Fra Angelico
Wer war Fra Angelico?
Fra Angelico (Mugello b. Florenz 1386/1400–18.2.1455 Rom) zählt zu den berühmtesten Malern der Florentiner Renaissance. Er ist ab 1423 als Bruder des Dominikanerordens dokumentiert. Schon zuvor arbeitete der vermutlich als Buchmaler ausgebildete Angelico als Maler. Dies dürfte die lyrische Bildsprache des Mönchs erklären, dessen Figuren feingliedrig und zart erscheinen, während sein Generationsgenosse Fra Filipp Lippi sich einer monumentaleren Figurenbildung verschrieb. Insgesamt ergeben Quellenlage und erhaltene Werke (Werkstattarbeiten!) nur ein grobes Bild der stilistischen Entwicklung des Malers, was die Datierung bis heute sehr erschwert. Ende der 1420er und in den 1430er Jahren ist der Einfluss von Masolino deutlich zu spüren. Zeit seines Lebens malte Fra Angelico nur religiöse Themen, was ihm seinen „Künstlernamen“ eintrug.
1982 wurden Fra Angelico von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Der malende Mönch ist der Schutzpatron der christlichen Künstler.
Kindheit & Ausbildung
Fra Angelico (dt. engelsgleicher Bruder; auch: Il Beato Angelico, Fra Giovanni da Fiesole) wurde als Guido di Pietro zwischen 1386 und 1400 in Vicchio bei Florenz geboren. Die Künstlernamen des Florentiner Malers beziehen sich auf Fiesole, wo er seinen Profess ablegte, und „il Beato [der Selige]“, was sich auf seine sakralen Darstellungen bezog. Der italienische Kunstschriftsteller und Maler Giorgio Vasari bezeichnete Fra Angelico in seinen „Viten“ (vor 1555) als mit einem „raren und ausgezeichneten Talent“ ausgestattet.
Die familiäre Herkunft des als Guido oder Guidolino di Pietro in Vicchio (Mugello, bei Fiesole, Toskana) geborenen Fra Angelico ist nicht überliefert. Er trat am 17. Oktober 1417 unter dem Namen Guido di Pietro der Lukasgilde bei; im gleichen Jahr wurde er als ausgebildeter Maler auch in die Bruderschaft di San Niccolò da Bari aufgenommen. Im Januar und Februar 1418 wurde er für Arbeiten in der Gherardini-Kapelle in Santo Stefano al Ponte bezahlt. Um 1420 wurde er in den observanten Zweig des Dominikanerordens in Fiesole1 aufgenommen, wo er spätestens im Jahr 1423 seine Profess ablegte.2 In diesem Dokument wird er auch erstmals als Fra Giovanni angesprochen.
Werke
Giorgio Vasari stilisierte den Frater zum christlichen Maler par excellence:
„So würde es Gott gefallen, […] dass alle Ordensmänner – die guten mögen es mir nachsehen – ihre Zeit so nutzen würden wie jener wirklich engelsgleiche Pater, der sein ganzes Leben in den Dienst Gottes stellte und zum Wohl der Welt und des Nächsten agierte.“3
Früheste Werke
Wenn auch Fra Angelico eine Ausbildung als Buchmaler erhalten hat, so zählt Vasari als früheste Arbeiten des Mönchs ein Altarretabel und einen bemalten Lettner für die Kirche der Karthause San Lorenzo di Galluzzo in Florenz auf (nicht erhalten). Ebenfalls nicht erhalten sind seine Fresken in der Kirche des Dominikanerkonvents zu Cortona, wo er zwischen 1408 und 1418 lebte.
