Am 19. März 2018 jährt sich der Geburtstag Josef Albers zum 130. Mal. Der Künstler hatte sich nichts Bescheideneres als Ziel gesetzt, als DIE meditativen Ikonen des 20. Jahrhunderts zu malen. Ob ihm dies gelungen ist? ARTinWORDS hat sich diesen feierlichen Tag zum Anlass genommen, um sich dessen bei einem Besuch des Josef Albers Museum im Quadrat Bottrop in seiner Heimatstadt zu vergewissern.
Deutschland | Bottrop: Josef Albers Museum, Quadrat Bottrop
Eine weitere von der Industrie gezeichnete Stadt im flachen, betongrau bis backsteinfarbigen Ruhrpott. Produktionsstätte für Stahl, Kohle und den famosen Bottroper Formsand. In den Ausläufen der Stadt versteckt sich ein kulturelles Juwel: das Quadrat Bottrop mit dem Josef Albers Museum. Der weltbekannte Bauhausmeister Josef Albers (1888–1976), hat 1970, als er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt wurde, Bottrop sechs Gemälde und einige Grafiken geschenkt. 300 weitere Werke folgten 1979 durch eine Schenkung der Witwe Anni Albers. Damit erfüllte sie den Wunsch Josef Albers, dass seine Werke in Bottrop und Yale, wo er als Professor tätig war, permanent zu sehen sein sollen. Die Stadt reagierte mit einem Erweiterungsbau an das Quadrat Bottrop, der 1983 als Josef Albers Museum eröffnet wurde.
1888 als Sohn eines Malers und Anstreichers geboren, unterstützte Albers seinen Vater von klein auf in handwerklichen Belangen. Der praxisorientierte Arbeitsansatz begleitete in sein Leben lang. So malte er seine Bilder stets von der Mitte zu den Rändern. Sein Vater hatte ihm in der heimischen Werkstatt beigebracht, dass man so eine Tür lackiert. Während seiner Tätigkeit als Volksschullehrer experimentierte Josef Albers in unterschiedlichen Techniken: Lithografie, Holz- und Linolschnitte, Aquarell auf Papier, Öl auf Masonitplatte. In der Sammlungspräsentation in Bottrop zu sehen ist etwa ein kubistisch anmutendes Selbstportrait, eine Lithografie, in anderen Werken tritt wiederum der Einfluss des Expressionismus stärker zu Tage. Eine klare künstlerische Ausdrucksform ist in diesen frühen Jahren nicht auszumachen, sehr wohl aber die Freude am Experiment, welche auch seinen späteren Werken zugrunde liegt.
Als Josef Albers 1920, während seiner Zeit an der Kunstakademie in München, das Bauhaus-Pamphlet in die Hand bekommt, ist für ihn klar, wohin ihn sein Weg führen wird. Noch 1920 schrieb er sich in Weimar als Student ein, wo er drei Jahre später selbst den Vorkurs seines Lehrers Johannes Itten sowie die Glasmalereiwerkstatt übernahm. Mit der für das Bauhaus geeigneten Verbindung von handwerklichem Hausverstand, pädagogischer Ausbildung und künstlerischem Talent – nicht zu übersehen, sein ihn von seinen Kommilitonen unterscheidendes Alter von bereits 32 Jahren – war er ein „Überflieger“ am Bauhaus. 1930 wurde er stellvertretender Direktor des Bauhauses und unterrichtete weiterhin. Auch den Umzug nach Berlin 1932 vollzog er mit, bis er nach der Schließung des Bauhauses durch die Nationalsozialisten 1933 mit seiner Frau Anni Albers nach Amerika emigrierte.
In Amerika begann Albers noch im Jahr seiner Ankunft am Black Mountain College in North Carolina zu unterrichten und tat dies bis 1949. 1935 unternahm das Künstlerehepaar Albers eine erste gemeinsame Reise – wohl bemerkt mit dem Auto – nach Mexiko, welche nicht nur einen starken Eindruck bei den beiden hinterließ, sondern sich auch in beider Œuvres manifestierte. Albers beflügelte die Reise dazu, nach langer Pause, wieder zu malen zu beginnen.
