Maarten van Heemskerck

Wer war Maarten van Heemskerck?

Maarten van Heemskerck (Heemskerk 1.6.1498–1.10.1574 Haarlem) war ein niederländischer Maler, Zeichner und Entwerfer von Druckgrafik der Renaissance. Van Heemskerck spezialisierte sich in Haarlem auf Porträts und religiöse Themen, nachdem er die Jahre 1532 bis 1536 in Rom zugebracht hatte. Als Vertreter des italianisanten Stils im Norden stellte Heemskerck in der Mehrzahl seiner Kompositionen architektonische Bezüge zu Rom her (→ Renaissance-Malerei in Flandern).

Kindheit

Maarten van Heemskerck, eigentlich Maerten Jacobszoon, Marten Jacobsz Heemskerk van Veen oder Martin[us] van Heemskerck, wurde 1498 im nordholländischen Dorf Heemskerck als Sohn des Jacob Wilhelmsz. van Veen, eines Gutsbesitzers, geboren.

Ausbildung

Laut seiner Biografie von Karel van Mander begann er seine künstlerische Ausbildung bei dem Maler Cornelius Willemsz in Haarlem, wurde aber von seinem Vater nach Heemskerk zurückgerufen, um auf dem Familienhof zu arbeiten. Nachdem er sich jedoch mit seinem Vater gestritten hatte, ging er erneut, diesmal nach Delft, wo er bei Jan Lucasz lernte, bevor er nach Haarlem zog, wo er Schüler von Jan van Scorel wurde und von dessen innovativen italianisanten Bildsprache beeinflusst wurde.

Wohl um 1527 ging Maarten zurück nach Haarlem, um in der Werkstatt Jan van Scorels tätig zu werden. Dieser war unter Hadrian VI. (reg. 1522–1523) Inspektor der päpstlichen Kunstsammlungen gewesen. Van Scorel arbeitete zwischen 1527 und 1530 in Haarlem. Die Tätigkeit in der Werkstatt van Scorels war für Maartens Malstil dieser Zeit so maßgeblich, dass einige Jan van Scorel zugeschriebene Gemälde als Werke von Maarten van Heemskerck identifiziert werden konnten.

Bis 1532 arbeitete er für den wohlhabenden Kirchenvogt der Sint-Bavokerk, Pieter Jansz. Foppesz. Sie kannten einander, weil Foppesz Land in Heemskerk besaß. Der Künstler malte ihn in einem heute berühmten Familienporträt, das als das erste seiner Art in einer langen Reihe niederländischer Familiengemälde gilt, das sogenannte Kasseler Bildnis. Zu seinen anderen Arbeiten für Foppesz gehörten zwei lebensgroße Figuren, welche die Sonne und den Mond auf einem Bettgestell symbolisieren, und ein Bild von Adam und Eva, „ziemlich kleiner, aber (so heißt es) nach lebenden Vorbildern“. Danach zog er in das Haus des Goldschmieds Justus Cornelisz am Rande von Haarlem.

Bevor er 1532 zu einer Grand Tour nach Italien aufbrach, malte Maarten van Heemskerck den heiligen Lukas, der die Jungfrau malt – für den Lukasaltar in der Bavokerk. Eine Inschrift, die in ein Trompe-l'œil-Etikett auf dem Gemälde eingearbeitet ist, beginnt mit den Worten:

„Dieses Bild ist eine Erinnerung an seinen Maler, Marten Heemskerck; er hat hier seine Arbeit dem heiligen Lukas gewidmet, als Zeichen der Wertschätzung für seine Mitarbeiter in seinem Beruf, deren Patron dieser Heilige ist.“

Italienreise (1532–1536/37)

Im Jahr 1532 brach Maarten van Heemskerck zu einer mehrjährigen Reise auf, die ihn zuerst quer durch Nord- und Mittelitalien bis nach Rom führte. Dort ließ er sich mit einem Empfehlungsschreiben von van Scorel an einen einflussreichen holländischen Kardinal – vermutlich Kardinal William von Enckenvoirt, ein Vertrauter des bereits verstorbenen niederländischen Papstes Hadrian VI. – in die römische Kunstszene einführen.

Wegen seiner Geschicklichkeit als Maler und seiner schnellen Arbeitsweise erhielt er rasch Aufträge aus den Ateliers führender römischer Künstler. So arbeitete er zusammen mit Antonio da Sangallo d. J., Battista Franco und Francesco de’ Rossi an der Ausgestaltung der Porta San Sebastiano in Rom als Triumphbogen zu Ehren der Ankunft von Karl V. am 5. April 1536 in Rom. Giorgio Vasari urteilte über die Schlachtendarstellungen Heemskerks, dass sie, gut komponiert und kühn ausgeführt seien.

