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Joan Miró. Werke & Biografie Leben und Werk des Katalanen

Joan Miró, Das Gold des Azurs, 1967, Fundació Joan Miró, Barcelona © Successió Miró 2014.

Joan Miró, Das Gold des Azurs, 1967, Fundació Joan Miró, Barcelona © Successió Miró 2014.

Joan Miró ist bis heute als Schöpfer eines populären Werks voll unbeschwerter Lebensfreude, kontrastreich strahlender Farbigkeit, Bildwitz, Beschwingtheit, bildnerischer Ironie berühmt. Miró verstand sich als katalanischer und damit mediterraner Maler. Er hielt den Klassizismus als Erbe der mittelmeerischen Tradition hoch und öffnete sich trotzdem der Pariser Avantgarde, denn früh war er der Ansicht, dass der alleinige Weg eines katalanischen Künstlers in der Aufnahme aller fortschrittlichen internationalen Strömungen läge.1 In der katalanischen Heimat nahm er eine Position als „Außenseiter“ ein, die ihm während des Zweiten Weltkriegs sogar ermöglichte, unerkannt in Barcelona zu leben, während sein Werk in den Vereinigten Staaten höchst bejubelt wurde. In den Jahren 1923/24 entwickelte er eine unmittelbar erfahrbare Zeichensprache und schloss sich der Gruppe um Bréton und Masson an, ohne sich ideologisch zu sehr an sie zu binden.

Joan Mirós frühe Jahre oder: Wie lassen sich Moderne und Tradition verbinden?

Die frühesten erhaltenen Zeichnungen von Joan Miró datieren aus dem Jahr 1901, als der Achtjährige in erstaunlich präziser Weise begann, seine Umwelt einzufangen. Erst im Jahr 1911, nachdem er eine Stelle als Sekretär wegen einer Typhus-Erkrankung aufgegeben hatte, entschloss er sich endgültig Maler zu werden. Seine Prägung in Barcelona der 1910er Jahre war profranzösisch, da das Nachbarland als „mediterran“ verstanden und gegen die „Germanen“ ideologisch verteidigt wurde. Am 23. April 1917 eröffnete die Pariser Herbstausstellung mit 1462 Werken in Barcelona: die eher konservative Schau kam ohne die Kubisten aus zeigte aber mit den Impressionisten (→ Monet und die Geburt des Impressionismus), den Fauves (→ Matisse und die Künstler des Fauvismus) und Postimpressionisten (Renoir „Moulin de la Galette“, Pierre Bonnard, de la Fresnaye, Marquet, Henri Matisse, Edouard Manet, Odilon Redon, Vuillard) auch Malerei aus dem 19. Jahrhundert.

Die Phase zwischen 1915 und 1924 ist von der Selbstfindung des Künstlers geprägt. Miró rezipierte 1916/17 viele Ismen und wandelte sich vom fauvistischen und kubofuturistischen Künstler zu einem Schilderer von Landschaften voller Detailreichtum. Die Bilder von entlegenen katalanischen Dörfern verbinden internationale, v. a. aber Pariser Stilidiome mit nationalen Themen. Er las Literatur der Avantgarde wie Guillaume Apollinaire, war von der Dynamik der modernen Stadt fasziniert und pries die Ergebnisse des italienischen Futurismus. Seine erste Präsentation von Gemälden und Zeichnungen in der Galerie Dalmau (16. Februar bis 3. März 1918) wird als „uneinheitlich“ und „verwirrend“ rezensiert, die Bourgeoisie reagierte mit Ablehnung, verhöhnte den Maler in anonymen Briefen. Die Kritiker monierten Mirós Bruch mit der Schönheit und der Klassizität.

 

Poetischer Realismus

Im Jahr 1918 gründete Miró gemeinsam mit Ricart, Josep Llorens i Artigas, Josep Francesc Ràfols, Rafael Sala, Francesc Domingo und Mariàn Espinal die Vereinigung „Agrupacío Courbet“ und veranstaltete eigene Ausstellungen. 11. Mai bis 30. Juni 1918 erstes öffentliches Auftreten der Courbetisten. Ihr Ziel war, der katalanischen Kunst neues Leben einhauchen.

Den Sommer 1918 verbrachte Joan Miró bei seiner Familie, die außerhalb von Montroig einen Hof bewirtschaftete. Hier begann er sich in Landschaftsbildern mit der „Kalligraphie eines Baumes… Blatt um Blatt, Zweig um Zweig, Grashalm um Grashalm“2 zu beschäftigen. Ein neuer „Poetischer Realismus“ geht Hand in Hand mit Kubismus und Futurismus und zeigt sich als Folge des Kriegs. Neben Paul Cézanne schätzte Miró auch Pablo Picasso. Letzteren hatte er wohl 1917 während des Gastspiels des Balletts Russes in Barcelona bewundern können. Seine Bilder kannte er aus dem Haus von Picassos Mutter, die mit seiner eigenen Mutter befreundet war. Obwohl der bereits berühmte Picasso ursprünglich aus Andalusien kam, vereinnahmten ihn die Katalanen. Im Sinn seiner beiden Vorbilder wollte Miró hinter die äußeren Erscheinungen der Natur dringen, ihre zugrundeliegende Struktur enthüllen. Es ging dem jungen Miró darum, den, die Natur kopierenden Realismus (eigentlich Naturalismus) zu verlassen, um mit Hilfe des Kubismus zu einer „reinen Kunst“ zu erreichen. Die „gute Malerei“, so der Künstler in einem Brief an Ràfols, würde sich nicht mit „den tödlich flüchtigen, interessanten Dingen“ beschäftigen, also die Natur einfach abmalen, sondern „tief schürfen“ und „wunderbar neue Probleme“ aufdecken.3 Das Resultat war Mirós „poetischer Realismus“, in dem er eine tiefere Vision der ihn umgebenden Welt schilderte. Gleichzeitig bedeutet er aber auch eine Rückkehr zu klassischeren, d. h. weniger expressiven Gestaltungsmitteln wie zum Beispiel die Aufgabe der Verzerrungen und die zurückhaltendere Freiheit bei der Farbwahl. In den Landschaften bricht ein detailliertes, fast naives und stilloses Schildern des Alltags durch, das vor den Geschehnissen des Ersten Weltkriegs wie ein Bekenntnis zur katalanischen Heimat interpretiert werden kann.

 

Auf dem Weg zum „internationalen Katalanen“ – Paris und retour nach Barcelona

Miró war der Ansicht, dass er, um ein berühmter „internationaler Katalane“ zu werden, Barcelona verlassen musste. Im März 1920 übersiedelte er deshalb nach Paris, wo er bis Mitte Juni blieb, um Museen und wichtige Galerien zu besuchen. Doch die aktuelle Pariser Malerei konnte ihn nicht mehr fesseln. Zu den wichtigsten Erfahrungen zählten die Werke von Ingres und dessen Lehrer David (die Hauptvertreter des französischen Klassizismus 1790 bis 1840) sowie seine Begegnung mit Picasso, mit dem er sich stundenlang in dessen Atelier unterhielt. Nach seiner Rückkehr nach Barcelona entstand eine Serie von Stillleben, in denen Miró den späten Kubismus verarbeitete. Die Suche nach einem Ausgleich zwischen (nationalistisch gefärbter) Tradition und Moderne wurde in Paris von Picasso, Jean Cocteau, dessen von Picasso illustriertes Buch „Le Coq et l`Arlequin“ Miró nachweislich kannte, Eric Satie u. a. betrieben. Die Moderne nicht als Bruch mit der Tradition aufzufassen und Letztere abschaffen zu wollen, sondern beide zu harmonisieren, entsprach auch dem Wunsch von Joan Miró. Er suchte in den Stillleben aus dem Jahr 1922 katalanische Traditionen mit Elementen der Volkskunst und Symbolen des Landlebens in moderner Formensprache zusammenzuführen.

Im Winter 1920 kehrte Miró wieder nach Paris zurück und übernahm für einige Monate ein Atelier in der Rue Blomet 45 am Montmartre. So wurde er Nachbar von André Masson mit seiner Familie. In dessen Atelier traf er auf Michel Lieris, Antonin Artaud, Aragon, den zukünftigen Surrealisten. Breton und Éluard fanden Mirós Werk, nach dessen eigener Aussage, nur interessant, wenn er Poesien und Traumbilder malte.4 Die Bewunderung für Giorgio de Chirico und die Entdeckung von Paul Klee verband die Freunde, während Miró sonst die Bilder von Matisse und Henri Rousseau den Werken von André Derain vorzog. Die „Gruppe der Rue Château“ mit Prévert, Yves Tanguy, Marcel Duhamel wohnte in der Nähe. Im Dôme wohnten Dubuffet, Juan Gris und Robert Desnos. Zur Entstehung seiner Bildideen meinte Miró viele Jahre später, hätte er dem Hunger einige Bildideen zu verdanken, da er so wenig zu essen gehabt hätte, dass er halluzinierte.

 

„Der Bauernhof“ (1921/22) – Grundlage und Schlüssel für Mirós Werk

Mit „La Ferme“ (dt. „Der Bauernhof“, Montroig/Paris 1921/22), schloss Miró seine Suche nach seinem eigenen Stil vorerst ab. Er begann das Gemälde 1921 in Montroig und stellte es 1922 in Paris fertig, wo er es als sein bislang größtes und wichtigstes Werk anpries. Über die Vermittlung von Picasso nahm es der Kunsthändler Léonce Rosenberg in Kommission und schickte es zum Salon d`Automne. Rund um einen zentralen Eukalyptusbaum sind Gebäude, Menschen und Tiere angeordnet. Starke Stilisierung, ein Hang zum Ornamentalen, Vereinfachungen prägen die Idylle, die stilistisch sowohl kubistische, expressive aber auch romanische Einflüsse erkennen lässt. Erneut verbindet Miró seine katalanischen Wurzeln, die Darstellung eines charakteristischen Gehöfts, mit moderner Formensprache, um die Bindung der Bevölkerung aber auch seine eigene Verwurzelung mit dem Land und der ursprünglichen Lebensweise ideologisch und symbolisch zu fassen. Der damals noch mittellos Ernest Hemingway kaufte das Bild und behielt es sein Leben lang.

 

Die Entstehung des Symbols 1923/24

Der Wandel vom realistischen Maler zum Schöpfer von Symbolen ging im Werk von Joan Miró rasant vor sich, ohne dass eine biografische Begebenheit diese angestoßen hätte. Im Sommer 1924 entstand „Terre labourée“ (dt. „Das beackerte Feld“). Im Gegensatz zum Bild des Bauernhofes aus dem Jahr zuvor, sind nun die Bezüge der Objekte, Tiere und Pflanzen zueinander nicht mehr offensichtlich. Die Elemente beginnen zu schweben und werden Metamorphosen unterworfen. Auf diese Weise „öffnete Miró die Welt der Poesie und der Fantasie“5: Keine Perspektive, reduzierte, vereinfachte Gestaltung, Objekte ohne Gewicht und abstrahiert. Aus dem perspektivisch organisierten Raum machte Miró einen malerischen Raum. Horizontalen und Vertikalen halten die Objekte der Fläche wie durch ein Raster fest. Um zu zeigen, dass die Pinie eine lebende Pflanze ist, stattete er sie mit einem Auge und einem Ohr aus. In diesem Bild verheiratete Miró das Wirkliche und das Imaginäre.

In der Folge vereinfachte Miró die Symbole bis zum Extrem. Er nutzte Auslichtung, Auslassungen und Weglassung von Attributen. Sie werden zu Formen, deren Linien und Farben wichtiger wurden als ihre Bedeutung. Über das Bild „Paysage Catalan (Le Chasseur)“ (dt. „Katalanische Landschaft (Der Jäger)“, Montroig 1923/24) schrieb der Künstler an seinen Freund Rafols:

„Es gelingt mir, ins Absolute der Natur zu entfliehen, meine Landschaften haben mit der äußeren Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun. Und doch sind sie eigentlich montoigischer, als wenn sie nach der Natur abgemalt worden wären. (…) Bin in voller Arbeit und voller Begeisterung. Ungeheuerliche Tiere und engelhafte Tiere. Ein Baum mit Ohren und Augen und ein Bauer mit katalanischer Mütze, der ein Jagdgewehr hält und Pfeife raucht. Alle Bildprobleme gelöst. Alle goldenen Funken unserer Seele präzise ausgedrückt.“6

Aus der menschlichen Figur machte Miró ein Kürzel eines Mannes mit Bart, roter katalanischer Mütze, Pfeife. Alle Linien und Formen sind schematisiert und geometrisch. Dazu die Buchstaben „SARD“, die sich auf einen toten Fisch (katalanisch sardina) beziehen und in der Abkürzung schwierig deutbar wird.

 

„Traumbilder“ (1925–1927)

Das „Forschungsprogramm“ für die Umsetzung von seelischen Regungen in eine absolute Malerei brachte Miró in die Nähe der Surrealisten. André Breton veröffentlichte 1924 das „Erste surrealistische Manifest“. Im Jahr 1925 äußerte sich der Maler zu diesen Bildern und meinte auch noch Jahre später, sie wären durch Halluzinationen, die der Hunger hervorrief, ausgelöst worden. Doch der Fund von Skizzenbüchern und Entwurfszeichnungen hat die vom Künstler erinnerte Spontaneität in Frage gestellt. In ihnen destillierte Miró aus realistischen Objekten Ideogramme und Symbole. Die Gemälde sind daher weder Produkte von Mirós Träumen noch surrealistische Automatismen, wie sie André Masson in diesen Jahren provozierte.

Miró war an Hilfsmitteln wie Alkohol, Drogen oder Hypnose, mit denen die Surrealisten Traumbilder aus dem Unterbewussten aufsteigen ließen, nie interessiert. Seine Werke wurden in der Zeitschrift „La Révolution Surrèaliste“ abgebildet, und er stellte mit den Surrealisten gemeinsam aus. Rosa Maria Malet bezeichnete ihn als „eher gläubigen als praktizierenden Surrealisten“.7 Doch erst mit den „Traumbildern“, die in den Wintern 1925, 1926 und 1927 entstanden, integrierte er sich in die Gruppe der Surrealisten. Diese Werke sind von monochromen Hintergründen dominiert. Auf diesen erscheinen Zeichen, Flecken, Anspielungen auf Erlebnisse. In Skizzenbüchern notierte Miró, was er auf seinen Spaziergängen entdeckte und nutzte diese Notizen als Ausgangspunkte für seine Werke.8 Durch das Aufnehmen von Wörtern und Sätzen entstanden Bild-Gedichte. Unter der Bezeichnung „abstrakter Lyrismus“ werden diese Gemälde Mirós seit einigen Jahren eingereiht. Seine Aufenthalte in Montroig während der Sommer ließ jedoch bald die Landschaft als Motiv wiederkehren. Wiederkehrende Struktur ist der Horizont, der Himmel und Erde sorgsam voneinander trennt.

Am 18. Mai 1926 hatte das Ballett „Romeo und Julia“ mit den Ballets Russes in Paris Premiere. Auf Empfehlung von Pablo Picasso hatte Serge Diaghilev Joan Miró und Max Ernst als Bühnenbildner und Kostümentwerfer engagiert. Obwohl anfangs diese Zusammenarbeit von Breton und Aragon positiv beurteilt worden war, ließen sie sich von einer Bemerkung Picassos aus der Fassung bringen. Das Geld, so Picasso, hätte die Surrealisten dazu gebracht, mit „reaktionären weißen Russen“ zusammenzuarbeiten.9 Am Beginn der Premiere regnete es Flugblätter vom Balkon! Breton und Aragon sprachen sich gegen ihre Kollegen aus, sie hätte „mit der Macht des Geldes verhandelt“. Zum offenen Bruch mit den Künstlern kam es trotz der Verstimmung dennoch nicht: Breton veröffentlichte ihre Gemälde in der Zeitschrift „La Révolution surréaliste“. Die zeitgenössischen Kritiker sahen in Miró das Paradebeispiel surrealistischer Malerei, während Breton weiterhin Ernst bevorzugte. Miró, so war sich Breton sicher, hatte sich zu ausschließlich mit Malerei beschäftigt.

 

Die niederländische Erfahrung (1928/29)

Zwei Wochen lang besuchte Joan Miró im Frühling 1928 Städte und Museen in den Niederlanden. Künstlerisch verarbeitete der Maler diese Auseinandersetzung mit der niederländischen Genremalerei des Goldenen Zeitalters (17. Jahrhundert) in den „Holländischen Interieurs“. Die ersten drei Gemälde dieser Serie entstanden nach Postkarten, wobei er die Vorlagen einer phantasievollen Veränderung unterzog. Die Alten Meister inspirierten Miró, die Bildflächen dynamischer zu füllen, d. h. mit Leere und Fülle nicht so symmetrisch und gleichmäßig umzugehen, wie er es zuvor gemacht hatte. Die Farbkontraste wurden ebenso härter und die Dramatik der Szenen erhöhte sich von Bild zu Bild. Eine weitere Folge dieser Formexperimente ist die Serie „Imaginäre Porträts“, für die Miró Frauenbildnisse des 18. und 19. Jahrhunderts verarbeitete.

