Monet, Gauguin, van Gogh: Inspiration Japan in Essen
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Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan Japonismus in Essen

Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan, Cover (Steidl Verlag)

Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan, Cover (Steidl Verlag)

Der Import ostasiatischer Werke und Objekte setzte 1854 schlagartig ein, als die USA Japan zwangen seine 215 Jahre dauernde Abschottungspolitik zu beenden und seine Häfen zu öffnen. Wurden anfangs Künstler zu Liebhabern japanischer Kunst, so folgte die Bourgeoisie mit der Weltausstellung von 1867, auf der sich das Land der aufgehenden Sonne selbst präsentierte. Zuerst war es die Exotik der Farbholzschnitte, Rollbilder, Textilien und Porzellane, die auf Maler wie James McNeill Whistler, Alfred Stevens und James Jacques Joseph Tissot anziehend wirkte (Gianfreda, S. 59). Imaginationen japanischer Exponate tauchten ab Mitte der 1860er Jahre in Alltagsszenen als Symbole des Fremden und der Versenkung auf, bis sich in einem weiteren Schritt ab Mitte der 1870er Jahre europäische Künstlerinnen und Künstler fernöstliche Stilmittel und Techniken verinnerlichten. James McNeill Whistler und James Tissot verkleideten zwei junge Europäerinnen 1863 bzw. 1864 mittels Kimonos, Fächern und Wandschirmen in fernöstliche Prinzessinnen und Geishas. Bereits Ende des Jahrzehnts hatte die Japan-Mode so um sich gegriffen, dass Japonismus gleichbedeutend mit Modernität verstanden wurde (Gianfreda, S. 61) aber auch erste Kritiker vor „einer blinden Nachäfferei“ warnten (Guitton, S. 81).

Die Impressionistinnen und Impressionisten nutzten nicht nur die Motive japanischer Bildschöpfungen als Inspirationsquellen für ihre Kunst, sondern auch außergewöhnliche Formlösungen wie die Abkehr von der Zentralperspektive, extrem angeschnittene Kompositionen. Der Farbholzschnitt wurde als Anregung für ein neues Sehen genutzt, die traditionellen, akademischen Werte vom Thron gestoßen und Malerei wie der Holzschnitt als künstlerische Technik revolutioniert. Künstler wie die drei Titelgeber Claude Monet, Paul Gauguin und Vincent van Gogh stehen in dieser Publikation prototypisch für die Aufnahme der begehrten Inspirationsquellen, indem sie teils typisch japanischen Motiven in ihre Werke übertrugen (z. B. Degas‘ sich waschende Frauen), einzelne Stilmittel übernahmen und weiterentwickelten (z. B. der hohe Horizont in der Landschaftsmalerei, schräg angeschnittene Kompositionen) und teils sogar in Serien arbeiteten: Whistlers Themse-Bilder ab den 1870ern, die ca. 40 Wellen-Gemälde von Courbet von 1869 bis 1872, Monet ab den 1880ern und Cézannes unablässige Auseinandersetzung mit dem Monet Sainte-Victoire (Gianfreda, S. 64–67).

Unentschiedener Entdeckerstreit

Nachdem 1854 Japan seine Häfen öffnete und 1858 Handelsabkommen mit dem Westen geschlossen worden waren, dürften bereits sehr früh erste Farbholzschnitte und kunstgewerbliche Objekte nach Europa gekommen sein. Wer aber schlussendlich der Entdecker der Qualitäten der japanischen Kunst in den 1850er Jahren gewesen ist, ließ sich bereits im 19. Jahrhundert nicht mehr genau sagen. Sowohl die Brüder Goncourt wie auch der Druckgrafiker Félix Braquemond und der Kunstkritiker Philippe Burty beanspruchten diesen Titel für sich, während Manet, Degas, Monet, Courbet und Millet sich spätestens ab 1860 dafür interessierten. Für sie war die japanische eine „unverdorbene, „authentische“, „ursprüngliche“ Kunst“ (Gianfreda, S. 15), aus der sie Inspiration wie Bestätigung eigener Wünsche und Tendenzen schöpften. Wer immer es auch gewesen sein mag, der sein Interesse als Erster auf die japanische Kunst gerichtet hat, berühmt wurde sie für ihre angebliche Schlichtheit, wie Monet es für seine Generation treffend zusammenfasste: „Alles erfüllt seinen Zweck… Das Leben in seiner Schlichtheit…“ (S. 300). Nachdem der Japonismus Ende des 19. Jahrhunderts im Jugendstil einen Höhepunkt gefeiert hatte, brach das Interesse 1905 schlagartig ab. Mit dem wichtigen Kunsthändler Samuel Bing starb einer der Protagonisten, der Jugendstil wurde vom Fauvismus und Kubismus abgelöst, in denen nord- und mittelafrikanische sowie ozeanische Objekte rezipiert wurden.