Während seines Aufenthalts schuf er eine große Anzahl von Zeichnungen antiker römischer Skulpturen und anderer Artefakte sowie von antiker und zeitgenössischer Architektur, die er später zum Teil als Kupferstiche reproduzierte. In eindrucksvollen Architekturstudien hielt Heemskerck die Ewige Stadt minutiös fest, weshalb er heute als Begründer der topografischen Romvedute gilt. Seine Zeichnung des „Kapitolinischen Brutus“ (Kapitolinische Museen, Rom) ist die eine Skizze dieser heute berühmten Büste des ersten Konsuls der römischen Republik. Der größte Teil der Zeichnungen wird in zwei Klebealben, den sogenannten Römischen Skizzenbüchern, im Berliner Kupferstichkabinett aufbewahrt. Van Heemskerck nutzte sein Skizzenmaterial in der Folge als Grundlage für zahlreiche profane wie sakrale Darstellungen.

Wegen der Detailgenauigkeit der Zeichnungen, die heute neben Maarten van Heemskerck zwei weiteren, unbekannten Künstlern (sog. Anonymus A und Anonymus B) zugeschrieben werden, sind die Römischen Skizzenbücher eine wichtige Quelle für die Kunst- und Geschichtswissenschaft und besonders für die Baugeschichte des Petersdoms.1

Haarlem

Nach seiner Rückkehr nach Haarlem 1536 wurde Maarten van Heemskerck Vorsteher der Haarlemer Lukasgilde (1540). Der Künstler war zweimal verheiratet. Von 1540 bis 1542 war er mit Marie Jacobs Coningsdochter verheiratet; sie starb im Wochenbett.

In Haarlem bekam Maarten van Heemskerck vor allem kirchliche Aufträge, nicht nur für Altarbilder und andere Gemälde, sondern auch zum Entwurf von Wandteppichen und Glasfenstern. Daneben war er 22 Jahre (bis zur protestantischen Reformation), von 1553 bis zu seinem Tode 1574, Kirchenmeister der St.-Bavo-Kirche in Haarlem. 1572 verließ er Haarlem in Richtung Amsterdam, um der Belagerung von Haarlem durch das spanische Heer zu entgehen.

Werke

Die Stiländerung Heemskercks, hervorgerufen durch seine Erfahrungen in Italien, wurde nicht von allen bewundert. Laut Karel van Mander „hatte er ihn [den Stil] nach Meinung einiger der besten Richter nicht verbessert, außer in einem Punkt, dass sein Umriss anmutiger war als zuvor“.2

Maarten van Heemskerck malte große Altarbilder für seinen Freund, den Kunstmäzen und späteren katholischen Märtyrer der protestantischen Reformation, Cornelis Muys (auch bekannt als Musius). Muys war 1538 von einem Aufenthalt in Frankreich in die Niederlande zurückgekehrt und wurde Prior des Klosters St. Agatha in Delft (später Prinsenhof). Diese prestigeträchtige Arbeit in Delft brachte Heemskerck einen Auftrag für ein Altarbild in der Nieuwe Kerk in Delft für die dortige Lukasgilde ein.

Druckgrafisches Werk

Während seiner Zeit in Haarlem schuf Maarten van Heemskerck ein umfangreiches Œuvre an Kupferstichen, das v. a. seine intensive Auseinandersetzung mit humanistischen und antiquarischen Themen zeigt. Hierfür arbeitete er mit renommierten Verlegern wie Philips Galle und Dirck Volkertsz. Coornhert sowie Humanisten wie Hadrianus Junius zusammen.

Zahlreiche Entwürfe für Druckgrafiken, die Heemskerck auf der Grundlage von verschiedener Episoden des Alten Testaments, der Mythologie oder der Geschichte aufbaute, thematisieren Götzenverehrung und Ikonoklasmus. In seinen detaillierten Zeichnungen folgte er einem italienisch-antiken Figurenideal und griff implizit die religionspolitischen Diskurse seiner eigenen Gegenwart auf. So zeigt etwa „Der Isiskult“ (Albertina, Wien) einen Esel, der die Anbetung des umstehenden Volkes auf sich selbst anstatt auf die ihn reitende Göttin bezieht. Vor dem Hintergrund der reformatorischen Kritik an der Götzenanbetung muss dieses Motiv als Metapher für die zeitgenössische Debatte verstanden werden, in der sowohl Sakralgegenstände als auch Gotteshäuser selbst als Götzenbilder verdammt wurden.3

Die „Plünderung und Zerstörung des Tempels von Jerusalem“ (1567, Albertina, Wien) spielt wohl auf den Bilderstreit und die ikonoklastische Zerstörungswut dieser Jahre an. Die fiktive Ruine basiert auf Heemskercks Studium des Pantheon und des Kolosseums (Kassettendecke) in Rom. 1569 publizierte er dieses Blatt im Rahmen des Zyklus der „Großen Katastrophen des Jüdischen Volks“, der das Unglück der Juden in alttestamentarischer Zeit detailliert schildert.4 „Heemskerck“, so fasst Emily J. Peters zusammen, „vermied dabei jeglichen direkten Bezug zur niederländischen Stadtikonografie oder zu aktuellen Ereignissen und verlegte die biblische Geschichte in eine antike Vergangenheit, wodurch die Handlung in zeitliche Ferne rückt und damit ebenso zeitlos wie universell erscheint“.5

Unter den über 800 Entwürfen wurden zahlreiche Serien bis ins 17. Jahrhundert mehrmals aufgelegt. Die in ihrer Nachwirkung am bedeutendste Serie ist die 1572 bei Galle erschienene Serie der Weltwunder, „Octo mundi miracula“, die als erste bildliche Darstellung der antiken Weltwunder in der Neuzeit gilt und bis Johann Bernhard Fischer von Erlach|s Architekturgeschichte die Bildtradition dominierte.

