K. H. Hödicke

Wer ist K. H. Hödicke?

K. H. Hödicke, oder Karl Horst Hödicke (* 21.2.1938) ist ein deutscher Maler, der Mitte der 1960er Jahre neben Markus Lüpertz der Wortführer jener Gruppe von jungen Berliner Künstlern war, die sich erneut für die figurative, expressive Malerei stark machten. Er wandte sich bereits während seines Studiums bei Fred Thieler an der Berliner Kunsthochschule von der Abstrakten Kunst ab. K. H. Hödicke lebt und arbeitet in Berlin.

Kindheit und Jugend

Karl Horst Hödicke wurde am 21. Februar 1938 als Sohn eines als Sohn eines Maschinenbauingenieurs in Nürnberg geboren. Seine Kindheit ist stark vom Krieg und von dessen Folgen geprägt. K. H. Hödicke wuchs in Düsseldorf auf, bis seine Familie 1943 nach Vorderheide (Schlesien) evakuiert wurde. Anfang 1945 floh die Familie nach Wien, wo K. H. Hödickes Mutter verstarb. Noch im gleichen Jahr zog der Siebenjährige weiter nach Unterpfaffenhofen-Gemering bei München.

Ausbildung

Zwischen 1945 und 1956 besuchte K. H. Hödicke die Volks- und die Oberrealschule in München-Passing. Dort besuchte er regelmäßig Museen wie das Lenbachhaus und die Pinakothek, wo er sich vor allem für die intensiven Farberlebnisse der Bildes des Blauen Reiter und die malerische Freiheit der alten Meister begeisterte. Im Jahr 1957 übersiedelte die Familie nach Westberlin. Sein Abitur machte Hödicke 1958. Nach einem Praktikum auf dem Bau begann er 1959 ein Architekturstudium an der Technischen Universität Berlin. Im gleichen Jahr fuhr er zum ersten Mal nach Venedig, wo er sich intensiv mit der Malerei von Tintoretto beschäftigte. Nach dem ersten Semester wechselte Hödicke an die Staatliche Hochschule für Bildende Künste (heute: UdK Berlin). Nach zwei Semestern Grundlehre in der Hardenbergstraße studiert er ab 1961 in der Klasse von Fred Thieler in der Grunewaldstraße. Thieler Ende der 1950er Jahre zählte neben Hann Trier zu den bedeutenden Tachisten an der Westberliner Akademie (→ Abstrakter Expressionismus | Informel). 1964 schloss K. H. Hödicke sein Studium mit Diplom ab und gewann den Kunstpreis der Jugend (Mannheim).

„Der einzige Maler hier aus der Gegend, den ich schätze, sieht man von Caspar David Friedrich ab, ist Adolph Menzel. Der ist so anders, unvergleichbar, sehr gekonnt. Menzels Malerei ist nicht sehr prätentiös, nicht ausgeprägt stilistisch.“1 (K. H. Hödicke)

Wortführer der figurativen Malerei der 1960er in Berlin

Schon nach wenigen Semestern entschied sich K. H. Hödicke gegen die ungegenständliche Malerei und wandte sich der figurativ-expressiven Interessen zu. Gemeinsam mit Bernd Koberling, Manfred Laber, J. A. Marxmüller und J. K. S. Hohburg schloss er sich 1961 zur Gruppe „Vision“ zusammen. „Vision“ löste sich 1965 wieder auf. Das erklärte Ziel der Gruppe war „die Neuschaffung des Bildes aus Erlebniskraft und Geschautem“.

Mit elf anderen, mehr oder weniger gleichgesinnten Künstlern – darunter Markus Lüpertz – gehörte Hödicke 1964 zur „Großgörschen 35“ Kooperative. Die Produzentengalerie wurde mit einer Einzelausstellung Hödickes – „Karl Horst Hödicke: Malerei und Graphik“ – eröffnet. Neben den Galerien Springer sowie Werner und Katz trug diese Gruppe ausschlaggebend dazu bei, dass sich zwischen der Blütezeit der abstrakten Malerei und dem beginnenden Einfluss der angelsächsischen Pop Art in Berlin eine neue figurative Malerei etablieren konnte. Nach nur einem Jahr führten allerdings die Differenzen zwischen den „realistisch“ und den „expressiv“ orientierten Mitgliedern zu einer Sezession: K. H. Hödicke verließ 1965 zusammen mit Markus Lüpertz, Koberling und Wintersberger die Gruppierung. Grund dafür war eine Kontroverse um die Präsentation seines Bildes „Krone des Geschmacks“ in einer Gruppenausstellung. Diese Maler etablierten sich als Keimzelle des bald darauf erfolgreichen „kritischen Realismus“.

K. H. Hödicke fand 1964 in der Galerie René Block in Berlin eine neue Heimat (bis 1979), wo er an der Ausstellung „Neodada, Pop, Décollage, Kapitalistischer Realismus“ teilnahm. René Block vertrat u.a. auch Sigmar Polke, Gerhard Richter, Joseph Beuys, Dieter Roth, Wolf Vostell und Nam June Paik. Die René Block Gallery organisierte 1976 seine erste Einzelausstellung in New York.