Musealisiertes Japan 1: Die Impressionisten sammeln Japan

Der Erfolg japanischer Kunst basierte zum Großteil aus einer Wertschätzung von Seiten avantgardistischer Künstlerinnen und Künstler, denen Kunsthändler und Sammler moderner Kunst, wie Karl Ernst Osthaus, folgten. Den „Japonismus als transkulturellen Prozess“ zu beschreiben, ist Ziel von Mae Michiko. Ausgehend von den Thesen Klaus Bergers und Franz Wickhoffs, die Japaner hätten die Moderne bereits verwirklicht, untersucht sie das Verhältnis Vincent van Goghs zur japanischen Kunst. Sein Ringen um Einfachheit und Durchdringung der Dinge stellt sich zwar genauso als Projektion eigener Wünsche auf die japanische Kunst wie eine innige Bewunderung der Stilmittel dar.

Die Sammlungen von japanischen Holzschnitten von Claude Monet (1840–1926), Vincent van Gogh (1853–1890), Henri Rivière (1864–1951) und Auguste Rodin (1840–1917) stehen bei Geneviève Aitken (S. 46–57) im Zentrum der Beobachtung. Sie vergleicht die Kollektionen quantitativ und qualitativ, um zu Aussagen über das Japan-Verständnis der vier zu gelangen. Erstaunlich ist, dass Rodin und van Gogh ein „eher dilettantenhafter Geschmack“ zugesprochen wird, während Monet und v. a. Rivière eine intellektuelle Durchdringung der Materie erkennen lassen (S. 51–52). Monet stelle einen repräsentativen Querschnitt der japanischen Druckgrafik nach, während sich Rivière auch für die frühen Vielfarbendrucke interessierte. Die eingangs referierte Wertung van Goghs wird durch die Autorin weiter eingetrübt, wenn sie feststellt, dass der Holländer auf den steigenden Wert der Kunst „spekulierte“ und er seinem Bruder einen Tauschhandel mit Monet vorschlug (S. 53). Was Rodin dazu veranlasste, ab 1900 japanische Drucke zu sammeln, darüber lässt sich nur noch spekulieren. Einige Blätter wurden ihm geschenkt, andere – darunter auch Rollbilder – kaufte er, als er begann, sich mit erotischen Zeichnungen zu beschäftigen (S. 54). Allen gemein war, dass sie diese Blätter in ihren Ateliers und Wohnräumen entweder zum Studium aufhängten, oder Rivière lichtgeschützt in Schubern verwahrte (S. 56). So war es auch Rivière, der sich mit seinen Farbtonstufungen in Holzschnitten und den bebilderten Partituren am deutlichsten von den japanischen Vorbildern inspirieren ließ. Die Autorin folgt mit ihren Wertungen der Ansicht, dass die japanische Druckgrafik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Qualität verloren hätte. Also jene Blätter, für die sich van Gogh interessierte, wären aufgrund der Leuchtkraft europäischer Farben, der Rezeption der Zentralperspektive und westlicher Ästhetik nicht mehr „authentisch“ genug. Offenbar hatte Vincent van Gogh weder eine enzyklopädische Sammlung im Sinn, sondern begeisterte sich für jene Drucke, die sein eigenes ästhetisches Wollen, beispielsweise die starken Komplementärkontraste und die große Farbflächen, vorwegnahmen. Mit seinem Interesse für die japanische Druckkunst konnte er auch auf seine Altersgenossen – Louis Anquetin, Émile Bernard, Paul Gauguin, Henri de Toulouse-Lautrec, Paul Sérusier (1888 die Schule von Pont-Aven, siehe den Essay von Belinda Thomson, S. 69–77) – einwirken.

