsen gewesen sein. Bereits vor Juni 1720 verließ Hunger die Wiener Porzellanmanufaktur, da er vom venezianischen Botschafter in Wien für die Gründung der Manufaktur Vezzi in Venedig abgeworben worden war. Gleichzeitig forderte August der Starke Samuel Stöltzel auf, in die Meissener Porzellanmanufaktur zurückzukehren, da der Fortschritt in der Farbenzubereitung und Malerei in Wien von großem Interesse für die in diesem Bereich schwächere Meissener Manufaktur war. Du Paquier konnte die Löhne nicht mehr zahlen.4 Daraufhin zerstörte Samuel Stöltzel vermutlich im Wissen des sächsischen Gesandten Christian Anacker die Materialien und Vorräte der Manufaktur und floh mit dem hochbegabten Maler J.G. Höroldt und 14 Musterstücken – sechs blau und acht rotemaillierte Schälchen, Koppchen und Schokoladenbecher – nach Sachsen. Das Kaiserhaus gewährte du Paquier ein Darlehen zur Kompensation des Schadens. Stöltzel ließ sich in Sachsen als Erfinder der Farben feiern; Höroldt wurde wegen seines gleichmäßigen Farbauftrags in seiner kunstvollen figürlichen Malerei besonders geschätzt.

Ein kaiserliches Darlehen und ein neuer Investor namens Balde aus Frankfurt ermöglichten den Neustart der Porzellanmanufaktur in Wien. Im Frühjahr 1721 erwarb Du Pauqier das Gräflich Breunersche Sommerhaus, wohin die Porzellanmanufaktur umzog (heute: Porzellangasse). Der Alserbach (heute kanalisiert) und das kaiserliche Holzlager boten die wichtigsten Grundstoffe für die Produktion in diesem Areal. Gräfin Maria Anna Breuner, die Tochter des Hofkriegsrats Maximilian Ludwig Breuner und Gattin Johann Ferdinands von Kuefstein (Direktor der „Geheimreservierten Hofkasse“), arbeitete dort als Verkäuferin.

 

Frühe Werke

Aus den Jahren 1721 und 1722 sind die ersten datierten Porzellane der Manufaktur Du Paquier erhalten. Das erste dokumentierte Service datiert aus dem Jahr 1722 und wurde für das Haus Wittelsbach gefertigt. Anlass war die Hochzeit des bayerischen Thronfolgers Karl Albrecht und der Erzherzogin Maria Amalia von Österreich. Im folgenden Jahr berichtete der Breslauer Gelehrte Kundmann über die gute Qualität des Wiener Porzellans, die dem sächsischen gleichkomme. Er erwähnte Du Paquiers Quelle für Kaolin: Debreczin in Ungarn (heute: Debrecen).

Weitere datierte Porzellane sind zwei Uhrgehäuse (darunter das Uhrgehäuse mit Drachen und Shishi-Wächerlöwen aus Turin) und das Dessertservice der Fürsten von Liechtenstein von 1725. Die gewagten Aufbauten der Uhrengehäuse wie auch die fein nuancierten Farben belegen deutlich den Fortschritt im Herstellungsprozess.

Um 1730 etablierte sich in der Manufaktur Du Paquier ein innovativer Dekorstil, die „g’sätten Bliemel“, eine lockere Bemalung mit einzelnen, wie im Garten frisch geschnittenen „europäischen Blumen“, die über das weiße Porzellan gestreut wurden. Die Auswahl der Blumenarten variiert auf jedem Service. Hauptsächlich sind Rosen, Levkojen, Päonien und anderen Gartenblumen zu finden.

