Hans Holbein der Jüngere

Wer war Hans Holbein der Jüngere?

Hans Holbein der Jüngere (Augsburg 1497/98–29.11.1543 London) war ein Schweizer Maler der Renaissance, der in Augsburg, Basel (ab 1519) und London arbeitete. Sein wohl bekanntestes Werk ist das Gemälde „Jean de Dinteville und Georges de Selve [Die Gesandten]“ (1533, The National Gallery, London). Es zeigt zwei Gesandte, die Adel und Klerus repräsentieren. Überwiegend malte Hans Holbein d.J. jedoch Porträts bedeutender Persönlichkeiten, wie etwa des englischen Königs Heinrich VIII.

Kindheit & Ausbildung

Hans Holbein der Jüngere wurde 1497 oder 1498 als Sohn des bekannten Malers Hans Holbein der Ältere (um 1464–1524) wahrscheinlich in Augsburg geboren. Künstlerisch tätig waren auch sein Onkel Sigmund Holbein (um 1470–1540), über dessen Wirken und Werk aber wenig bekannt ist, wie einer seiner Brüder, Ambrosius Holbein.

Der Augsburger Maler Hans Holbein d.Ä. gilt als bedeutender Künstler am Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit. Hans Holbeins d.Ä. entwickelte in Augsburg – nicht zuletzt dank der produktiven Rivalität mit Hans Burgkmair d.Ä. – eine charakteristische Form der Renaissance-Malerei. Ihre künstlerische Ausbildung erhielten die Brüder in der Werkstatt des Vaters.

Werke

Basel

Im Verlauf des Jahres 1515 brach Hans Holbein d.J. zu seiner Gesellenreise nach Basel auf; er war etwa 17/18 Jahre alt und sollte anderthalb Jahrzehnte produktiver Tätigkeit in der Stadt am Rheinknie erleben. In Basel schuf Holbein unter anderem auch seine beiden berühmten Madonnenbilder, die sogenannte „Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen“ (auch „Darmstädter Madonna“, 1525/1526) und die Solothurner Madonna (1522, Kunstmuseum Solothurn). 1521 wurde er mit der Bemalung des Großratssaales im Basler Rathaus beauftragt.

Hans Holbein d.J. trat in die Werkstatt des Malers Hans Herbst ein. Spätestens ab Juli 1516 befand sich auch sein etwa drei Jahre älterer Bruder Ambrosius in der Handels- und Verlagsstadt. Beiden gelang es nach ihrer Ankunft zunächst durch Illustrationsaufträge für den Buchdruck, schon bald aber auch durch Gemäldeaufträge, sich erfolgreich in Basel zu etablieren. Hans Holbein d.J. arbeitete in Basel u. a. für Hans Frobens Ausgabe der „Utopia“ von Thomas Morus. Gemeinsam illustrierten die Holbein-Brüder auch Bücher wie „Lob der Torheit“ von Erasmus von Rotterdam (Ende 1515) für den Altphilologen Oswald Geisshüsler, gen. Molitor oder Myconius, mit 82 Randzeichnungen, die textbedingt ebenfalls häufig ins Genrehafte schlagen.

Aushängeschild für einen Schulmeister

Zu den unterhaltsamsten Werken der Holbein-Brüder gehören die beiden Seiten eines Aushängeschildes für einen Schulmeister von 1516: Ambrosius Holbein war für die Kinderseite1 und Hans Holbein der Jüngere für die Erwachsenenseite zuständig. Die Brüder müssen ihre Zeitgenossen sehr genau beobachtet haben und schufen zwei unterschiedliche Schulstunde: Die Elementarschüler wirken recht brav und die jungen Burschen deutlich weniger konzentriert. Vermutlich war das Ladenschild für den Basler Schulmeister Oswald Geisshüsler, gen. Myconius, bestimmt, mit dem die Brüder Holbein gut bekannt waren. Wenn sie, wie vermutet wird, bei ihm Unterricht genommen haben, könnte sogar Selbstironie in der Erwachsenenszene mitschwingen. Das symbolische Ladenschild könnte ein Abschiedsgeschenk an den Lehrer gewesen sein, der um die Jahreswende 1515/16 Basel in Richtung Zürich verließ. Auf jeden Fall begründen Hans und Ambrosius Holbein mit dieser Gelegenheitsarbeit nebenbei eine neue Gattung der Malerei: das Genre- oder Sittenbild.

