George Hendrik Breitner: nl. Maler des Impressionismus | ARTinWORDS

George Hendrik Breitner

Wer war George Hendrik Breitner?

George Hendrik Breitner (Rotterdam 12.9.1857–5.6.1923 Amsterdam) war ein niederländischer Maler des Impressionismus. Er fing Amsterdamer Straßenszenen in fotografischer Momenthaftigkeit ein. Als „peintre du peuple [Volksmaler]“, wie sich Breitner selbst nannte, malte er die städtische Arbeiterklasse ebenso wie das Bürgertum. Er war auch als Fotograf erfolgreich und hinterließ mehr als 2.000 Negative. Bekannt ist auch seine Serie von jungen Frauen im Kimono.

Kindheit

George Hendrik Breitner wurde am 12. September 1857 in Rotterdam als Sohn eines Getreidehändlers geboren. Er war ein schwieriger und eigensinniger Jugendlicher, der sich zeitweise mit dem Vater überwarf.

Im Alter von 14 Jahren verließ er die Schule ohne Abschluss, arbeitete in einem Büro und widmete sich in seiner Freizeit dem Malen und Zeichnen. Am liebsten zeichnete er Kriegs-, Schlacht- und Militärszenen. Breitner nahm Stunden bei dem Rotterdamer Genremaler und Zeichenlehrer Cristoffel Neurdenberg (1817–1906), der sein Talent entdeckte und den Vater überzeugte, Breitner in diese Richtung zu fördern. Er ermöglichte daraufhin seinem Sohn 1876 die Aufnahme eines Studiums an der Königlichen Kunstakademie in Den Haag.

Ausbildung

Ab 1876 studierte George Hendrik Breitner an der Haager Akademie für Bildende Künste und ab 1880 bei Willem Maris. Mit Hendrik Willem Mesdag, Sientje Mesdag-van Houten, Théophile de Bock und Bernard Blommers arbeitete er 1881 am Panorama Mesdag in Den Haag.

Über die Künstlervereinigung „Pulchri Studio“ kam Breitner mit Vertretern der Haager Schule, wie Jozef Israëls, Jacob Maris, Anton Mauve und anderen in Kontakt. Diese beschrieb er als „joviale Kerle, die einem richtig Mut machen können“. Breitner spezialisierte sich in dieser Zeit neben Schlachtszenen auf Pferdestudien und war daher oft in der Haager Staatsreitschule anzutreffen. Ansonsten arbeitete er in der Werkstatt von Willem Maris in Den Haag (1880). Willem de Zwart lernte den fünf Jahre älteren George Hendrik Breitner dort 1881 kennen und orientiert sich an ihm.

Wegen schlechter Führung – er erschien oft wochenlang nicht zum Unterricht und verstieß mehrfach gegen die Schulordnung – musste Breitner 1880 die Königliche Akademie verlassen. Trotz dieser Schwierigkeiten hatte er sich mit seinen Pferdestudien bereits einen Namen gemacht. Dadurch wurde Willem Mesdag auf ihn aufmerksam und beauftragte ihn damit, unter anderem die Kavallerie am Strand auf seinem berühmten „Panorama Mesdag“ in Scheveningen zu malen. Außerdem gab Breitner mittlerweile selbst Unterricht an der Mal- und Zeichenakademie von Leiden, wo er sich allerdings „fürchterlich langweilte“. Gleichzeitig begeisterte sich Breitner für Edmond und Jules de Goncourts Roman „Manette Salomon“.1

1882 lernte Breitner Vincent van Gogh kennen, mit dem ihn zunächst eine Seelenverwandtschaft verband. Zusammen zogen sie aus, um Den Haager Arbeiter und Dienstmädchen zu zeichnen. Nach einer bekannten Äußerung warf Breitner seinem Kollegen Vincent van Gogh vor, „Kunst für Eskimos“ zu machen. Es ist nicht verwunderlich, dass der Stil von Breitner sich mit seinem „dunklen“ oder „schwarzen“ Impressionismus in Bildinhalten und Ausführung stark von dem unterschied, was der „helle“ französische Impressionismus ausdrückte. Wo Van Gogh und seine Stilgenossen mit Hilfe von starken Farben und Kontrasten ihre eigene Sicht der Welt zu kreieren versuchten, kam es Breitner gerade darauf an, die reine, kahle Realität so naturgetreu wie möglich wiederzugeben. Allerdings hatten die beiden gemeinsame Bekannte wie die Bildhauerin Saar de Swart.

Nach Beendigung des Mesdag-Projekts, ging Breitner nach Paris. Im Jahr 1884 lernte er in Paris im Atelier Cormon. Im Jahr darauf malte er in der Künstlerkolonie in Loosduinen bei Den Haag und fuhr mit Willem de Zwart in die Provinz Drenthe.