 

„Ermordung der Malerei“ und „Wilde Bilder“ (1929–1933/1934–1936)

Kaum hatte Miró seinen Stil und sich selbst gefunden – er heiratete am 12. Oktober 1929 Pilar Juncosa – geriet er in eine tiefe Krise. An die Stelle der Malerei traten in den vier Jahren Zeichnung und Collage aber auch Plastiken und Objekte. Vielleicht folge Miró mit diesen Werken der Neubewertung des Objekts durch die Surrealisten Salvador Dalí, Alexander Calder und auch Alberto Giacometti.10 Wenn diese Objekte auch flache Reliefs sind und eine gemalte Oberfläche aufweisen, so ist die Farbe immer in dienender Funktion eingesetzt. Wichtige Inspiration dafür lieferte Hans Arp, der ab 1927 ein Ateliernachbar Mirós war. Wichtiger sind die gefundenen Objekte, die „objets trouvés“, die er zu haptischen Konstruktionen und Assemblagen verbindet. Zur gleichen Zeit sprach sich Miró gegen einen Beitritt zur Kommunistischen Partei aus, da für ihn politische Militanz den Verlust der Freiheit bedeutete. Erst im Jahr 1933 kehrte Miró wieder zur Malerei zurück. Er schuf 18 riesige, jedoch farblose Gemälde auf Basis von Collagen aus Zeitungsreklamen oder Werbekatalogen. Nun scheinen die einzelnen Elemente in keiner Beziehung mehr zueinander zu stehen und völlig willkürlich arrangiert worden zu sein.

Bereits im Sommer 1934 wandelte sich Mirós Umgang mit Farbe dramatisch. Er selbst nannte die in der Folge entstandenen Werke seine „Wilden Bilder“. In ihnen nutzte der Maler erstmals seit vielen Jahren Licht und Schatten, um die Atmosphäre der Werke abzudunkeln. Neue Themen sind Gewalt, Drama, Kampf der Geschlechter aber auch Erotik und Sexualität. Die Figuren werden deformiert, Ungeheuer tauchen auf, die Landschaften wirken verzerrt. Der Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs am 18. Juli 1936 führte zu spontanen Bildern Mirós auf Masonit.

 

Vereinfachung und „Konstellationen“ (1937–1941)

Im Herbst 1936 kehrte Miró mit seiner Familie zurück nach Paris. Im folgenden Jahr begann er Zeichenkurse an der Grande Chaumière zu besuchen und nach dem lebenden Modell zu arbeiten. Die dunklen Bilder mit grellen Farben wirken wie ein realistischer Einbruch in dem sonst von Fröhlichkeit und Leichtigkeit durchzogenen Werk. Die Tragik der politischen Veränderungen dieser Jahre, der sich ankündigende Krieg scheinen diese Werke (v. a. die Stillleben) zu durchziehen. Wenn auch immer wieder poetische Bilder diese Reihe durchbrechen, so ist die wichtigste Lehre, die Miró aus den Materialassemblagen für sich zog, mit der Struktur des Untergrunds zu experimentieren. Im Jahr 1937 klebte er erstmals ein Handtuch auf den Holzgrund und verlieh damit dem dargestellten Kopf eine neue Materialität. Für den Pavillon der Spanischen Republik auf der Weltausstellung in Paris 1937 malte der den farbintensiven „Schnitter“ („Le faucheur“), der gegeüber von Picassos „Guernica“ hing (→ Picasso: Guernica). Das Bild ging auf mysteriöse Weise verloren.

„Jedes Staubkörnchen hat eine wunderbare Seele.  Aber um sie zu verstehen, muss man den religiösen und magischen Sinn der Dinge wiederfinden […].“11 (Joan Miró, 1936)

Zwischen August 1939 und Mai 1940 lebte Miró mit seiner Familie in Varengeville, einem Dorf an der Normandie-Küste. Hier entstanden die berühmten „Konstellationen“, Gemälde der inneren Emigration, in denen Miró den nächtlichen Sternenhimmel und die Musik als Inspirationsquellen nutzte. Das erste Werk dieser Serie ist mit 20. Januar 1940 datiert, das 23. Bild („Der Flug des göttlichen Vogels“) wurde am 12. September 1941 in Palma de Mallorca vollendet. Die Flucht vor den heranrückenden deutschen Truppen gelang am 20. März 1940 in letzter Sekunde. Mit dem Zug fuhr die Familie über Paris, Perpignan nach Gerona. Mirós Engagement für die Spanische Republik, so vermutete der Freund Joan Prats, könnte ihm Probleme bringen. Daher ließ sich die Familie unter dem Mädchennamen von Mirós Mutter, Ferrà, in Palma de Mallorca nieder.

Die „Konstellationen“ zeigen ein Gewirr von Linien und Formen. Für einige Forscher sind sie Vorläufer des amerikanischen Overall-Prinzips, da die Blätter 1945 in der New Yorker Galerie von Pierre Matisse gezeigt und von Jackson Pollock gesehen wurden.12 Die in der Abgeschiedenheit der Normandie und Spaniens entstandenen Werke sind mit Gouache und Öl auf angefeuchtetem und aufgerautem Papier gemalt. Dieses färbte Miró mit verschiedenen Farben, setzte Linien und Symbole darauf und nutzte nur drei oder vier reine Farben zu deren Ausgestaltung. Die Farben akzentuieren einzelne Flächen und werden bei Überschneidungen gewechselt. Während er in aller Stille an diesen Werken in Palma arbeitete, erreichte ihn die Nachricht vom großen Erfolg seiner großen Retrospektive im Museum of Modern Art in New York (1941). Erst 1978 feierte ihn sein Heimatland mit der Retrospektive in Madrid.

 

Miró's reifer Stil (1942–1982)

Mit den „Konstellationen“ erreichte Joan Miró eine so persönliche Bildsprache, dass sie leicht wiedererkannt werden kann. 1942/43 entstanden nur Arbeiten auf Papier, das Miró allerdings mit den ungewöhnlichsten Malmitteln bearbeitete (darunter Brombeermarmelade), um darauf Frauen, Vögel und Sterne wiederzugeben. Erneut übernahm die Fantasie des Künstlers die Umformung der Symbole (→ Miró's Spätwerk 1963 bis 1981). Ab 1944 begann Miró wieder auf Leinwand zu malen, meist jedoch in kleineren Formaten. Das kosmische Geschehen ist Thema und Inhalt zugleich.

