Jean Fautrier (Paris 16.5.1898–21.7.1964) war ein französischer Maler der Klassischen Moderne, dessen Werk zwischen Figuration und Abstraktion (→ Abstrakte Kunst) angesiedelt ist. Fautrier gilt als einer der Begründer des Informel (→ Abstrakter Expressionismus | Informel), da er bereits in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre damit begann, seine schwarzen Bilder aus der Farbmasse heraus zu entwickeln.
Sein Werk ist kaum einer Stilrichtung zuzuordnen. Zeitlebens setzte sich Fautrier mit einer höchst überschaubaren Motivik auseinander: weiblicher Akt, Stillleben, Landschaft. Der in London an der Royal Academy of Arts und der Slade School of Arts ausgebildete Fautrier ging konsequent und lebenslang seinen eigenen Weg fernab von Surrealismus, Neuer Sachlichkeit oder Expressionismus. Mit den großen französischen Kritikern und Dichtern seiner Zeit befreundet, bleibt er ein höchst eigenständiger Künstler.
Jean Fautrier wurde am 16. Mai 1898 als uneheliches Kind in Paris geboren. Sein Vater war ein Londoner Gemäldehändler. Fautriers Vater aber auch seine Großmutter verstarben 1908, als Fautrier zehn Jahre alt war. Da das Kind Jean Fautrier bis zu diesem Zeitpunkt bei seiner Großmutter in Frankreich gelebt hatte, übersiedelte es zu seiner Mutter nach London.
1912 wurde der 14-jährige Fautrier als Wunderkind an der Royal Academy of Arts zugelassen. Bereits 1915 verließ er die Royal Academy, um an der Slade School of Fine Arts ein Studium zu beginnen. Aber auch an dieser als avantgardistischer eingestuften Ausbildungsstätte fühlte er sich nicht verstanden. Stattdessen wollte er sich selbst weiterbilden. Dazu besuchte er die Tate Gallery, wo er die Bilder von William Turner bewunderte.
1917 erhielt Jean Fautrier den Einberufungsbefehl von der französischen Armee. Der angehende Maler erlitt bei einem Gasangriff eine schwere Lungenverletzung, aus der sich ein chronisches Lungenleiden entwickelte. Zwei Jahre später wurde er aus der Armee entlassen (1919). In den folgenden Jahren hielt sich Fautrier in Anvers, Rouen auf und reiste nach Berlin, Dresden, Innsbruck.
Als Jean Fautrier 1922 nach Paris zurückkehrte, erhielt er seine erste Ausstellungseinladung für den Salon d’Automne. Im folgenden Jahr bezog der Maler ein Atelier am Montparnasse. Dem weiblichen Akt widmete er sich mit einer gewissen Obsession: anfangs noch fast neusachlich, sehr dreidimensional modelliert, dann immer fragmentarischer und im Schwarz versinkend. Innerhalb weniger Jahre gestaltete er alles mittels pastoser Farbe als haptische Strukturen.
Innerhalb der Avantgardegruppen der Zeit (vor allem wären hier die Künstler des Surrealismus zu nennen) suchte Jean Fautrier keinen Anschluss. Stattdessen stellten ihn die Galeristen gemeinsam mit den anderen „Solisten“ wie Maurice Utrillo, Amedeo Modigliani, Chaim Soutine, André Derain aus. Jean Fautriers erste Einzelausstellung organisierte 1924 die Galerie Visconti in Paris.
Bergtouren in den Hochalpen (Tirol, Südfrankreich, Savoie) inspirierten Jean Fautrier 1926 zu Gletscherlandschaften, in denen er Farbe pastos auftrug. In diesem Jahr begann er die Serie der „Schwarzen Bilder“ auszuführen. Mit diesen Stillleben und Akten feierte Fautrier erste finanzielle Erfolge.
Diese 1927 entstandenen Gemälde überraschen durch ihren fast monochromen Farbeinsatz: Auf schwarzem Grund zeigt Fautrier kaum erkennbare, weil aufgelöste Jagdstillleben. Die barocke Praxis des Prunkstilllebens wird dabei zugunsten des Vanitas-Aspekts deutlich in den Hintergrund gedrängt. Hängende Enten, liegender Fisch oder auch Blumenstillleben: Der Maler zeigt die Tiere und Pflanzen so, als ob sie im nächsten Moment im ewigen Dunkel verschwinden würden. Ihre Darstellungen sind auf eingeritzte, helle Umrisslinien und wenige Notationen für Details reduziert. Es handelt sich mehr um Symbole der jeweiligen Gattung denn um Schilderungen von erlegtem Wild respektive Blumenbouquets.
Jean Fautrier fand in André Malraux 1927 einen wichtigen Fürsprecher. Im gleichen Jahr hatte er seine erste Einzelausstellung in der Galerie Bernheim-Jeune in Paris.
Nur ein Jahr später verschaffte André Malraux Jean Fautrier den Auftrag, Dantes „Inferno“ für den Verlag Gallimard zu illustrieren. Dieser kam allerdings nicht zustande, da 1930 der Verlag die 34 Lithografien als zu ungegenständlich ablehnte.
