Julio González

Wer war Julio González?

Julio González (Barcelona 21.9.1876– 27.3.1942 Arcueil bei Paris) war ein spanischer Bildhauer der Klassischen Moderne (→ Klassische Moderne). Julio González gilt weithin als „Vater aller Eisenskulpturen“ und erster „Künstler mit dem Schweißgerät“. Der Spanier ist vor allem für seinen ausdrucksstarken Einsatz von Eisen als skulpturales Medium; mit seiner konstruktiven Formensprache ein wichtiger Vertreter der Plastik in der Abstrakten Kunst (→ Abstrakte Kunst). González‘ enge Zusammenarbeit mit den führenden Künstlern seiner Zeit, darunter Pablo Picasso und Constantin Brancusi, bekannt.

„Mit Hilfe neuer Methoden im Raum zu projizieren und zu entwerfen, diesen Raum zu nutzen und mit ihm zu konstruieren, als ob man es mit einem neu erworbenen Material zu tun hätte – das ist alles, was ich versuche.“ (Julio González)

Kindheit & Ausbildung

Julio González wurde am 21. September 1876 in Barcelona geboren und auf den Namen Julio Luis Jesús González-Pellicer tauft.

Im Jahr 1891 begann González eine Lehre, zusammen mit seinem Bruder, als Goldschmied. Ihr Lehrmeister war der eigene Vater, der in Barcelona ein bekanntes Kunstschmiedeatelier betrieb. González lernte in der Werkstatt seiner Familie in Barcelona, wo er zunächst mit dem Brünieren und Hämmern von Eisenblech in Kontakt kam. González nahm parallel zu dieser Ausbildung an Abendkursen für Zeichnen an der Kunsthochschule in Barcelona teil. Im Jahr 1896 starb González Vater. Nach dem Tod ihres Vaters übernahmen González und sein Bruder Joan die Leitung der Familienwerkstatt und konzentrierten sich auf die Förderung ihrer künstlerischen Ambitionen. Die Brüder tauchten in die lebendige Kulturszene Barcelonas ein und besuchten häufig das Café „Els Quatre Gats“, wo sie Freundschaften mit Künstlern wie Pablo Picasso und später Joan Miró schlossen.

Die Familie zog 1899 nach Paris. Um 1900 knüpfte González dort künstlerische Kontakte zu Pablo Picasso, Georges Braque, Max Jacob, Joaquín Torres García, Pablo Gargallo und Constantin Brâncuși. Er beschloss, vorerst Maler zu werden. Im Jahr 1908 starb González Bruder, was ihn in eine seelische Krise stürzte. Er lebte für einige Jahre sehr zurückgezogen und hielt nur noch die Verbindung zu den Künstlern Picasso und Brâncuși aufrecht. Er begann seinen Lebensunterhalt als Kunstschmied zu verdienen und gab die Malerei ganz auf.

Werke

Im Jahr 1918 begann González eine Lehre als Schweißer in der Renault-Automobilfabrik in Boulogne-Billancourt. In dieser Ausbildung erlernte er das Autogenschweißen. Mit dem Erwerb dieser handwerklichen Fähigkeit schuf González, seine ersten Skulpturen aus geschmiedetem Eisen. Diese ersten Plastiken waren menschliche Figuren, die noch den klassischen Formen der traditionellen Skulptur folgten. González' erste Einzelausstellung umfasste Malerei, Skulptur, Zeichnungen, Schmuck und Objekte und fand 1922 in der Galerie Povolovsky in Paris statt.

Assistent von Brâncuși

Nach Kriegsende wandte sich Julio González wieder der Malerei und Bildhauerei zu, bevor er den wahren Wendepunkt seiner Karriere erreichte, nämlich seine Anstellung als Atelierassistent für Constantin Brâncuși.

Während González Eisenarmaturen für Brâncușis Bronzegüsse herstellte, veränderte sich González‘ Praxis für den Rest seiner Karriere, wie in den reduzierten Formen von „L‘arlequin“ (1930, Kunsthaus Zürich) sichtbar wird.

L’arlequin [Der Harlekin]

Dieses Interesse am Schweißen und an der Abstraktion manifestierte sich in seinen ersten Eisenskulpturen, die er 1927 anfertigte, bevor sein alter Freund Picasso ihn um Unterstützung bei seinen eigenen Metallarbeiten bat. Reflektiert Picassos Einfluss auf sein Œuvre nach ihrer Zusammenarbeit, „L'arlequins“ geometrische Abstraktion und Divergierende Ebenen erinnern an die Verwendung mehrerer Perspektiven im Kubismus.

„Für González war die Kraft dieses Ausbruchs im wahrsten Sinne des Wortes weltbewegend – der Beginn dessen, was er ‚diese neue Kunst‘ nannte: im Raum zu zeichnen.‘ Aber für González wurden diese Enthüllungen zur weiteren Erfindung einer neuen Art des Zeichnens: der skulpturalen Einschreibung des Raums.“1

„L’arlequin“ stellt die traditionelle Bildhauerei mit Ton oder Stein in Frage und verkörpert Julio González‘ ausdrucksstarke Herangehensweise an das unverformbare Medium Metall. Im vorliegenden Werk stellt der Künstler eine halbabstrakte Darstellung eines Harlekins dar, dem komödiantischen Diener aus der italienischen Commedia dell’arte. Der Harlekin ist ein in der Kunstgeschichte so allgegenwärtiges Motiv und wurde häufig von Künstlern wie Antoine Watteau, Paul Cézanne, Joan Miró und natürlich Pablo Picasso dargestellt. Obwohl die Skulptur keine geschlossenen Volumina enthält, wird die Identität des Harlekins sofort durch den karierten Anzug, der die Brust des Dargestellten bildet, und das Dreieck über dem Gesicht, das an seinen charakteristischen Hut erinnert, deutlich. Anstelle von Armen werden gebogene Stangen verwendet; eine große, konische Form erinnert an einen Schatten. Das zunächst in Eisen konzipierte Exemplar befindet sich derzeit im Kunsthaus Zürich. Das aktuelle Werk wurde in Bronze gegossen und die meisten anderen Ausgaben befinden sich in den ständigen Sammlungen bedeutender Institutionen.

„L'arlequin“ entstand kurz nach diesen beiden prägenden Erfahrungen mit führenden Bildhauern der Moderne und markiert einen bedeutenden Moment in González‘ Karriere. Nachdem er beide Einflüsse zu einer einzigartigen visuellen Sprache zusammengeführt hatte, die er mit seinen eigenen Fähigkeiten in der Metallverarbeitung schuf, hatte der Künstler mehr Erfolg: Er hatte 1930 eine Einzelausstellung seiner Skulpturen in der Galerie de France in Paris und 1931 eine gemeinsame Ausstellung mit den Surrealist:innen im Pariser „Salon des Sur-Indépendants“ (→ Surrealismus). Er wurde 1930 Mitglied der dortigen Künstlervereinigung „Cercle et Carré“ und war auch im Anschluss Mitglied der Folgevereinigung „Abstraction-Création“.

Später in diesem Jahrzehnt stellte er auf der Weltausstellung in Paris und in der Ausstellung „Cubism and Abstract Art“ im Museum of Modern Art in New York aus. Als hervorragendes Beispiel seiner Praxis an einem Wendepunkt im Œuvre des Künstlers verkörpert „L’arlequin“ González‘ bahnbrechenden Ansatz und seine Auswirkungen auf die Entwicklung der modernistischen Skulptur.

Im Jahr 1933 erschuf González seine wichtige Skulptur „Der Engel“ und 1935 „Die Sitzende“. Im Jahr 1937 nahm seine Skulptur „La Montserrat“ im spanischen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung teil. Im Jahr 1940 entstand seine berühmte Serie „Kaktusmann“.

Zeichnen im Raum

In den letzten Jahren seines Lebens beschränkte sich González auf das Zeichnen und, aufgrund kriegsbedingter Materialknappheit, auf Skulpturen aus Plastilin und Gips.

Picasso und González

Die beiden Spanier Picasso und González trafen einander erstmals 1897 im Lokal „Els Quartre Gats“, das den Knotenpunkt der modernistischen Kunst- und Literaturszene in Barcelona bildete. Zum Zeitpunkt ihrer Begegnung war der damals 15-jährige González Lehrling im Metallschmied seiner Familie, während Picasso bereits einen aufkeimenden künstlerischen Ruf genoss.