Musealisiertes Japan 2: Die Post-Impressionisten sammeln Japan

Die unterschiedliche Rezeption von Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Émile Bernard und Louis Anquetin wird von Belinda Thomson vorgeführt (S. 69–77). Zwischen 1885 und 1888 spielten japanische Holzschnitte im Diskurs von van Gogh eine herausragende Rolle, die sie nach seinem Umzug nach Saint-Remy verloren. Bei Gauguin lässt sich ein Interesse an japanischer Ästhetik in derselben Zeit nachweisen, während Émile Bernard und Louis Anquetin sich 1887 nur kurz damit beschäftigten. Auslöser für die Japan-Begeisterung von Bernard und Anquetin war eine Ausstellung japanischer Druckgrafiken, die van Gogh im Café seiner Freundin Agostina Segatori im Frühjahr 1887 organisiert hatte (Thomson, S. 71). Einen Höhepunkt fand van Goghs Japan-Begeisterung Ende des Jahres, als er drei Holzschnitte von Keisai Eisen (Kurtisane) und Hiroshige (Pflaumenblüte) abpauste und auf Leinwänden vergrößerte. In den folgenden drei Jahren entstanden befreite Bilder in intensiven Farben, die den Ruf van Goghs bis heute ausmachen. Er fand im „Atelier des Südens“ jene gleißenden Farben, die ihn an den japanischen Farbholzschnitten so interessiert hatten. Dem Wunsch, in seiner Malerei „das Wesentliche“ festzuhalten, führte zur deutlichen Vereinfachung der Formen, wie im „Sämann bei Sonnenuntergang“ deutlich zu sehen. Seine Liebe zur Natur und sein Wunsch, die Wiedergabe der sichtbaren Welt zu perfektionieren, fühlte er in den japanischen Werken bestätigt.

Vincent van Gogh, Émile Bernard und Louis Anquetin kannten einander seit ihrem Studium im Atelier von Fernand Cormon 1886. Bernard, Anquetin und schlussendlich auch Gauguin entwickelten gemeinsam den Cloisonnismus (1887), für den sie sich an japanischen Farbholzschnitten, mittelalterlichen Glasfenstern und volkstümlichen Drucken orientierten: Sie rahmten leuchtende, unstrukturierte Farbflächen mit dicken, schwarzen Linien. Schon ein Jahr später, 1888, prägten die beteiligten Künstler für ihre neue Ästhetik den Begriff Synthetismus, hierin zeigte sich, wie die dekorative Qualität der japanischen Vorbilder, weiterentwickelt werden konnte (S. 74). Im Gegensatz zu ihren fernöstlichen Kollegen wollten die Franzosen beispielsweise an der Wiedergabe von Schatten festhalten.

Im Werk von Paul Gauguin lässt sich interessanterweise der Einfluss japanischer Kunst erst ab 1888 nachweisen. Sein „Einstieg“ erfolgt über die Gestaltung von Fächern wie „Kleine Katze an einer Schüssel“ (1888). Für Gauguin bedeutete die japanische Kunst, flächig, d. h. ohne sichtbaren Pinselduktus zu malen und sich so vom Einfluss Degas‘ und des Naturalismus zu befreien (Thomson, S. 75). Im Gegensatz zu van Gogh, der den Realitätssinn der japanischen Künstler so schätzte, vermochte Gauguin auch mystische Ideen wertzuschätzen und stellte die Zeichenkunst des Hokusai auf eine Stufe mit jener von Raffael und Michelangelo Buonarroti (Thomason, S. 77). Was hat die japanische Kunst der jüngeren Generation bedeutet? Ihnen hätten die Japaner, so formulierte es Bernard in der Rückschau, „die Komposition zurückgegeben (…), die wir im Zuge von fünf Jahrhunderten zeitraubender Detailversessenheit verloren hatten.“1

