Edmonia Lewis

Wer war Edmonia Lewis?

Edmonia Lewis (vermutlich 4.7.1844/45–17.9.1907) war eine US-amerikanische Bildhauerin des Klassizismus. Als erste Künstlerin mit afroamerikanischen und indigenen Wurzeln erzielte Lewis Weltruhm. Ihre berühmteste Skulptur stellt die tote Kleopatra dar, doch unterscheidet sich Lewis‘ Werk von dem ihrer Bildhauerkolleginnen und -kollegen durch die bewusste Wahl von Motiven, in denen sie die Befreiung der afroamerikanischen Bevölkerung thematisieren konnte.

„There is nothing so beautiful as the free forest. To catch a fish when you are hungry, cut the boughs of a tree, make a fire to roast it, and eat it in the open air, is the greatest of all luxuries. I would not stay a week pent up in cities, if it were not for my passion for art.”1 (Edmonia Lewis, 1864)

Kindheit und Ausbildung

Edmonia Lewis wurde vermutlich am 4. Juli 1844 oder 1845 in Greenbush, Rensselaer County, New York, als Tochter eines freien Afroamerikaners und einer Angehörigen des Mississauga-Ojibwe-Indianer Stammes geboren. Lewis‘ Mutter war als hervorragende Kunsthandwerkerin und Textilweberin bekannt. Noch bevor Edmonia Lewis neun Jahre alt wurde, starben ihre Eltern. Das Kind wurde von der nomadisch lebenden Tante großgezogen, bis es zwölf Jahre alt war. Die Familie ihrer Mutter brachte Lewis das Leben mit der Natur näher. Sie lernte zu fischen, schwimmen und stellte Kunsthandwerk her, das sie an Touristen verkaufte.

Ihr älterer Bruder, Sunrise (Samuel), verließ die Familie und zog nach Kalifornien, wo er in einer Goldmine arbeitete. Er finanzierte so die Schulausbildung seiner Schwester am New York Central College in Albany und half ihr 1859, an das Oberlin College in Ohio (in der Nähe von Cleveland) zu wechseln. Während ihrer Schulausbildung ließ sich Edmonia Lewis mit ihrem Chippewa Namen „Wildfire“ rufen, doch am College nahm sie den christlichen Namen Mary Edmonia Lewis an.

Nachdem Edmonia bezichtigt wurde, zwei ihrer weißen Mitbewohnerinnen vergiftet zu haben, wurde sie von der Schule verwiesen. Während des in der Öffentlichkeit beobachteten Prozesses, wurde Lewis von weißen Vigilanten hart geschlagen. Da sie freigesprochen wurde, konnte Lewis für kurze Zeit an das Oberlin College zurückkehren. Aufgrund der Anschuldigung, sie hätte Kunstmaterialien gestohlen, musste Edmonia Lewis das College 1863 verlassen.

Durch die finanzielle und moralische Unterstützung ihres Bruders konnte Edmonia Lewis nach Boston ziehen. Dort traf sie den Bildhauer Edward Brackett, der auf Portraits spezialisiert war. Lewis ließ sich von Brackett ausbilden. Mit nur wenig Vorkenntnissen und Erfahrung begann Edmonia Lewis Medaillonporträtis von bekannten Abolitionisten wie William Lloyd Garrison, Charles Sumner und Wendell Phillips zu schaffen. Ihre erste Europa-Reise finanzierte sie sich durch den Verkauf von Porträtbüsten der Abolitionisten John Brown und Colonel Robert Gould Shaw, den Bostoner Helden und hellhäutigen Anführer des All-African-American 54th Regiment im Bürgerkrieg.

Rom

Nachdem Edmonia Lewis London, Paris und Florenz bereist hatte, entschied sie sich in Rom niederzulassen. Der amerikanische Bildhauer Hiram Powers (1805–1873) räumte ihr anfangs einen Platz in seinem Atelier ein. Doch dann mietete sie sich für den Winter 1865/66 ein Atelier in der Nähe der Piazza Barberini, in dem bereits Antonio Canova gearbeitet hatte. Die selbstbewusste Künstlerin entdeckte rasch, dass sie noch viel lernen musste. Die Ewig Stadt erfreute sich unter ausländischen Bildhauern größte Beliebtheit, denn man konnte dort leicht an den feinen weißen Marmor hoher Qualität gelangen, und es standen unzählige italienische Steinmetze zur Verfügung, welche die Gipsmodelle professionell in Stein übertrugen. Edmonia Lewis zählte zu den wenigen Bildhauerinnen und Bildhauern ihrer Generation in Rom, die nur selten italienische Arbeiter beschäftigte. Die meisten ihrer Marmorskulpturen vollendete sie ohne Assistenten. Die Gründe dafür mögen sowohl am fehlenden Geld wie auch dem Wunsch, möglichst authentische Werke zu schaffen, gelegen haben.

Als Edmonia Lewis in Rom ankam, fügte sie sich in den aktuell bevorzugten klassizistischen Stil der 1860er Jahre ein, der mit Idealismus und griechisch-römischen Zitaten angereichert wurde. Die Amerikanerin eignete sich rasch die italienische Sprache an und freundete sich mit prominenten Amerikanern in Rom an, darunter die Schauspielerin Charlotte Cushman und die Bildhauerin Harriet Hosmer (1830–1908).