Die beiden zogen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Paris und trafen einander 1920 erneut, nachdem sie sich ein Jahrzehnt zuvor zerstritten hatten. Ab dem Jahr 1923 arbeitete er mit Pablo Picasso zusammen. Um 1928 unterwies González seinen Freund Pablo Picasso in den Künsten der Metallverarbeitung. Pablo Picasso wiederum brachte González dazu, immer abstraktere Kunstwerke, auch aus mehreren Materialien, zu erschaffen.

Im Jahr 1928 erhielt Picasso einen bedeutenden Auftrag für ein Modell des Denkmals von Guillaume Apollinaire. Obwohl er die Bildhauerei in den letzten 15 Jahren fast vollständig aufgegeben hatte, begann Picasso, dreidimensionale Skizzen für offene Formen zu entwickeln und Vorzeichnungen für das Denkmal anzufertigen. Picasso erkannte bald, dass er für die Durchführung des Projekts sowohl technische Unterstützung als auch Zugang zu Schweißgeräten benötigen würde, was ihn dazu veranlasste, die Hilfe seines alten Freundes González in Anspruch zu nehmen, der sich während seiner Arbeit in der Renault-Fabrik zu einem hochqualifizierten Metallschmied entwickelt hatte.

Picasso und González arbeiteten bis 1931 in dessen kleinem Atelier in der Rue de Médéah zusammen und schufen gemeinsam mindestens sechs Skulpturen. Während González zunächst vor allem dafür verantwortlich war, Picassos Ideen mechanisch in Eisen umzusetzen, begannen die beiden lange Gespräche zu führen und wurden bald intellektuelle Partner. Die Metallassemblagen, die die beiden in dieser Zeit schufen, darunter Picassos „Kopf einer Frau“ und „Frau im Garten“ (beide 1929/30, Musée Picasso, Paris), beeinflussten nachfolgende Generationen von Bildhauern. So bemerkte David Smith, dass es „González‘ und Picassos Werk war, das mir bewusst machte, dass Kunst aus Eisen gemacht werden kann.“2

Ihre Zusammenarbeit erwies sich als äußerst prägend für beide Künstler. Während González im Gegensatz zu Picasso ein erfahrener Metallschmied war, führte letzterer bei seinen Metallassemblagen einen kubistischen Ansatz ein. Im Jahr 1928 widmete sich keiner der beiden Künstler der Bildhauerei: Picassos Interesse an diesem Medium war sporadisch und González galt hauptsächlich als Kunsthandwerker. Am Ende ihrer Zusammenarbeit widmete sich González jedoch der Bildhauerei und das Medium blieb für den Rest seiner Karriere ein zentraler Bestandteil von Picassos Schaffen.

Tod

Julio González starb am 27. März 1942 an einem Herzinfarkt in Arcueil bei Paris.

González‘ Werk wurde zu seinen Lebzeiten und darüber hinaus gefeiert. Er stellte im Spanischen Pavillon der Weltausstellung 1937 in Paris neben Picassos „Guernica“ aus und seine Arbeiten sind in den Sammlungen führender Kulturinstitutionen wie dem Art Institute of Chicago, dem Museum of Modern Art, New York, dem Museo Nacional Centro de vertreten Arte Reina Sofía, Madrid und die Peggy Guggenheim Collection, Venedig.

Literatur zu Julio González

  • Nina Koidl, Julio González und Pablo Picasso. Die Entwicklung der linearen Eisenskulptur, Berlin 2003.
  • Julio González. Zeichnen im Raum / Dessiner dans l'espace (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Bern 1997), Mailand 1997.
  • Picasso and the Age of Iron (Ausst.-Kat. Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 1993), Nre York 1993.
  • Jörn Merkert, Julio González. Catalogue raisonné des sculptures, Mailand 1987.
  1. Josephine Withers, The Artistic Collaboration of Pablo Picasso and Julio González, Art Journal, Bd. 35, Nr. 2 (Winter 1975–1976), S. 107.
  2. David Smith, First Master of the Torch, Art News, Bd. 54, Nr. 10 (1956), S. 36.