Zu künstlerischen Arbeiten hielt sich Hans Holbein um 1517 bis 1519 auch in Luzern auf.

 

Familienporträt

In das Jahr 1519 fielen wahrscheinlich der Tod seines Bruders Ambrosius und die Heirat Hans Holbeins d.J. mit der vier Jahre älteren Elsbeth Binsenstock, der Witwe eines Basler Gerbers, was ihm ermöglichte, der Basler Malerzunft, der Zunft zum Himmel, beizutreten und 1520 Bürger von Basel zu werden. Das Paar hatte vier Kinder: Philipp, Katharina, Johannes und Küngold. Die Ehefrau und die beiden ersten Kinder malte Holbein in seinem berühmten Bildnis von Holbeins Frau mit den beiden älteren Kindern (1528, Kunstmuseum Basel); es gilt als eines der ersten Bildnisse überhaupt, das ein Künstler von der eigenen Familie schuf. Vermutlich ist von diesem Werk nur die linke Hälfte erhalten; der Künstler könnte sich selbst rechts an der Staffelei wiedergegeben haben, wie er seine Familie malt. Hierzu passt eine Äußerung des Zürcher Malers Hans Asper, welcher das Bildnis besaß, bevor es 1579 in die Sammlung Amerbachs gelangte. Asper beschrieb das Bild als „kunststuck“, welches zeige, „wie der Holbeinn [...] sin wib vnd beide kind ab connterfeet“.

Bonifacius Amerbach

Auch dessen Freund, den Jura-Studenten Bonifacius Amerbach2 (1495–1562) hielt er 1519 in einem Bildnis fest (Kunstmuseum Basel).

Erasmus von Rotterdam

In die Jahre zwischen 1521 und dem endgültigen Ausbruch der Reformation 1529 fiel der längste zusammenhängende Aufenthalt des Niederländers Erasmus von Rotterdam in Basel. Hier konnte er den Druck seiner Schriften in der Offizin des Johannes Froben überwachen. Das Entstehungsjahr des „Bildnis des schreibenden Erasmus von Rotterdam“ (1523), das den schreibenden Gelehrten als Halbfigur wiedergibt, ergibt sich aus dem gemalten Schriftstück: „In Euangelium Marci paraphrasis per Erasmum Rotterdamu[m] A[...] Cunctis mortalibus ins[itum est, ut felicitatem expetant]“, auf Deutsch „Kommentar zum Markus-Evangelium von Erasmus von Rotterdam ‚...allen Sterblichen ist der Drang nach dem Glück eingepflanzt‘“ Hierbei handelt es sich um den Beginn des Kommentars zum Markus-Evangelium, den Erasmus 1523 vollendete. Das Basler Bild konnte Bonifacius Amerbach 1542 direkt von der Ehefrau Holbeins erwerben, da der Maler zu jener Zeit in England weilte.

Aus demselben Jahr sind noch zwei weitere Erasmus-Porträts von Holbein erhalten. Das Pariser Erasmus-Porträt zeigt den Gelehrten in nahezu identischer Pose (Musée du Louvre, Inv. 2715), basiert also vermutlich auf derselben Vorlage wie das Basler Bild. Der Hintergrund ist allerdings verändert und um einen Vorhang und eine Holzvertäfelung erweitert. Wie sorgfältig Holbein in der Vorbereitungen seiner frühesten Holbein-Porträts vorging, beweisen zwei Zeichnungen mit Händestudien in Paris (Musée du Louvre, Cabinet des Dessins, Inv. 18.697 und 18.698, vgl. Sander 2005, S. 171–173, Abb. 118 und 119).
Das Londoner Porträt zeigt Erasmus im Dreiviertelprofil nach links gewendet. Es ist das vielleicht anspruchsvollste Bildnis des Erasmus, das Holbein geschaffen hat, zeigt es den Autor doch mit dem Renaissancepilaster vor einem halb zugezogenen, grünen Vorhand in seinem Studiolo sitzend. Das Werk befindet sich in der Sammlung des Earl of Radnor und als Leihgabe in der National Gallery, London.