 

Mitarbeiter der Porzellanmanufaktur Du Paquier und Hausmaler

Zwischen 1718 und 1744 sind 30 Mitarbeiter der Manufaktur Du Paquier namentlich überliefert, darunter Weißdreher, Massebereiter, Maler, Modelleure und Buchhalter. Da die Objekte nur selten signiert sind, sind nur Ausnahmetalente namentlich überliefert und identifierbar:

  • Carl Wendelin Anreiter von Ziernfeld: gebürtiger Südtiroler, ging 1741 gemeinsam mit dem Arkanisten Anton Magner (*1689) und dem Hafner Giorgio delle Torri von Wien nach Florenz. Dort wurde er ein Mitbegründer der Porzellanmanufaktur von Marchese Carlo Ginori in Doccia. Im Jahr 1742 begann dort die Produktion von großen
    plastischen Werken nach antiken Vorbildern oder Modellen spätbarocker Florentiner Bildhauer.
  • Jacob Melchior Helchis: aus Triest, ging weiter nach Turin. Mitbegründer der Porzellanmanufaktur für Rossetti.
  • Christian Frey

Darüber hinaus bemalten sog. Hausmaler in Eigenregie weiße Porzellane aus der Wiener Manufaktur. Die Auftraggeber:innen lieferten die von ihnen bevorzugten Scherben und bestellten nach ihren Vorstellungen Bemalungen bei privaten Anbietern, meist nach Kupferstichen als Vorlagen.

  • Ignaz Preissler (1676 –1741): Böhme, spezialisiert auf Schwarzlotmalerei, dekorierte weiße Porzellane aus China.
  • Ignaz Bottengruber († um 1745, Breslau [Wrozław, Polen]): Da 1729 ein Verkaufsverbot für unbemaltes Porzellan aus Meißen erlassen wurde, dürfte er in dieser Zeit nach Wien übersiedelt sein. Signierte und datierte seine Porzellane, die er in einem flächendeckenden Stil bemalte.

 

Dubsky-Zimmer

Gräfin Maria Antonia von Czóbor, geborene Fürstin von Liechtenstein, erwarb 1724 ein zweites Haus am Großen Platz in Brünn, das sie mit einem bereits seit 1718 erworbenen Haus zu einem großen Palais vereinen ließ. Sie bestellte die Ausstattung eines Porzellanzimmers im Chinoiserie-Stil um 1724/25 bei der Manufaktur Du Paquier. Im Laufe der Jahre, wurde es adaptiert und mit Porzellanen ergänzt, wie beispielsweise mit dem Kamin und den Eckkonsolen mit Europäischer Blumenmalerei. Heute gilt das Dubsky-Zimmer als einzigartige Schöpfung des Wiener Porzellan, außerdem handelt es sich um eines der ersten Kabinette, das ausschließlich mit europäischem Porzellan ausgestattet wurde.

Nach ihrem Tod 1750 kam es in den Besitz ihres zweiten Gemahls und Erben, des Reichsgrafen Carl Hrzan, der es 1766 seinem Neffen Carl von Dobbelstein vermachte. Dieser verkaufte das Porzellanzimmer 1771 an die Familie Piati, durch Heirat gelangte es schließlich 1805 in das Brünner Palais Dubsky (daher die Bezeichnung Dubsky-Zimmer). Seit 1912 befindet es sich im MAK, Wien.

 

Verwendung von Porzellan am Wiener Hof

Während der Festlichkeiten am Hof von Kaiser Karl VI. fand Porzellan in erster Linie Verwendung, um das Dessert auf den Tafeln zu präsentieren. Die höfische Etikette sah sonst Silberservice vor. Die benötigten Porzellanteller wurden vom Kaiserhaus ab 1744 aus dem Fabrikbestand geliehen und nur zu Bruch gegangene Stücke finanziell abgegolten. Bereits 1783 wurde vermerkt, dass es eine frühe Bezeichnung für diese Porzellane gab. Bisher konnte für kein erhaltenes Stück eine Verwendung am kaiserlichen Hof nachgewiesen werden.

Das Kaiserhaus unterstützte seine Porzellanmanufaktur nicht durch Käufe, sondern auf wirtschaftspolitische Weise. Um die heimische Porzellanproduktion anzukurbeln, erhöhte Maria Theresia 1749 den Einfuhrzoll für asiatisches Porzellan und Majolika auf 60 Prozent und lenkte damit den Geschmack der Zeit.