Für die 1888 an der Académie Julian gegründete Künstlergruppe Nabis (von hebräisch Nebiim für Propheten oder Erleuchtete), darunter Pierre Bonnard, Maurice Denis, Félix Vallotton und Édouard Vuillard, war der Japonismus essentiell (Petrucchi-Petri, S. 87). In ihrer Betonung der bildnerischen Mittel – Leinwand, Farbe, Flächigkeit, Komposition, erst dann das Sujet – und der Suche nach „Einfachheit“ sahen sie in den japanischen Farbholzschnitten wichtige Vorbilder. Als wichtigstes Stilmittel schien ihnen die Arabeske, die ondulierende, an- und abschwellende Linie. Ohne Modellierung der Farben, keine Zentralperspektive und häufiger Einsatz von Ornamenten zwangen sie die Tiefenraumillusion in ihren Bildern auf ein Minimum zurück. Auch leere Flächen – so lernten die Nabis – konnten Raum bedeuten. Wie bereits bei den Impressionistinnen, Impressionisten und Post-Impressionisten beobachtet werden konnte, entwickelten die Nabis höchst individuelle Personalstile.

Musealisiertes Japan 3: Karl Ernst Osthaus

Christoph Dorsz arbeitet in seinem spannenden Beitrag die frühe Sammlertätigkeit von Karl Ernst Osthaus auf (S. 38–45). Als dieser am 9. Juli 1902 das Museum Folkwang in Hagen eröffnete, spielte die japanische Kunst in der auf kunsthandwerkliche und technologische Fragen fokussierten Sammlung eine wichtige Rolle als Impulsgeberin. Der Museumsgründer hatte in den Jahren davor mindestens 200 Objekte erworben, weitere 300 hochwertige Stück kaufte er in den folgenden Jahren. Von diesen 500 Exponaten haben sich noch 200 Objekte in der Sammlung des Museum Folkwang erhalten.

„Japan in Paris“ bis „Die Kunst ist niemals keusch“

Gemeinsam mit dem Kunsthaus Zürich stemmt das Museum Folkwang in Essen die wichtige Schau „Monet, Gauguin, van Gogh ... Inspiration Japan“ und einen gewichtigen Katalog über den transkulturellen Austausch zwischen französischen und japanischen Künstlerinnen und Künstler. Bislang musste man die Publikationen von Klaus Berger und Siegfried Wichmann (beide 1980) in die Hand nehmen, um sich über dieses Thema umfassend zu informieren, jetzt zeichnet der Katalog aus dem Steidl Verlag die Faszination am Japanischen zwischen 1860 und 1910 mustergültig nach.

Die von Karl Ernst Osthaus ab 1898 angelegte Sammlung Japonica und die eigenen Sammlungen französischer Werke der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ergänzen einander in dieser Fragestellung und wurden durch eine Reihe wichtiger Arbeiten erweitert (→ Museum Folkwang). Für den Katalog versammelte Kuratorin Sandra Gianfreda zwei ausgewiesene Japan-Spezialistinnen undSpezialisten: Mae Michiko, Professorin für Modernes Japan in Düsseldorf mit Schwerpunk Transkulturalität, und Gregory Irvine, Kurator am Victoria and Albert Museum, Spezialist für Metallobjekte sowie die Kunst der Meiji Periode. Geneviève Aitken, Sandra Gianfreda, Belinda Thomson, Claire Guitton, Ursula Perucchi-Petri und Peter Kropmanns beleuchten den Japonismus von kunsthistorischer Seite.

