Giotto di Bondone

Giotto di Bondone (Colle di Vespignano/Florenz 1266–8.1.1337 Florenz) war der bedeutendste Maler Mittelitaliens Anfang des 14. Jahrhunderts. Laut Vasari von Cimabue ausgebildet, übertrumpfte er seine Vorgänger wie Cimabue. Laut Giorgio Vasari hätte Giotto die Malerei von der byzantinischen Manier (maniera greca) in die moderne Malerei überführt. Zu den wichtigsten Errungenschaften des Malers und Planers des Campanile von Florenz zählt die plastische Durchgestaltung der Figuren (logische Faltenführung), die Erfassung der Räumlichkeit (Überschneidung von Figuren). Die Figuren in Giottos Bildern wirken schwer, er fasst ihre Gesamtformen stärker als seine Vorgänger zusammen. Vor allem in Giottos Kompositionen – allen voran den Fresken der Arenakapelle in Padua (um 1305/06) – kommt eine neue erzählerische Qualität zum Tragen, die er durch die konsequente formale und inhaltliche Bezugnahme der Figuren untereinander herstellte.

Fresken der Arenakapelle, in Padua/Capella degli Scrovegni (um 1305/06)

Außer in Florenz sind die Werke Giottos auch in Oberitalien zu finden; als Hauptwerk gelten die Fresken in der Cappella Scrovegni in Padua. Der Bau diente einst als Hauskapelle eines Palastes, der im 18. Jh. abgerissen wurde. Weil er sich über den Fundamenten einer römischen Arena erhoben hatte, wird die Kapelle v. a. in der deutschsprachigen Literatur häufig auch als „Arenakapelle“ bezeichnet.

Der Auftraggeber Enrico Scrovegni (vgl. Stifterbildnis) gehörte an der Wende vom Due- zum Trecento zu den reichsten Kaufleuten der Stadt. Da sein Vater sein Vermögen mit Wucherzinsen gemacht hatte, könnte es sich bei der Hauskapelle auch um einen Sühnebau handeln.

Als oberer Abschluss des einfachen Saalraumes der Arenakapelle dient ein Tonnengewölbe. Jegliche Gliederungselemente fehlen, selbst die Fenster ordnen sich dem Baukörper unter – damit hatte man hier einen idealen Malgrund für umfangreiche Fresken geschaffen.

Der Innenraum ist gänzlich freskiert; die Malerei schafft sogar die Gliederung der Architektur. Dargestellt sind Szenen aus dem Leben von Maria und Christus, die Leserichtung beginnt oben und verläuft von links nach rechts. Die Eingangswand im Westen zeigt das Jüngste Gericht. Vorstufen für dieses traditionelle Programm lassen sich bereits in der Romanik finden. Auch in der Abteikirche Sant’Angelo in Formis befinden sich an der Eingangswand ein Jüngstes Gericht und an den Seitenwänden Szenen aus dem AT und dem NT in mehreren Registern übereinander.

Der Choreinblick der Paduaner Arenakapelle zeigt übrigens die bekannte Madonna des Giovanni Pisano in ihrem Originalambiente. Giotto trennt die einzelnen Szenen viel konsequenter als der in Sant’Angelo arbeitende Künstler. Während im älteren Beispiel nur horizontale Streifen ohne Vertikalteilungen zu sehen sind, weist ein ornamentaler Raster den Paduaner Fresken einen genau definierten Platz zu. Obwohl das Rahmensystem einen geordneten Eindruck vermittelt, sind auch scheinbare Unstimmigkeiten erkennbar, die sich auf Giottos Wiederentdeckung der Illusion zurückführen lassen; die Schwierigkeiten beginnen an der Decke. Der Sternenhimmel wirft die Frage auf, wie atmosphärisch er wirklich gemeint ist, da sich dasselbe Blau auch im Hintergrund der Bildfelder findet. Verbindet man optisch beides, so wird der gegenwärtige Realraum, in dem der Betrachter steht, mit der biblischen Historie verschmolzen. Die Illusion, unter einem Himmel zu stehen, dessen Blau auch in den Szenen verwendet wird, erzeugt im Betrachter die Vorstellung, sich selbst in den Einzelszenen wiederfinden zu können.