Hinsichtlich der Motive erfreuten sich asiatische Dekore großer Beliebtheit, damals als „indianisch“ bezeichnet. Mit der Verfeinerung der Kulinarik wurde das Zeremoniell der Tafel gesteigert und die sinnliche Wirkung der Speisen durch Effekte hervorgehoben. Hierbei orientierte sich auch der Wiener Hof an dem französischen Vorbild der opulenten Festlichkeiten wobei die aufwendigen Speisenabfolgen und die Schmückung der Tische nicht mehr durch Zucker und Tragant-Dekorationen begleitet wurden.

Vor allem Maria Theresia lehnte die Zuckerfiguren ab und forderte, sie durch Porzellanfiguren zu ersetzen. Lieferte die Porzellanmanufaktur zunächst das Geschirr für die süßen Desserts, für Kaffee, Tee und heiße Schokolade, so wurden in weiterer Folge dreidimensionalen Figuren aus Porzellan dem Programm beigefügt. Erste Rundplastiken, wie Uhrgehäuse, können in Wien erst ab 1725 nachgewiesen werden. Ebenso der Einsatz der „deutschen Blume" ab etwa 1730, wodurch die Wiener Porzellanmanufaktur zur Pionierin dieser neuen Dekorform wurde. Damit war auch der Grundstein für die hohe Bedeutung der Blumenmalerei auf Porzellan im 19. Jahrhundert gelegt.

Maria Theresia und die Wiener Manufaktur als Staatsanstalt (1744–1768)

Du Paquiers prosperierende Produktion war durch die Anhäufung von Schulden überschattet, die 1744 nach Ablauf des Privilegs zur Übernahme der Manufaktur durch Maria Theresia führte. Am 10. Mai 1744 wurde die wirtschaftliche Verantwortung auf die Hof-Banco-Deputation übertragen – die Schuldenlast von insgesamt 45.459 Gulden wurde beglichen – und das Unternehmen verstaatlicht. Als Gegenleistung für die Bekanntgabe der Rezeptur erhielt Du Paquier eine Wohnung in der Manufaktur sowie ein Salär als Direktor von jährlich 1.500 Gulden sowie seine im Contract mithaftende Gemahlin, Maria Elisabeth du Paquier, eine Witwenpension von 600 Gulden.

Die Manufaktur wurde samt Inventar und allen 20 Mitarbeitern am bisherigen Standort im Palais Breuner weitergeführt. Der Massevorrat reichte für etwa vier Jahre. Die Geschichte der Herstellung von Porzellan in Wien wurde im Zeitalter des Barock zu einem besonderen Höhepunkt geführt. Nach wie vor dominierte der französische Geschmack auf der Tafel. Über die Verwendung von Porzellan berichtete Fürst Johann Josef Khevenhüller-Metsch als Obersthofmeister in seinem Tagebuch, womit dieses eine wichtige Quelle für die Bedeutung der Gegenstände bei Hof darstellt. In einem 1867 gehaltenen Vortrag erläuterte Jakob von Falke die Gestaltung des Materials:

„Als solche lagen nun zunächst die chinesisch-japanischen Muster vor, die einzigen eigentlich in demselben Materiale, andererseits das sog. Delfter blau-weiße Fayencegeschirr, das im Grunde auch nichts ist als chinesische Imitation und eben durch das neue Porzellan verdrängt werden sollte.“ 5

Zudem beschrieb Jakob von Falke die barocken Formen, die während der Herrschaft Maria Theresias geschätzt wurden:

„Für große Plastik untauglich, zeigte es sich für die ganze Classe der Nippesfigürchen, für die Miniaturplastik nur um so gefälliger, weil es sich bis zur äußersten Zierlichkeit bearbeiten ließ. Dazu gab die Glasur ein elegantes Lustre, ja mit ihrer Transparenz, gleich der natürlichen Haut, einen gewissen Schein von Leben, wie ihn wohl Marmor, nicht aber Gips und Thon besitzen. […] Die Gegenstände der Malerei in dieser Periode sind natürlich die Gegenstände des Rococo, und wie auf der Leinwand so blühen auch auf dem Porzellan die Antoine Watteau, Lancret, François Boucher oder ihre Weise, das Idyll, die Kinderallegorie, das Genre des Glückes und der Liebe. Den Heroismus der Kunst hielt man damals, und gewiß mit richtigem Gefühl, vom Porzellan noch fern.“ 6