Den internationalen Durchbruch schaffte Miró in den Vereinigten Staaten, wo er nach dem Erfolg seiner Retrospektive 1941 ein großes Wandbild für ein Restaurant in einem Wolkenkratzer in Cincinnati gestaltete. Dafür übersiedelte Miró von Februar bis Oktober 1947 nach New York. In den folgenden Jahren entstanden sowohl sorgfältig ausgeführte wie auch spontan erfundene Werke, in denen Miró seinen Stil weiter etablierte. Sein Formenvokabular war bereits ausgeprägt etabliert, der Künstler schuf unzählige Variationen und experimentierte mit verschiedenen Materialmischungen. Vor allem die keramischen Arbeiten nahmen ihn seit 1944 sehr ein. Anfang der 1950er Jahre begann er poetische Titel für seine Kompositionen zu erfinden. 1956 übersiedelte der inzwischen berühmte Katalane nach Palma de Mallorca, wo er sich ein großes Atelier einrichtete. Das Spätwerk ist ab 1960 geprägt von einer Auseinandersetzung mit bekannten Bildmotiven wie der Frau, die Gestirne, Vögel, der Erde und dem Himmel. Immer wieder setzte der Künstler kleine, unbedeutende Gegenstände oder Lebewesen (Wassertropfen, Vogel, Libelle) in Beziehung zum Kosmos (Sonne, Mond, Himmel).13 Das letzte Werk des Künstlers fasst das Werk des Katalanen noch einmal in monumentalem Format zusammen. Es ist die mit farbigen Fliesenscherben überzogene Zementplastik auf dem ehemaligen Gelände des Schlachthofes: „Frau und Vogel“ (1981/82) recken sich 22 Meter gegen den blauen Himmel über Barcelona.

 

„Miró. Von der Erde zum Himmel“ – Joan Miró (1893–1983) in der Albertina

Joan Miró verdankt seine Bekanntheit seinem grafischen Werk, das hauptsächlich nach dem Krieg entstand. Der späte Miró ist allgemein bekannter als der Künstler der 1920er und 1930er Jahre. Die fast monochromen „Traumbilder“ der mittleren 1920er Jahre, die Collagen, und Objekte um 1930 sind jedoch wichtige Arbeiten des Pariser Surrealismus und aus dessen Geschichte nicht wegzudenken. Interessanterweise hatte Miró in den USA stärkere Resonanz als in Europa, weshalb seine Kunst in amerikanischen Sammlungen und Museen besser vertreten ist. Die Ausstellung in der Albertina schließt daher ein Desiderat.

So poetisch wie Joan Miró oft seine eigenen Schöpfungen benannte, so poetisch präsentiert die Albertina den Katalanen in Wien. Nach René Magritte und Max Ernst zeigt Klaus-Albrecht Schröder nun den dritten „Surrealisten“ in Folge. Während Max Ernst dem Spiritus Rector des Surrealismus, André Breton, äußerst nahe stand, war Magritte bald schon zum Dissidenten geworden. Auch Miró hatte ein schwieriges Verhältnis zur Gruppe, wollte er weder Kompositionstechniken des Automatismus anwenden oder sich politisch äußern (außer seine Stellungnahme gegen den Spanischen Bürgerkrieg und die Diktatur).

Die Ausstellung in der Albertina wurde von Jean-Louis Prat, dem ehemaligen Direktor der Fondation Maeght (von Aimé Maeght, dem Galeristen von Miró in Europa, 1964 gegründet), und Gisela Fischer kuratiert. Den beiden Kunsthistorikern gelang ein umfassender Überblick, aus dem vielgestaltigen Werk des Katalanen jedoch allzu sehr die malerischen Arbeiten herausstellt. Die von Miró so geschätzten Techniken der Collage, die wichtigen, surrealistischen Objekte (1930 bis 1933), die Keramiken sind kaum präsent bis völlig ausgespart. Das malerische Werk ist mit einigen Hauptwerken vertreten und lässt andere wichtige Werkgruppen vermissen.

Die Schau setzt gleich mit dem Durchbruch Mirós 1919 zum „poetischen Realismus“ ein, die expressiven, kubofuturistischen Versuche der ersten Jahre werden gänzlich ausgespart. Ein Höhepunkt ist sicherlich „Der Bauernhof“ (1921/22), mit dem Miró seine ersten eigenständigen Versuche mit den Errungenschaften des Kubismus zu verschmelzen verstand. Das surrealistische Werk ist in der Folge durch Porträts von katalanischen Bauern vertreten, ein schönes Bild von „Musique, Seine, Michel, Bataille et moi“ verbindet Wort und abstrahierte Malerei. Von den drei wichtigen „Holländischen Interieurs“ bringt die Albertina zwei nach Wien, die verarbeiteten Vorbilder aus dem 17. Jahrhundert müssen die Besucher_innen allerdings im Internet nachschlagen, dicht gefolgt von einigen dunklen „Wilden Bildern“, besonders auffallend das Aquarell „Frau in der Revolte“ (26. Februar 1938), in denen die Zerstörung der Menschen bereits vorweggenommen wird. Aus der Kriegszeit sind leider die berühmten „Konstellationen“ nicht vertreten, dafür das spätere Blatt „Figuren im Regen“ (31. August 1942), das die innere Emigration des Künstlers und seine Hinwendung zu himmlischen Vorgängen verrät. Die wichtigen Collagen und Assemblagen der frühen 30er-Jahre, als Miró nach eigener Aussage die Malerei „umbrachte“, fehlen. In den 40er-Jahren hatte Miró seinen Personalstil in Form von Kürzeln, Symbolen, Linien und flächigem Farbeinsatz so weit entwickelt, dass das reife und späte Werk wie eine ständige Re-Kombination seiner Möglichkeiten wirkt. Wunderbar sind die Arbeiten „Der Stierkampf“ (8. Oktober 1945), „Frau bei Nacht“ (18. April 1945), „Malerei (Figuren mit Hund vor der Sonne)“ (1949). Sie zeigen wie Miró auf rauen Leinwänden (teils sogar Sackleinen!) mit ruhigen Linien und präzise gefüllten Flächen ausgewogenen Kompositionen voller Bildwitz schuf. Die scheinbar spontanen und kindlichen Einfälle sind mitnichten einfach auf die Leinwände fantasiert, ein genauer Blick zeigt, dass die Liniengeflechte auf der rauen Oberfläche aus mehrfach angesetzten Strichlagen komponiert wurden. Das reife und späte Werk des Künstlers (ab den 50er-Jahren) wird in zweieinhalb Räumen zusammengeführt, wo neben den Gemälden auch einigen wenige Keramiken und als einzige Druckgrafik das „Lapidarium. Buch über die Eigenschaften von Steinen“ (1981). Außergewöhnlich der „Sonnenvogel“ (1966), der in kleinem und monumentalem Format in der Schau zu sehen ist. Die Bedeutung von Joan Miró, so könnte man nach Besuch der Ausstellung und einem intensiven Studium seines Werkes vermuten, ist deutlich unterschätzt. Mitnichten handelt es sich um kindlich-spielerische Schöpfungen, der bekannte Miró-Stil ist eigentlich nur einer unter vielen. Das Spätwerk ist beispielsweise vom Einsatz mehrerer Stile gleichzeitig geprägt, denn neben den linear-präzisen Gemälden finden sich auch deutlich „wildere“, von der Gestik des Pinselstrichs lebende Arbeiten, in denen die expressiven Qualitäten an die Generation der „Neuen Wilden“ aber auch an das Werk von Jean-Michel Basquiat (1960–1988) denken lassen (→ Neue Wilde | Junge Wilde).