„Während meiner Zeit bei der Galerie René Block1 habe ich Ende der 60er-Jahre für kurze Zeit auch Multiples gemacht – in dieser Zeit ging es unter den Künstlern der Galerie sehr um Konzepte, was nicht ohne Einfluss auf mich blieb. Ich hatte für mich nur das Gefühl, auf Einfälle angewiesen zu sein, und die waren mir zu sporadisch. Meine Werke waren insgesamt zu dieser Zeit viel konzeptueller als zuvor und danach. Ich wollte mich aber nicht nur auf Konzepten ausruhen und ab und zu mal einen Gedankenblitz haben. Mit den Schöneberger Himmeln tritt ab 1973 die Malerei wieder in das Zentrum meiner Arbeit. Ich wusste für mich immer: Malen ist eine tolle Sache!“2 (K. H. Hödicke)

Um sein Leben als Künstler zu finanzieren, arbeitete K. H. Hödicke in den 1960ern als Postfacharbeiter bei der Post am Gleisdreieck. Er versah dort die Pakete aus Westdeutschland mit roten Aufklebern für den Ostversand. Hödicke arbeitete drei Tage die Woche und malte vier.

Werke

Das 1964 entstandene zweiteilige, in einem Winkel von 90° aufgestellte Gemälde „Frisierspiegel“ stellte er eine zweifache Spiegelung eines Innenraumausschnitts dar. Mehr als zehn Jahre arbeitete Hödicke über das optische Phänomen der Spiegelung. Das Interieur sollte dabei allerdings nicht die Hauptrolle spielen, sondern beschäftigte sich mit der nächtlichen Lichterwelt der Großstadt, Straßenbeleuchtung und Neonschriften. In Serien von Bildern erforschte er die Kreuzung von Innen- und Außenräumen, gespiegelten Lichtern und beleuchteten Figuren. Diese lösen sich 1965 in der Serie „Reflexionen“ nahezu in abstrakten Farbnebeln auf. Hödicke schuf diese Großstadtsujets mit dynamisch-fließenden Gestus und leuchtend-expressiver Farbigkeit.

„Ich wollte die flüchtigen Eindrücke der Großstadt in meiner Malerei einfangen, ohne sie festzuhalten. Meine Bilder von Neonreklamen der 1960er- und frühen 70er-Jahre entstanden mit einer neuen Technik. Zunächst setzte ich zum Beispiel den Schriftzug einer Reklame mit zähflüssiger Farbe auf die Leinwand. Ich musste keine Farbe mehr ranmalen, sondern nur leichtflüssigere Farbe darüber kippen und anschließend die Leinwand einfach nur abrakeln. Das Motiv blieb stehen und fing durch den unscharfen Kontur an zu flirren. Jetzt hatte ich, was ich wollte: eine Malerei, die flüchtige Eindrücke der Großstadt erfasste. Dafür brauchte ich nicht lange experimentieren. Es war sozusagen eine Erfindung von jetzt auf gleich. Das hielt ich damals für weltbewegend.“3 (K. H. Hödicke)

K. H. Hödicke hielt sich 1966/67 in New York auf, wo er sich mit experimentellen Kurzfilmen, konzeptuellen Objekten und performativen Kunstformen beschäftigte. Anschließend (1968) lebte er für ein Jahr als Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Noch in den USA begann er die Gemälde-Serie „Spiegelungen“.

Das zeichnerische Werk von K. H. Hödicke strukturiert Michael Hering in drei Werkgruppen: Ab 1967 schuf er „DIN-A4-Zeichnungen“, ab Mitte der 1970er und in den 1980er Jahren folgten großformatige „Malereien auf Papier“. Hödickes „Croquis-Studien“ auf Verpackungskartons der späten 1980er und frühen 1990er Jahre setzten daran an. Der Maler verglich seine „DIN-A4-Zeichnungen“ mit einem Notiz- oder Tagebuch, die Bildideen würden „komische Blätter“ ergeben. Stilistisch und in ihrer Motivik stehen sie der Pop-Art nahe, nutzte K. H. Hödicke doch Warenkataloge als Motivschätze und kommentierte die Objekte ironisch. Teils sind die DIN-A4-Zeichnungen als Skizzen vor Ort und unter freiem Himmel entstanden; wenig später nutzte Hödicke die Fotografie, um die Motive zu dokumentieren. Die „Malereien auf Papier“, auch „Gouachen“ genannt, sind für den Künstler autonome Zeichnungen, allerdings bezeichnete er sich auch als „Trainingsläufe“, mit denen er künstlerische Fragen klären wollte.

