New York | Christie’s: Paul Allen-Auktion bricht Weltrekord | ARTinWORDS
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New York | Christie’s: Paul Allen-Auktion bricht Weltrekord Seurat, Cézanne, van Gogh, Klimt | 2022

Georges Seurat: Les Poseuses, Ensemble (Petite version), Öl-Lw, 39,3 x 50 (Privatsammlung)

Georges Seurat: Les Poseuses, Ensemble (Petite version), Öl-Lw, 39,3 x 50 (Privatsammlung)

Teil I der Auktion „Visionary: The Paul G. Allen Collection“ erzielte am 9. November 2022 in New York 1,5 Milliarden Dollar. Neue Auktionsweltrekorde für 18 Künstler, darunter Georges Seurat, Paul Cézanne, Vincent van Gogh, Gustav Klimt, Lucian Freud.

The Paul G. Allen Collection

Am 9. November 2022 wurde der erste Teil der Paul G. Allen Collection in New York bei Christie’s versteigert. Der 2018 verstorbene Mitbegründer von Microsoft und Kunstliebhaber sammelte Malerei von der Renaissance bis zur Gegenwart, von Sandro Botticelli bis Gerhard Richter. Bereits vor der Auktion galt Allens Kollektion als teuerste Privatsammlung der Welt – ein Status, der nun bestätigt wird. Allein die 60 Werke des ersten Auktionstages erzielten einen Gesamtwert von 1.506.386.000 US-Dollar. Fünf Gemälde erzielten Preise von über 100 Millionen Dollar. Der Erlös wird, dem Wunsch Allens entsprechend, in philanthropische Projekte fließen.

Die teuersten Bilder

Georges Seurat: Les Poseuses, Ensemble (Petite version): $ 149.240,000

Seurat dürfte diese kleinere Version seines berühmten Werks nach Vollendung von „Les Poseuses [Die Modelle]“ geschaffen haben. Das 39,3 x 50 cm kleine Werk zeigt den von Seurat entwickelten Pointillismus noch kleinteiliger (→ Georges Seurat, Erfinder des Pointillismus).

Paul Cézanne, La Montagne Sainte-Victoire, 1888–1890: $ 137.790,000

Das Lebensthema Paul Cézannes in einer äußerst ausgewogenen Komposition setzte einen neuen Weltrekord für den Künstler. Der Künstler fand in der Umgebung von Aix jene monumentale Landschaft, die ihn dazu inspirierte, Atmosphäre und Details zunehmend zu unterdrücken, um sich ganz der Form hinzugeben. Hatte Cézanne in den ersten Bildern von der Montagne Sainte-Victoire noch beispielsweise das Eisenbahn-Aquädukt angeführt, so konzentrierte er sich um 1890 nur noch auf das Bergmassiv. Die zunehmend gleichförmig, mit parallelen Strichen aufgetragene Ölfarbe bildet Farbflecken, die der naturalistischen Wiedergabe des Motivs widerstehen. Der reife Stil Cézannes ist in diesem Werk bereits voll entwickelt.

Paul Gauguin, Maternité II, Tahiti 1899: $

Paul Gauguin schuf dieses Bild der Mutterschaft im Jahr 1899 in Tahiti, wohin er sich mit dem Wunsch zurückgezogen hatte, der Zivilisation zu entfliehen. Auch wenn der Maler in der Südsee nicht mehr die gesuchte Ursprünglichkeit gefunden hat, so inszenierte er doch die hiesigen Frauen als exotische Schönheiten (→ Paul Gauguin. Werke aus der Südsee). Der leuchtende, flächige Farbauftrag lässt an Malexperimente in der bretonischen Künstlerkolonie denken, die Gauguins Stil aufnahm und weiterentwickelte.

Vincent van Gogh, Verger avec cyprès, Arles April 1888: $ 117.180,000

Kurz nach seiner Ankunft in Arles schuf Vincent van Gogh eine Serie von 14 Bildern zu einem blühenden Obstgarten. Damit schloss er einerseits an ein Bildmotiv von Charles Daubigny an, den er sehr verehrte, und zum anderen an den Pariser Impressionismus, den er sich in den eineinhalb Jahren zuvor angeeignet hatte. Der impressionistische Farbauftrag in kurzen Strichen und Punkten, die pastelligen Töne und die ausgewogene Komposition machen das Bild zu einem Dokument des sich auf neue Wege begebenden Niederländers (→ Vincent van Gogh. Von Paris nach Arles).

Gustav Klimt, Birkenwald, 1903: $ 104.585,000

Christie’s soll den Einbringern für das Werk von Gustav Klimt 90 Millionen Dollar garantiert haben, hört man. Damit ging das Auktionshaus das Risiko ein, die Landschaft des österreichischen Jugendstil-Künstlers für diesen Preis ankaufen zu müssen, falls es nicht oder unter diesem Wert ersteigert werden sollte.