Wien folgt stilistisch den Vorbildern aus Meißen, die dem Zeitgeschmack entsprachen, doch gaben Wiener Künstler vermehrt Impulse für die Gestaltung. Joseph Niedermayr, der 1747 als Modellmeister in die Manufaktur eintrat, hatte seine Ausbildung an der Akademie erhalten und trug zu charakteristischen Lösungen bei. Porzellan setzte sich als Material durch, der Gebrauch wurde geschätzt und dies führte nicht nur zu einer räumlichen Erweiterung. Auch die Zahl der Mitarbeiter wurde erhöht: 1760 waren 40 Arbeiter tätig, 1770 waren 200 Arbeiter verzeichnet und 1780 zählte das Unternehmen 320 Mitarbeiter. Die vielen Möglichkeiten der Modellierbarkeit und die zahlreichen Varianten des malerischen Schmuckes erfüllten die Vorstellungen der Auftraggeber und führten zu hohem Ansehen der Produkte. Seit 1744 wurde das österreichische Bindenschild als Marke geführt, ab 1749 wurde dieses zur Vorschrift, dazu vermerkte man seit 1784 die Jahreszahl der Produktion.

Maria Theresia wählte für ihre beiden ostasiatischen Kabinette (1753–1760) in Schloß Schönbrunn schwarze Lackpaneele auf weißgoldener Wandgestaltung im Rokoko-Stil. Dieser Raum war den Zusammenkünften in einem engen Kreis vorbehalten. In seiner Mitte befand sich eine Table de Conspiration, ein versenkbarer Tisch, der die kleine Gruppe ungestört verköstigte. Die darin ausgestellten Porzellane datieren bis in die Frühzeit der Manufaktur unter der Leitung von Du Paquier zurück. So integrierte man zwei Teeflaschen und ein Paar Wandvasen mit Shishi (Wächterlöwen) und Drachen als Deckelbekrönung aus einem früheren Inte-
rieur.

Ära Sorgental

  • Direktor: Konrad Sörgel von Sorgental (1784–1805)
  • Leitung der Produktion: Matthias Niedermayr (1805–1815)
  • Blumenmalerei: Joseph Nigg (1782–1863)

Seit 1770 nahm eine Krise ihren Beginn; mit dem Tod Maria Theresias wandelte sich der Geschmack Barock-Rokoko zum Klassizismus und die Gegenstände aus Porzellan erlebten eine Veränderung von Gebrauch und Stil. Während der zehnjährigen Herrschaft von Kaiser Josef II waren am Hof weniger Dekorationen in Gebrauch, da der Kaiser weniger Tafeln als seine Mutter ausrichten ließ. In der Wiener Porzellan-Manufaktur konzentrierte man sich daher vermehrt auf Biskuitfiguren, die – gänzlich unbemalt und unglasiert – den aufkeimenden Stil des Klassizismus widerspiegeln.

Im Jahr 1784 wurde Konrad Sörgel von Sorgental (1784–1805) zum Direktor der k. k. Ärarialfabrik für Porzellan ernannt; die Manufaktur erlebte durch seine Reformen erneut einen Aufschwung. Die Zahl der Arbeiter wurde reduziert, ebenso wurden die Figuren des Barock-Rokoko-Stils in Lotterien verlost, da diese nicht länger dem Zeitgeschmack entsprachen. Sorgental agierte wirtschaftlich und künstlerisch höchst erfolgreich. Er förderte die Ausbildung der Porzellanmaler, die erstmals Kopien von Gemälden in der kaiserlichen Galerie und anderen aristokratischen Sammlungen als Motive auf Porzellan fertigten. Um dem künstlerischen Aspekt der Porzellanmalerei gerecht zu werden, wurde eine Kunstschule eingerichtet, in der vier Kunstfächer unterrichtet wurden: Historienmalerei und Landschaft, Blumenmalerei, Ornamentik und Blaumalerei. Dazu etablierte er eine Vergolderklasse. Für jedes Fach war ein Obermaler verantwortlich, der die jungen Künstler unterrichtete, die Leitung hatte Matthias Niedermayr (1805–1815) inne. So wurde großes und profundes Materialwissen entwickelt – und auch weiteregegeben. Im Bereich der Gestaltung von Figuren war man ebenfalls bemüht, talentierte Künstler zu engagieren, die eigene Entwürfe umsetzten konnten. Der Bildhauer Anton Grassi, ein Schüler von Franz Xaver Messerschmidt, trat als Modelleur in die Porzellanmanufaktur ein und hinterließ herausragende Werke.

Joseph Nigg, Wiens bester Blumenmaler auf Porzellan

Charakteristisch für diese Periode waren dichte Dekorationen mit floralen Motiven, Veduten, Kopien nach Gemälden von Alten Meistern und Blumenarrangements, die unter anderem der 1800 aufgenommene Maler Joseph Nigg (1782–1863) schuf. Heute zählt Joseph Nigg zu den bekanntesten Meister in der Blumenmalerei, unerreicht im Bereich der Blumenstillleben auf Porzellanplatten.7 Er ist zwischen 1800 und 1843 ist in der Manufaktur als Blumenmaler nachweisbar. Im Jahr 1816 wurde ihm die Aufsicht über die Blumenmalerei mit einem jährlichen Gehalt von vierhundert Gulden übertragen. Für seine Porzellanbilder wählte er immer wieder Gemälde des Niederländers Jan van Huysum Vorlagen, etwa das „Stillleben mit Blumen und Früchten“ aus der Sammlung von Fürst Johann I. Josef von Liechtenstein. Monumentale Ziervasen, ebenfalls mit Blumenmotiven dekoriert, ergänzten das Repertoire der Porzellanmanufaktur. Sie waren bis in die 1830er Jahre beliebt. Für seine bemalten Porzellanplatten (Bilder) erhielt die kaiserliche Porzellanmanufaktur 1851 eine Medaille zuerkannt (zwei weitere für ein Tafelservice aus 150 Stücken und Vasen).

Ende des 18. Jahrhunderts zählte man als Mitarbeiter der Manufaktur 500 Arbeiter, davon 130 Maler. Diese Blütezeit erfuhr durch politische Veränderungen, wie die Besetzungen durch die Franzosen 1805 und 1809 und kriegerische Auseinandersetzungen wesentliche Einschnitte. Gleichwohl stieg mit der Vermünzung des Hoftafelsilbers die Nachfrage nach Porzellan an und zudem gelang es Matthias Niedermayer, der den Austausch mit der französischen Manufaktur Sèvres pflegte, künstlerische und produktionstechnische Anregungen aufzunehmen. Im Rahmen des Wiener Kongresses wurde die Produktion erneut gesteigert. Nicht nur Aufträge des kaiserlichen Hofes gingen ein, sondern auch die Teilnehmer an diesem Ereignis zeigten sich von den Kreationen beeindruckt und gaben Bestellungen ab. Porzellan gelangte während des Kongresses als hochoffizielles Geschenk in der Diplomatie zum Einsatz, daneben erfreuten sich Entwicklungen wie die Sammeltasse sich großer Beliebtheit.

Ab 1818 nahmen die finanziellen Schwierigkeiten erneut zu, ausgelöst wurde dies durch die Konkurrenz durch böhmische Porzellanfabriken.

Niedergang und Auflösung der Porzellan-Manufaktur (1827–1864)

Der seit 1818 als Direktor amtierende Benjamin von Scholz ließ weniger qualitätsvolle Porzellanerde verwenden. Dies führte zu einem Rückgang der Verkäufe. Dennoch bot die Manufaktur ein breites Repertoire an Formen und viele unterschiedliche Stile, die in Dekorationen Niederschlag fanden. Auch orientiert man sich bei der Produktion an vergangenen Schöpfungen, wie an den farbig gefassten Figuren oder den Porträtbüsten aus Biskuitporzellan. Technische Innovationen wie das 1834 eingeführte Druckverfahren in Farben und Gold stellten einen Fortschritt für die serielle Fertigung dar. Mit dem Revolutionsjahr 1848 wurde in Wien immer weniger Porzellan verkauft, dies führte schließlich 1864 zu dem Entschluss, die Manufaktur aufzulassen, obwohl die Jury der Weltausstellung 1851 noch gelobt hatte. Die Wiener Porzellane wären „hervorragend in Eleganz der Zeichnung und Vortrefflichkeit der Arbeit, den Produkten der Sèvres-Fabrik gleichzustellen“. Die Abwicklung des staatlichen Unternehmens nahm vier Jahre in Anspruch. 1864/1865 erfolgte die Übergabe des künstlerischen Nachlasses inklusive der Vorlagenwerke an das Österreichische Museum für Kunst und Industrie (heute: MAK), in dem sich bis heute eine der größten Sammlungen an Wiener Porzellan befindet (→ MAK feiert 300 Jahre Wiener Porzellanmanufaktur).

