Frida Kahlo
Wer war Frida Kahlo?
Frida Kahlo (Coyoacan 6.7.1907–13.7.1954 Mexiko-Stadt) war eine mexikanische Malerin, deren Werk nach einem schweren Unfall einsetzt. Sie verarbeitete in über 50 Selbstporträts ihre körperliche Leidensgeschichte und emotionalen Höhen und Tiefen (→ Frida Kahlo: Biografie). Kahlo war zwei Mal mit dem mexikanischen Muralisten Diego Rivera verheiratet, dessen Untreue sie mit ebensovielen Affären begegnete. Als Kommunistin und Frauenrechtlerin prägte sie ihr Image in der Öffentlichkeit als Mexikanerin. Dafür nutzte sie traditionsreiche, bunte Kleidung, ihre Frisur, ihr Aussehen, das sie in den bereits genannten Selbstbildnissen hinsichtlich Nationalität und Herkunft zu steigern wusste. André Breton sah in Frida Kahlo eine Protagonistin des Surrealismus, was sie selbst jedoch zurückwies.
Erst in den 1980er Jahren wiederentdeckt, zählt Frida Kahlo seither zu den Kunst-Superstars. Berühmt ist sie für Bilder, in denen sie ihr von Krankheit und Schmerz gezeichnetes Körperempfinden, ihre Träume und ihre Selbstinszenierung analysiert und inszeniert. Die Künstlerin begann 1925 zu malen, nachdem sie als 18-jährige einen beinahe tötlichen Unfall in einem Autobus schwer verletzt überlebte. In den folgenden 30 Jahren entwickelte sie ein quantitativ überschaubares und konzises Werk, in dem sie ihre Person immer wieder analysierte, hinterfragte und inszenierte. Darüber hinaus zeigt sie auch Szenen aus ihrem Leben und versteckte auch ihre turbulente Ehe mit dem Maler und Muralisten Diego Rivera (1886–1957) nicht.
In einer Vielzahl von Selbstporträts, Fotos und „surrealen“ Visionen werden Frida Kahlos Begehren und Leid greifbar, aber auch ihre Beschäftigung mit der mexikanisch-aztekischen Tradition in Bildern von den Gestirnen Sonne und Mond als Symbole für Männlich- und Weiblichkeit. Wie kann eine liebende Ehefrau die ständigen Affären ihres Mannes Diego Rivera, den sie sich in einem Selbstbildnis sogar auf die Stirn tätowierte, ertragen? Welches Selbstbild suchte sie in ihren Bildern zu vermitteln?
Kindheit
Magdalena Carmen Frieda Kahlo Calderon kam am 6. Juli 1907 in Coyoacan, das heute zu Mexiko-Stadt gehört, zur Welt. Sie war die Tochter des deutschstämmigen Fotografen Guillermo Kahlo und seiner zweiten Frau Matilde Calderón. Ab den 1930er Jahren schrieb sie ihren Namen „Frida“ ohne langes „ie“. Später gab sie ihr Geburtsjahr mit 1910 – dem Beginn der Mexikanischen Revolution – an. Bereits als Kind hatte Frida Kahlo gesundheitliche Probleme, die sie ihr Leben lang begleiten. 1914 erkrankte sie, was man damals fälschlich als Polio diagnostizierte. Erst Dr. Eloesser erkannte eine Fehlbildung der Wirbelsäule (spina bifida) als Grund ihrer späteren gesundheitlichen Probleme.
Ab 1922 besuchte sie die angesehene Escuela Nacional Preparatoria in Mexiko-Stadt, die sie auf eine Universitätslaufbahn vorbereiten sollte. Hier beobachtete sie Diego Rivera bei der Arbeit an einem Wandgemälde „Schöpfung“ in der Aula der Schule. Im folgenden Jahr freundete sich Kahlo mit der Fotografin Tina Modotti an.
Unfall
1925 begann Frida Kahlo eine Lehre bei dem Grafiker Fernando Fernández, einem Freund ihres Vaters. Am 17. September geriet sie gemeinsam mit ihrem Freund Alejandrp Gómez Arias in einen schweren Busunfall. Frida Kahlo wurde von einer Eisenstange durchbohrt. Während der langen Genesungszeit begann sie zu malen. Aufgrund der bleibenden gesundheitlichen Schäden war die 18-jährige gezwungen, ihre Pläne für ein Medizinstudium aufzugeben. Daher verließ sie die Preparatoria.