 

Biografie von Joan Miró (1893–1983)

Am 20. April 1893 um 21:00 wurde Joan Miró in Barcelona in der Passatge del Crèdit Nr. 4 geboren.14 Sein Vater Miquel Miró i Adzerias war Goldschmied und seine Mutter, Dolores Ferrà, die Tochter eines Kunsttischlers aus Palma de Mallorca.
1900 Besuch der Volksschule in der Calle de Regomir; Sommeraufenthalte in Cornudella oder Palma de Mallorca.
1901 Während der Ferien bei den Großeltern auf Mallorca und dem Land entstanden erste Zeichnungen.
1907 Besuch der Handelsschule von Barcelona. Unterricht an der Kunstakademie von La Lonja bei Modest Urgell und Josep Pascó.
1910 Arbeit als Angestellter in der Drogerie Dalmau i Oliveiras.
1911 Nach schwerer Erkrankung erholt sich Miró im Landhaus seiner Eltern in Montroig, in der Nähe von Tarragona, und widmet sich ab nun ausschließlich der Malerei.
1912 Fortsetzung des Kunststudiums in der Kunstschule von Francesc Galí, Freundschaft mit dem Maler E. C. Ricart und dem Keramiker Llorens i Artigas, sah Ausstellungen in der Galerie Dalmau: Fauves und Kubisten. Malte erstmals in Öl.
1915 Miró verließ die Kunstschule und besuchte die freie Zeichenakademie des Zirkels Sant Lluch. Freundschaft mit Joan Prats und J. F. Ràfols. Interesse für französische Poesie sowie Avantgarde-zeitschriften wie „Nord-Sud“ von Pierre Reverdy.
1916 Besuch der französischen Ausstellung in Barcelona, die von Vollard organisiert worden war. Erste Kontakte mit dem Kunsthändler Dalmau.
1917 Begegnung mit Francis Picabia (→ Francis Picabia: Unser Kopf ist rund), der in Barcelona die dadaistische Revue „391“ herausgab.
1918 Erste Einzelausstellung in der Galerie Dalmau. Mitbegründer von „Agrupacio Courbet“ unter der Führung von Artigas.
1919 Erste Gruppenausstellung der „Agrupacio Courbet“. Erster Aufenthalt in Paris, Begegnung mit Pablo Picasso, dem er sein Selbstbildnis schenkt, und dem Kritiker Maurice Raynal.
1920 Miró verbrachte den Winter in Paris und den Sommer in Montroig. Begegnungen mit den Dichtern Reverdy, Tristan Tzara und Max Jacob; Teilnahme an Dada-Veranstaltungen.
1921 Mietete ein Atelier in der Rue Blomet 45 und schloss Freundschaft mit seinem neuen Nachbarn André Masson. Die „Groupe de la Rue Blomet“ führte die Dichter Leiris, Limbour, Artaud, Tual und Salacrou zusammen. Seine erste Ausstellung in Paris in der Galerie La Licorne hat keinen Erfolg.
1922 Der junge Maler wurde Mitglied der Rue-Blomet-Gruppe, im Sommer beendete er das Gemälde „Der Bauernhof“ in Montroig.
1923 Miró wurde zum Herbstsalon (Salon d`Automne) eingeladen. Hemingway, Ezra Pound und Henri Miller begegneten Miró, dazu noch Breton, Aragon, Eluard, Prévert, Péret.
1924 Freundete sich mit Breton, Éluard und Aragon an. Miró trat der surrealistischen Gruppe bei und nahm an deren Aktivitäten und Ausstellungen teil.
1925 Einzel- und Gruppenausstellung in der Galerie Pierre Loeb. Seine Einzelausstellung ist sehr erfolgreich.
1926 Gemeinsam mit Max Ernst entwarf Miró die Ausstattung für „Romeo und Julia“ der Ballets Russes. André Breton rügte seine Kollegen dafür.
1927 Übersiedelte nach Montmartre in die Rue Tourlaque (Cité des Fusains), wo auch Élouard, Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, Magritte und Ernst wohnten. Teilnahme an der von der „Société Anonyme“ in Brooklyn organisierten internationalen Ausstellung moderner Kunst.
1928 Reise in die Niederlande, malte danach holländische Interieurs. Ausstellung in der Galerie Georges Bernheim in Paris.
1929 Am 12. Oktober heiratete er in Palma de Mallorca Pilar Juncosa. Übersiedelte in die Rue François Mouthon Nr. 3, im 15. Arrondissement. Ausstellung in der Galerie Le Centaure in Brüssel.
1930 Erste Ausstellung in New York in der Valentine Gallery. Illustrierte „L`arbre des voyageurs“ von Tristan Tzara mit ersten Lithografien.
1931 Geburt der Tochter Maria Dolorès am 17. Juli in Barcelona. Ausstellung von Skulpturen-Objekten in der Galerie Pierre in Paris. Ausstellung im Arts Club in Chicago.
1932 Ausstattung für das Ballett „Jeux d`enfants“ in Monte Carlo (14. April). Erste Ausstellung bei Pierre Matisse in New York, der ihn nun in den USA vertrat. Bei Pierre Colle in Paris stellte er kleinere Bilder auf Holz aus und gemeinsam mit den Surrealisten im „Salon des Surindépendants“. Übersiedelte nach Barcelona.
1933 Rückkehr zur Malerei: Serie an großformatigen, nach Collagen entstandenen Bildern. Erste Radierungen. Ausstellung in der Galerie Bernheim in Paris.
1934 Lebte in Barcelona und stellte bei der Galerie Cahiers d`Art in Paris aus und zeichnete großformatige „wilde“ Pastellbilder auf Velours-Papier (Sandpapier).
1935 Teilnahme an surrealistischen Ausstellung auf Teneriffa, in Luzern und Kopenhagen.
1936 Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs im Juli. Miró übersiedelte nach Paris und kehrte erst 1940 wieder nach Spanien zurück.
1937 Für die Weltausstellung malte Miró das Wandgemälde „Le faucheur/Der Schnitter“ für den Pavillon des republikanischen Spanien (Picasso schuf „Guernica“ und Alexander Calder seinen „Merkur-Brunnen“), das verschollen ist. An der Grande Chaumier widmete sich Miró erneut dem Aktzeichnen. Eine Ausstellung in Tokio führte zum Kontakt mit dem Dichter Shuzo Takiguchi, der die erste Monografie über Miró schrieb.