„Madonna Ognissanti“ (Uffizien, Florenz)

Bei Giottos Tafel hingegen werden sowohl die plastische Durchgestaltung, als auch die Räumlichkeit bereits anhand der Einzelelemente fassbar: Die Thronarchitektur hat jegliche Schwere verloren, sie bleibt leicht und durchscheinend. Neu ist auch die Bodenplatte des Thrones, welche dem Betrachter die Distanz zwischen der Bildfläche (Bildrahmen) und den Gegenständen im Bildraum suggeriert. Die Madonna wird innerhalb der Thronnische räumlich nachvollziehbar platziert (vgl. Cimabue; Madonna mehr vor als auf dem Thron). Die flankierenden Figuren, die durch Überschneidungen den Eindruck eines Hintereinanders erwecken, unterstreichen das räumliche Gebilde des Thrones zusätzlich. Die Figuren sind weniger buntfarbig als bei Cimabue, sondern werden mit Hilfe von Helligkeitswerten modelliert (Pastellfarben). Besonders charakteristisch ist in diesem Zusammenhang auch das Sitzmotiv der Madonna selbst: Aufgrund der Farbgebung werden plötzlich Einzelelemente des Körpers (klare Definition der in den Raum vorstoßenden Knie, logisch-natürliche Faltenführung) sichtbar. Schließlich versucht Giotto stets, seine Figuren zusammenzufassen: Beide Madonnen tragen einen Schleier. Während Giotto den Kopf mit dem Schleier verbindet, ist bei Cimabue eine deutliche Zäsur gegeben.

Cappella Bardi und Cappella Peruzzi in Santa Croce, Florenz

Ursprünglich hatte Giotto in Santa Croce insgesamt vier Kapellen freskiert; allerdings fielen zwei Umbauten im 16. Jh. zum Opfer. Einzig der Bildschmuck der Cappella Bardi und der Cappella Peruzzi aus den 1320er Jahren blieb erhalten. Die beiden Privatkapellen der Bankiersfamilien Bardi und Peruzzi befinden sich rechts des Hauptchores. Dargestellt sind die Viten der jeweiligen Namenspatrone ihrer Stifter: Der Franziskus-Zyklus spielt auf Francesco Bardi an, der Johannes-Zyklus findet sich für Giovanni Peruzzi. Beide Zyklen weisen stilistische und technische Unterschiede auf (Bardi-Kapelle al fresco, Peruzzi-Kapelle zum Teil al secco, Temperatechnik, schlechter erhalten), auch die Chronologie ist umstritten.

Für beide Zyklen gilt, dass sich der reife Giotto trotz körperhafter Gestaltung von der extremen Plastizität der Arenakapelle entfernt hat. Die Fresken wirken dekorativer und daher etwas gleichförmiger; sie kündigen bereits eine Entwicklung an, die im Verlauf des 14. Jhs Schule machen sollte.

In der Szene der „Himmelfahrt des Johannes“ ebenso wie in der „Auferweckung der Drusiana“ in der Cappella Peruzzi handelt es sich um kalkulierte Inszenierungen: Immer wieder geht es Giotto um die optische Verbindung zwischen den Protagonisten und den architektonischen Achsen. Die Aufwärtsbewegung des Johannes wird durch die Architektur, einen sich vorbeugenden Engel und ein Strahlenbündel unterstützt. Er schloss die Nebenfiguren pointiert zu homogenen Gruppen zusammen und rückte an die Seiten. Besonders große Faszination löste eine in der Körpermitte abgewinkelte und in das Grab schauende Figur aus – sogar Michelangelo studierte sie im späten 15. Jh. genau und zeichnete sie. In der Erweckung der Drusiana, einer Szene aus der Johannesvita, arbeitete Giotto mit anderen Mitteln: Durch das mehrfache „Brechen“ der Stadtmauer im Hintergrund wird Raum für die Figurengruppe im Vordergrund geschaffen; Drusiana und Johannes sind vor der nackten Wand angeordnet und auf diese Weise akzentuiert. Dieses Schema entspricht den für Giotto so charakteristischen Bezügen zwischen den Bildelementen. Im Gegensatz zur Arenakapelle hat sich der Figurenmaßstab geändert: Die Figuren erscheinen weniger monumental und voluminös und sind vom Vordergrund etwas in die Bildtiefe gerückt.

Auch in der Bardi-Kapelle betonte Giotto die Symmetrie der Komposition. Hier zeigte er die Tendenz, die Figuren möglichst frontal darzustellen und dies mit einem ornamenthaft-dekorativen Effekt zu verbinden (vgl. „Erscheinung des Hl. Franziskus in Arles“: Die Hände des Heiligen beschreiben gemeinsam mit dem Bogen ein Oval). In der „Feuerprobe vor dem Sultan von Ägypten“ greift Franziskus furchtlos ins Feuer. Als von Gott bevorzugt erachtet, erkennt ihn der Sultan daraufhin an, dessen eigene Philosophen und Berater ziehen verstört ab. Die Berater sind zu einer geschlossenen, in sich dekorativen Gruppe verschmolzen, wieder zeigt sich der Wunsch, Symmetrien zu gestalten. Bezüglich der Farbgebung lässt sich schließlich in beiden Beispielen ein pointiertes Kontrastieren zwischen den einzelnen Farben innerhalb der Fresken und zum Hintergrund feststellen.

Ein wesentliches Indiz für die Datierung der Freskenzyklen ins zweite Jahrzehnt des 14. Jh. stellt die Tendenz zu Symmetrie und Flächigkeit dar, die für die folgende Malergeneration von Bedeutung sein wird.