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London | Tate Modern: El Anatsui Installation des Ghanaischen Künstlers in der Turbinenhalle | 2023/24

El Anatsui Behind the Red Moon, Installationsansicht Tate Modern, © Tate (Joe Humphrys)

El Anatsui Behind the Red Moon, Installationsansicht Tate Modern, © Tate (Joe Humphrys)

El Anatsui: Behind the Red Moon ist der Titel der neueen ortsspezifischen Installation des ghanaischen Künstlers in der Tate Modern, London. Anatsui verarbeitete für das dreiteilige Werk Tausende von Metallverschlüssen und Fragmenten – in gewaltiger Größe. Die abstrakten Kompositionen hängen wellenartig in der riesigen Turbine Hall. Mit ihnen reflektiert El Anatsui Geschichte und elementare Kräfte der Natur. Jede Skulptur bezieht sich auf Anatsuis Interesse an der Bewegung und Migration von Waren und Menschen während des transatlantischen Sklavenhandels.

„Ich möchte, dass Kunst die Unbeständigkeit und den Wandel, mit denen uns das Leben jeden Tag konfrontiert, widerspiegelt. Das Leben ist nicht unveränderlich, und ich möchte, dass meine Werke wandelbar sind.“ (El Anatsui, 2015)

Tate Modern und Hyundai Motor wählen El Anatsui als nächsten Künstler, der die monumentale Turbinenhalle bespielen soll. Der aus Ghana stammende Anatsui ist seit mehr als zehn Jahren für seine kaskadierenden Metallskulpturen bekannt. Für diese Wandarbeiten recycelt er Tausende Flaschenverschlüssen und näht sie mit Kupferdraht zusammen. Gefundene Materialien verwandeln sich in schillernde Werke abstrakter Kunst. Gleichzeitig untersucht der Bildhauer Themen wie Umwelt, Konsum, Handel und Kolonialismus.

„Metall entdeckte ich erstmals in der Form von Maniok-Reiben. Mich interessierten ihre Löchrigkeit und die unterschiedlichen Farben und Schattierungen in denen der Rost auftrat. Ich erforschte die Halbtransparenz ihrer löchrigen Beschaffenheit, um an der Vorstellung von Wänden als menschliche Konstrukte zu arbeiten, die der Fantasie mehr offenbaren als sie dem Auge verbergen. Ich arbeitete mit Milchdosendeckeln, bevor ich mich den Verschlüsse von Schnapsflaschen zuwandte, und nachdem ich anderthalb Jahrzehnte mit ihnen gearbeitet hatte, begriff ich, dass dieses Material, das ich für kurzlebig hielt, immer wieder neue Möglichkeiten und frische Ideen hervorbrachte. im Nachhinein sehe ich einen roten Faden, der all die Materialien, mit denen ich über die Jahre gearbeitet habe, verbindet. sie haben alle etwas mit der nährenden Eigenschaft von Lebensmitteln zu tun – die Platten, die Gefäße, die Reiben, und die Flaschenverschlüsse.“ (El Anatsui, 2014)

El Anatsui: Behind the Red Moon in London

Die Hyundai-Kommission „El Anatsui: Behind the Red Moon“ ist in drei Akte unterteilt, zwischen denen sich das Publikum bewegen kann.

„The Red Moon“

Das erste hängende Objekt ähnelt dem majestätischen Segel eines im Wind flatternden Schiffs und kündigt den Beginn einer Reise über den Atlantischen Ozean an. Rote Flaschenverschlüsse bilden die Umrisse eines roten Mondes oder „Blutmondes“, wie er während einer Mondfinsternis erscheint.

„The World“

Die zweite Skulptur besteht aus vielen einzelnen Schichten, die Assoziationen von menschlichen Figuren in einem ruhelosen Zustand hervorrufen. Das ätherische Erscheinungsbild dieser Figuren wird durch dünne Flaschenverschlussdichtungen erzielt, die zu einem netzartigen Material verkabelt sind. Aus einer bestimmten Perspektive betrachtet, fügen sich diese verstreuten Formen zu einer einzelnen kreisförmigen Form der Erde zusammen.

„The Wall“

In Anatsui‘s letztem Textil erstreckt sich ein monumentales schwarzes Metallgewebe vom Boden bis zur Decke. Das Werk bezieht sich auf die alte Mauer von Notsie (heute Togo), die von König Agokoli erbaut wurde und den revolutionären Aufstand des Ewe-Volkes auslöste. An der Basis erheben sich Ansammlungen von Flaschenverschlüssen aus dem Boden in Form von brechenden Wellen und felsigen Gipfeln. Hinter seiner schwarzen Oberfläche wird eine zarte Struktur aus schimmerndem Silber sichtbar, bedeckt mit einem Mosaik aus mehrfarbigen Stücken. Diese Kombination von Linien und Wellen, Schwarz und Technicolor, spiegelt die Kollision globaler Kulturen und hybrider Identitäten wider.

Die Betrachtung aller drei hängenden Objekte aus der Ferne zeigt eine Landschaft von Symbolen: der Mond, das Segel, die Welle, die Erde und die Mauer. Aus der Nähe betrachtet, sprechen die Logos auf den Flaschenverschlüssen von den sozialen Geschichten des Materials und verweisen auf eine gegenwärtige Industrie, die auf kolonialen Handelsrouten aufgebaut ist. Die Vergangenheit und Gegenwart Afrikas und Europas verschmelzen zu einem Gleichklang skulpturaler Formen, die in der Luft hängen und über den Raum zu schweben scheinen.

Durch den poetischen Einsatz von Material als Metapher erforscht El Anatsui in der Hyundai-Kommission „El Anatsui: Behind the Red Moon“ elementare Kräfte, die mit menschlichen Geschichten von Macht, Unterdrückung, Verbreitung und Überleben verwoben sind.

Kuratiert von Osei Bonsu, Curator, International Art, und Dina Akhmadeeva, Assistant Curator, International Art, Tate Modern.
Dies ist die achte jährliche Hyundai-Kommission, ermöglicht durch die fortlaufende Partnerschaft zwischen Tate und Hyundai Motor.
Quelle: Tate Modern

El Anatsui: Bilder

  • El Anatsui, The Red Moon und The World, Installationsansicht Hyundai Commission: El Anatsui: Behind the Red Moon, 2023, Foto © Tate (Joe Humphrys)
  • El Anatsui, The Red Moon und The World, Installationsansicht Hyundai Commission: El Anatsui: Behind the Red Moon, 2023, Foto © Tate (Lucy Green)
  • El Anatsui, Three sightings, 2021, Aluminium und Kupferdraht, 280 x 807 cm (© El Anatsui, Courtesy the Artist and October Gallery, London, Photo © Jonathan Greet)
  • El Anatsui, In the World But Don't Know the World? (detail), 2009, Aluminium und Kupferdraht, 1000 x 560 cm (© El Anatsui, Collection Stedelijk Museum Amsterdam und Kunstmuseum Bern, Courtesy the Artist and October Gallery, London. Photo © Jonathan Greet)

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.