1938/39 Teilnahme an der Gruppenausstellung der Surrealisten in der Galerie des Beaux-Arts in Paris (1938). Sommer und 1939 in Varengeville-sur-Mer in der Normandie.
1940 Malte in der Normandie auf Sackleinwand. Begann am 20. Januar die Serie der „Konstellationen“, die er nach seiner Rückkehr nach Spanien in Palma und Montroig vollendete.
1941 Erste große Retrospektive im Museum of Modern Art in New York, die von J. J. Sweeney organisiert wurde. Sweeney publizierte eine Monografie.
1942 Wohnte in seinem Geburtshaus, in der Pasatge del Crèdit Nr. 4 in Barcelona. Bis 1944 arbeitete er auf Papier.
1944 In Zusammenarbeit mit Llorens i Artigas arbeitete er an ersten Keramikobjekten und Bronzeskulpturen. Druck der ersten 50 Lithografien der „Barcelona-Serie“ (1939 auf Umdruckpapier gezeichnet).
1945 Stellte bei Pierre Matisse in New York „Keramiken und Konstellationen“ aus.
1947 Miró reiste erstmals nach Amerika, wo er für das Terrace Plaza Hotel von Cincinnati ein Wandgemälde von der Größe 3 x 10 m ausführte. Zeigte Interesse an der zeitgenössischen, amerikanischen Malerei. In der Galerie Maeght in Paris organisierten Breton und Duchamp eine Gruppenausstellung der Surrealisten, an der Miró beteiligt war.
1948 Rückkehr nach Paris. Ausstellungen bei Pierre Matisse in New York und Maeght in Paris. Letztere vertrat ihn nun weltweit.
1949 Die Kunsthallen in Bern und Basel widmeten ihm Ausstellungen.
1950 Miró schuf ein Wandgemälde für die Harvard University und erste Xylografien.
1952/53 Malt eine Serie von Bildern in einem freieren, brutaleren Stil. Ausstellungen in der Kunsthalle Basel (1952) und Bern (1953). Erneute Zusammenarbeit mit Llorens i Artigas: Zwischen 1953 und 1956 entstanden in Gallifa 386 Keramiken, die er in der Galerie Maeght und bei Pierre Matisse ausstellte.
1954 Auf der Biennale von Venedig gewann er den Großen Grafikpreis. Außer den kleinen Bildern auf Karton (1955) entstanden bis 1959 keine Gemälde mehr.
1955 In diesem Jahr widmete sich Miró hauptsächlich Keramikobjekten. Llorens i Artigas und sein Sohn Joan Gardy Artigas assistieren Miró.
1956 Ließ sich in der Nähe von Palma de Mallorca nieder, wo ihm Josep Lluis Sert ein Atelier gebaut hat. Die Retrospektive aus dem Palais des Beaux-Arts in Brüssel wurde im Stedelijk Museum in Amsterdam und in der Kunsthalle Basel gezeigt.
1958 Erste monumentale Keramiken für das neue UNESCO-Hauptgebäude in Paris: „Die Wand der Sonne“ und „Die Wand des Mondes“
1959 Zweiter Aufenthalt in den Vereinigen Staaten. Retrospektiven im MoMA und Los Angeles. Großer Preis der Guggenheim-Stiftung.
1961 Dritter Aufenthalt in den USA: Wandkeramik für die Harvard University, zahlreiche Grafiken und Lithos im Atelier Maeght.
1962 Große Retrospektive im Musée National d`Art Moderne in Paris. Stiftete den „Joan-Miró-Preis für Zeichnen“
1964 Eröffnung der Fondation Maeght in St-Paul-de-Vence, für die er Keramiken und Skulpturen schuf. Wandkeramik für die Handelshochschule St. Gallen.
1966 Miró reiste erstmals nach Japan: Tokio und Kyoto zeigen eine Retrospektive. Wandkeramik „Alicia“ für das Solomon R. Guggenheim Museum in New York
1967 Carnegie-Preis der Malerei
1970 Riesiger Keramikdekor für den Flughafen von Barcelona. Gemälde und Wandkeramik für die Weltausstellung in Osaka.
1971/72 Ausstellungen von Plastiken im Art Institute of Chicago, in der Hayward Gallery in London und im Kunsthaus Zürich. Gründung der Joan-Miró-Stiftung – Centre d`Estudis d`Art Contemporani.
1973 In Zusammenarbeit mit Josep Royo in Tarragona realisierte Miró „Sobreteixims“, das sind Originalkreationen auf Webstühlen.
1975 Auf dem Montjuich-Hügel eröffnete die Miró-Stiftung (errichtet von Josep Lluis Sert).
1976 offizielle Einweihung der Stiftung mit einer Auswahl von 475 Zeichnungen(1901–1975) von ca. 5.000 geschenkten Arbeiten.
1977 Erstes großes Mosaik-dekor für die Wichita University, Wandteppich für die National Gallery in Washington. „Ceci est la couleur de mes rêves“ (Gespräche mit Georges Raillard) erschien als Buch.
1978 Mehrfarbige Monumentalskulptur auf der Esplanade de la Défense in Paris. Großes Kirchenfenster in der Fondation Maeght. Entwarf Kostüme und Vorhänge für das Schauspiel „Mori el Merma“. Die Joan-Miró-Stiftung erhielt den „Museumspreis“ des Europarates.
1979 Kirchenfenster für die Kirche Saint-Frambourg der Cziffra-Stiftung in Senlis/Frankreich.
1980 Monumentale Keramik für den neuen Madrider Ausstellungs- und Kongresspalast.
1981 Zwölf Meter hohe Monumentalskulptur für die Stadt Chicago.
1982 „Frau und Vogel“, eine 22 Meter hohe, mit keramischen Scherben bedeckte Zementplastik, wurde in dem Park aufgestellt, wo sich der frühere Schlachthof von Barcelona befand.
Am 25. Dezember 1983 starb Joan Miró im Alter von neunzig Jahren in seinem Anwesen „Son Abrines“ in Cala Mayor auf Mallorca. Heute befindet sich dort die 1981 gegründete Fundaćio Pilar i Joan Miró. Der private Gedenkgottesdienst am 27. Dezember wird auf Wunsch des Verstorbenen auf Katalanisch gehalten. Mirós Beerdigung fand am 29. Dezember in Barcelona statt.