 

Der tote Christus im Grab (1521–1522)

Zu den berühmtesten Bildern Holbeins gehört sein „Tote Christus im Grab“ (Kunstmuseum Basel), da er den Leichnam in schonungslosem Verismus abbildete. Ob Holbein für seinen toten Christus den Leichnam eines im Rhein Ertrunkenen habe studieren können, lässt sich nicht belegen. Bei der Komposition konzentrierte er sich auf drei Bildelemente: die Grabnische, das vom Ablegen des Leichnams etwas in Unordnung gebrachte Leichentuch und den Leichnam selbst mit allen Merkmalen eines toten menschlichen Körpers. Diese Konzentration wirkt mit der durch die Perspektive suggerierten Nahansichtigkeit der Darstellung und mit der Lebensgrösse der Figur. In der Künstlersignatur und der Datierung, die scheinbar als Inschrift aus Buchstaben und Ziffern in römischer Kapitalis in den Stein der Querwand am Fussende gemeisselt sind, wird auf die historische Dimension der Darstellung verwiesen. Bonifacius Amerbach dürfte das außergewöhnliche Bild vermutlich für eine geplante Familiengrablege im Kreuzgang der Basler Kartause bestellt haben. Im Zuge der Reformation ist es dort jedoch nicht mehr zur Aufstellung gekommen.

 

Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen

Holbein erhielt den Auftrag für die „Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen“ (1525/26 und 1528, Künzelsau, Sammlung Würth, Inv.-Nr. 14910) vermutlich 1525 vom ehemaligen Basler Bürgermeister Jacob Meyer zum Hasen und vollendete das Gemälde vor der Abreise zu seinem ersten Englandaufenthalt Mitte 1526. Als Holbeins letztes altgläubiges Marienbild nimmt die Schutzmantelmadonna einen besonderen Rang innerhalb seines Schaffens ein.

Künstler und Auftraggeber kannten einander seit Holbeins Ankunft in Basel 1515; ein Jahr später hatte Meyer den Auftrag für das „Doppelbildnis des Jacob Meyer zum Hasen und seiner Frau Dorothea Kannengiesser“ (1516, Kunstmuseum Basel) erteilt. Vermutlich hatte Meyer zum Hasen es anlässlich seiner Wahl zum Bürgermeister am 24. Juni 1516 malen lassen. Immerhin war er der erste aus den Reihen der Zunft, dem diese Ehre widerfuhr. Hans Holbein d. J. bereitete das Doppelbildnis mit zwei gezeichneten Studien vor, welche die Dargestellten als Brustbilder zeigen.3 Für die Platzierung der Büsten in einer an antike Triumphbögen erinnernden Architekturkulisse konnte der Künstler sich an einem Clair-obscur-Holzschnitt Hans Burgkmairs d. Ä. von 1512 orientieren, dem „Bildnis des Johannes Paumgartner“4. Mit der räumlichen Zuordnung der beiden unterschiedlich tief im einheitlichen Bildraum des Diptychons positionierten Gestalten zueinander übertrifft Holbein jedoch nicht nur das druckgrafische Vorbild, sondern schafft in der altdeutschen Bildniskunst insgesamt ein Novum.5 Damit dem konnte sich der junge Maler künstlerisch wie auch gesellschaftlich in der Stadt etablieren.

Die Schutzmantelmadonna des Basler Bürgermeisters markiert um die Mitte der 1520er Jahre den letzten fundamentalen Stilwandel im Werk Hans Holbeins d.J. Hatte sich der junge, hoch talentierte Maler 1515 zunächst als kenntnisreicher Vertreter der Augsburger Renaissancekunst in Basel etabliert, so öffnete die Begegnung mit der Kunst Jan van Eycks um 1522 seine Augen für die malerische Wirkung von Licht und Schatten und den altniederländischen Detailrealismus, was sich in Meisterwerken wie der „Solothurner Madonna“ oder dem Erasmus-Bildnis mit dem Renaissancepilaster niederschlagen sollte. Seit 2012 befindet sich die „Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen“ als Teil der Sammlung Würth in der Johanniterkirche, Schwäbisch Hall.