Tod

In Amsterdam machte Heemskerck ein Testament, das erhalten geblieben ist. Es belegt, dass der Maler mit seiner Kunst ein Vermögen gemacht hatte. Maarten van Heemskerck starb am 1. Oktober 1574 in Haarlem.

Bei seinem Tod hinterließ er dem Waisenhaus von Haarlem Geld und Land als Treuhand, mit Zinsen, die jährlich an jedes Paar gezahlt werden sollten, das bereit wäre, sich auf der Platte seines Grabes in der Kathedrale von Haarlem trauen zu lassen. Damit zeigt sich Heemskerck als abergläubisch, war man im katholischen Holland überzeugt, dass eine so gefeierte Hochzeit den Frieden der Toten im Grab sichern würde.

Literatur zu Maarten van Heemskerck

  • Eleanor A. Saunders, A Commentary on Iconoclasm in Several Print Series by Maarten van Heemskerck, in: Simiolus. Netherlands Quarterly for the History of Art 10, 1979, S. 59–83.

Beiträge zu Maarten van Heemskerck

17. Februar 2024
Maarten van Heemskerck, Hl. Lukas malt die Madonna, Detail, 1532 (Frans Hals Museum, Haarlem)

Haarlem | Frans Hals Museum: Maarten van Heemskerck Frühe Jahre des Renaissance-Malers | 2024

Das Frans Hals Museum konzentriert sich auf Heemskercks frühe Karriere, als er sich mit der Kunst seiner Lehrer und Zeitgenossen auseinandersetzte - und bevor er nach Rom zog.
13. Juli 2023
Maarten van Heemskerck, Selbstporträt mit Kolosseum, 1533 (The Fitzwilliam Museum)

Berlin | Kulturforum: Maarten van Heemskerck zeichnet Rom Urban Sketcher | 2024

Erste Ausstellung der zwei Klebealben mit rund 160 Zeichnungen Maarten van Heemskercks aus Rom: Stadtansichten, Architekturelemente, Kunstsammlungen und Antikengärten. Erstmals zeigt das Kupferstichkabinett Berlin die Skizzen im Kontext von Zeichnungen, Gemälden, Stichen und Abgüssen.
14. Februar 2023
Pieter Bruegel d. Ä., Maler und Kenner, Detail, um 1566, Feder in Braun, 25,5 × 21,5 cm (Wien, Albertina © Albertina, Wien)

Wien | Albertina: Bruegel und seine Zeit Niederländische Renaissance | 2023

Neben berühmten Meisterwerken von Jan de Beer, Pieter Bruegel der Ältere oder Hendrick Goltzius werden auch Blätter gezeigt, die nach erstmaliger Bearbeitung nun einer größeren Öffentlichkeit präsentiert werden.
3. Juli 2016
Jan Mandyn (1502–um 1560), Die Verspottung des Hiob, 16. Jahrhundert (Privatsammlung, Niederlande, by courtesy of Hoogsteder & Hoogsteder, Den Haag)

Bosch, Bruegel und die Druckgrafik Teufel, Dämonen und Mischwesen

Die von Hieronymus Bosch geschaffenen Kunstwerke mit ihren absonderlichen Mischwesen, Dämonen und Teufeln übten bereits auf seine Zeitgenossen eine große Faszination aus. Um die Nachfrage nach seinen Werken zu stillen, ließen sich Nachfolger von seinen Dämonen und Mischwesen inspirieren. Der wichtigste, weil eigenständigste war zweifellos Pieter Bruegel d. Ä.
  1. In einer 2021 erschienenen Studie wird jedoch die These aufgestellt, dass der Zeichnungsbestand im Berliner Kupferstichkabinett (die Römischen Skizzenbücher) nicht von Heemskerck stamme und dass die Zeichnungen um einige Jahre später als bislang angenommen wurde, um 1535/36–1538, entstanden seien. Der Berliner Zeichnungsbestand umfasst drei aufgelöste Skizzenbücher und Einzelblätter, die nach dieser Argumentation mit wenigen Ausnahmen alle vom selben Autor seien.
  2. Karel van Mander (übersetzt von Thomas Kerrich, 1829), The Life of Martin Heemskerck. A Catalogue of the Prints which have been Engraved after Martin Heemskerck, Haarlem, 2020.
  3. Koenraad Jonckheere, An Allegory of Artistic Choice in Times of Trouble. Pieter Bruegel’s Tower of Babel, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 64, 2014, S. 186–213, hier S. 189–195.
  4. Siehe NHDF (Maarten van Heemskerck), Bd. 1, S. 199–203, Nr. 237–258.
  5. Emily J. Peters, Die Stadt als Bühne. Zeichnen als Form der Kommunikation im urbanen Kontext, in: S. 70–85, hier S. 76.