1969 schuf K. H. Hödicke die erste Teertonnen-Installation mit dem Titel „Kalter Fluß“. Dabei handelt es sich um Plastiken, aus denen im Laufe einiger Wochen Teer aus einer Tonne fließt. Erst kurz vor seiner Berufung an die Westberliner Kunsthochschule wandte er sich wieder hauptsächlich der Malerei zu.
Von 1970 bis 1974 nutzte Hödicke die Räume der 1968 aufgelösten Produzentengalerie Großgörschen 35 als Atelier. Hier studiert er die Hinterhöfe und den Himmel über Berlin. In den 1970er Jahren konzentrierte sich K. H. Hödicke auf künstliche Lichtquellen selbst. Vor allem das Neonlicht inspirierte ihn zu weiteren Bildern Hödickes wie in „Himmel über Schöneberg“ (1974). Die „Medienfreiheit“ K. H. trugen seine Schüler weiter.

„Von meinem Atelier aus konnte ich jenseits und diesseits der Mauer im Rundumblick das Brandenburger Tor, das Sowjetische Ehrenmal, die Siegessäule, das Crashstück vom Anhalter Bahnhof und nicht zuletzt die Ruine vom Gropius-Bau sehen. Ich war sozusagen umringt von Monumenten. Normalerweise sind sie eher abstoßend. Diese aber waren von einer morbiden, fragilen Schönheit – runtergekommen, verbraucht, mitgenommen, eher geschändet. Dieser Eindruck nahm ihnen das Monumentale.“4 (K. H. Hödicke)

1975 bezog K. H. Hödicke ein neues Atelier in der Dessauer Straße mit Blick auf die riesige Brachfläche aus Sand rund um den Potsdamer Platz, die er in Anspielung auf die zentralasiatische Wüste „Gobi“ nennt. Die Berliner Stadtlandschaft begeisterte den Maler ebenfalls, sodass er in Zwielicht getauchte Gebäude zum Thema machte. Dies trug ihm den Ruf ein, ein Dokumentator Berlins zu sein. Gebäude wie der Gropius-Bau begeisterten den Maler über Jahrzehnte, weshalb er sich immer wieder seiner Struktur annäherte. Immer auf der Suche nach dem Wesen des Objekts.

Seit den 1980er Jahren dominiert die menschliche Figur und erzählerische Szenen die Bilder K. H. Hödickes, ohne dass er die Licht- und Spiegelungsthematik gänzlich aufgegeben hätte.

Lehrer

Im Jahr 1974 berief die Hochschule für Bildende Künste in Berlin K H. Hödicke zum Professor, wo er bis 2005 lehrte. Zu seinen Schülerinnen und Schülern zählen Helmut Middendorf und Salomé, die in den 1980er Jahren als Neue Wilde | Junge Wilde firmierten.

1980 wurde K. H. Hödicke Mitglied in der Akademie der Künste Berlin. In den Jahren 1983 erhielt er den Deutschen Kritikerpreis und 1998 den Fred-Thieler-Preis für Malerei der Berlinischen Galerie.

Literatur zu K. H. Hödicke

  • K. H. Hödicke. hg. v. Michael Hering (Ausst.-Kat. Staatliche Graphische Sammlung München in der Pinakothek der Moderne, München, 18.6.–13.9.2020), Köln 2020.
    • Band 1: K. H. Hödicke. Din A 4, ca. 400 Seiten, mit einem Vorwort und Essay von Michael Hering: Taches, Tagebuchnotizen und Trainingsläufe – K. H. Hödicke und die Kunst der Zeichnung, S. 20–60.
    • Band 2: K. H. Hödicke. Mixed Media, ca. 400 Seiten, mit einem Vorwort von Michael Hering und 100 Aphorismen, Sentenzen und Zitaten von K. H. Hödicke.
  • Berlin und mehr (Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg), 1985.
  • K. H. Hödicke (Ausst.-Kat. Badischer Kunstverein) Karlsruhe 1977.

Beiträge zu K. H: Hödicke

K. H. Hödicke, Entwurf, Detail, 1972, Bleistift und Wachsmalstift auf Papier, 297 x 210 mm (Staatliche Graphische Sammlung München, Schenkung S. K. H. Herzog Franz von Bayern 2019, Foto: Staatliche Graphische Sammlung München © VG Bild-Kunst, Bonn 2020)

München | Pinakothek der Moderne: K. H. Hödicke


Arbeiten auf Papier in der Staatlichen Graphischen Sammlung München

K. H. Hödicke, der Berliner Maler, wird in der Pinakothek der Moderne und einem zweibändigen Katalog als Zeichner von duftigen DIN-A4-Blättern und monumentalen malerischen Gouachen vorgestellt. Der Erwerb von 53 Arbeiten auf Papier durch die Staatliche Graphische Sammlung München wie eine zweijährige Zusammenarbeit ihres Direktors Michel Hering mit dem Künstler ermöglichen, Hödicke als gewitzten, sich mit der Pop-Art, Konzeptkunst und seiner Umgebung höchst innovativ beschäftigenden Maler kennenzulernen.
  1. Zit. n. K. H. Hödicke. Mixed Media, Köln 2020, S. 171.
  2. Zit. n. K. H. Hödicke. Mixed Media, Köln 2020, S. 131.
  3. Zit. n. K. H. Hödicke. Mixed Media, Köln 2020, S. 108.
  4. Zit. n. K. H. Hödicke. Mixed Media, Köln 2020, S. 133.