Vermutlich zwischen 1524 und 1526 schuf Hans Holbein d.J. die Außenseiten eines Flügelaltars, wo er die Passion Christi – Gebet am Ölberg, Gefangennahme, Christus vor Kaiphas, Geißelung (oberes Register) sowie Dornenkrönung, Kreuztragung, Kreuzigung, Grablegung (unteres Register) – darstellte (Kunstmuseum Basel, Geschenk der Basler Regierung 1770, Inv. 315). Aufgrund seiner Abmessungen passt der Altar in eine Altarnische in der Südostecke des Großen Kreuzgangs am Basler Münster, wo Maria Zscheckenbürlin, die Witwe des Basler Ratsherrn Morand von Brunn, einen Altar gestiftet hat. Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 1642 sind die Altarflügel in die Ratskapelle verbracht worden, wo sie bis zur Schenkung an die Öffentlichen Kunstsammlungen 1770 als eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt vielfach dokumentiert sind.

Orgelflügel

Um 1525/26 oder erst bei seinem zweiten Aufenthalt in Basel 1528 schuf Hans Holbein d.J. zwei Orgelflügel in Grisaille-Malerei. Auf dem linken Flügel sind das kaiserliche Stifterpaar Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde dargestellt, zwischen denen die Choransicht des Münsters im aktuellen Bauzustand des frühen 16. Jahrhunderts erscheint. Zwischen der Kirchenpatronin Maria mit dem Christkind und Pantalus, dem legendären ersten Bischof von Basel, singen und musizieren auf dem rechten Flügel sieben Engelsputten. Eine Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen der heute durch großflächige Fehlstellen beeinträchtigten Bilder vermitteln die im Kupferstichkabinett des Kunstmuseums Basel erhaltenen eigenhändigen Entwurfszeichnungen Holbeins (Inv. 1662.30 a–d).

Kurzer Aufenthalt in Frankreich und England

1523 oder 1524 ging Holbein d.J. nach Frankreich. Hans Holbein d.J. machte 1524 auf seiner Reise nach Blois und Amboise auch in Bourges Halt. Damals muss er in der dortigen Palastkapelle zwei farbige Kreidezeichnungen angefertigt haben, die den Herzog Jean de Berry, Bruder von Charles V. und Philippe le Hardi, und um dessen Gattin, Jeanne de Boulogne, zeigen (Kunstmuseum Basel). Ob er damit eine höfische Anstellung anstrebte oder vom Mäzenatentum des Königs Franz I. profitieren wollte, bleibt unklar. In der Französischen Revolution von 1793 wurden die beiden Bildnisse arg verstümmelt. Als man 1913 an eine Rekonstruktion ging, wurden die Köpfe mit Hilfe der Zeichnungen Holbeins wiederhergestellt.6

Bis 1526 führten religiöse Veränderungen in Basel zu einem eingeschränkten Kunstmarkt, was Holbein dazu veranlasste, in London Arbeit zu suchen. Holbein hielt sich für neue Betätigungsfelder von 1526 bis 1528 in England auf.

Zweiter Aufenthalt in Basel

Im August 1528 kehrte Hans Holbein d.J. als bereits bekannter und begehrter Maler für vier Jahre erneut nach Basel zurück, wo er zwei Häuser erwarb. Im Frühjahr 1528 hatte die Reformation in Basel endgültig Fuß gefasst, so dass der Bischof schon im Oktober nach Pruntrut (Porrentruy) emigrierte. Nach dem protestantischen Bildersturm 1529 und dem damit verbundenen Verbot religiöser Darstellungen bekam er immer weniger Aufträge. Er schuf vermutlich um 1530 ein erfolgreiches Erasmus-Porträt, das den Gelehrten im Dreiviertelprofil vor neutralem Hintergrund zeigt. Der 62-jährige Reformator hielt sich zu dieser Zeit in Freiburg i. Br. auf, um den Wirren der Reformation in Basel zu entkommen. Die Variante im Kunstmuseum Basel, in rechteckigem Format, mit Brüstung und zusammengelegten oder in den Ärmel geschobenen Händen, ist diejenige mit der größten Verbreitung und wurde im Werkstattumfeld Holbeins sowie unter dessen Nachfolgern zahlreich kopiert.

Als die bilderfeindliche Reformation sich in Basel durchsetzte, fürchtete Hans Holbein d.J. um seine Geschäftsgrundlage und übersiedelte nach London, wo er am Hofe König Heinrichs VIII. als gefeierter Porträtist reüssierte. 1532 verließ Hans Holbein d.J. Basel endgültig in Richtung England. Dem Versuch des Basler Rats, ihn 1538 mit 50 Gulden Jahresgehalt nach Basel zurückzuholen, widerstand er.

