Jan Toorop: nl. Maler der Moderne | ARTinWORDS

Jan Toorop

Wer war Jan Toorop?

Jan Toorop (Purworejo 20.12.1858–3.3.1928 Den Haag) war ein niederländischer Maler der Moderne (→ Klassische Moderne). Jan Toorop malte realistisch, impressionistisch und postimpressionistisch, wandte sich ab etwa 1890 dem Symbolismus und später dem Jugendstil zu, wobei er gleichzeitig in ver­schiedenen Stilen arbeitete. Oft brachte er die Farbe mit dem Palettmesser auf die Leinwand. Als Organisator verschiedener Ausstellungen vermittelte Toorop die neuesten Entwicklungen in der Malerei in die niederländische Kunstwelt.

Kindheit

Jan Toorop wurde am 20. Dezember 1858 in Poerworedjo, Java, Niederländisch-Indien (heute: Purworejo, Indonesien) geboren. Toorop war der Sohn eines niederländischen Kolonialbeamten und dessen britischer Frau. 1863 ließ sich die Familie auf Bangka, einer kleinen Insel südöstlich der indonesischen Insel Sumatra nieder, wo Jan im Alter von zehn Jahren in der protestantischen Kirche getauft wurde.

Im Alter von elf Jahren verließ Jan Toorop 1869 Indonesien, um in den Niederlanden eine bessere Schule zu besuchen. Noch im selben Jahr begann sein Unterricht am Gymnasium in Leiden. 1874 wechselte er auf die Schule nach Winterswijk. Bereits als Schüler genoss er eine fundierte künstlerische Ausbildung an seinen Schulen.

Ausbildung

Im Jahr 1875 ließ sich Toorop in Den Haag nieder, um dort Schüler von Herman Johannes van der Weele zu werden. Unter Weeles Engagement formierte sich im folgenden Jahr die „Hollandse Teekenmaatschappij [Holländische Zeichengesellschaft]“. Toorop war von Anfang an beteiligt und machte dabei auch die Bekanntschaft vieler Künstler aus der Schule von Den Haag, darunter Johannes Bosboom, Anton Mauve und Hendrik Willem Mesdag.

Anschließend besuchte Toorop für zwei Jahre die Polytechnische Schule in Delft und wurde dort vor allem von Paul Tétar van Elven unterrichtet. In den Jahren 1880 bis 1881 studierte Toorop bei August Allebé und ab 1882 an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam. An der Kunstakademie Amsterdam gründeten einige Studenten die Vereinigung Sint Lucas. Frühe Mitglieder waren etwa Jacobus van Looy und Willem Witsen. Auch Jan Toorop gehörte dazu.

Im Folgejahr besuchte er bis 1886 die École des Arts Décoratifs in Brüssel. Toorop lernte James Ensor kennen, der 1883 mit Théo van Rysselberghe die Gruppe „Les Vingt [Die Zwanzig]“ gründete. Toorop wurde als einziger Niederländer Mitglied.

Werke

Anfang der 1880er Jahre wurde Jan Toorop stark von Jules Bastien-Lepage, James Ensor und Edouard Manet beeinflusst. Im Jahr 1883 unternahm er eine erste Studienreise nach England. Nach dieser Reise zog er in die Künstlerkolonie im belgischen Ort Malines.

1884 war Toorop mit eigenen Werken auf dem Salon des Indépendants in Paris vertreten. Im selben Jahr schloss er sich der belgischen avantgardistischen Künstlergruppe „Les Vingt [Die Zwanzig]“ um Ensor an, unternahm eine weitere Studienreise nach England (1885) und besuchte zum ersten Mal Paris. Seine Malerei zeigte starke Bezüge zu den sozialen Fragen seiner Zeit.

Bei einer weiteren Studienreise nach Großbritannien im Jahr 1885 traf er James McNeill Whistler und lernte die Schriften von William Morris über Kunst und Sozialismus sowie die Präraffaeliten kennen. Auf dieser Reise begegnete er Annie Hall kennen, die er am 12. Mai 1886 heiratete.

