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Picasso: Guernica Ausstellung zum 80. Geburtstag des Gemäldes im Museo Reina Sofia, Madrid | 2017

Pablo Picasso, Guernica, Detail, Paris, 1. Mai bis 4. Juni 1937, Öl auf Leinwand, 349,3 x 776,6 cm (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia © Sucesión Pablo Picasso, VEGAP, Madrid, 2017)

Pablo Picasso, Guernica, Detail, Paris, 1. Mai bis 4. Juni 1937, Öl auf Leinwand, 349,3 x 776,6 cm (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia © Sucesión Pablo Picasso, VEGAP, Madrid, 2017)

Pablo Picassos „Guernica“, ein 27 Quadratmeter großer Aufschrei gegen das Bombardement der gleichnamigen Stadt im Baskenland, wurde 1937 im Spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris erstmals dem Publikum gezeigt. Mit „Guernica“ hat Pablo Picasso ein Werk geschaffen, das nicht zuletzt durch seine bewegte Rezeptionsgeschichte zum bekanntes­ten Kunstwerk der Moderne werden sollte. Manche Kritiker bezeichnen das Bild eingedenk seiner Popularität sogar als „Mona Lisa“ des 20. Jahrhunderts. Zum 80. Geburtstag des Gemäldes richtet das Museo Reina Sofia in Madrid, wo sich das Werk seit 1992 befindet, eine Werkmonografie aus.

Unter dem Titel „Pity and Terror in Picasso: The Path to Guernica“ zeigen die Kuratoren Timothy James Clark und Anne M. Wagner etwa 150 Gemälde Picassos aus der eigenen Sammlung und internationalen Leigebern, darunter das Musée Picasso und das Centre Georges Pompidou, die Tate Modern, das MoMA und das Metropolitan Museum in New York sowie die Fondation Beyeler in Basel. Private Leihgeber wie die Familien Nahmad und Menil feiern das beeindruckende Gemälde mit. Die Ausstellung spannt den Bogen von den späten 1920er Jahren bis in die Mitte der 1940er, als Picasso wiederum einen Stilwandel einleitete. „Guernica“ soll, so die Absicht der Kuratoren, nicht als Solitär, sondern als bedeutendes Werk innerhalb eines komplexen Œuvres präsentiert werden.

Picasso Guernica, der Auftrag

Die republikanische Regierung Spaniens ernannte Pablo Picasso im Juli 1936 zum Direktor des Prado in Madrid. Im Januar 1937 beauftragte die Volksfrontregierung den in Paris lebenden Picasso mit der Ausführung eines Wandgemäldes für den Spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris. Gemeinsam mit seinen Landsleuten Joan Miró („Der Schnitter“) und Julio González („Montserrat“) und dem US-Amerikaner Alexander Calder („Der Quecksilberbrunnen“) teilte er sich den spanischen Pavillon der Weltausstellung 1937 und sandte die Botschaft aus, dass Avantgarde und moralisch verantwortungsbewusste künstlerische Arbeit sehr wohl miteinander vereinbar sind.

Anfangs dachte Pablo Picasso an eine völlig unpolitische Komposition wie „Maler und Modell“, die für ihn die Freiheit der Kunst widerspiegelte. Doch als am 26. April 1937 die nordspanische Stadt Guernica (baskisch: Gernica) von Flugzeugen der deutschen Fliegerabteilung Legion Condor und der italienischen Corpo Truppe Volontarie bombardiert wurde, änderte er am 1. Mai 1937 das Thema seines Bildes. Der Titel „Guernica“ wurde dem Monumentalgemälde allerdings erst einige Wochen nach seiner Anbringung im Spanischen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung gegeben. Picasso verlieh seinen Bildern in der Regel keine Werktitel, um deren Bedeutungsgehalt nicht einzuengen.