Der gut strukturierte Katalogteil ist sowohl für Essen wie Zürich konzipiert, so dass im Anhang die Ausstellungsorte Aufschluss über die Zusammenstellungen geben. In den einleitenden Texten nähern sich die Autoren dem Japonismus in chronologischer Folge von den ersten Importen, die in Gemälden von Tissot, Stevens und de Nittis wirkungsvoll inszeniert wurden, und Künstler, die Japan bereisten. Waren es anfangs noch Bildzitate, die den großbürgerlichen Interieurs der Impressionisten exotisches Flair und Weltgewandtheit verliehen, so begannen wichtige Künstler wie Degas ab Mitte der 1870er-Jahre Bildermotive und Kompositionsweisen von den japanischen Meistern zu erlernen. Daher ist den berühmten japanischen Holzschnitten, von vielen Künstlern der Avantgarde gesammelt, wie der Japanischen Kunst im Folkwang Museum je ein eigenes Kapitel gewidmet.

Neue Motive und das Arbeiten in Serien stellen sich als die wichtigsten Impulse – neben Flächigkeit, dynamisch-angeschnittenen Kompositionen, fehlender Modellierung – für die impressionistische Malerei und Druckgrafik dar. Den Beginn machte der amerikanische Maler James McNeill Whistler mit seinen Capricci und Nocturnes, die er in atmosphärische Stimmungen hüllte. Mary Cassatt wird für ihre Farbradierungen gewürdigt, wie auch der im deutschen Sprachraum wenig bekannt Henri Rivière für dessen Farbholzschnitte. Degas‘ Balletttänzerinnen, die Bretonischen Bäuerinnen der Cloisonnisten (Sérusier, Gauguin) und Vincent van Goghs beseelte Landschaften würden ohne den Einfluss japanischer Kunst völlig anders ausstehen. In einem Brief vom September 1888 an seine Schwester meinte Vincent van Gogh Arles mit Japan vergleichen zu können (→ Vincent van Gogh : Paul Gauguin in Arles):

„Ich hier brauche keine Japandrucke, denn ich sage mir immer, daß ich hier in Japan bin. Daß ich folglich nur die Augen aufzumachen und das zu malen brauche, was ich vor der Nase habe und was mir Eindruck macht.“2

Einerseits steht dieser Ausspruch stellvertretend für die Projektion des Authentischen und Ursprünglichen auf das Land der aufgehenden Sonne, andererseits lässt sich aber auch die Befreiung der Farbe im Rahmen des Japonismus diskutieren.

Doch nicht nur für Maler und Druckgrafiker auch für die Angewandte Kunst lassen sich bedeutende neue Zugänge nachweisen: Die Naturverehrung der Japaner wurde über Kopien ihrer Tierdarstellungen beispielsweise auf dem berühmten „Service Rousseau“ von François-Eugène Rousseau mit Entwürfen von Félix Braquemond (1867 auf der Pariser Weltausstellung erstmals gezeigt, Dekoration nach Hiroshige, Hokusai’s Manga (sic!), Taito II, Isai, Sūgakudō) übernommen. Bei Claude Monet ging die Japanverehrung sogar so weit, dass er sich ab 1893 auf seinem Grundstück in Giverny einen Garten mit japanischen Pfingstrosen, Chrysanthemen, Ahornbäumen und Weiden anlegen ließ. Die Sorgfalt bei der Naturbeobachtung war einer der Topoi japanischer Kunst geworden, denn für Ary Renan wäre für Hokusai „eine Blume einem Menschen ebenbürtig“ gewesen.3 Die Freiheit und Organizität der Formfindung inspirierte viele Kunstgewerbler wie Émile Gallé (Guitton, S. 83). Erst die Weltausstellung 1878 machte die Europäer_innen mit der japanischen Keramik für Teezeremonien, die meist schlicht und aus Steinzeug gefertigt waren, bekannt. Avantgardistische Künstler_innen wie Camille Moreau-Nélaton, Adrien Dalpayrat, Auguste Delaherche, Alexandre Bigot, Paul Jeanneney und Georges Hoentschel arbeiteten mit dem rauen Steinzeug und fließenden, nicht das gesamte Objekt abdeckenden Glasuren.