Der Aufenthalt in Port-Cros an der Côte d’Azur 1928 führte zu einer Zäsur in Fautriers Werk. Mit der Weltwirtschaftskrise verschlechterte sich ab 1929 der Bilderverkauf erheblich. In den 1930er Jahren zog sich der Maler in die Südtiroler Berge zurück, wo das Klima seinem Lungenleiden entgegenkam. Als Hotelier und Skilehrer verdiente er Geld, malte aber nur noch selten.
Erst nach 1936 begann Jean Fautrier wieder Stillleben und Akte zu malen. Diese basieren mehr auf der Linie. Der Maler arbeitete auf Papier, das er später auf Leinwände aufzog.
Zunehmend modellierte er die Stillleben, Landschaften und Akte aus der Farbmaterie. Meist widmete er sich auch nun einem einzigen (kaum) erkennbaren Gegenstand. In Stillleben stehen Objekte, die nur als Zeichnungen ihrer Umrisslinien beschrieben werden, neben Dingen, die zusätzlich auch noch Farbwerte erhalten. Dies lässt an zeitgleiche Werke von Henri Matisse und Pablo Picasso denken, in denen sich Figur und Farbe ebenfalls voneinander getrennt haben. Im Gegensatz zu den Werken dieser beiden sind die Farben in Fautriers Werken aber nicht rein und leuchtend, sondern gedeckt und gestisch aufgetragen.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zog Jean Fautrier nach Südfrankreich: Marseille, Aix-en-Provence und Bordeaux (1939). 1940 kehrte er in das von den Nationalsozialisten besetzte Paris zurück, wo Fautier ein Atelier mietete. Hier schloss sich Jean Fautrier der Résistance an. Im Januar 1943 wurde Jean Fautrier kurz durch die Gestapo inhaftiert.
Ihm gelang die Flucht mit Hilfe von Jean Paulhan nach Chátenay. In dieser Zeit malte Fautrier die „Geiseln“ und lernte Jeannine Aeply kennen, die er heiratete. In der Abgeschiedenheit veränderte er seine Malweise völlig: Er legte die Blätter vor sich auf den Tisch und trug mit der Spachtel weiße Putzmasse auf, darauf streute er Farbpigmente und zeichnete mit dem Pinsel Konturlinien. Die Formen seiner Motive – eigentlich nur Vegetation (Landschaften), Akte, Stillleben – lösen sich gänzlich auf. Damit „erfand“ Jean Fautrier das Informel.
1945 präsentierte Jean Fautrier „Les Otages [Die Geiseln]“ in der Galerie René Drouion. Mit den zu wenigen Strichen reduzierten 20 Köpfen von Kriegsgeiseln, auf wenige Striche reduziert, erregte er großes Aufsehen und erzielte seinen künstlerischen Durchbruch. Die Arbeit hatte hohe Aktualität und schockierten auch aufgrund der Auslassungen, der Schönheit der rhythmisch gesetzten „Notationen“.
In Bildern wie „L'homme qui est malheureux“ (1947), „Végétaux“ (1957) oder „Tourbes“ (1959) zeigt sich Jean Fautriers zunehmend gestisches Arbeiten, das mit einer maximalen Reduktion nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte. Er legte die Blätter vor sich auf den Tisch und trug mit der Spachtel weiße Putzmasse auf, darauf streute er Farbpigmente und zeichnete mit dem Pinsel Konturlinien. Die Formen seiner Motive – eigentlich nur Vegetation (Landschaften), Akte, Stillleben – lösen sich gänzlich auf. Damit „erfand“ Jean Fautrier das Informel.
Wirtschaftliche Not zwang ihn zwischen 1945 und 1954 erneut zu einer Malpause, stattdessen beschäftigte er sich mit Reproduktionsverfahren, die ein Maximum an Qualität ermöglichten. Mit diesen „Originaux Multiplex“ hatte er jedoch nicht den erhofften finanziellen Erfolg, weshalb er wieder zu malen begann. Mit den in den letzten zehn Lebensjahren entstandenen Gemälde bewegte sich Fautrier konsequent an der Grenze zwischen Abstraktion und Ungegenständlicher Kunst. Mit diesen „Originaux Multiplex“ hatte er jedoch nicht den erhofften finanziellen Erfolg, weshalb er 1955 wieder zu malen begann.
1949 publizierte Jean Paulhan die Monografie „Fautrier l’enragé“. Den Ungarn-Aufstand verarbeitete Fautrier 1956 in den „Têtes de partisan“.
Die rhythmisch strukturierten Oberflächen mit der duftigen Farbigkeit über dominantem Weiß wurden noch zu seinen Lebzeiten als bedeutender Beitrag zur „Erfindung“ des Informel [Tachismus] gedeutet:
1959 wurde Jean Fautrier zur Teilnahme an der „documenta II“ in Kassel eingeladen. Im folgenden Jahr erhielt er gemeinsam mit Hans Hartung des Großen Preis der Biennale von Venedig (1960) und 1961 gewann Fautrier den Großen Preis der „Tokyo Biennale“.
Erst 1964 wurde Jean Fautriers Werk in einer ersten Museumsretrospektive gewürdigt.
Am 21. Juli 1964 verstarb Jean Fautrier in Châtenay-Malabry im Département Hauts-de-Seine. Seinen Nachlass erhielt das Musée d‘Art Moderne de la Ville de Paris, das bis heute die größte Sammlung an Werken von Jean Fautrier besitzt.
Jean Fautrier war ein Mal verheiratet:
Jean Fautrier hatte zwei Kinder: