dOCUMENTA 13: Kunst und Ökologie
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dOCUMENTA (13): Kunst und Ökologie Das war die dOCUMENTA (13) in 12 Kapiteln - Teil 10

Song Dong, Doing Nothing Garden, dOCUMENTA (13) in der Karlsaue, Foto: Alexandra Matzner.

Song Dong, Doing Nothing Garden, dOCUMENTA (13) in der Karlsaue, Foto: Alexandra Matzner.

CCB ließ bereits vor Eröffnung der dOCUMENTA (13) damit aufhorchen, dass sie der Umwelt einen großen Stellenwert einräumte. So manche Arbeit auf der von ihr kuratierten Großausstellung beschäftigt sich auch mit Fragen des Umweltschutzes, des biologischen Anbaus, der Artenvielfalt, dem Umgangs mit Ausrangiertem oder der Aktivierung von Un-Orten.

Song Dong (* 1966), der schon 2011 auf der Biennale von Venedig mit einer großen Installation vertreten war, gestaltete in der Karlsaue einen „Doing Nothing Garden“ incl. „Betreten verboten“-Schild. Die perfekt plane Ebene vor der Orangerie wird durch das wildwuchernde Ungetüm von etwa sechs Metern Höhe gestört. Coctailtomaten wachsen zwischen Gräsern, einigen wenigen Blumen und Neonschildern. Der aus Müller und Schutt aufgehäufte künstliche Berg macht einerseits die Menge an Abfall sichtbar und gleichzeitig die genauso künstliche Gepflegtheit der Parkanlage offensichtlich.

And…And…And verkaufen gleich daneben biologisches Obst und Gemüse, vor dem Ottoneum lädt ihr Kräutergarten dazu ein, sich Blätter für einen gemütlichen Tee zu pflücken.

Der Schweizer Christian Philipp Müller (* 1957) konstruierte für einen der Küchengräben in der Karlsaue eine „Mangold-Fähre (Der Russe kommt nicht mehr über die Fulda)“, die auf genormten Pontons 60 verschiedene Mangold-Sorten zusammenführt.

Von Gareth Moores (* 1975) Installation durfte leider keine Aufnahme gemacht werden, obwohl es sich um einen der interessantesten und widerspenstigsten Beiträge der diesjährigen dOCUMENTA handelte. Seit 2010 lebt der Kanadier in der Karlsaue, sammelt Weggeworfenes, um sich damit ein Heim einzurichten. Man fand einen „antiken“ Opferschrein vor einer Gartenskulptur, Skulpturales mischte sich mit Mystischem und Praktischem. Kunst und Leben schienen hier wirklich eine Einheit zu formieren, wenn man sich auch des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass sich diese Verbindung aus einer prähistorischen Auffassung von Kunst und Leben nährte.

Die Kompostierungsanlage der Kasseler Karlsaue wählte Pierre Huyghe (* 1962), um dort eine surreal anmutende Frauenfigur mit einem Bienenschwarm am Kopf zu positionieren. Ein Gärtner und ein weißer Hund mit knallig pink angemaltem Bein gehen dort spazieren. Im Katalogtext des Begleitbuchs sinniert ein_e Autor_in (der Künstler selbst?) darüber, dass „im Kompost der Karlsaue Artefakte, unbelebte Elemente und lebende Organismen … Pflanzen, Tiere, Menschen, Bakterien alle Kultur abgelegt“ hätten. Huyghe scheint es also um den Zersetzungsprozess zu gehen, der aus unterschiedlichen Formen des Lebens und der Elemente die Grundstoffe der Materie hervorzaubert. Die Kompostierungsanlage gehört sonst sicher nicht zu den Lieblingsorten der Besucher_innen im Park. Zumindest einen Ruheplatz – zum Beobachten der andern dOCUMENTA-Besucher_innen, wenn schon nicht der außerirdisch aussehende Hund vorbeikam – hat sich dort finden lassen.

Die Italienerin Lara Favaretto (* 1973) ließ am Hauptbahnhof (Nordseite) ebenfalls etwas auftürmen. In ihrem Fall sind es jedoch Tonnen von Metallmüll, Reste des technologischen Lebens. Wenn sie dann noch einige Stücke aufgrund der „ihnen innewohnenden Ausdruckskraft“ (zit. Begleitbuch S. 346) auswählt und in einem geschlossenen Raum mit weiß getünchten Wänden und Fußboden auf genauso weißen Podesten positioniert, dann stellt sie diese in eine Traditionslinie mit den Ready-Mades seit Duchamp. Kann Kraft der Künstlerin das Objekt jene „Heiligkeit“ erhalten, die Kunstwerken scheinbar innewohnt? Wird ein Museum sich glücklich schätzen, diese wenigen Stücke an Metallmüll als Symbole eines verschwenderischen Umgangs mit Rohstoffen oder als Formschatz metallurgischer Arbeitsmaterialien zu erwerben? Wie werden die jetzt schon verrosteten Objekte konserviert oder gar restauriert werden? Was aber passiert mit den großen Haufen – ist er auch erhaltenswert oder nicht? Der Wert eines Objektes – so lässt sich hier schlussfolgern – entsteht durch dessen Verwendung und nicht durch eine ihm innewohnende Kraft.

Weitere Themen auf der documenta 13

Teil 1: dOCUMENTA (13): Raumfragen
Teil 2: dOCUMENTA (13): Themenfelder
Teil 3: dOCUMENTA (13): Kunst und ihre politische Verantwortung
Teil 4: dOCUMENTA (13): Kunst und der Umgang mit Geschichte
Teil 5: dOCUMENTA (13): Kassel und Afghanistan
Teil 6: dOCUMENTA (13): Kassel und Australien
Teil 7: dOCUMENTA (13): Historische Wurzeln aktueller Kunst
Teil 8: dOCUMENTA (13) Kunst und Naturwissenschaft
Teil 9: dOCUMENTA (13): Aktuelle Malerei – oder gegen jede Art von Medienspezifität
Teil 11: dOCUMENTA (13): Künstler und Schamanismus
Teil 12: dOCUMENTA (13): „Realität“ und ihre mediale Vermittlung

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.