Im Jahr 1886 kehrte Breitner in die Niederlande zurück und ließ sich in Amsterdam nieder, wo er bis zu seinem Tod blieb. 1886 besuchte er an der Amsterdamer Akademie Kurse bei August Allebé. Das Rijksmuseum, das sonst kaum zeitgenössische Kunst erwarb, kaufte eines seiner Werke bereits 1886: „Die gelben Reiter“ („In den Dünen“). Damit machte sich der Künstler sofort einen Namen. Die in Höchstgeschwindigkeit galoppierenden Reiter sind typisch für Breitners Frühwerk.

Werke

George Hendrik Breitner zog 1886 nach Amsterdam, wo er sich gemeinsam mit Isaac Israels den „Tachtigers [Achtzigern]“ anschloss. Er ließ den atmosphärischen Realismus der Haager Schule hinter sich und wandte sich dem modernen urbanen Leben zu, zu dem die Erwerbstätigkeit von Frauen ebenso wie die Umgestaltung der Stadt gehören. In Breitners Werk erscheint Amsterdam als pulsierende Großstadt. Indem er das moderne Leben in seiner Schönheit und Hässlichkeit darstellte und sich damit dem Geschmack der Kritiker und Käufer widersetzte, wurde Breitner (neben Israels) ein führender Repräsentant des Amsterdamer Impressionismus, der ersten Avantgardebewegung der niederländischen Malerei.2

Wie bei der Haager Schule gibt es auch in Breitners Gemälden eine gedeckte Farbpalette, noch dunkler, mit markant gesetzten schwarzen Konturen. Diese durchbrach Breitner an einzelnen Stellen mit leuchtendem Rot, Gelb oder sanftem Blau. Die dunkle Palette und die Vorliebe für Regen anstatt Sonnenschein unterscheiden die Amsterdamer Impressionisten von ihren Pariser Kollegen. Dabei zeichne Breitner die Kunstfertigkeit, das Wechselspiel der verschiedenen Valeurs, die dominierende Bedeutung der Gefühle, die gefühlvolle Farbwahl, die stilistische Tonlage, das Lyrische aus. Als einer von wenigen holländischen Malern arbeiteten Breitner (und Israels) mit den als taches bezeichneten breiten Pinselstrichen. Es ging ihm nicht um die Details, sondern um die Wiedergabe eines Eindrucks.

Breitner diente die Nacht für die Verwendung einer interessanten Maltechnik. In seinen Ansichten des nächtlichen Amsterdam markierte er die Reflexe von den Lichtern der Pferdetrams auf dem nassen Pflaster als ausdrucksstarke gelbe, grüne und rote Streifen vor einem fast schwarzen Hintergrund. Schon früher hatten die Künstler der Haager Schule die Malerei vom glatten, möglichst unsichtbaren Pinselstrich befreit.

Ab 1887 hatte George Hendrik Breitner ein Atelier am Oosterpark in Amsterdam, das Willem Witsen einige Zeit für ihn bezahlte. Seit 1888 waren Breitner und Israels Nachbarn in Amsterdam. Viele gegenseitige Portraits entstanden. Als Breitner 1894 Israels beschuldigt, einer Schülerin Modelle abzuwerben, entstand eine Feindschaft, die die beiden Künstler erst 1903 beendeten.

Im Jahr 1889 ließ sich Breitner vorübergehend in der Malerkolonie in Loosduinen bei Den Haag nieder, wie auch Willem de Zwart und Jan Toorop.

George Hendrik Breitner fotografierte ab 1889 hauptsächlich als Studienmaterial für seine Gemälde. Für seine Kompositionen griff er häufig auf Fotografien zurück, die er in den Straßen aufgenommen hatte. In diesen Bildausschnitten erscheinen die Motive und Figuren wie zufällig gewählt. Der direkte fotografische Blickwinkel spiegelt sich in seinen Gemälden wider, beispielsweise in der „Singelbrücke in der Paleisstraat in Amsterdam (Kopfzeile)“. Ein solcher frontaler Blickwinkel und eine teilweise beschnittene Figur waren zu dieser Zeit neu.

Außerdem verließ Breitner sein Haus nie ohne Skizzenbuch; nicht weniger als 119 davon befinden sich im Rijksmuseum in Amsterdam. Der Maler zeichnete immer und überall. Natürlich gab es Modellstudien, aber die meisten sind schnelle Eindrücke vom Leben auf der Straße, in Cafés und in der Straßenbahn und von Pferden.

Neben Stadtansichten malte Breitner auch Innenausstattungen, Stillleben, Porträts und Akte. Vor allem bekannt wurden seine Bilder von Mädchen in Kimonos, die er zwischen 1893 und 1896 in seinem Atelier an der Lauriergracht 8 anfertigte. Die meisten Porträts aus dieser 14-teiligen Serie zeigen das 16-jährige Hausmädchen Geesje Kwak. Immer ist sie in einer anderen Pose dargestellt und mit einem blauen, roten oder weißen Kimono bekleidet. Es handelt sich um ein Experiment im Japonismus, dem Begriff, der die damalige Begeisterung für alles Japanische beschreibt.
Mit schnellen Pinselstrichen brachte er die Figur ohne Vorzeichnung, Nass-in-Nass, auf die Leinwand. Fünf Mal bildete er das junge Modell Geesje Kwak in demselben roten Kimono ab. Nachdem sie im Juli 1895 nach Südafrika gezogen war, vollendete Breitner seine Gemälde auf Grundlage von Skizzen und Photographien. Auf seiner ersten großen Einzelausstellung 1901 bei der Amsterdamer Künstlervereinigung „Arti et Amicitiae“ präsentierte Breitner sieben Gemälde eines Mädchens in dem japanischen Kleidungsstück. Dem Maler ging es nicht um eine ethnographisch korrekte Wiedergabe des traditionellen Gewands aus Japan, sondern um das dekorative Muster und das fließende Material.