Pointillismus

Nachdem Jan Toorop 1886 Georges Seurats „Ein Sonntagnachmit­tag auf der Insel La Grande Jatte“ (1884–1886, Art Institute of Chicago → Georges Seurat, Erfinder des Pointillismus) auf einer Ausstellung von „Les Vingt“ gesehen hatte, begann er einige Jahre später, selbst im Stil des Pointillismus zu malen. Die Technik basierte auf pseudowissenschaftlicher Forschung, die besagte, dass sich Farben nur im Kopf des Betrachters vermischen würden. Indem reine Farben in Form von Punkten nebeneinander auf der Leinwand platziert werden, entstehe ein vibrierender Effekt, der sich der Wahrnehmung von Lichtstrahlen durch das Auge auf fast wissenschaftliche Weise annähern würde. Die Verwendung von Kontrastfarben verstärkt diesen Effekt. Toorop begeisterte sich für diese Technik und bezeichnete die beabsichtigte Vibration als „brillant“.1

„Wenn man auf einem Stück Wand oder Leinwand kleine Tupfen neben-, über- und untereinander setzt, dann würde so eine Leinwand einfach vor einem funkeln […]. Wenn man zum Beispiel Rot und Gelb in einer Vielzahl von Tupfen nebeneinander platziert, wird das Rot purpurartig und das Gelb grünlich.“2 (Jan Toorop)

Toorop war der erste niederländische Maler, der die neuen Techniken des Pointillismus anwandte und ihn ab 1889 in den Niederlanden bekannt machte (→ Postimpressionismus | Pointillismus | Divisionismus). Jan Toorop stellte 1886 auf dem Frühjahrssalon von „Les Vingt“ in Brüssel zahlreiche Gemälde aus, darunter „Trio fleuri“ (Kunstmuseum Den Haag). Das Gemälde zeigt drei Damen in einem sonnendurchfluteten Blumengarten, Porträts seiner Verlobten und späteren Ehefrau Annie Hall, links, mit ihren Schwestern Janet und Meggy in hellen Sommerkleidern. Toorop betonte die Vorstellung des Gartens als in sich abgeschlossenen Ort der Privatheit. Sowohl Thema auch Farbpalette weisen eine starke Ähnlichkeit zu denen der französischen Maler des Impressionismus auf. In Toorops Heimatland wurde dieser „unholländische“ Ansatz jedoch kaum geschätzt; Kunstkritiker bezeichneten „Trio fleuri“ als Kopie nach Claude Monet.3

Er litt an Syphilis und im Jahre 1887 stellten sich Symptome der schweren Krankheit ein, die ihn eine Zeit lang erblinden ließ. Im selben Jahr starb seine erste Tochter Anne Marie. 1888 lebte und arbeitete er in Elsene und zog im folgenden Jahr nach Großbritannien um. Dort lernte er William Morris persönlich kennen.

In Amsterdam organisierte Jan Toorop 1889 eine Ausstellung der Künstlergruppe „Les Vingt“, die erstmals pointillistische Werke in Holland zeigte. Die Resonanz war allerdings gering.

Katwijk

Jan Toorop zog nach Den Haag und entdeckte doch das Meer als Sujet. 1890 zog er wieder zurück in die Niederlande, nach Katwijk. Er nahm Verbindungen zur niederländischen Künstlergruppe der „Tachtigers [Achtziger]“ in Noordwijk auf und entwickelte seine eigene Auffassung des Symbolismus, die auch javanische Elemente mit einbezog. Diese Stilrichtung hatte er durch die Schriftsteller Maurice Maeterlinck und Émile Verhaeren kennengelernt. In Katwijk freundete er sich mit dem Schriftsteller Herman Heijermans an, für dessen Dramen er mehrere Plakate entwarf.
In Katwijk aan Zee kam am 24 März 1891 seine Tochter Charley Toorop (1891–1955) zur Welt; sie sollte ebenfalls Künstlerin werden.

Internationaler Durchbruch

Théophile de Bock gründete 1891 mit Jan Toorop und Johan Thorn Prikker den „Haagse Kunstkring [Haager Kunstkreis]“. Jan Toorop organisierte ein Jahr später die erste Retrospektive Vincent van Goghs im „Haagsche Kunstkring“; wenig später präsentierte er dort auch die Kunst von „Les Vingts“. Zum zweiten Mal nach 1889 waren in den Niederlanden pointillistische Werke zu sehen, darunter Gemälde von Georges Seurat und Paul Signac. Nach dieser Ausstellung begannen etwa Johan Joseph Aarts, Hendricus Petrus Bremmer, Johan Thorn Prikker und Jan Vijlbrief im Stil des Pointillismus zu malen.

In den 1890er Jahren erlangte Jan Toorop mit symbolistischen Werken internationale Bekanntheit (→ Symbolismus). Seine Zeichnungen von 1893 zeigen typische Merkmale des Jugendstils. 1894 wurden seine Werke in England durch die Zeitschrift „The Studio“ einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Jahr später schuf Toorop eine große Anzahl von Kupferstichen mit symbolistischer Haltung und im Jugendstil, in diesem und den beiden folgenden Jahren entstanden Plakate, grafische Blätter und Illustrationen für Buchumschläge. Im Jahr 1888 war Toorop auf einer Reihe von Ausstellungen außerhalb der Niederlande vertreten, unter anderem in Dresden, Berlin und Kopenhagen. Um 1900 nahm er an Ausstellungen in Dresden, Berlin, München und Wien teil. 1897 und 1902 fanden seine Werke auf Ausstellungen der Wiener Secession Anklang beim Publikum.

