Henriette Browne: franz. Malerin des Orientalismus | ARTinWORDS

Henriette Browne

Wer war Henriette Browne?

Henriette Browne, alias Sophie de Bouteiller (Paris 16.6.1829–1901 Paris) war eine französische Malerin des Orientalismus. Zu Lebzeiten international für ihre unkonventionelle Herangehensweise an die orientalischen Motive berühmt, spezialisierte sich die Künstlerin auf Genreszenen, die weniger sensationelle, wenn auch immer noch exotische Weise darstellen. Ihr Frausein, ihre soziale Stellung und der Einfluss ihrer Mutter waren ausschlaggebend für ihre Entwicklung als Künstlerin. Während viele ihrer Werke verloren gingen, beweisen die erhaltenen Gemälde das Können und die Sensibilität einer Malerin, die von der Kunstgeschichte weitgehend übersehen wurde.

Kindheit

Sophie de Bouteiller wurde am 16. Juni 1829 in Paris als Tochter von Comte de Bouteiller [Graf] und seiner Frau geboren. Ihr Vater war Amateurmusiker und ihre Mutter eine versierte Sängerin. Durch ihren Vater, der aus einer alten bretonischen Familie stammte, erlangte Browne eine privilegierte Stellung in der Gesellschaft.

Sophies Mutter war vor dieser Ehe bereits verheiratet gewesen. Bevor sie Comtesse de Bouteiller wurde, gab sie eine Zeit lang Musikunterricht, um sich und ihren Sohn aus dieser Beziehung zu erhalten. Aus diesem Grund ermutigte die Gräfin Sophie schon in jungen Jahren, eine künstlerische Ausbildung zu absolvieren, um nötigenfalls ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Sie bestand darauf, dass Sophie Musik und Zeichnen lernte. Deshalb wurde das Mädchen von der Gräfin und anderen Lehrern in ihrem Pariser Haus zu Hause unterrichtet.

Ausbildung

Im Jahr 1849 entschloss sich Sophie de Bouteiller zu einem Studium des Zeichnens und wurde Schülerin von Monsieur Emile Perrin, dem späteren Direktor des Théâtre-Francais. Im Jahr 1851 trat Sophie in die Klasse für Künstlerinnen von Monsieur Charles Joshua Chaplin ein. Hier hatte sie die Gelegenheit, an lebenden Modellen zu studieren und sich dabei unverzichtbare Kenntnisse über die Darstellung von Körperproportionen und Bewegungen anzueignen.

Henriette Browne

Zwischen 1851 und 1853 nahm Sophie das Pseudonym Henriette Browne an, den Namen ihrer Großmutter mütterlicherseits. 1853 reichte Browne ihr erstes Werk im Pariser Salon ein, wo sie bis 1878, ein Jahr vor dem Tod ihres Mannes, regelmäßig ausstellte. Mit diesem Pseudonym versuchte Browne, ihr Berufs- und Privatleben zu trennen. Darüber hinaus wollte Browne durch die Distanzierung von ihrer künstlerischen Karriere ihre gesellschaftliche Stellung wahren, da es damals für eine Frau nicht angemessen war, auch eine professionelle Künstlerin zu sein.

Henriette Browne heiratete im Jahr 1853 Henry Jules de Saux, einen französischen Diplomaten und Sekretär des Grafen Walewski. Browne begleitete ihren Mann auf den vielen beruflichen Reisen, darunter nach Italien, Holland und Konstantinopel [heute: Istanbul]. Diese Aufenthalte erwiesen sich als entscheidend für ihre künstlerische Ausbildung und führten Browne zu neuen Erfahrungen. Die Reise nach Konstantinopel war von besonderer Bedeutung, da sie währenddessen einen türkischen Harem besuchte und aus erster Hand erfahren konnte, wie dieser private Raum wirklich organisiert war bzw. aussah. Es wird angenommen, dass dieses Erlebnis zur einzigartigen Art beitrug, wie Henriette Browne später den Orient in ihren Gemälden und Stichen darstellte.