Die Porzellanmanufaktur Augarten ab 1924

Anfang der 1920er Jahre wurde die Produktion von Porzellan wieder aufgenommen. Untergebracht wurde die Manufaktur im Schloss Augarten wo nach alten Vorlagen und in Zusammenarbeit mit Künstlern Service und Figuren geschaffen wurden. Die verstärkte Kooperation mit der Wiener Kunstgewerbeschule führte 1925 zu dem ersten internationalen Erfolg im Rahmen der Kunstgewerbeausstellung in Paris. Einerseits war man sich der Tradition der Erzeugung von Porzellan in Wien bewusst, andererseits erweiterte man das Repertoire um zeitgemäße künstlerische Lösungen. Auch das Tafelgeschirr wurde nach neuen Formen gestaltet, die unter anderem Michael Powolny oder Josef Hoffmann kreierten. In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg erfuhr die Manufaktur erneut einen Aufschwung, da angesehene Künstler und Designer ihre Entwürfe in das filigrane Material umsetzten.

Würdigung des Wiener Porzellans in Ausstellungen

Jakob von Falke gab 1887 die erste Geschichte der Porzellanmanufaktur heraus „Die k. k. Wiener Porzellanfabrik. Ihre Geschichte und die Sammlungen ihrer Arbeiten im k. k. Österreichischen Museum“. Es folgten 1907 Joseph Folnesics und Edmund Wilhelm Braun, die sich detailreich der Historie widmeten, ebenso wie Wilhelm Mrazek und Waltraud Neuwirth, deren Katalog für das Österreichische Museum für Angewandte Kunst 1971 erschien. Daneben wurden Spezialthemen untersucht, wie die Zeit der Manufaktur unter Claudius Innocentius Du Paquier oder die Ära Sorgenthal. Im Jahr 2018 werden Ausstellungen in dem Museum der Porzellanmanufaktur Augarten und im Museum für Angewandte Kunst präsentiert, die Retrospektiven über die Produktion des zarten und kostbaren Materials seit 1718 darstellen.

  1. Er dürfte ein Wechsler oder ein wohlhabender Bankier gewesen sein.
  2. Johann Basilius Küchelbecker, Allerneueste Nachricht vom Römisch-Kayserlichen Hof Nebst einer ausführlichen Beschreibung der Kayserlichen Residentz-Stadt Wien und der umliegenden Oerter, Theils aus den Geschichten, theils aus eigener Erfahrung zusammen getragen und mit saubern Kupffern ans Licht gegeben, Hannover 1730, S. 714–715.
  3. Erwähnung in den Berichten des sächsischen Sekretärs Christoph Anacker nach Sachsen.
  4. Erich Demel, Porzellanmalerei. Vorbilder und Arbeitsanleitungen, Zürich 1979, S. 18.
  5. Jakob von Falke, Geschichte der kaiserlichen Porzellan-Fabrik in Wien: Vortrag, gehalten im k. k. österreichischen Museum, Wien 1867, S. 12–13.
  6. Jakob von Falke, Geschichte der kaiserlichen Porzellan-Fabrik in Wien: Vortrag, gehalten im k. k. österreichischen Museum, Wien 1867, S. 17–18 und S. 21.
  7. Siehe Rainald Franz, Blumenmalerei an der Wiener Porzellanmanufaktur und der Akademie der bildenden Künste, in: Stella Rollig, Rolf Johannsen (Hg.): Sag’s durch die Blume. Wiener Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt (Ausst.-Kat. Belvedere, Wien 2018), München 2018, S. 45–52.