Einen vergleichbar tiefgehenden Eindruck wie die Malweise Jan van Eycks machte nur wenig später die Begegnung des Künstlers mit zeitgenössischer italienischer Kunst, die Holbein 1523/24 am Hof König Franz’ I. von Frankreich in Fontainebleau und Paris kennenlernte, als er sich dort vergeblich um eine Anstellung als Hofkünstler bemühte.

Werke von Leonardo da Vinci und seines zeitweiligen Mitarbeiters Andrea Solario hinterließen nachhaltige Spuren in Holbeins Schaffen – stilistisch, motivisch, koloristisch, aber in gewissem Umfang auch maltechnisch. Leonardos „Felsgrottenmadonna“ (Louvre, Paris), die sich zu Holbeins Zeiten mit größter Wahrscheinlichkeit schon in der königlichen Sammlung befand, sowie Andrea Solarios für Kardinal George d’Amboise, den Minister Ludwigs XII. von Frankreich, gemalte Darstellung der Salome mit dem Haupt des Täufers, von der sich mehrere Fassungen erhalten haben, lassen sich als direkte Anknüpfungspunkte für Holbein nachweisen.

London

In London machte Hans Holbein d.J. ab Anfang 1532 auf Vermittlung von Erasmus hin die Bekanntschaft mit dem Humanisten Thomas Morus (Thomas More), der ihm verschiedene Aufträge verschaffte und ihn auch dem König Heinrich VIII. vorstellte. In die Zeit seines zweiten englischen Aufenthaltes gehören auch die für den Stalhof und deren Mitglieder ausgeführten Arbeiten: Porträts von mindestens fünf Kaufleuten, darunter das berühmte Bildnis des Georg Gisze von 1532 (Berlin), allegorische Monumentalbilder (Triumphzüge des Reichtums und der Armut, 1532/1535), Festdekorationen und Entwürfe für Silberarbeiten.7 Hans Holbeins wohl bekanntestes Werk ist das Gemälde „Jean de Dinteville und Georges de Selve [Die Gesandten]“ (1533, The National Gallery, London). Es zeigt zwei Gesandte, die Adel und Klerus repräsentieren.

Die Gesandten (1533)

Das große Doppelporträt von Hans Holbein stellt nicht nur den Reichtum und Status seiner Dargestellten zur Schau, sondern wurde auch in einer Zeit religiöser Umwälzungen in Europa gemalt: Heinrich VIII., König von England, würde bald mit der römisch-katholischen Kirche brechen, da der Papst seine Ehe mit seiner ersten Frau, Katharina von Aragon, nicht annullieren wollte. Die Gegenstände auf dem Tisch scheinen auf die Komplexität des politischen Klimas hinzuweisen. Es ist auch eine hervorragende Demonstration von Holbeins Geschick beim Komponieren von Bildern und beim Verarbeiten von Ölfarben, um eine Vielzahl von Texturen nachzubilden.

Holbein malte dieses Gemälde während seines zweiten Aufenthalts in England in den frühen 1530er Jahren. 1533 hat er daran arbeitete, da der Maler sein Werk auf dem Marmorboden hinter der Figur links unter seiner Signatur datiert hat. Im selben Jahr, in dem das Porträt entstand, heiratete Heinrich VIII. seine zweite Frau, Anne Boleyn. Damit umging er die päpstliche Autorität, etablierte die Kirche von England als von Rom unabhängig und stellte sich an deren Spitze. Der Abbruch der religiösen und politischen Beziehungen zum katholischen Europa bereitete Franz I., dem König von Frankreich, Sorgen. Der Mann auf der linken Seite ist sein Botschafter Jean de Dinteville, den er beauftragt hatte, ihm über die Situation zu berichten. Dinteville, einer der vertrauenswürdigsten Höflinge von Franz, nahm im Namen des Königs an der Hochzeit teil. Dies war seine zweite diplomatische Mission in England. Dinteville musste zur Krönung Annes im Juni und zur Geburt von Heinrichs und Annes Tochter Elizabeth im September in London bleiben (Franz I. war ihr Pate). Aus der erhaltenen Korrespondenz geht hervor, dass Dinteville über seinen Aufenthalt sehr unzufrieden war. Er beschrieb sich selbst als „den melancholischsten, müdesten und ermüdendsten Botschafter, den man je gesehen hat“, aber die Ankunft seines Freundes, der von April bis Juni kurz in London war, munterte ihn auf. Der Mann rechts ist sein enger Freund Georges de Selve, Bischof von Lavaur. Selve war ebenfalls auf diplomatischer Mission, deren genauer Zweck jedoch nicht bekannt ist. Vier Jahre zuvor hatte er am Reichstag zu Speyer teilgenommen, einer Konferenz, auf der Kaiser Karl V. versuchte, Katholiken und Protestanten miteinander zu versöhnen. Lateinische Inschriften auf der Scheide von Dintevilles Schwert und dem Rand des Buches, auf das Georges lehnt, verraten, dass sie 28 bzw. 24 Jahre alt sind.