Das 2006 vom Belvedere an die Erben von Adele Bloch-Bauer restituierte Bild „Birkenwald“, auch bekannt als „Buchenwald“, erzielte damals noch knapp über 28 Millionen EURO. In der Zwischenzeit 2017 war der „Bauerngarten“ Klimts für knapp 50 Millionen EURO versteigert worden. Das „Seeufer Mit Birken“ von 1901 wurde zurückgezogen und die beiden etwas späteren Landschaften „Litzlberg Am Attersee“ und „Kirche in Cassone“ erzielten 26 Mio. (2011) bzw. 27,5 Mio. (2010). Mit den 105 Millionen übertraf der Erlös 2022 die Erwartungen – allerdings nicht um ein Vierfaches, wie auch spekuliert worden war. Dennoch setzt es einen neuen Weltrekord für Klimt und zementiert seinen Ruf als einer der populärsten Künstler weiter ein.

Lucian Freud, Large Interior, W11 (after Watteau), 1981–1983: $ 86.265,000

Lucian Freud wählte für sein „Large Interior, W11“ ein außergewöhnliches Vorbild: Antoine Watteaus „Der zufriedene Pierrot“ (Museo National Thyssen-Bornemisza, Madrid). Das Rokoko-Gemälde von etwa 1712 zeigt den glücklichen Pierrot zwischen zwei musizierenden Mädchen und einem Mann in einer Parklandschaft. Freud veränderte die fête galante in ein Interieur. Anstelle der Figuren aus der Commedia dell’Arte ließ Freud Familienmitglieder für das Gruppenporträt sitzen und liegen. Eng aneinandergerückt und von oben gezeigt, wirken sie trotz oder gerade wegen der Nähe ein wenig gestresst.

Claude Monet, Waterloo Bridge, soleil voile, 1899–1903: $ 64.510,000

Claude Monets berühmte Serie zur Waterloo Bridge erfreut sich allgemeiner Beliebtheit. Kurz bevor sein „Impression, soleil levant“ den 150. Geburtstag feiert, wird die Bedeutung Monets am internationalen Kunstmarkt einmal mehr bestätigt.

Jasper Johns, Small False Start, 1960: $ 55.350,000

Jasper Johns’ „Small False Start“ spielt mit Sprache und Farbe innerhalb einer komplexen, geschichteten Oberfläche. Darin evoziert die Dissonanz zwischen Text und Bild den ins Konzeptuelle übertragenen Dadaismus von Kurt Schwitters und Hans Arp: Letztendlich widersetzt sich das Gemälde, wie Johns selbst, jeder Kategorisierung. Johns selbst meinte, dass es in seinem Schaffen Ende der 1950er Jahre an Grenzen gestoßen sei, „die ich überwinden wollte. […] Bei Flaggen und Zielscheiben ist die Position der Farben vorbestimmt. Ich wollte einen Weg finden, Farbe so einzusetzen, dass die Farbe durch eine andere Methode bestimmt wird.“

Mit „False Start“ (Privatsammlung) fand er 1959 eine Lösung für das Problem: Johns stellte expressiven Farbflecken mit Schablonen aufgetragene Farbennamen – in „falschen“ Farben – entgegen. Bild und Text ergänzen und widersprechen einander gleichermaßen. Damit löste sich der Maler vom vorherrschenden Abstrakten Expressionismus und wurde zu einem Vorläufer der Pop Art (→ Abstrakter Expressionismus | Informel / Pop Art). Das bei einem Privatverkauft mit 80 Mio. Dollar taxierte Gemälde hat mit „Small False Start“ einen „kleinen Bruder“, der nun offiziell mehr als 55 Mio wert ist.

Edouard Manet, Canal Grande in Venedig, Herbst 1874: $ 51.915,000

Edouard Manets impressionistische Bilder aus Venedig begeistern Publikum wie Sammler:innen. Auch für diese stimmungsvolle Schilderung des Canal Grande wurde ein Weltrekordpreis geboten (→ Edouard Manet und Venedig).

Sandro Botticelli, Madonna del Magnificat: $ 48,480,000

Sandro Botticelli zählt zu den berühmtesten Malern der Florentiner Renaissance. Seine „Madonna del Magnificat“ ist ein außerordentliches Werk, kombiniert es doch eine schreibende Muttergottes mit dem Jesusknaben am Schoß mit einem Landschaftsausblick im Hintergrund. Blickregie und superbe Erhaltung machen das Werk zu einem Höhepunkt der Auktion.

Paul Signac, Concarneau, calme du matin (Opus no. 219, larghetto), 1891: $ 39.320,000

Nach dem frühen Tod von Georges Seurat lag es an Paul Signac, den Pointillismus weiterzuentwickeln. Der begeisterte Segler tat dies in unzähligen Darstellungen der französischen Häfen, allen voran jenem der Atlantikküste in Concarneau. Dass der Maler dem Werk einen musikalischen Titel samt Geschwindigkeitsangabe verlieh, macht die morgendliche Szene voller geblähter Segel noch attraktiver.

18 Weltrekorde

18 Werke erzielten neue Künstlerweltrekorde: Thomas Hart Benton, Jan Brueghel der Jüngere, Paul Cezanne, Henri Edmond Cross, Max Ernst, Sam Francis, Lucian Freud, Paul Gauguin, Barbara Hepworth, Jasper Johns, Gustav Klimt, Diego Rivera, Georges Seurat, Henri Le Sidaner, Paul Signac, Edward Steichen, Vincent van Gogh und Andrew Wyeth.

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.