Werke

Unglücklicherweise sind die meisten von Edmonia Lewis‘ Skulpturen verloren. Sie spezialisierte sich auf Büsten von Abolitionisten und Mäzenen wie Anna Quincy Waterston aber auch auf Skulpturen ihrer afroamerikanischen und First Nations Vorfahren. Selten wandte sie sich mythologischen Themen oder „unterhaltsamen Stücken“ zu, darunter „Asleep“, „Awake“ und „Poor Cupid“. Weiters gehören noch drei sakrale Werke wie „Die Anbetung der Könige“ von 1883 (verloren) und „Hagar“ aber auch Kopien von italienischen Renaissanceskulpturen zu Lewis Werk.

Die Wahl ihrer Themen und Motive unterscheidet Edmonia Lewis stark von ihren klassizistischen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen: Sie interpretierte die Hagar als Repräsentantin von Subsahara-Afrika, als Symbol des Mutes und Mutter einer langen Reihe afrikanischer Könige. Ihr „Moses“ (1875) ist eine Kopie nach Michelangelo Buonarroti und zeigt die Fähigkeit der Bildhauerin, nachzuahmen und gleichzeitig sensibel auf die Anregungen zu reagieren. Kleinformatige Kopien wie diese dienten der Künstlerin als Grundlage, sich weiterzuentwickeln, und stellten gleichzeitig wichtige Einnahmequellen dar, wurden die Kopien nach den „Klassikern“ doch an Touristen verkauft.

Edmonia Lewis verehrte die Gedichte von Henry Wadsworth Longfellow und fühlte sich vor allem zu seinem epischen Gedicht „The Song of Hiawatha [Das Lied von Hiawatha]“ inspiriert. Sie schuf 1869 in Rom mindestens drei figurative Gruppen in Auseinandersetzung mit dem Text: „The Wooing of Hiawatha”, „The Marriage of Hiawatha and Minnehaha” und „The Departure of Hiawatha and Minnehaha”. Longfellow besuchte Lewis in ihrem Atelier und saß für ein Porträt. Es wäre möglich, dass er bei dieser Gelegenheit die von seinen Zeilen inspirierten Skulpturen auch sah. Erst 1991 wurde „The Marriage“ wieder aufgefunden; zuvor war nur ein Paar kleiner Büsten des Liebespaares bekannt.

Die wichtigsten Ausstellungen von Edmonia Lewis zu ihren Lebzeiten fanden 1870 in Chicago und 1871 in Rom statt. Zu ihren größten Erfolgen zählt die Teilnahme an der Jahrhundertausstellung 1876 in Philadelphia. Lewis schickte den „Tod der Kleopatra“ (1876, Smithsonian American Art Museum) ein, eine Marmorskulptur, die das Publikum mit ihrem drastischen Realismus der toten Königin schockierte. Die Kritik zeigte sich gänzlich überzeugt von dem Kunstwerk und bezeichnete den „Tod der Kleopatra“ als die bedeutendste amerikanische Skulptur auf der Jahrhundertausstellung. Nach Beendigung der Ausstellung wurde der „Tod der Kleopatra“ in ein Lagerhaus verbracht, von wo die Skulptur verschwand. Erst in den 1980er Jahren tauchte das Werk auf einem

Reisen in die USA

Zeitungsberichte lassen den Schluss zu, dass Edmonia Lewis 1872 in die USA zurückkehrte, um an einer Ausstellung ihrer Werke in der San Francisco Art Association teilzunehmen. Der "San Francisco Pacific Appeal“ berichtete, dass Lewis im Oktober 1875 wieder in Amerika weilte und an einem Konzert in St. Paul, Minnesota, teilnahm.

Tod

Edmonia Lewis starb am 17. September 1907 im Krankenhaus von Hammersmith, London, England. Edmonia Lewis war nie verheiratet und hatte keine Kinder.

Literatur zu Edmonia Lewis

  • Kirsten Pai Buick, Child of the fire. Mary Edmonia Lewis and the problem of art history's Black and Indian subject, Durham NC 2010.
  • Rinna Evelyn Wolfe, Edmonia Lewis: Wildfire in Marble, Parsippany 1998.
  • Naurice Franc Jr. Woods, Mary Edmonia Lewis, in: Insuperable obstacles: the impact of racism on the creative and personal development of four nineteenth century African American artists. Union Institute Graduate School, Cincinnati 1993.
  • Regenia A. Perry, Free within Ourselves: African-American Artists in the Collection of the National Museum of American Art, Washington, D.C. 1992.

Edmonia Lewis: Bilder

  • Edmonia Lewis, The Death of Cleopatra, 1876, Marmor, 160 x 79.4 x 116.8 cm (Smithsonian American Art Museum, Gift of the Historical Society of Forest Park, Illinois, 1994.1)
  • Edmonia Lewis, Old Arrow Maker, 1872 nach einem Entwurf von 1866, Marmor (Smithsonian American Art Museum, Gift of Joseph S. Sinclair, 1983.95.182)
  • Edmonia Lewis, Hagar, 1875, Marmor (Smithsonian American Art Museum, Gift of Delta Sigma Theta Sorority, Inc., 1983.95.178)
  • Edmonia Lewis, Moses (nach Michelangelo), 1875, Marmor, 68 x 29.2 x 34.6 cm (Smithsonian American Art Museum, Gift of Mr. and Mrs. Alfred T. Morris, Jr., 1984.149.1)
  1. Edmonia Lewis, Letter From L. Maria Child, in: National Anti-Slavery Standard (27.2.1864).