Fra Angelico in Florenz
Spätestens 1423 war Fra Angelico im Dominikanerkonvent San Domenico in Fiesole ansässig, wo er seine in den folgenden Jahren sehr erfolgreiche Werkstatt einrichtete. Im gleichen Jahre wurde er für die Ausführung eines Kruzifixes in Santa Maria Nuova bezahlt (nicht erhalten). Einige der Manuskripte im Besitz des Klosters dürften entweder gänzlich oder zumindest teilweise von Fra Angelico illuminiert worden sein. Das früheste erhaltenen Altarretabel von der Hand des Fra Angelico ist der „Petrus-Martyr-Altar“ (1427–1428, Muso di San Marco, Florenz). Der Altar war 1429 bereits vollendet. Hier zeigt er sich noch nicht gänzlich dem neuen Stil verpflichtet, den Masaccio und Brunelleschi in Florenz ausgebildet hatten. Immerhin arbeiteten Masaccio und Masolino gerade an der Brancacci-Kapelle in Florenz; Gentile da Fabriano war kurz zuvor in Rom verstorben. Der Typus der Madonna findet sich bei Bicci di Lorenzo oder Arcangelo di Cola da Camerino.
Altarretabel
Aus der zweiten Hälfte der 1420er Jahre stammt das Polyptychon für den Hochaltar von San Domenico in Fiesole (1425–1430, The National Gallery, London). Der Prado besitzt die „Verkündigung an Maria“ (1426) von Fra Angelico – dazu erst seit kurzem die „Alba Madonna“ und das „Begräbnis des hl. Antonius Abbas“. Die beiden letztgenannten Werke stammen aus der Sammlung der Herzöge von Alba.
Altar der Leinweber
Der heute als Museum geführte ehemalige Konvent besitzt den „Altar der Leinweber“ (Arte dei Linaiuoli, 1433). Diese Tafel war in ein von Lorenzo Ghiberti entworfenen und in dessen Werkstatt hergestellten Marmortabernakel einzupassen. Die Predella zeigt drei kleinformatige Darstellungen aus dem Leben der Mariä. Der Gesamteindruck des Linaiuoli-Altars – eine thronende Madonna mit Kind, flankiert von zwei Heiligen an den Seitenflügeln – ist noch konventionell, nur in den Predellen-Darstellungen modernisierte Fra Angelico sein Stilvokabular.
„Kreuzabnahme“ vom Strozzi-Altar
Zudem befindet sich auch Fra Angelicos „Kreuzabnahme“ (um 1436–1440), das Hauptbild des Altars aus der Cappella Strozzi in Santa Trinita in Florenz, im Museo di San Marco. Dieser Altar war von Lorenzo Monaco vermutlich für Palla Strozzi begonnen und von Fra Angelico mit dem Hauptbild vollendet worden. Drei gotische Spitzgiebel, die von Lorenzo Monaco bis zu dessen Tod 1425 noch bemalt worden waren, erinnern an die ältere Konzeption des Werks und waren von Fra Angelico einzuplanen. Die berühmte „Kreuzabnahme“ zeigt nun moderne Züge: Die Akteure werden individuell, einige sogar porträthaft herausgearbeitet. Die Heiligen sind an den breiten, vergoldeten Heiligenscheinen zu erkenne, die Seligen an einem zarten Strahlenkranz. Eine Gruppe frommer Zeitgenossen könnten Mitglieder der Bruderschaft von Santa Maria della Croce al Tempio porträtierten. Die Körper sind mit feinem Helldunkel (chiaroscuro) modelliert. Besonders deutlich wird das an der linken Hand des in Rot gekleideten Knienden. Das Licht gestaltet auch den Raum überzeugend, wie der in die Tiefe fluchtende Weg links. Die Landschaft entwickelt sich ebenso nachvollziehbar vom Vorder- in den Mittelgrund. Der strenge Ernst der Szenen wird durch die beherrschte Gestik, das ausponderierte Stehen und die Röhrenfalten der Gewänder noch unterstrichen.
San-Marco-Altar
Zu Ehren der Heiligen Cosmas und Damian wurde 1438 ein Altarbild für den Hochaltar von San Marco bei Fra Angelico in Auftrag gegeben, der 1440 vollendet war. Predella und Hauptbild wurden voneinander getrennt. „Die hll. Cosmas und Damian befreien den Prokonsul Lysias von den Dämonen“ (1438–1440) ist in der Alten Pinakothek, München, zu finden, während die „Thronende Muttergottes“ im Museo di San Marco in Florenz verwahrt wird.