Das Riesenformat von 349,3 x 776,6 Zentimetern war durch die Architektur von Josep Lluís Sert vorgegeben. Pablo Picasso hatte demnach 27 Quadratmeter zu füllen, was dem Maler einige Probleme bereitete aber innerhalb von zwei Wochen gelang. Schlussendlich entschied sich Picasso, die Bilderzählung von rechts nach links zu führen, da die Besucherinnen und Besucher des Spanischen Pavillons den Saal rechts vom Bild betraten. Dann gingen sie in einem Abstand von etwa vier Metern daran vorbei, um in die Haupthalle zu gelangen. Pablo Picasso lässt die Figuren der Guernica-Komposition daher von rechts nach links blicken und fallen.

Das Gemälde sollte die kriegerischen Handlungen während des Bürgerkriegs in Spanien mit Hilfe der Kunst anklagen. Der optimistische Kubismus war während der 1930er Jahre schon längst abgelegt worden. Der Maler aus Málaga kokettierte mit dem Surrealismus, ohne sich je ganz in seinen Bann schlagen oder gar vereinnahmen zu lassen. Schon in der klassischen Phase der 1920er Jahre verbinden sich Schönheit und Monstrosität.

„Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann.“ (Pablo Picasso, Dezember 1937)

Guernicas Entstehung

Das genaue Studium des Gemäldes enthüllt, welche neuen Wege Pablo Picasso in der Entwicklung von „Guernica“ nahm: langsame Einführung von verschiedenen Räumen und Figuren, Szenen mit teils rasender, teils statischer Aktion, Gewaltszenen, Angst oder Schmerz, oft mittels zerstörter Körper dargestellt. All diese Stränge verband Picasso in seinem berühmtesten Werk.

Die Bildgenese von „Guernica“ ist durch eine Vielzahl von vorbereitenden Skizzen sowie Fotos dokumentiert. Dora Maar (1907–1997), Freundin, Muse und surrealistische Fotografin, hielt die Entstehung von „Guernica“ fotografisch fest, besser sie begleitete das Werden des Bildes mit ihrer Kamera. Insgesamt 46 genau datierte Studien und die fotografische Dokumentation Dora Maars lassen acht verschiedene Zustände des Gemäldes erkennen. Zwischen dem 1. Mai und dem 4. Juni 1937 entwickelte Picasso die langgestreckte Komposition aus dem Vorgängerprojekt „Maler und Modell“.

Vorstudien

Zwischen dem 1. und 9. Mai 1937 erarbeitete Picasso in insgesamt 46 Studien die Komposition von „Guernica“. Die erste Formulierung der Gesamtkomposition zeigt bereits einen Stier links, ein Pferd in der Mitte und eine Frau, die, vor einer Hauswand stehend, mit einer Lampe die Szenerie erhellt. Es folgen Zeichnungen, in denen er das stürzende Pferd mit geöffnetem Bauch erprobt. Sehr früh taucht die schwebende Frau mit der Petroleumlampe in der Hand auf. Gefallene, um Hilfe schreiende, um Hilfe flehende Menschen, eine Frau mit einem toten Kind im Arm, weinende Köpfe sind die wichtigsten Themen, mit denen sich Picasso detailliert auseinandersetzte.

Gleichzeitig arbeitete Pablo Picasso an einer Folge von Radierungen, die den Titel „Traum und Lüge Francos“ (1937) erhielt. Er stellte je neun Szenen auf zwei Bögen Papier zusammen. Die am 8. und 9. Mai 1937 begonnen 14 Radierungen überarbeitete er am 25. Mai mit Aquatintatechnik. Erst am 7. Juni setzte er mit der Ausführung der noch fehlenden vier Bilder der Serie ein Ende. Anfangs dachte Picasso noch, dass die einzelnen Bilder als Postkarten vertrieben werden sollten, doch während der Arbeit an ihnen nutzte er zum ersten und letzten Mal in seinem Werk eine zeitliche Abfolge von Bildeinheiten, die er nun nicht mehr zu zerteilen trachtete. Politisches Ziel von „Traum und Lüge Francos“ war das Sichtbarmachen der Untaten des Faschisten. Der stilistische Vergleich mit „Guernica“ zeigt die agitatorischen Strategien des spanischen Malers. Franco wird nicht nur als Macho und Schänder der Kultur verhöhnt, er zeigt sich auch in surreal-wabernder Form (ähnlich einem Homunculus). Demgegenüber hebt Pablo Picasso „Guernica“ – trotz seines tagesaktuellen Titels – über die Ereignisse im Baskenland hinaus. Er verwendete bewusst allgemeine Symbole und zeigt, ähnlich seinem Vorbild Peter Paul Rubens, die zerstörerische Gewalt des Krieges.