Bis 1879 hatte Henriette Browne das Ausstellen weitgehend aufgegeben und konnte auf eine produktive Karriere als international gefragter Genre- und Orientmalerin zurückblicken. Im Jahr 1894 wurde Browne Ehrenmitglied des Londoner Royal Institute of Painters in Watercolours. Henriette Browne war eine äußerst erfolgreiche Künstlerin. Obwohl viele ihrer Werke unauffindbar sind, zeugen die erhaltenen Gemälde in Privatsammlungen von ihrer Beliebtheit. Heute stellen diese Gemälde eine alternative Form der Orientalismus dar, widersetzen sich doch Brownes Werke dem männlichen Blick.

Werke

Henriette Brownes dem Naturalismus zuzurechnendes Frühwerk umfasste Porträts, häusliche Genreszenen und französische Religiosität (→ Naturalismus 1875-1918). Die Malerin wurde für ihre Kühnheit bekannt, mit der sie Genreszenen inszenierte. Maßstab, Realismus und frontale Darstellung der Figuren waren ungewöhnliche Merkmale ihrer Kunst.

Browne präsentierte sich erstmals im Pariser Salon von 1853. Sie stellte „Lecture de la Bible“ aus, eine alte Frau, die auf ihrem Schoß eine schwere Bibel liest. Henriette Browne hatte mäßigen Erfolg und erregte jedoch die Aufmerksamkeit eines Kunstkritikers, der sowohl in französischen als auch englischen Kunstkreisen bekannt war. Nachdem er Browne kennengelernt hatte, wurde er in ihr Atelier eingeladen, um sich mehr von ihrer Arbeit anzusehen. Der Besucher konnte sofort erkennen, dass ihr Pariser Atelier mit so viel Geschmack und Luxus ausgestattet war, dass das nicht mit dem Verkauf ihrer Kunstwerke finanzierbar war. Brownes Arbeiten wurden für rund 500 Francs verkauft. Nachdem er sich von ihrem Können überzeugt hatte, beschloss der Sammler, die zuvor besprochenen Werke zu kaufen und versprach, in Zukunft weitere Werke zu erwerben. Anschließend reichte er dieses und andere Gemälde bei Salons ein, was rund 7.000 Francs einbrachte.

In der Folge stellte sie 1855 auf der Weltausstellung aus, wo Henriette Browne sofort erfolgreich wurde. Alle fünf ihrer Gemälden wurden verkauft, darunter auch das von Kaiser Napoleon erworbene „École de Pauvres a Aix“. Der Kunsthändler Ernest Gambart sah ihre Gemälde auf der Ausstellung und reichte sie in der French Gallery in London ein.

Von 1857 bis 1859 war Browne äußerst erfolgreich. Kaiserin Eugenie kaufte 1859 von ihren fünf ausgestellten Gemälden „Les Puritaines“ für 6.000 Francs. Besonders erfolgreich war Brownes Gemälde „Les Soeurs de Charité“ und brachte seiner Schöpferin eine Medaille dritter Klasse ein. Die beiden Nonnen kümmern die sich in dem Gemälde um ein krankes Kind. Das Werk rangierte nach den Gemälden von Rosa Bonheur und wurde für 12.000 Francs erworben. Charles Kingsley beschrieb es als eine perfekte Kombination aus Realismus und Naturalismus. Ebenfalls im Jahr 1859 fand in der French Gallery in Pall Mall eine Ausstellung von Henriette Brownes Arbeiten statt. Die Ausstellung wurde gut rezensiert, wobei „realistische Einfachheit“ als Hauptmerkmal ihrer Arbeit galt. Im Gegensatz zu Rosa Bonheur wurde Browne als Vorbild für Weiblichkeit gesehen; ihre Gemälde galten als Ausdruck weiblicher Tugend.

