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London | National Gallery: Van Gogh in der Provence Dichter und Liebende | 2024/25

Vincent van Gogh, Eingang zum Öffentlichen Garten in Arles, Oktober 1888, Öl/Lw, 72,39 x 90,805 cm (Phillips Collection, Washington, DC)

Vincent van Gogh, Eingang zum Öffentlichen Garten in Arles, Oktober 1888, Öl/Lw, 72,39 x 90,805 cm (Phillips Collection, Washington, DC)

„Van Gogh: Poets and Lovers [Dichter und Liebende]“ in der Nationalgalerie wird thematisch präsentiert und zeichnet die Geschichte von Vincent van Goghs Aufenthalts in der Provence nach (→ Vincent van Gogh: Biografie). Die Schau soll von Oktober 2024 bis Januar 2025 laufen und bildet den Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag der National Gallery of Art | London.

Vincent van Goghs Werk aus Südfrankreich entstand von Februar 1888 bis Mai 1889 in Arles und von Mai 1889 bis Mai 1890 in der Nervenheilanstalt am Stadtrand von Saint-Rémy-de-Provence. An diesen beiden Orten schuf Vincent van Gogh seine schönsten und charakteristischsten Gemälde, die vor Farbe und dynamischer Pinselführung nur so strotzten.

Dichter und Liebende

Der Untertitel „Dichter und Liebende“ werden zu Beginn der Ausstellung mit einer Reihe von Gemälden und Zeichnungen eines Parks in Arles vorgestellt. Diese lag direkt vor dem Gelben Haus, das Van Gogh an der Place Lamartine mietete.1 Diese Werke stammen hauptsächlich aus dem Frühherbst 1888; van Gogh schuf sie kurz vor der Ankunft von Paul Gauguin. Zu dieser Gruppe gehört der „Eingang zum öffentlichen Garten in Arles“ (Oktober 1888, Phillips Collection in Washington, DC). Die prominente Figur eines stehenden Mannes, der eine Zeitung liest, könnte möglicherweise den Künstler mit seinem Lieblingsstrohhut darstellen.

Als Vincent im Mai das Gelbe Haus mietete, hatte er seinem Bruder Theo geschrieben, dass „das Entzückende an diesem Atelier die Gärten gegenüber sind“. Im Frühling müssen sie wohl am besten ausgesehen haben. Bei einer anderen Gelegenheit beschrieb er gegenüber seiner Schwester Wil den Blick aus seinem Schlafzimmerfenster als „einen sehr hübschen Park, wo man morgens den Sonnenaufgang sehen kann“.
Van Gogh nannte diese urbane Oase bald den „Dichtergarten“ und verband sie mit Schriftstellern. Er kannte sich mit Literatur aus und bewunderte die Dichter der frühen italienischen Renaissance, Petrarca (der im nahegelegenen Avignon gearbeitet hatte), Boccaccio und Dante. Schon zu Lebzeiten liebte er die Schriften von Alphonse Daudet, einem Dichter und Romanautor, der einen Teil seines Lebens in der Provence verbrachte. Interessanterweise ließ er in seinen Gedanken aber auch Maler wie Giotto di Bondone oder Sandro Botticelli in dem Hain spazierengehen:

„Der unauffällige öffentliche Garten enthält Pflanzen und Büsche, die einen von Landschaften träumen lassen, in denen man sich leicht Botticelli, Giotto, Petrarca, Dante und Boccaccio vorstellen kann.“ (Van Gogh in einem Brief an Gauguin)

Vincent bezeichnete einige seiner Künstlerkollegen sogar als „Dichter“ und verwendete das Wort im weiteren Sinn, um ein künstlerisches Temperament auszudrücken. So betitelte er ein Porträt des belgischen Malers Eugène Boch als „Der Dichter“ (September 1888, jetzt Musée d’Orsay, Paris). Diese Auszeichnung verlieh er auch Gauguin, den er in einem Brief als „neuen Dichter“ ansprach.