Domburg

Den Sommer 1897 verbrachte Jan Toorop in Domburg – vermutlich auf Anraten des Belgiers Henry van der Velde. Domburg war ein schicker Badeort auf der Insel Walcheren in der Provinz Zeeland. Toorop verbrachte dort die Sommermonate zum Baden in der See und Linderung seiner Krankheit in Domburg, wohnte 1898 im Badhotel und 1899 in der Weststraat bei Familie Drabbe. Nachdem Toorop 1903 sein Haus in Katwijk verkauft hatte, kam er sogar jedes Jahr. Später, bis 1920, logierte er in einem Haus am Markt. 1922 besuchte er ein letztes Mal Domburg.

Viele besuchten Toorops dortiges Atelier, wie die Kunstkritikerin Maria Viola, die 1911 schrieb:

„In Toorops Haus herrscht ein reges Treiben: ein Gelehrter aus Warmond lässt sich portraitieren, ein deutscher Professor sitzt Modell […]. Maler aus der Nachbarschaft oder malende Gäste aus dem Badeort wollen Toorop zu ihrer Arbeit befragen; entfernte Freunde kommen zu Besuch.“4

Dort traf er später Mies Elout-Drabbe, mit der er ab 1908 die Domburger Aus­stellungen organisierte. Neben den beiden Genannten hatten zwölf Künstlerinnen und Künstler teilgenommen, darunter Jacoba van Heemskerck, Ferdinand Hart Nibbrig und Piet Mondrian. Von da an organisierte Elout-Drabbe die Schauen jährlich. Ort der Veranstaltung war ab 1911 ein Ausstellungspavillon, den sie nach Toorops Plänen hatten errichten lassen. 1910 gründete er mit Piet Mondrian und Jan Sluijters den „Moderne Kunstkring“, dem er vorstand.

In dem Badeort sammelte sich um ihn ein Kreis von Künstlerkollegen, darunter Piet Mondrian, welcher ab 1908 nach Domburg kam. Auf der Ausstellung von Sint Lucas im Stedelijk Museum Amsterdam sorgen Jan Toorop, Jan Sluijters und Piet Mondrian mit ihren farbintensiven Werken für Aufsehen. Zu den Malern des Luminismus genannten Stils gehört auch Leo Gestel. In der Ausstellung dominierten nicht nur gepunktete, sondern auch viel freier gemalte „Lichtarbeiten“ die Auswahl. Das Grau wich nun definitiv der Farbe. Der progressive Maler und Kritiker Conrad Kickert bezeichnete diese Wendung mit einigem Pathos als „Anfang des Triumphs des Lichts“.5

Unter Toorops Initiative wurde im Jahre 1911 in den Dünen ein Ausstellungspavillon aus Holz aufgestellt. Das sehr einfache Gebäude, das im Volksmund bald „het Kotje van Toorop“ genannt wurde, war etwa zwölf mal sechs Meter groß, hatte oben auf allen Seiten eine Fensterreihe und unter dem hohen Dach eine Öffnung, durch die die Meeresbrise frei durchblasen konnte. Mondrian wählte die Farben: außen off-white, mit einem drei Planken breiten blauen Band oberhalb des Bodens und unter den Fenstern eine nüchterne Dekoration aus blauen Kreisen.
Hier fanden in den Sommermonaten organisierte Ausstellungen, von Künstler aus Wacheren oder derer die in Wacheren arbeiteten, statt. Im Jahre 1921, nachdem neun Sommerausstellungen abgehalten wurden, brach der „Kunstzaal“ unter einem Herbststurm zusammen und wurde dort, schräg gegenüber dem Badpaviljoen Domburg, nicht wieder aufgebaut. Ein Nachbau, das heutige Marie Tak van Poortvliet Museum, entworfen vom Architekten Cees Dam (*1932), eröffnete 1994 im Ortskern seine Türen.

Avantgarde

Der Maler und Kunstkritiker Conrad Kickert gründete den „Moderne Kunstkring“, einen Zusammenschluss progressiver Künstler:innen, in dessen Vorstand sich Jan Toorop, Jan Sluijters und Piet Mondrian engagierten. Die erste, im folgenden Jahr im Stedelijk Museum Amsterdam gezeigte Ausstellung präsentierte erstmals in Holland kubistische Werke von Pablo Picasso und Georges Braque.