Dieses Porträt erinnert an ihre Freundschaft sowie an diesen kurzen gemeinsamen Aufenthalt in England. Holbein kleidet Dinteville in eine rosafarbene Satintunika und einen schwarzen Umhang mit dichtem Luchsfell. Die goldenen Quasten, die an der Scheide von Dintevilles Dolch hingen, wurden mit Holbeins üblicher Vergoldungstechnik hergestellt: Er bemalte die einzelnen Stränge mit einer bräunlichen Farbe, überzog sie mit einer Schicht Ölbeize (einer klebrigen Substanz, die wie ein Kleber wirkte) und befestigte sie dann mit Gold Blatt, um diese zarten, schwankenden Fäden zu erzeugen. Trotz seiner Detailliertheit verraten Teile des Bildes die Geschwindigkeit, mit der Holbein arbeitete. Auf dem Tisch sind die einzelnen Knoten des türkischen Teppichs zu sehen; Bei den grauen Flächen handelt es sich um Untermalungen, die Holbein einfach freigelassen hat und den Farbton nur hier und da leicht verändert hat, um zu zeigen, wie sich der Stoff an den Rändern leicht wellt.

Indem Holbein den Tisch zwischen die beiden Männer stellt, trennt er sie und stellt ihnen aber eine Stütze zum Anlehnen zur Verfügung, sodass sie scheinbar natürlich posieren. Der Tisch bietet außerdem Platz für die Präsentation unterschiedlichster Gegenstände. Als Gruppe wurden diese Objekte als visueller Essay über die religiösen und politischen Unruhen im Europa der Mitte des 16. Jahrhunderts interpretiert. Das oberste Regal zeigt Instrumente zur Messung von Zeit, Höhe und der Position der Sterne und anderer Himmelskörper. Ganz links ist ein Himmelsglobus zu sehen, der die Position von Sternen und Planeten kartiert. Das facettenreiche kastenförmige Objekt mit Zifferblättern auf jeder Seite wird als polyedrisches Zifferblatt bezeichnet, eine Art Sonnenuhr. Solche Objekte wurden vom königlichen Astronomen Heinrichs VIII., Nicholas Kratzer, hergestellt: Holbeins Porträt, das Kratzer bei der Herstellung eines polyedrischen Zifferblatts zeigt, befindet sich im Louvre in Paris. Technische Instrumente wie dieses waren äußerst wertvoll, und ihre Einbeziehung zeigt auch das Verständnis der Männer für Mathematik und Naturwissenschaften.
Das untere Regal ist hauptsächlich der Musik gewidmet. Es wird von einer Laute dominiert, deren Koffer verdeckt auf dem Boden liegt, eine Saite ist gerissen. Das Buch links ist ein Rechenbuch, aufgeschlagen mit einem Geodreieck auf der Seite, die sich auf die mathematische Division bezieht. Unter dem Hals der Laute liegt ein lutherisches Gesangbuch auf einem Satz Flöten – eine Flöte fehlt, was auf mangelnde Harmonie hindeutet. Das Gesangbuch und die Partitur sind deutlich lesbar und zeigen, dass Holbein sich bewusst dafür entschied, zwei Seiten zu zeigen, die in der Standardform des lutherischen Gesangbuchs nicht aufeinander folgen. Die Hymnen lauten „Come Holy Ghost“ und „The Ten Commandments“, die Georges möglicherweise einbeziehen wollte, weil sie die Einheit der Christen zum Ausdruck bringen. Der Globus auf diesem Regal ist terrestrisch und umfasst den Weiler Polisy, etwa 200 Kilometer südöstlich von Paris, wo Dinteville sein Schloss hatte und wo dieses Gemälde ursprünglich hing: Ein Inventar aus dem Jahr 1589 dokumentiert, dass es den Großen Saal schmückte.