Viele von Brownes frühen Genreszenen konzentrieren sich auf die Themen Religion und/oder Kinder, die sie mit Pathos und Gefühl umsetzte. Darüber hinaus charakterisierten noch drei weitere Eigenschaften ihre Gemälde: Erstens waren ihre Bilder für Genreszenen oft extrem groß und ihre Figuren im Vordergrund des Bildes platziert. Zweitens erinnerten bestimmte Aspekte an Elemente der niederländischen Kunst aus dem 17. Jahrhundert. Dazu gehörten die Aufteilung der zurücktretenden Fläche und das Licht in ihren Innenräumen. Schließlich basierten ihre Arbeit auf realistischen Beobachtungen, auch wenn die Kompositionen ihrem Geist entsprangen. In einer Rezension im „Woman's English Journal“ heißt es:

„Sie beobachtet, kombiniert und reproduziert […] jedes Detail ist der Natur nachempfunden.“

Der Kunstkritiker Théophile Gautier meinte nach der 1867 Ausstellung, dass nur drei Künstlerinnen in Europa den „Titel Malerin“ verdienen würden: Rosa Bonheur, Henriette Browne und Elisabeth Jerichau-Baumann.

Kupferstiche

Neben der Malerei betrieb Henriette Browne den Kupferstich. Sie war die erste, die Stahlstiche von Alexandre Bidas Werk anfertigte, das aus orientalischen und biblischen Motiven bestand. Sie nahm sich die Freiheit, Änderungen an ihren Kopien vorzunehmen, etwa Gegenstände zu entfernen, die Kleidung aufzuhellen und die Szene zu „orientalisieren“.

Orientalismus

Im 19. Jahrhundert nahm die Faszination für den Orient dramatisch zu, insbesondere in Frankreich und Großbritannien. Henriette Browne stellte in den 1860er Jahren zahlreiche orientalistische Gemälde aus und erlebte eine Zeit des Reisens und des Erfolgs. 1862 war sie eine von drei Künstlerinnen, die als Gründungsmitglieder der Société Nationale des Beaux-Arts in Paris aufgeführt wurden.

Browne reiste 1860 in die Türkei, 1864 nach Marokko und im Winter 1868/69 nach Ägypten und Syrien. Während dieser Reisen, die durch diplomatische und königliche Verbindungen ermöglicht wurden, konzentrierte Browne ihre Kunst auf eher östliche Themen, insbesondere Schulszenen. Ihre ersten orientalistischen Motive verbreiteten sich 1861 in der französischen Kunstszene, als sie zwei Gemälde im Pariser Salon ausstellte: „Une Visite“ und „Une Joueuse de Flute“. Diese beiden fortschrittliche Gemälde, möglicherweise Brownes berühmteste Werke, zeigen den Harem in Konstantinopel. Auf diesen Bildern begrüßen Frauen Besucherinnen und lauschen gemeinsam der Musik. Die Frauen werden bei alltäglichen Aktivitäten gezeigt, anstatt sich auszuziehen, zu rauchen oder sich um Männer zu kümmern. Nach diesen Bildern wandte Browne ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich den Themen Schulen und Kinder zu. In den 1870er Jahren hatte sich ihr Ruf etabliert und sie genoss eine herausragende Stellung unter den orientalistischen Maler:innen. Henriette Brownes Werk sollte bald zum Prüfstein für alle nachfolgenden orientalistischen Malerinnen werden.

Henriette Browne war vor allem für ihre Sujets orientalischer Harems und Klöster bekannt. Sie zeigt den Harem als Raum für soziale Interaktion zwischen Frauen und nicht als Raum sexueller Lust für Männer. Sie repräsentierte weibliche Arbeit, Sexualität und Räume, wobei den weiblichen Blick in den Vordergrund stellte. Aufgrund ihres Geschlechts war Browne in der Lage, persönlich mit dem östlichen Harem und seinen Bewohnerinnen zu interagieren. Sie war eine bedeutende Zeugin der Geschlechterpolitik und der Interaktion zwischen den Frauen im Harem, was den männlichen Künstlern nicht möglich war. Deren Darstellungen basierten größtenteils auf Fantasien, wobei sie die Bedeutung der Sexualität übertrieben. Im Gegensatz dazu objektivierte Henriette Browne die Haremsdamen nicht, sondern präsentiert vielmehr einen ruhigen und kontrollierten häuslichen Raum; sie schließt Männer von den Szenen aus und malte mit einer gedämpften Farbpalette. Brownes größter Beitrag bestand darin, dass sie kulturelle und sexuelle Mythen über den Harem entlarvte, indem sie den Ort desexualisierte und häuslicher gestaltete. Brownes wahrheitsgetreue Darstellungen der weiblichen Gemeinschaft waren unumstritten, auch wenn sie mit der männlichen orientalistischen Tradition brachen.