Katholische Werke

Nachdem Toorop 1905 zum Katholizismus konvertiert war, erhielt er Aufträge der römisch-katholischen Kirche. Seine Bilder waren nun vom Thema her stark mystisch-religiös geprägt. Stilistisch wendete er sich, für eine Phase von zwei Jahren, wieder dem Pointillismus zu.

In den Jahren des Ersten Weltkriegs entstanden Bilder über die Zerstörungen des Krieges und die Not der belgischen Kriegsflüchtlinge, sowie eine große religiöse Arbeit, ein Kreuzweg an seinem neuen Wohnort Den Haag, wohin er 1916 umzog. Zwischen 1914 und 1919 entstand dieser Serie für den Kreuzweg der Sint-Bernulphuskerk in Ooster­beek; dieses hatte sich zur Künstlerkolonie entwickelt, die auch das „Holländische Barbizon“ genannt wurde. Durch seine schwere, mit körperlichen Lähmungen einhergehende Krankheit wurde er bei der Arbeit stark beeinträchtigt. Der Kreuzweg wurde 1919 geweiht.

Toorops Lähmung schritt jedoch voran. Ab 1920 war sein linkes Bein völlig erlahmt, und er war auf einen Rollstuhl angewiesen. Trotz seiner Krankheit arbeitete er in den folgenden Jahren weiterhin intensiv und schuf hauptsächlich Zeichnungen und Grafiken, die Themen und Anliegen des Katholizismus propagierten. 1927 entstand sein letztes großes Werk, ein eindringliches religiös geprägtes Selbstporträt.

Tod

Jan Toorop starb am 3. März 1928 im Alter von 69 Jahren in Den Haag.

Literatur zu Jan Toorop

  • Wolken und Licht. Impressionismus in Holland, hg. v. Ortrud Westheider, Michael Philipp und Daniel Zamani (Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam, 8.7.–22.10.2023), München 2023.
  • Aan zee. Jan Toorop, Piet Mondriaan, Jacoba van Heemskerck, Ferdinand Hart Nibbrig (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Den Haag), Den Haag 2018.
  • Jan Toorop. Zang der tijden (Ausst.-Kat. Haags Gemeentemuseum, Den Haag, 26.2.–29.5.2016), Den Haag 2016.
  • Jan Toorop. Portrettist (Ausst.-Kat. Museum Het Valkhof, Nijmegen) Nijmegen 2004.
  • Gerard van Wezel, Duin en zee 1899, in: Vier Generaties. Een eeuw lang de kunstenaarsfamilie Toorop/Fernhout (Ausst.-Kat. Centraal Museum, Utrecht) Utrecht 2001.
  • Symbolismus in den Niederlanden. Von Toorop bis Mondrian (Ausst.-Kat. Museum Fridericianum, Kassel) Kassel 1991.
  • Isaac Israels, Jan Toorop, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam 1904.
  1. Kleur ontketend. Moderne kunst in de Lage Landen 1885–1914 (Ausst.-Kat. Haags Gemeentemuseum, Den Haag) Den Haag 2015, S. 28.
  2. Jan Toorop, Losse teksten, o. J., Koninklijke Bibliotheek Den Haag, TC C 170, S. 65, zitiert nach Frouke van Dijke, Stimmung und Empfindung. Das Malen des Holländischen Lichts, in: Wolken und Licht. Impressionismus in Holland, hg. v. Ortrud Westheider, Michael Philipp und Daniel Zamani (Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam, 8.7.–22.10.2023), München 2023, S. 11–20, hier S. 16.
  3. Siehe Kleur ontketend. Moderne kunst in de Lage Landen 1885–1914 (Ausst.-Kat. Haags Gemeentemuseum, Den Haag) Den Haag 2015, S. 34.
  4. Maria Viola, Kunst te Domburg, in: Van Onzen Tijd 11 (1910/11), zitiert nach Jan Toorop. Zang der tijden (Ausst.-Kat. Haags Gemeentemuseum, Den Haag) Den Haag 2016, S. 238. Bei dem deutschen Professor handelte es sich wahrscheinlich um den katholischen Theologen Johann Heinrich Schrörs aus Bonn. Ein Portrait Schrörs’ von Toorop aus dem Jahr 1911 befindet sich im Centraal Museum, Utrecht.
  5. Conrad Kickert, Feuilleton Sint Lucas, in: De Telegraaf, 7.5.1908, zitiert nach: Den Haag 2015, S. 52.