Renaissance-Porträts wurden oft als Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens oder als Memento mori in Auftrag gegeben. Das ungewöhnlichste Element des Bildes – ein verzerrtes, längliches Objekt, das zwischen den Füßen der Männer zu schweben scheint – kann nur richtig erkannt werden, wenn man von der rechten unteren Ecke auf das Gemälde blickt. Von hier aus betrachtet erweist sich die Form als großer Schädel, ein Effekt, der Anamorphose genannt wird und auch in einem ungewöhnlichen Porträt von Heinrichs Sohn Edward VI. in der National Portrait Gallery, London, zu sehen ist. Ebenfalls versteckt ist oben links im Bild, an den grünen Damastvorhang geheftet, ein Kruzifix. Es könnte auf die Einheit der Christen hinweisen, weil es die universelle Hoffnung auf Erlösung durch das Opfer Christi zum Ausdruck bringt.

 

Bilder für Heinrich VIII.

1533 entwarf Hans Holbein die Dekorationen für die Hochzeit des Königs mit Anne Boleyn. Im Jahr 1536 wurde er zum Hofmaler des Königs berufen.

„Seine [des Königs] Zuneigung zu ihm ging bis zur Schwäche. Als sich ein Lord einmal über eine Beleidigung des Malers beim König beschwerte, […] antwortete der König: ‚Wisset, daß ich aus sieben Bauern in einer Minute sieben Lords, wie ihr es seid machen kann, daß ich aber aus sieben Lords von Eurem Schlage nicht einen einzigen Holbein machen kann.‘“8 (nach J. Wiese)

König Heinrich schickte Holbein im August 1539 auf Brautschau aufs Festland zurück, um Christina von Dänemark und in Kleve die beiden Töchter des Herzogs Johann III. zu malen. Das Bild von Anna von Kleve gefiel ihm sehr und er entschloss sich, sie zu heiraten. Da ihm die reale Anna aber weit weniger schön erschien als die gemalte, fiel Holbein bei ihm in Ungnade. Er blieb zwar Hofmaler, durfte jedoch nie wieder ein Mitglied der königlichen Familie malen.

 

Zeichnungen

Holbeins Gemälde und ihre vorbereitenden Zeichnungen verraten viel über seine Arbeitsweise. Holbein schuf Kreidezeichnungen seiner Dargestellten nach dem Leben und verarbeitete diese normalerweise zu Ölgemälden. Die Porträts von Henry Guildford und William Reskimer und ihre vorbereitenden Zeichnungen ermöglichen, Holbeins Ideen zu verfolgen, während er sie von einem Medium in ein anderes übertrug.

In der Royal Collection ist eine wichtige Gruppe von Holbeins Zeichnungen und Gemälden erhalten. Die Zeichnungen befanden sich im Besitz von Heinrichs VIII. Sohn Eduard VI., ein Hinweis auf die frühe Wertschätzung, die der Künstler auf die geschickte und einfühlsame Darstellung seiner Dargestellten legte.

Tod

Hans Holbein der Jüngere starb am 29. November 1543 in London an der Pest.

 

Nachruhm

Im Kunstmuseum Basel befindet sich heute der weltweit größte Bestand von Werken Hans Holbein des Jüngeren.

 