Aufnahme der Werke

Henriette Brownes Gemälde erfreuten sich unter ihren Zeditgenoss:innen großer Beliebtheit. Die Arbeiten erzielten hohe Preise und zogen in den 1850er Jahren einflussreiche Mäzene wie Kaiser Napoleon III. und Kaiserin Eugénie an. Auch wenn ihre Gemälde in Großbritannien und Frankreich gut aufgenommen wurden, hatten ihre Genreszenen in Großbritannien eine größere Bedeutung, während ihre orientalistischen Gemälde in Frankreich höheres Lob erhielten. Brownes Werke wurden gefeiert, da sie mit der männlichen orientalistischen Tradition brachen, aber auch stilistisch unumstritten waren.

Großbritannien

Henriette Brownes frühe Genreszenen mit Nonnen und Kindern waren in Großbritannien trotz des damals weit verbreiteten Antiromanismus äußerst beliebt. Das übertraf das Interesse an ihren orientalistischen Werken bei weitem. Die britische Tradition des Orientalismus war eher von archäologischen Landschaften und topografischen Ansichten geprägt.

Nach ihrem Erfolg am Pariser Salon von 1859 wurde ihr Gemälde „Les Soeurs de Charité“ in London gezeigt, wo es als Meisterwerk eingestuft wurde und ihren Ruf in Großbritannien begründete. Den Engländer:innen gefiel das Bild vor allem wegen seiner starken moralischen Botschaft. In Bezug auf dieses Gemälde behauptete Charles Kingsley, dass ihre Technik eine Mischung aus Idealismus und Realismus sei. Er kommentierte den realistischen Stil und die feminine Motivwahl ihrer Gemälde.

Im Jahr 1859 hatte Henriette Browne eine Einzelausstellung in der French Gallery in Pall Mall, die Gambart gehörte. Bis 1860 wurden mindestens acht ihrer Werke in England verkauft. Ein Artikel über Browne im „English Woman's Journal“ aus dem Jahr 1860 stärkte ihren Ruf weiter. Der Text porträtierte Browne als professionelle Künstlerin, gute Ehefrau und Mutter. Es betonte ihre privilegierte Position als Ehefrau eines Diplomaten, ohne ihre Begabung als Künstlerin zu schmälern.

Frankreich

Henriette Browne etablierte sich in Frankreich, nachdem sie 1855 die fünf ausgestellten Werke auf der Weltausstellung alle verkauft hatte. In den Jahren 1855 und 1857 wurde Browne im Pariser Salon mit Medaillen dritter Klasse für Malerei ausgezeichnet. Während sich ihre frühen Gemälde als erfolgreich erwiesen und ihren Ruf als Künstlerin etablierten, waren sie jedoch nicht bedeutend genug, um ihr im Genre der französischen religiösen Malerei eine herausragende Stellung zu verleihen.

Brownes späterer Ruhm ist eher ihren orientalistischen Gemälden zuzuschreiben. Erste orientalistische Themen der Künstlerin eroberten 1861 die französische Kunstszene. Die beiden Gemälde „Interieur“ fanden sofort Beachtung. Dennoch wandte sich die Malerin von diesen Szenen ab. Danach schuf sie Bilder von Kindern, Schulen, Gelehrten und Einzelpersonen der orientalischen Gesellschaft. Damit erfreute sie sich zeitlebens in Frankreich großer Beliebtheit.

Tod

Henriette Browne starb 1901 in Paris.