Die Fondation Louis Vuitton präsentiert die erste Retrospektive zu Mark Rothko (1903–1970) seit 25 Jahren. Die Ausstellung bringt etwa 115 Werke aus den größten internationalen Sammlungen zusammen, darunter der National Gallery of Art in Washington D.C., der Tate Gallery in London und der Familie des Künstlers. Sie wird chronologisch in allen Räumen der Fondation gezeigt und zeichnet die gesamte Karriere des Künstlers nach: von seinen frühesten figurativen Gemälden bis zu den abstrakten Werken, für die er heute am bekanntesten ist (→ Mark Rothko: Biografie).
„Ich bin Maler geworden, weil ich die Malerei auf die Ebene der Eindringlichkeit von Musik und Poesie heben wollte.“ (Mark Rothko)
Frankreich | Paris:
Fondation Louis Vuitton
18.10.2023 – 2.4.2024
Die Ausstellung beginnt mit intimen Szenen und Stadtlandschaften – etwa inspiriert von der New Yorker U-Bahn –, die Rothkos Schaffen in den 1930er Jahren dominieren. Erst nach dieser Phase ging er zu einem von antiken Mythen und Surrealismus beeindruckten Repertoire über. Damit brachte Rothko die tragische Dimension des Menschen während des Zweiten Weltkrieges zum Ausdruck.
Ab 1946 vollzog Rothko einen wichtigen Wandel hin zum Abstrakten Expressionismus (→ Abstrakter Expressionismus | Informel). Die erste Phase dieses Wechsels ist die von Multiforms, bei der chromatische Massen in einer Art Gleichgewicht auf der Leinwand schweben. Allmählich nimmt ihre Zahl ab, und die räumliche Organisation seiner Malerei entwickelt sich schnell in Richtung Rothkos „klassischer“ Werke der 1950er Jahre, in denen sich rechteckige Formen in einem Zweier- oder Dreier-Rhythmus überlappen, der durch Schattierungen von Gelb, Rot, Ocker, Orange und Gelb, aber auch Blau, Weiß gekennzeichnet ist.
1958 erhielt Rothko den Auftrag, eine Reihe von Wandgemälden für das angesagte Restaurant Four Seasons anzufertigen, das Philip Johnson für das Seagram Building in New York entworfen hat. Den Bau von überwachte Ludwig Mies van der Rohe.
Er machte sich an die Arbeit und baute in seinem Atelier ein Gerüst, das genau den Abmessungen des Restaurants entsprach. Allerdings hatten die Wandgemälde eine düsterere Stimmung als seine früheren Arbeiten. Die hellen und intensiven Farben seiner früheren Gemälde wechselten zu Kastanienbraun, Dunkelrot und Schwarz.
Rothko wurde von Michelangelos Laurentianischer Bibliothek in Florenz mit ihren blinden Fenstern und der bewusst bedrückenden Atmosphäre beeinflusst. Berichten zufolge hat Rothko kommentiert, dass Michelangelo „genau das Gefühl erreicht hat, das ich suche – er gibt den Zuschauern das Gefühl, in einem Raum gefangen zu sein, in dem alle Türen und Fenster zugemauert sind, sodass sie nur für immer den Kopf anstoßen können.“
Rothko erkannte, dass der weltliche Rahmen eines Restaurants nicht der ideale Ort für eine solche Arbeit wäre, und zog sich aus dem Auftrag zurück. Elf Jahre nach der Auftragserteilung, 1969, schenkte der Künstler neun dieser Gemälde – die sich von den vorherigen durch ihre tiefroten Farbtöne unterscheiden – der Tate Gallery, die Rothko einen Raum in ihren Sammlungen widmet. Damit drückte der Maler seine tiefe Zuneigung zu England und den britischen Künstlern aus.
Diese Serie wird ausnahmsweise in der Fondation Louis Vuitton präsentiert. Diese Installation umfasst alle neun Gemälde der Tate. Wie vom Künstler beabsichtigt, in reduziertem Licht und in einem kompakten Raum präsentiert, kommt erst langsam die Subtilität der geschichteten Oberflächen zum Vorschein und offenbart ihren feierlichen und meditativen Charakter.
1960 widmet die Phillips Collection als dem Künstler einen eigenen Raum – den ersten „Rothko Room“. Der Rothko-Raum wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler gestaltet und ist auch in der Pariser Ausstellung zu sehen.
Ein Jahr später, 1961, organisierte das Museum of Modern Art in New York die erste große Retrospektive, die anschließend in mehrere europäische Städten wanderte (London, Basel, Amsterdam, Brüssel, Rom und Paris). In den 1960er Jahren nahm Rothko neue Aufträge an, insbesondere die Kapelle für John und Dominique de Menil in Houston, die 1971 eingeweiht wurde und den Namen Rothko-Kapelle trägt.
Obschon Rothko seit den späten 1950er Jahren dunklere Töne und gedämpfte Kontraste bevorzugte, gab der Künstler seine Palette leuchtender Farben nie ganz auf. Mehrere Gemälde aus dem Jahr 1967 und das letzte unvollendete rote Gemälde in seinem Atelier belegen diese Farbwahl. Selbst im Fall der Black and Grey-Serie aus den Jahren 1969/70 sollte eine vereinfachende Interpretation des Werks, die Grau und Schwarz mit Depressionen und Selbstmord in Verbindung bringt, am besten vermieden werden.
Diese subtil mit Farbe arbeitenden Gemälde werden im höchsten Raum des Frank-Gehry-Gebäudes zusammen mit den großen Figuren von Alberto Giacometti ausgestellt und schaffen eine Umgebung, die dem nahe kommt, was Rothko für einen UNESCO-Auftrag im Sinn hatte, der jedoch nie realisiert wurde. Die Beständigkeit von Rothkos Fragen, sein Wunsch nach wortlosem Dialog mit den Betrachter:innen und seine Weigerung, als „Kolorist“ gesehen zu werden, sind Elemente, die in dieser Ausstellung eine neue Interpretation seines vielschichtigen Werks ermöglichen.
Kuratiert von Suzanne Pagé und Christopher Rothko mit François Michaud und Ludovic Delalande, Claudia Buizza, Magdalena Gemra, Cordélia de Brosses.
Quelle: Fondation Louis Vuitton