Madeleine Kemeny-Szemere

Wer war Madeleine Kemeny-Szemere?

Madeleine Kemeny-Szemere (Budapest 10.7.1906–10.2.1993 Zürich) war eine aus Ungarn stammende Malerin der CoBrA. 1930 nach Paris emigriert, wurde Kemeny-Szemere gemeinsam mit ihrem Mann Zoltan Kemeny als Modezeichnerin erfolgreich. Nach ihrer Flucht in die Schweiz (1942), entdeckte die Künstlerin Werk und Haltung von Jean Dubuffet, der sie mit den Künstlern der CoBrA in Kontakt brachte.

Kindheit

Madeleine Kemeny-Szemere wurde als Lenke Szemere – den Vornamen Madeleine nahm sie in Paris an – am 10. Juli 1906 in Budapest in eine assimilierte jüdische Familie geboren. Mit zwölf Jahren verlor sie ihre Mutter. Da das Mädchen viel Zeit allein verbringen musste, brachte sie sich das Zeichnen selbst bei.

Ausbildung

Im Jahr 1924 besuchte Lenke Szemere ein Jahr lang die Kunstakademie in Budapest, wo sie Schülerin von István Réti und Adolf Fényes wurde.

Bereits 1925 füllte sie mit ihren Arbeiten zwei Säle im Ernst Múzeum. Ihr Werk stieß auf großes Interesse, und fast alle Arbeiten wurden verkauft. Schwerblütiger Ernst kennzeichnet ihr malerisches Frühwerk, das zum größten Teil verschollen ist. Wesentliches ist schon hier angelegt: das Interesse am Menschen in seiner nackten Existenz. Mit dunkeltonigen Darstellungen von Randfiguren der Gesellschaft, Bauern und ländlichen Szenen knüpfte Lenke Szemere anachronistisch an die realistisch-romantische Tradition an. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre weicht ihr Naturalismus einer roheren und flächigeren Malerei.

Paris

Wegen der aussichtslosen Wirtschaftslage wanderte Lenke Szemere 1930 nach Paris aus, wo sie Arbeit als Modezeichnerin fand und den ungarischen Künstler Zoltán Kemény (1907–1965) kennenlernte, den sie 1933 heiratete. Das Paar avancierte zum begehrten Modezeichner-Team; 1938 sicherte sich auch die neu gegründete Schweizer Modezeitschrift „Annabelle“ seine Mitarbeit. In Paris entstanden keine autonomen Kunstwerke.

Flucht in die Schweiz

1940 flohen Zoltán Kemény und Madeleine Kemeny-Szemere vor der Deutschen Armee nach Südfrankreich, 1942 gelang ihnen die Flucht in die Schweiz, wo sie beide in Lagern unterkamen.

Während Zoltan 1943 freikam und für „Annabelle“ in Zürich arbeiten konnte, bliebt Madeleine bis nach Kriegsende in der Westschweiz interniert. In der Isolation begann sie wieder intensiv zu malen und zu zeichnen und entdeckte das Werk von Jean Dubuffet.

Ihren unverwechselbaren Ausdruck findet sie jedoch in den 1940er Jahren. Dubuffets Forderung nach dem unreflektierten, ungeschönten Ausdruck bestärkt die brillante (Mode-)Zeichnerin in ihrem Hang zur „Kunst in Rohform“ (→ Jean Dubuffets Art Brut!). Das Material selbst wird zum Ausdrucksträger. In Hautes Pâte-Technik sowie anderen Mischtechniken verwendete die Künstlerin kunstfremde Materialien wie Sand, Lackfarben und Rugosit, um Gemälden mit einer reliefartigen Oberfläche entstehen zu lassen. Als Quelle der Inspiration dienten Madeleine Kemeny-Szemere Kinderzeichnungen, Volks- und Stammeskunst.

Ins Zentrum ihrer Bildwelt rückten erdschwere Frauenfiguren, meist isoliert und beladen, mit massigen Körpern, auffallend oft mit überdimensionierten, schaufelähnlichen Händen und Füssen. Im Jahr 1947 stellte Madeleine Kemeny-Szemere zum ersten Mal in der Galerie des Eaux-Vives in Zürich aus. Die Kritik wunderte sich angesichts ihrer Werke über den Primitivismus, denn Art Brut war in der Schweiz noch kein Begriff.

Madeleine Kemeny-Szemere und CoBrA

Über ihren Förderer Dubuffet und sein „Foyer de l’art brut“ in Paris kam Madeleine Kemeny-Szemere mit der internationalen, avantgardistischen CoBrA-Bewegung in Kontakt. Bereits 1949 beteiligte sie sich an der legendären CoBrA-Ausstellung in Amsterdam und 1950 zeigte sie ihr Werk in Paris.

Zwischen 1953 und 1954 begann Madeleine Kemeny-Szemere ihre letzte Werkphase mit einer weitgehenden Abstrahierung und Parzellierung der Form. Das Motiv löst sich in kleinteiligen Zellstrukturen, die das ganze Bild überziehen, beinahe auf. An der Grenze zur Ungegenständlichkeit machte die Künstlerin halt. Es sind nach wie vor Frauenfiguren, die sie beschäftigten, existentielle Chiffren einer am eigenen Leib erfahrenen „Condition féminine“.

Um die Beziehung zu ihrem erfolgreichen Gatten nicht zu gefährden, gab Madeleine Kemeny-Szemere 1956 die Malerei auf, zeichnete aber weiterhin. Nach Zoltans Tod (1965) widmete sie sich ganz seinem Nachlass. Ihr eigenes Werk wurde in den 1980er Jahren wiederentdeckt.

Tod

Madeleine Kemeny-Szemere starb am 10. Februar 1993 in Zürich.

Madeleine Kemeny-Szemeres Werke befinden sich im Kunstmuseum St. Gallen und in der Collection de l’art brut in Lausanne. Seit der Retrospektive im Kunstmuseum St. Gallen (1995/96) behauptet das Werk von Madeleine Kemeny-Szemere seinen Platz in der Kunst der Nachkriegszeit.

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