 

Literatur

  • Rosa Maria Malet, Joan Miró, Stuttgart 1984.
  • Joan Miró (Ausst.-Kat. Kunsthaus Zürich, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Solomon R. Guggenheim Museum New York 1987), Bern 1987.
  • Pere Gimferrer, Joan Miró. Auf den Spuren seiner Kunst, Stuttgart 1993.
  • Carolyn Lancher, Joan Miró (Ausst.-Kat. The Museum of Modern Art, New York 17.10.1992-11.1.1994), New York 1993.
  • Barbara Catoir, Miró auf Mallorca, München/New York 1995.
  • Agnès de la Beaumelle (Hg.), Joan Miró 1917–1934 (Ausst.-Kat. Centre National d`Art et de Culture Georges Pompidou), Paris 2004.

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Der jüngst von der Yale University Press, New Haven and London herausgegebene, 104 Seiten schmale Band über das Spätwerk von Joan Miró (1893–1983) besticht durch seine grafische Gestaltung und einem Interview mit dem bedeutenden katalanischen Filmemacher und Miró-Freund Pere Portabella (* 1929 Barcelona). Das von Marquand Books, Inc., Seattle betreute Buch wurde von Erica Anderson als kongeniales Pendant zur Malerei Mirós entwickelt. Es finden sich dessen kompositorische Strategien wie die harmonische Verteilung der Bildelemente über den weißen Grund, der spielerische Umgang mit Richtungen. Das Spielerische und Experimentelle in der Kunst des Katalanen wird in diesem Band äußerst geschickt auf der visuellen Ebene transportiert.
  1. Siehe vor allem: Carolyn Lancher, Joan Miró (Ausst.-Kat. The Museum of Modern Art, New York 17.10.1992-11.1.1994), New York 1993, S. 19–22.
  2. Zitiert nach Robert S. Lubar, Mirós katalanische Anfänge, in: Joan Miró (Ausst.-Kat. Kunsthaus Zürich, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Solomon R. Guggenheim Museum New York 1987), Bern 1987, S. 12–35, hier S. 21.
  3. Ebenda, S. 24.
  4. Joan Miró, Erinnerungen an die Rue Blomet, in: Joan Miró (Ausst.-Kat. Kunsthaus Zürich, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Solomon R. Guggenheim Museum New York 1987), Bern 1987, S. 37–40, hier S. 39.
  5. Jacques Dupin, Die Entstehung des Symbols, in: Joan Miró (Ausst.-Kat. Kunsthaus Zürich, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Solomon R. Guggenheim Museum New York 1987), Bern 1987, S. 42–52, hier S. 44 und Kat. 25.
  6. Zitiert nach ebenda, Kat. 25.
  7. Rosa Maria Malet, Joan Miró, Stuttgart 1984, S. 12.
  8. Ausführlichere Informationen zum Verhältnis Skizze und ausgeführtes Werk bietet der Katalog von Pere Gimferrer, Joan Miró. Auf den Spuren seiner Kunst, Stuttgart 1993.
  9. Zitiert nach Carolyn Lancher, Joan Miró (Ausst.-Kat. The Museum of Modern Art, New York 17.10.1992-11.1.1994), New York 1993, S. 47.
  10. Siehe William Jeffett, Miró`s unhappy Consciousness: Relief-Sculpture and Objects, 1930–1932, in: Agnès de la Beaumelle (Hg.), Joan Miró 1917–1934 (Ausst.-Kat. Centre National d`Art et de Culture Georges Pompidou), Paris 2004, S. 81–93, hier S. 84.
  11. Zitiert nach Surreale Begegnungen (Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle), München 2016, S. 96.
  12. Ebenda, S. 71.
  13. Siehe Pere Gimferrer, Joan Miró. Auf den Spuren seiner Kunst, Stuttgart 1993, S. 266.
  14. Die Biografie wurde mit folgenden Quellen zusammengestellt: Rosa Maria Malet, Joan Miró, Stuttgart 1984, S. 31–32.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.