Literatur

  • Holbein: Capturing Character, hg. von Anne T. Woollett (Ausst.-Kat. J. Paul Getty Museum, Los Angeles, 19.10.2021–9.1.2022; Morgan Library & Museum, New York, 11.2.–15.5.2022), Los Angeles 2021.
    • Anne T. Woollett, The Pictorial Eloquence of Hans Holbein the Younger
    • Peter van der Coelen, Erasmus, Man of Images
    • Austėja Mackelaitė, Hans Holbein the Younger as Portrait Draftsman
    • John T. McQuillen, Holbein, Humanism, and the Book
    • John Oliver Hand, Littera scripta manet: Holbein the Calligrapher and His Inscriptions
    • Ulrich Hans Birkmaier, Hans Holbein’s Enigmatic An Allegory of Passion in Focus: Notes on Materials and Technique
  • Oskar Bätschmann, Hans Holbein d. J., München 2010.
  • Jochen Sander, Hans Holbein d. J. Tafelmaler in Basel 1515–1532, München 2005.
  • Hans Holbein d. J. – Die Jahre in Basel 1515–1532, hg. von Kunstmuseum Basel (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, 1.4.–2.7.2006), München 2006.
    • mit Beiträgen von Christian Müller und Stephan Kemperdick u. a.
  • Fridtjof Zschokke, Die Zeichnungen Hans Holbeins d. J. nach den Bildnisstatuen des Herzogs und der Herzogin von Berry in Bourges, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 18 (1958), S. 181–182, hier S. 181.
  • Paul Ganz, Hans Holbein der Jüngere. Gesamtausgabe der Gemälde, Basel 1950.

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  1. Für die Zuschreibung der Kinderseite an Ambrosius Holbein siehe Hans Holbein d. J. – Die Jahre in Basel 1515–1532, hg. von Kunstmuseum Basel (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, 1.4.–2.7.2006), München 2006, S. 158–160, Nr. 22 (mit Beiträgen von Christian Müller und Stephan Kemperdick u. a.).
  2. Bonifacius Amerbach (1495–1562) war Sohn des Basler Buchdruckers Johannes Amerbach und engster Vertraute des Erasmus von Rotterdam. 1519 wollte er sein in Freiburg i. Br. begonnenes Studium der Jurisprudenz in Avignon fortzusetzen. Die Gefahr der weiten Reise wurde noch erhöht durch die damals in Südfrankreich grassierende Pest – Gründe, für den Fall der Fälle das eigene Aussehen im Bild festhalten zu lassen. Dabei überließ Amerbach nichts dem Zufall. Das Epigramm auf der Inschriftafel hat der Dargestellte unter beträchtlichen Mühen selbst verfasst: Ein Konzeptblatt in der Basler Universitätsbibliothek dokumentiert über zwanzig Entwürfe dazu (Mscr. C VIa 73, f. 407). Einem weit verbreiteten humanistischen Topos folgend, preist es die Lebensechtheit des Porträts. Noch nachdem Holbein den Text auf sein Gemälde übertragen hatte, musste er eine Formulierung ändern: Der zweite Vers endete ursprünglich mit „SCRIPTA COLORIBVS“ anstelle von „NOBILE LINEOLIS“, hob also zunächst nicht die Linienführung, sondern die Farbe hervor. Die tagesgenaue Datierung bezieht sich auf Amerbachs Geburtstag, nicht auf irgendeinen Zeitpunkt der künstlerischen Arbeit. Es wäre möglich, dass sich Amerbach ein zweites Mal von Holbein hat porträtieren lassen. Das Epigramm des dargestellten Philosophen von 1519 ist erhalten (Basel, Universitätsbibliothek, Mscr. F VI 52, Nr. 5, f. 1), allerdings hätte es den glattrasierten, und somit auch äußerlich gereiften Denker zeigen sollen. Der Tod von Amerbachs Bruder Bruno wenige Wochen nach dem im Porträt vermerkten Geburtstag mag diesen Sinneswandel ausgelöst haben.
  3. Silberstift, Rötel und schwarzer Stift auf weiss grundiertem Papier, Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett, Inv 1832. 137 und 137a.
  4. B. 34, H. 307.
  5. Der Vergleich mit der noch streng bildparallelen Rahmenarchitektur auf dem Bildnis das Philipp Adler, das Holbeins Vater Hans d. Ä. 1513 schuf (Inv. G 1981.1), macht diese Entwicklung deutlich. Dass erst vier Jahre später ein vermutlich lokaler Wappenmaler die Rückseite der linken Tafel mit Meiers Initialen und seinem Vollwappen verzierte, könnte einen Funktionswechsel anzeigen, etwa von der ständigen Wandhängung zur Aufbewahrung im geschlossenen Zustand mit gelegentlicher Aufstellung.
  6. Fridtjof Zschokke, Die Zeichnungen Hans Holbeins d. J. nach den Bildnisstatuen des Herzogs und der Herzogin von Berry in Bourges, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 18 (1958), S. 181–182, hier S. 181.
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