Die Folgen des Japonismus für das 20. Jahrhundert werden durch den Vergleich von Pablo Picassos Serie „Raffael und die Fornarina“ (März bis Oktober 1968 in Mougins) mit japanischen shunga (erotisch-pornografischen Blättern) aber auch Monet‘s Garten in Giverny und Matisses Hang zum Dekorativen aufgemacht. Vielleicht ist ein Ausspruch Monets besonders geeignet, die Qualitäten japanischer Kunst herauszustreichen:

„Was uns im Westen besonders beeindruck hat, ist diese kühne Art und Weise, die Sujets zu beschneiden: Diese Leute (die Japaner) haben uns eine andere Art der Bildkomposition gelehrt, daran besteht nicht der geringste Zweifel.“4

Katalogteil

→ „Japan in Paris“: James Tissot, Alfred Stevens und Giuseppe de Nittis, ergänzt durch im Japan-Stil bemalten Keramiken sowie japanischen Originalen (Wandschirm, Alltagsgegenstände, Masken), bis zu Claude Monet, Vincent van Gogh und Odilon Redon
→ Künstler in Japan: Louis Dumoulin, Félix Règamey, der Fotograf Felice Beato
→ Japanische Farbholzschnitte. Suzuki Harunobu, Kitagawa Utamaro, Kikugawa Eizan, Katsushika Hokusai, Utagawa Hiroshige, Utagawa Kunisada (Toyokuni III)
→ Das Japanische unter uns – Motive und Serien: Edgar Degas, Henri Fantin-Latour, Gustave Caillebotte, Gustave Courbet, Georges Lacombe, Monets Felsen bei Belle-Île (1886), Paul Cézanne
→ Japonisme auf Papier: Edgar Degas, Mary Cassatt (Flächigkeit), Henri Rivière, Pierre Bonnard Plakate, Henri de Toulouse-Lautrec
→ Verinnerlichtes Japan: James McNeill Whistler, Edgar Degas, Paul Sérusier, Paul Gauguin, Émile Bernard, Vincent van Gogh
→ Japanische Kunst im Museum Folkwang
→ Angewandte Kunst in Frankreich: Félix Braquemond Service 1866/76, Émile Gallé, Jean Carriès, Auguste Rodin
→ Die Nabis und das Dekorative: Édouard Vuillard, Maurice Denis, Pierre Bonnard, Félix Vallotton (Vergleich seiner Holzschnitte mit japanischen Katagami), Paul Sérusier, Paul Ranson
→ „Ein Traum vom Fernsten Osten“ – Der Garten von Monet in Giverny (→ Der moderne Garten in der Malerei von Monet mit Matisse)
→ „Die Kunst ist niemals keusch“ – Picasso und der erotische Japonisme: Serie „Raffael und die Fornarina“ (September 1968) mit japanischen Shungas
→ Und Japan bleibt unter uns – ein Ausblick ins 20. Jahrhundert: Henri Matisse, James Ensor

Monet, Gauguin, van Gogh ... Inspiration Japan: Ausstellungskatalog

Museum Folkwang (Hg.)
mit Beiträgen von M. Michiko, G. Irvine, Ch. Dorsz, G. Aitken, S. Gianfreda, B. Thomson, C. Guitton, U. Perucchi-Petri, P. Kropmanns
374 Seiten, Hardback
28 x 22 cm
ISBN 978-3-86930-841-8
Steidl Verlag

  1. Zitiert nach Belinda Thomson, Japonisme im Werk von van Gogh, Gauguin, Bernard und Anquetin, in: Ausst.-Kat., S. 69–77, hier S. 75.
  2. Zitiert nach Ulrike Hofer, Verinnerlichtes Japan, in: Ausst.-Kat. Inspiration Japan, Göttingen 2014, S. 200–201, hier S. 201.
  3. Zitiert nach Claire Guitton, „Neue Horizonte und Freiheiten entdecken“ – Japonisme und die angewandte Kunst in Frankreich, in: Ausst.-Kat., S. 79–85, hier S. 83.
  4. Zitiert nach Claire Guitton, „Ein Traum vom Fernsten Osten“ – Monets Garten in Giverny, in: Ausst.-Kat., S. 300–301, hier S. 301.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.