Und warum kommen Liebespaare in Van Goghs Gemälden vor? Wir können nur spekulieren, aber der Maler hat möglicherweise nach weiblicher Gesellschaft gesucht und Neid empfunden, als er in Arles spazierende Paare sah. Paare erscheinen daher in einigen seiner Landschaften als idealisierte Figuren. In „Im Öffentlichen Garten mit einm Paar (Der Dichtergarten)“ (Oktober 1888, Privatsammlung) sind van Goghs „zwei Liebesfiguren“ zu sehen. Der blau gekleidete Mann mit dem Strohhut könnte wieder den Künstler repräsentieren, wobei Vincent sich vorstellt, wie er mit einer Begleitung direkt vor seinem Haus spazieren geht.

Weinender Baum

Die National Gallery hat bereits die Zusage eine große und aufwendig bearbeitete Zeichnung des Parks vom Art Institute in Chicago erhalten. Die Zeichnung entstand nur fünf Tage vor Vincents Abreise aus Arles in die Nervenheilanstalt; am 3. Mai 1889 beschrieb er sie in einem Brief an Theo:

„Heute habe ich eine jener Zeichnungen gemacht, die für den Frühling sehr dunkel und ganz melancholisch wurden.“

Die Rohrfederzeichnung „Weinender Baum“ (Mai 1889) wurde noch nie in Großbritannien ausgestellt. Van Gogh erweckt in der Szene den Eindruck eines Landschaftsparks – nicht eines belebten Stadtgebiets. Diesmal ist die Landschaft ohne menschliche Gestalten geformt. Obwohl die Zeichnung eine Weide darstellt, ist es bezeichnend, dass Vincent es „den weinenden Baum“ nennt, was vielleicht auf seinen Geisteszustand hinweist, als er im Begriff war, nach Saint-Rémy zu übersiedeln.

Van Goghs Darstellungen des öffentlichen Gartens suggerieren einen ruhigen Ort und in den Gemälden einen angenehmen Ort für einen Spaziergang. Aber die Place Lamartine lag eigentlich in einem belebten und ungesunden Teil der Stadt. Es lag zwischen dem Bahnhof und der „Straße der freundlichen Mädchen“, so Vincents Bezeichnung für das Rotlichtviertel. Der Platz wurde zudem von mehreren Nachtcafés und der Polizeistation gesäumt. Vincent nutzte künstlerische und poetische Erfindungen, um seine eigenen Interpretationen des öffentlichen Gartens zu schaffen und ihn als entspannenden, vergnüglichen Ort vorzuschlagen.

Der öffentliche Garten ist nur das erste von einem halben Dutzend grob chronologischer Themen in der kommenden Ausstellung der National Gallery. Die Kapitel umfassen hauptsächlich Landschaftsmalerei aus Arles und Saint-Rémy (→ Vincent van Gogh : Paul Gauguin in Arles | → Amsterdam | Van Gogh Museum: Van Gogh und die Olivenhaine), drunter auch Blumenstillleben mit einem Schwerpunkt auf den Sonnenblumen (→ Van Goghs Sonnenblumen).

Kuratiert von Chris Riopelle, einem Spezialisten für das 19. Jahrhundert, und der unabhängigen Van-Gogh-Forscherin Cornelia Homburg.

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  1. Leider ist der öffentliche Garten Anfang des 20. Jahrhunderts zugepflastert worden. Heute wird der größte Teil von van Goghs „Dichtergarten“ von einem verkehrsreichen Kreisverkehr und einem weitläufigen Parkplatz bestimmt, gesäumt von einem Monoprix-Supermarkt und einem kahlen neuen College-Gebäude. Glücklicherweise sind zwei Seiten des Place Lamartine seit van Goghs Zeiten fast unverändert geblieben: das Ufer der Rhône und die römischen Stadtmauern.