Kahlo und Rivera
1928 lernte Frida Kahlo vermutlich über Tina Modotti den Maler Diego Rivera kennen. Dieser nahm ihr Porträt in sein Wandgemälde „Ballade der Revolution“ im Bildungsministerium in Mexiko-Stadt auf. Kahlo trat der Kommunistischen Partei bei. Nachdem Rivera 1929 ausgeschlossen worden war, verließ auch Kahlo die Partei wieder.
Am 21. August 1929 heirateten Frida Kahlo und Diego Rivera in Coyoacán. Es war der Beginn einer symbiotischen Beziehung, verbunden mit zahlreichen Affären und Trennungen beiderseits, die bis an ihr Lebensende anhielt.
Einige Zeit verbrachten Rivera und Kahlo 1930 in den USA, da er Aufträge für Wandgemälde im Luncheon Club der kalifornischen Aktienbörse und an der California School of Fine Arts in San Francisco erhielt. Frida Kahlo begleitete ihren Mann in die Vereinigten Staaten. Während ihres sechsmonatigen Aufenthalts in San Francisco lernte sie den Chirurgen Dr. Leo Eloesser kennen. In dieser Zeit ließ Kahlo ihre erste Abtreibung vornehmen (1930/ Fehlgeburt 1932/Abbruch 1934).
In der „Sixth Annual Exhibition of the San Francisco Society of Women Artists” wurde 1931 mit „Frieda Kahlo und Diego Rivera“ erstmals ein Gemälde von Kahlo öffentlich ausgestellt. Im Mai 1931 reiste Kahlo ohne Rivera wieder nach Mexiko zurück. Sie lernte den New Yorker Fotografen Nickolas Muray kennen, mit dem sie eine Affäre begann. In den USA hatte sich Kahlo jenen mexikanischen Kleidungsstil angeeignet, für den sie heute so berühmt ist. Muray schoss die ersten ikonischen Bilder von ihr, mit denen sie ihr öffentliches Bild geschickt zu formen wusste. Der Architekt Juan O’Gorman entwarf für Rivera und Kahlo ein Studiohaus im Stadtteil San Ángel in Mexiko-Stadt.
Im April 1932 zogen Kahlo und Rivera nach Detroit, wo Rivera die Arbeit an einem Wandgemälde im Detroit Institute of Arts begann. Dem folgte ein Auftrag für ein Wandgemälde im Rockefeller Center in New York. Der berühmte Maler reiste mit seiner Frau erneut in die USA, um „Der Mensch am Scheideweg“ zu malen. Da Rivera ein Porträt von Lenin integrierte und sich weigerte, dies zu entfernen, wurde das Wandgemälde vom Auftraggeber abgeschlagen. Im Dezember 1933 kehrten Kahlo und Rivera wieder nach Mexiko zurück und zogen in das Doppelhaus in San Ángel. Als Frida Kahlo im folgenden Jahr herausfand, dass Diego eine Affäre mit ihrer Schwester Cristina hatte, schnitt sie sich die Haare ab und unterbrach ihre künstlerische Arbeit. Auf die Trennung 1935 folgte die Versöhnung im selben Jahr. Das Paar entschied sich, eine offene Beziehung zu leben. Kahlo hatte Beziehungen mit dem Maler und Grafiker Ignacio Aguirre, dem Bildhauer Isamu Noguchi, Leo Trotzki, den Kunsthändler Heinz Berggruen. Im Sommer 1939 trennte sich das Ehepaar erneut und ließ sich im November scheiden. Die zweite Eheschließung folgte am 8. Dezember 1940.
Kahlo zwischen Neuer Sachlichkeit und Surrealismus
Das Werk Frida Kahlos entwickelte sich ab 1926 zwischen Neue Sachlichkeit und Surrealismus, sie strebte danach, die sichtbare Welt in Porträts und Stillleben gleichsam wie eine Fotografin einzufangen und festzuhalten. In Kahlos Zeichnungen wird deutlich, dass klar gezogene Umrisse und das Herausarbeiten der Körperlichkeit mittels Licht und Schatten zu den wichtigsten stilistischen Kriterien ihres frühen Werks zählen. Im Laufe der Jahre entwickelte Frida Kahlo auch Interesse an der Wiedergabe von Texturen und Oberflächen. Einige Arbeiten wirken „naiv“ und am Porträttypus der italienischen Frührenaissance orientiert, beispielsweise nimmt das „Selbstbildnis mit Samtkleid“ (1926) durch Haltung und Hintergrundlandschaft auf Sandro Botticellis „Geburt der Venus“ Bezug.