Im Josef Albers Museum werden neben den künstlerischen Arbeiten auch privat-dokumentarische Fotografien des Ehepaars Albers gezeigt, welche lateinamerikanische Architekturen zeigen, die – auch in der Art und Weise, wie analytisch die Aufnahmen komponiert sind - als formale Inspirationsquellen zu lesen sind. So etwa, eine Reihe von Fotografien der Tenayuca Pyramide in Mexiko und der archäologischen Fundstätte Pachacámac in Peru. Zwei Gemälde veranschaulichen den Prozess der formalen Abstraktion der mexikanischen bzw. peruanischen Architektur beispielhaft: „Lozenge Horizontal“ (1946) referiert in Farbe und Form sehr augenfällig auf die mexikanische Volkskunst, die Werkreihe „Adobe“(Spanisch für „Lehmziegel“) von 1957 simplifiziert die Struktur der lateinamerikanischen Lehmziegelhäuser zu Rechtecken mit angedeuteten Fensterelementen, die so aussehen, als würden sie durch Farbüberlagerungen entstehen, was bei Albers allerdings nie der Fall ist.
Der Farbauftrag bei Albers erfolgte stets ungemischt, direkt aus der Tube mit einem Palettmesser, um jeglichen Duktus und damit Verweis auf dessen Erschaffer zu vermeiden. Die Nummer der verwendeten Ölfarben schrieb er konsequent auf die Rückseite der Mesonitplatten oder im Falle von Vorzeichnungen auch direkt neben die Komposition auf das Blatt. Der Effekt der scheinbaren Überlagerung der Farbebenen entsteht alleine durch das Nebeneinander bestimmter Farbtöne im Bildraum.
Die Formfindung erfolgte auf Millimeterpapier, eine nachvollziehbare Herangehensweise, wenn man bedenkt, dass Albers stets festgelegte Flächenverhältnisse verwendet, zumeist 1:1, 1:2 oder 1:3. In seiner berühmten „Homage to the Square“-Reihe, an der er ab 1950 bis zu seinem Tod 1976 arbeite, hält er sich streng an vier speziell entwickelte Bildtypen von 3 bzw. 4 ineinander geschriebenen Quadraten, welche ihm garantieren, dass das Farbflächenverhältnis in seinen Bildern – zumindest mathematisch gesehen – gleich oder eben ein- bzw. zweifach verdoppelt ist. Was die subjektive Wahrnehmung aus der Kombination verschiedenen Farben und Formen macht, ist eine andere Geschichte. Albers selbst spricht in diesem Zusammenhang von „Farbtäuschungen“ und „Illusion“, welche er wiederum phänomenologisch denkt und die Relativität der (Farb-)Wahrnehmung für die faktische Wirklichkeit aufzeigt. Dr. Ulrike Growe, Kuratorin des Josef Albers Museums, sieht in Albers‘ Œuvre einerseits einen enorm sinnlichen und andererseits einen sehr präzisen Anteil. Letzteres leitet sie von der Art ab, wie Josef Albers formal Werke anlegte.
„Die Erfahrung lehrt auch, dass in der visuellen Wahrnehmung ein Widerspruch zwischen physikalischer Wirklichkeit und psychischer Wirkung besteht. Was hier zuerst und zuletzt zählt, ist nicht das so genannte Wissen von so genannten Fakten, sondern das Schauen, das Sehen. Sehen – gepaart mit Phantasie – meint hier Schauen wie in Weltanschauung.“ (Josef Albers)
Dass die Farben in Albers’ Bildern ein Eigenleben führen und bei längerem Betrachten sogar den Anschein erwecken, sich nach vorne bzw. hinten zu verschieben, davon muss sich jeder selbst überzeugen. Der Effekt ist jedenfalls überwältigend, erfordert allerdings einen Moment der meditativen Ruhe, des Innehaltens. Die Wortwahl lässt schon ahnen, wohin die Argumentation geht: ja, ähnlich wie beim Anblick einer Ikone. Nicholas Fox Weber, Direktor der Josef and Anni Albers Foundation, stellte 2012 „The Sacred Modernist: Josef Albers as a Catholic Artist“ in einer Ausstellung und begleitenden Katalog vor, der detailliert auf dieses Phänomen und die Verbindung Albers zum Katholizismus, Religiosität und dem Übernatürlichem eingeht.
„Ich versuche die Stille einer Ikone zu kreieren. Das ist es, wonach ich strebe: die meditativen Ikonen des 20. Jahrhunderts.“ (Josef Albers)
Zusätzlich zur Dauerpräsentation der Sammlung im Museum Josef Albers im Quadrat Bottrop gibt es diesen Sommer für Albers-Liebhaber gleich doppelt bzw. dreifachen Grund ins Rheinland zu reisen: Von 16. Juni bis 7. Oktober 2018 werden in der Villa Hügel in Essen gut 130 Arbeiten, darunter zahlreiche Gemälde aus der Serie „Homage to the Square“, zu sehen sein. Außerdem stellt zeitgleich vom 9. Juni bis 9. September 2018 die textilen Arbeiten von Anni Albers im K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen umfangreich vor.