Cosimo de‘ Medici, der Förderer Fra Angelicos, finanzierte mit seiner Familie den Neubau der Dominikanerkirche San Marco in Florenz. Dass Fra Angelico das Hochaltarbild malte, war eine ausgemachte Sache. Der Maler hatte sich mit einem traditionsreichen Thema auseinanderzusetzen: Die thronende Madonna mit Kind ist von Engeln, den Heiligen Cosmas und Damian, Laurentius, Johannes dem Evangelisten, Markus, Dominikus, Franziskus und Petrus Martyr umgeben. Fra Angelico positionierte die Figuren räumlich überzeugend rund um den Thron mit Renaissance-Formen. Die Heiligen Cosmas und Damian sind zwischen den Betrachtern und der Thronarchitektur eingespannt und vermitteln mit Haltung und Gestik in die Tiefe. Zu einem nicht unerheblichen Teil ist auch der ausgelegte Teppich für die Tiefenräumlichkeit der Szene verantwortlich. Eine kleine Kreuzigung an der vordersten Bildebene markiert gleichsam die durchlässige, vierte Wand, hinter der das heilige Geschehen stattfindet. Dieser Kunstgriff wird im San-Marco-Altar zum ersten Mal angewandt und hatte in der Florentiner Malerei wichtige Nachfolge. Man denke an Fra Bartolommeos „Vision des hl. Bernhard“4. Im Mittelgrund wird die Raumbühne mittels bildparallel aufgespannter Tücher abgeschlossen, dahinter bzw. darüber reihte Fra Angelico hochgewachsene Bäume auf.
Für San Domenico in Perugia malte er ab 1437 ebenfalls ein Altarbild (Perugia, Galleria Nazionale dell‘Umbria). Bereits ein Jahr später soll er für Cortona an mehreren Projekten gearbeitet haben.
Cortona-Altar
Die „Verkündigung” und die Predella (um 1438) des Cortona-Altars im Museo Diocesano Cortona ist heute noch Beleg für das mittlere Schaffen des Florentiner Meisters. Mit der Verkündigung interpretiert er ein sehr beliebtes Thema seiner Zeit. Im Bildvordergrund empfängt Maria die Botschaft des Engels, die Taube des Hl. Geistes schwebt über ihr. Das Gebäude ist mit einer offenen Loggia ausgestattet und bildparallel angeordnet, wobei die linke Seite perspektivisch verkürzt in die Tiefe fluchtet. Der Engel verbindet mit Flügeln und Gewandsaum den Innen- mit dem Außenraum, der als blühende Wiese mariologisch gedeutet wird. Im Hintergrund erinnert Fra Angelico an die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies und damit an die Erlösung von der Erbsünde durch die Empfängnis und Geburt Christi.
Auch in der Predella ging Fra Angelico einen neuen Weg: Die Szenen aus dem Leben der Jungfrau sind auf einem Streifen nebeneinandergesetzt, wobei sie von Landschaftselementen miteinander verbunden werden. Hier zeigt Fra Angelico eine repräsentative Auswahl der wichtigsten Ereignisse aus Mariens Leben von der Eheschließung mit Joseph, der Begegnung mit der hl. Barbara, die Anbetung der Könige (Epiphanie), Darbringung im Tempel zum Marientod.
„Anbetung der Könige“
Das zwischen 1440 und 1460 entstandene Rundbild (tondo) ist eine Zusammenarbeit zwischen Fra Angelico und seinem Mitarbeiter Fra Filippo Lippi. Es zeigt in brillanten Farben und reichem Dekor die Ankunft der Heiligen drei Könige und ihrer Entourage. Der Pfau war ein Symbol der Unsterblichkeit. In einem Inventar der Besitzungen von Lorenz de‘ Medici aus dem Jahr 1492 wird vermutlich dieses Bild als das wertvollste der Kunstsammlung beschrieben – und das Werk Fra Angelico zugeschrieben. Heute ist sicher, dass die „Anbetung der Könige“ ein Produkt zweier Maler ist, wobei Fra Filippo Lippi den größeren Anteil an der Ausführung hatte. Während der Stil von Fra Angelico am besten an der Darstellung der Madonna nachvollzogen werden kann, ist der frühe Stil von Filippo Lippi massiver und klarer definiert. Ihm werden Joseph sowie die Weisen und ihr Gefolge zugeschrieben.
Fra Angelico in San Marco
Zu Fra Angelicos wichtigsten Werken in Florenz zählt die Ausmalung der Zellen und Gänge des Klosters San Marco. Die Darstellungen dienten der Andacht und der inneren Einkehr der Mönche und sind sehr zurückhaltend gestaltet. Bartolommeo Michelozzo hatte 1437 unter der Ägide der Medici begonnen, das Kloster umzubauen. Zwar ist erstmals 1447 in Dokumenten die Rede davon, dass Fra Angelico an der Ausstattung arbeitete, doch war der inzwischen berühmte Maler-Mönch zu dieser Zeit bereits in Rom tätig. Es ist daher davon auszugehen, dass er bereits in den Jahren zuvor begonnen hatte Fresken im Dominikanerkonvent auszuführen. Da man davon ausgeht, dass der schrittweise Umbau von der malerischen Ausstattung gleichsam begleitet wurde, wird die Datierung der Fresken auf 1438 bis 1450 festgelegt. Die Beschäftigung des Künstlers in Florenz und Rom dürfte dazu geführt haben, dass er nicht alles selbst entworfen und schon gar nicht gemalt hat. Dennoch verrät der gesamte Zyklus Fra Angelicos Stil und Bildsprache.
Zu den bekannten Fresken des Klosters San Marco zählt die „Verkündigung“ (um 1440) in Zelle 3, in der die Klosterarchitektur illusionistisch erweitert wurde. Die Lichtführung ist noch stringenter als im Cortona-Altar, auch wirkt der Raum größer und weiter. Petrus Martyr sieht von außen auf die Szene.
In Zelle 9 befindet sich die „Krönung Mariä“ (um 1442). Die der Marienkrönung beiwohnenden Heiligen – Thomas, Benedikt, Dominikus, Franziskus, Petrus Martyr und Markus (von links nach rechts) – werden mit dem halbrunden Abschluss des Freskos zu einem Kreis zusammengespannt. Hinter der Krönung erscheint eine weiße Sonnenscheibe.
Wie ausgelastet Fra Angelico und seine Werkstatt waren, zeigt, dass er 1447 einen Vertrag unterschrieb, in dem er sich verpflichtete, die San-Brizio-Kapelle im Dom von Orvieto zu gestalten. Der Vielbeschäftigte führte in Orvieto allerdings nur die Deckengemälde aus, die Wände wurden erst mehr 50 Jahre später von Luca Signorelli bemalt.
Fra Angelico in Rom
Papst Eugen IV. rief Fra Angelico 1445 nach Rom, wo dieser die Kapelle des Heiligsten Sakraments [cappella del Santissimo Sacramento] ausmalte. Danach arbeitete für Papst Nikolaus V. an der Cappella Niccolina (erhalten) und am Arbeitszimmer des Papstes (zerstört). Hierbei wurde er von Benozzo Gozzoli (1420–1497) unterstützt (1447–1449). In der Cappella Niccolina widmete sich Fra Angelico die Leben der Hl. Stephanus (drei Lünetten oben) und Hl. Laurentius (rechteckige Felder unten), die er vor imposanter Architekturkulisse vorstellt.
Nachdem diese Arbeiten abgeschlossen waren, kehrte Fra Angelico wieder bis 1452 nach Florenz zurück. Das Angebot, den Chor des Doms von Prato auszumalen, lehnte Fra Angelico ab. Hier konnte sich Fra Filippo Lippi erfolgreich einbringen.
Tod
Am 18. Februar 1455 verstarb der hochangesehene Maler in Rom. Er wurde in der Kirche Santa Maria sopra Minerva bestattet.
Beiträge zu Fra Angelico
- Die Dominikaner-Observanten in Fiesole waren die Basis der ordensinternen Reform, die eine strikte Beachtung des Armutsideals anstrebte.
- Vasari/Graul; Damm 2011, S. 194, Anm. 3.
- Vasari/Graul, Ebd., S. 94.
- Fra Bartolommeo zeigt in Trompe-l’œil-Manier gemalten Bildchen am unteren Bildrand. Die Wirkung des Augentrugs verstärkte Bartolommeo noch, indem er ein Büchlein an den Tabernakel „lehnte“