Andererseits machen viele ihrer Bilder ab 1931 eine „surreale“ Welt visuell zugänglich, die der Künstlerin zufolge keine Träume sondern ihre Lebenswirklichkeit, vielleicht am besten als ihre Gedankenwelt beschreibbar, wiedergeben. Auch wenn André Breton 1938 anlässlich eines Besuchs in Mexiko (gemeinsam mit Jacqueline Lamba) fasziniert vom „genuinen Surrealismus ihrer Werke“ sprach und ihr eine Ausstellung in Paris versprach. Dennoch bestand die Malerin auf ihre Unabhängigkeit. In diesem Sinne empfand sie sich selbst nicht als Surrealistin, stattdessen schlug sie vor, ihre Gemälde autobiografisch zu interpretieren. Sie würde keine Träume malen, sondern ihr Leben!
Am 1. November 1938 eröffnete die erste Einzelausstellung Kahlos in der die New Yorker Julien Levy Gallery, wo sie 25 ihrer Werke zeigte. Breton schrieb das Vorwort zum Katalog. Nach dem Jahreswechsel reiste Frida Kahlo nach Paris, wo am 10. März 1939 in der Pariser Galerie Renou et Colle die von Breton und Marcel Duchamp organisierte Kahlo-Ausstellung eröffnet wurde. Sie sehen waren 17 Werke Kahlos, Fotografien von Manuel Álvarez Bravo und Objekte aus Bretons Sammlung mexikanischer Volkskunst. Der Louvre erwarb Kahlos „Selbstbildnis ,Der Rahmen‘“, das erste Werke eines mexikanischen Kunstschaffenden des 20. Jahrhunderts in dem renommierten Museum.
Zwei ihrer Werke - „Die zwei Fridas“ und „Die verwundete Tafel“ - waren 1940 in die „Internationale Ausstellung des Surrealismus“ in Mexiko Stadt zu sehen. Im selben Jahr nahm sie an Gruppenausstellungen in San Francisco und New York teil. Obwohl ihre internationale Bekanntheit gestiegen war, erhielt Kahlo das Guggenheim-Stipendium nicht zugesprochen. Wichtige Ausstellungsbeteiligungen im Jahr 1942 waren ihre Teilnahme an der „Portraits of the 20th Century“ im MoMA und „First Papers of Surrealism“ im einstigen Wohnsitz des früheren amerikanischen Botschafters Whitelaw Read. 1943 wurde sie eingeladen, an den Ausstellungen „Un Siglo del Retrado en México“ in Mexiko-Stadt, „Mexican Art Today“ in Philadelphia und „Women Artists“ in Peggy Guggenheims New Yorker Galerie. Für das Gemälde „Moses“ oder „Der Sonnenkern“ erhielt Frida Kahlo 1946 den Nationalpreis für Malerei und ein staatliches Stipendium. Ihre erste Einzelausstellung in Mexiko fand erst im April 1953 statt. An der Eröffnung konnte sie nur noch am Bett liegend teilnehmen.
Dass sich das Werk der Mexikanerin jedoch nicht nur aus persönlich Erlebt- und vor allem Erleidetem speist, wird schnell klar. Es verrät eine mehrfache kulturelle Prägung: Spuren archaisch-ägyptischer (siehe das Fragment eines Freskos, das stark an Mumienporträts erinnert), christlicher (Ikonenmalerei) aber auch zeitgenössischer Malerei, präkolumbianischer, folkloristisch-mexikanischer, mystischer und zivilisatorischer Diskurse sind nachweisbar. Frida Kahlo gelingt es zudem, diese Themenkomplexe in Bilder voll leuchtender Farben zu fassen.
Kommunistin und Mexikanerin
Diese persönliche Thematik und die überschaubare Größe ihrer Bilder standen in scharfem Kontrast zu der Arbeit ihrer angesehenen Zeitgenossen, den mexikanischen Muralisten. Die mexikanische Wandmalerei-Bewegung, die im Zuge der mexikanischen Revolution begann und von der Regierung unterstützt wurde, zielte darauf ab, monumentale Wandbilder zu schaffen, die die nationale Geschichte darstellten und die Identität des Landes mitprägten. Als bekennende Kommunistin, wie ihre Kollegen Rivera, José Clemente Orozco und David Alfaro Siqueiros, äußerte Frida Kahlo den Wunsch, „etwas Nützliches für die kommunistische revolutionäre Bewegung“ zu malen, doch ihre Kunst blieb „weit entfernt von Arbeiten, die der Partei dienen könnten“. Trotzdem beteiligte sie sich an der Erhebung der indigenen Kultur Mexikos durch Gleichaltrige, sammelte leidenschaftlich mexikanische Volkskunst und nutzte häufig ihre Motive und Techniken. In „Meine Großeltern, Meine Eltern und ich“ (1936, MoMA) arbeitete sie mit dem Format eines Retablos, das sind kleine Andachtsbilder auf Metallplatten. In ihrem sorgfältig konzipierten, extravagante Auftreten, wobei sie bunte Trachten und präkolumbianischen Schmuck trug, entwarf sie eine mexikanische Identität, die sie performativ darstellte.
Kahlos Mal- und Tagebuch
1944, mit 37 Jahren, begann Frida Kahlo ein sog. Mal- und Tagebuch zu führen (→ Renate Kroll: Blicke die ich sage. Frida Kahlo. Das Mal- und Tagebuch). Eine „Gattungszuschreibung“ im klassischen Sinn lässt sich für dieses Werk kaum finden. Es verbindet Charakteristika von einem Malbuch und Poesiealbum, einer Briefsammlung und Gedankensammlung, eines Gedichtbandes, einem Erinnerungsbuch, lyrische Ergüsse befinden sich neben Gedanken zu Kunst, Theater, Maltechniken, das Beschwören von Liebe und Schmerz fügt sich an politische Kommentare und Statements zu Künstlern und Literaten.
Krankheit und Tod
Bereits 1944 verschlechterte sich Frida Kahlos Gesundheitszustand so weit, dass sie ein Stahlkorsett tragen musste. Zwei Jahre später musste sie sich mehreren Operationen an der Wirbelsäule unterziehen. Im August 1953 war der Malerin der rechte Unterschenkel aufgrund einer Infektion amputiert worden. Im folgenden Jahr wurde sie von Schmerzmitteln abhängig. Im Juni 1954 litt sie an einer Lungenentzündung und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Dennoch nahm sie am 2. Juli an einer Demonstration gegen die Intervention der USA in Guatemala teil.
Frida Kahlo starb am 13. Juli 1954 in Mexiko-Stadt vermutlich an einer Lungenembolie. Die Todesursache ist ungeklärt. Die Urne mit ihrer Asche steht in der Casa Azul.
Fridamanie - Frida Kahlos Nachruhm
Seit den 1980ern erlebt das Werk der Antikapitalistin und Kommunistin einen weltweiten, ungebrochenen Boom. Eine internationale „Fridamanie“ war ausgebrochen, die malende Frau von Diego Rivera „bekam“ eine eigene Geschichte. Ihr Vermächtnis wird jedoch bis heute weniger in politischen Dimensionen gelesen als im Persönlichen verortet. Die von ihr verwendeten Symbole für Mutterschaft, Abfolge von Generationen, Werden und Vergehen, für Liebe, Schmerz und Leid aber auch für das Geheimnis des Lebens sind gleichermaßen verständlich wie abgründig. Diese Intimität der Themen, die Direktheit ihrer Vermittlung und ihre geheimnisvoll-bekannte, immer aber individuelle Bildsprache machen die Faszination ihres Werks aus - über die Bewunderung einer offenbar starken und leidenschaftlichen Frau mit schillernder Persönlichkeit und hoher Sensibilität für Selbstdarstellung hinaus.
So ist es in ihrem Werk und Nachruhm immer schwierig zwischen Legende, Mythos, Selbstdarstellung und Lebensrealität zu unterscheiden. Denn wie kann eine seit einem Unfall 1925 jahrelang unter chronischen Schmerzen leidende, 46-jährige Frau knapp ein Jahr vor ihrem Tod in ihr Tagebuch schreiben?
„Trotz meiner langen Krankheit fühle ich eine riesige LEBENSLUST.“ (30. Januar 1953)
Literatur zu Frida Kahlo
- Fantastische Frauen. Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo, hg. von Ingrid Pfeiffer (Schirn Kunsthalle Frankfurt, 13.2.–24.5.2020; Louisiana Museum of Modern Art, Humlebak, 18.6.–27.9.2020), München 2020.
- Frida Kahlo. Beyond the Myth, hg. von Diego Sileo (Ausst.-Kat. Museo delle culture), Mailand 2018.
- Frida Kahlo. Retrospektive, hg. von Helga Prignitz-Poda (Ausst.-Kat. Martin-Gropius-Bau, Berlin/Bank Austria Kunstforum, Wien) München 2010.
- Judy Chicago, Frances Borzello, Frida Kahlo. Face to Face, München 2010.
- Das Blaue Haus. Die Welt der Frida Kahlo, hg. von Erika Billeter (Ausst.-Kat. Schirn Kunsthalle Frankfurt) Frankfurt am Main 1993.