Breitners Akte waren, wie seine Stadtansichten, keine Fantasiebilder mit erotischer Perfektion, sondern düster, deprimierend, oft gar bösartig.

Auf seinem Gemälde „Die Singelbrücke bei der Paleisstraat in Amsterdam“ (1896, Rijksmuseum Amsterdam) lässt George Hendrik Breitner ein Dienstmädchen unmittelbar auf die Betrachter zulaufen. Vermutlich nach Einwänden seines Kunsthändlers von Klaas Groesbeek von Van Wisselingh & Co. übermalt Breitner zwei Jahre später mindestens vier Dienstmädchen. Sie wurden in elegante Damen verwandelt, von denen die Frau Dame in einem Pelzumhang im Vordergrund am bemerkenswertesten ist. Mit Pelzmantel, modischem Hütchen und zartem Gesichtsschleier machte er aus einem „Amsterdamer Straßenmädchen“ eine Bürgersfrau.

Seine großen, ruhigen Stadtansichten nach 1900 zeigen kaum noch Figuren. Zu der Retrospektive seines Werks 1901 erschien ein Begleitband mit Biografie, Essays und Abbildungen. Plötzlich berühmt, zog Breitner 1903 in den kleinen Ort Aerdenhout, doch vermisste er das Stadtleben und kehrte drei Jahre später zurück. Ab 1901 beschickte er regelmäßig die Ausstellungen des Carnegie Institute in Pittsburgh, 1909 wurde er zum Jurymitglied ernannt.

1902 hatte der 44-jährige George Hendrick Breitner als erster zeitgenössischer Künstler eine Retrospektivausstellung in der Amsterdamer Künstlervereinigung „Arti & Amicitiae“. Auf der Biennale in Venedig von 1907 waren Werke von George Hendrik Breitner und Jozef Israëls zu sehen.

Vermutlich aus Geldmangel gab er sein Amsterdamer Atelier 1914 auf. Zu seinem 60. Geburtstag richteten Jan Veth und Witsen einen Fonds für ihn ein. 1922 reiste er nach München.

Mitgliedschaften, Ehrungen, Preise

Breitner war Mitglied von „Arti et Amicitiae [Der Kunst und der Freundschaft]“ und „Pulchri Studio [Aus Eifer für das Schöne]“, der „Hollandsche Teekenmaatschappij [Holländische Zeichengesellschaft]“ und vom „Nederlandsche Etsclub [Niederländischer Radierclub]“.

  • 1894: Willink van Collen-Preis
  • 1922: Max Liebermann ernannte George Hendrik Breitner zum ausländischen Mitglied der Berliner Akademie der Künste

Tod

George Hendrik Breitner starb am 5. Juni 1923 in Amsterdam an einem Herzinfarkt.

Kurz zuvor war Willem Witsen gestorben; Breitner wurde neben ihm begraben.

Literatur zu George Breitner

  • Wolken und Licht. Impressionismus in Holland, hg. v. Ortrud Westheider, Michael Philipp und Daniel Zamani (Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam, 8.7.–22.10.2023), München 2023.
  • Breitner vs Israel. Vrienden en rivalen (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Den Haag) Den Haag 2020.
  • Mondriaan, Breitner, Sluijters e.a. De onstuitbare verzamelaar J.F.S. Esser (Ausst.-Kat. Singer Museum, Laren) Laren 2005.
  • Breitner. Meisje in kimono (Ausst.-Kat. Rijksmuseum, Amsterdam) Amsterdam 2016.
  • Dwars door de stad. C. Springer, G. H. Breitner, F. Arntzenius en het negentiende-eeuwse stadsgezicht (Ausst.-Kat. Museum Panorama Mesdag, Den Haag), Den Haag 2007.
  • Mondriaan, Breitner, Sluijters e.a. De onstuitbare verzamelaar J.F.S. Esser (Ausst.-Kat. Singer Museum, Laren) Laren 2005.
  1. Siehe Brief von George Hendrik Breitner an Adriaan Pieter van Stolk, November 1881, in: P. H. Hefting: G. H. Breitner brieven aan A. P. van Stolk, Utrecht 1970, S. 24; Philippe Zilcken: Herinneringen van een Hollandse schilder der negentiende eeuw, Typoskript, RKD – Netherlands Institute for Art History, Den Haag, Archiv Philippe Zilcken, Inv.-Nr. NL-HaRKD.0203.
  2. Breitner vs Israel. Vrienden en rivalen (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Den Haag) Den Haag 2020, S. 6–9.