Analyse und Interpretation

Das monumentale Gemälde ist monochrom ausgeführt, sodass die klar konturierten Bildflächen sich mit grafischer Präzision und Härte ins Gedächtnis des Betrach­ters einschreiben. Es zeigt sieben Figuren und Figurengruppen. Die Komposition beginnt rechts mit einer brennenden Frau mit erhobenen Armen. Dass sie aus dem brennenden Haus laufend gemeint ist, zeigen die insgesamt sieben Zacken auf dem Gebäude und ihrem Körper. Links außen schließt eine trauernde, schreiende Frau mit totem Kind im Arm (Pietà) und ein Stier „Guernica“ ab. Diese beiden Figurengruppen rahmen das zentrale Geschehen - in der unte­ren linken Bildhälfte liegt eine Figur oder eine Statue mit zerschlagenen Extremitäten am Boden -, was die Komposition formal mit einem Triptychon verbindet. Vorbilder dafür fand Pablo Picasso in den Triptychen der deutschen Expressionisten Max Beckmann und Otto Dix. Beckmann und Dix hatten in der Zwischenkriegszeit die Schrecken des Kriegs und die Wirren der Zeit in monumentalen, dreiteiligen Werken umgesetzt.

Die Figuren türmen sich im Zentrum zu einem flachen Dreieck auf, das im Kopf des sich bäumenden, verwundeten Pferdes gipfelt. Ein Speer durchbohrt das Tier von oben. Das Tier ist Kulminationspunkt der Erzählung und Symbol für das Leid schlechthin. Zwei Lichtquellen beleuchten die monochrome Szene: Eine Deckenlampe in Form eines Auges Gottes, umgeben von Strahlen, birgt eine Glühbirne. Eine weibliche Figur hält eine Petroleumlampe darunter. Göttliches Licht, elektrische Beleuchtung und Feuer erhellen ein Bild des Grauens. In der Literatur findet sich immer wieder in Verbindung mit der Petroleumlampe der Hinweis auf die Aufklärung. Das tödlich verletzte Pferd und der stolz stehende Stier sind Symbole für die Gesellschaft Spaniens. Zwischen Pferd und Stier flattert ein Vogel erschreckt hoch. Das Pferd trampelt über einen Krieger, oder besser Leichtenteile. Sichtbar sind ein abgetrennter Arm, der noch immer den abgebrochenen Schwertstumpf umklammert hält. Für Irritation sorgt die zarte Blume (ein Lorbeerzweig?), die hier stehen geblieben ist. Der zweite Arm weist nach links, ein abgetrennter Kopf, darüber die Beine des Pferdes und ein nach links zeigender Pfeil.

Motive und Symbolik

Auffallend an „Guernica“ ist, dass es kein konventionelles Historien- oder Ereignisbild ist, fehlen doch kon­krete topografische Verweise auf den Ort der Handlung ebenso wie motivische Hin­weise auf die Aggressoren. Pablo Picasso beschreibt nicht das kon­krete historische Ereignis (auch wenn es nicht zuletzt über den Bildtitel immer mitschwingt), sondern die in der Zivilbevölkerung angerichteten Schrecken des Krieges. Dem Maler war offensichtlich wichtig, dass der Bedeutungs­gehalt des Gemäldes nicht eindeutig zu klären ist. Picasso verbindet traditionelle ikonografische Darstellungsmuster und Allegorien mit einer Bildsprache, die seiner privaten Mytho­logie und ganz individuellen Symbolik ent­springt.

  • Fackelträgerin: eigentlich ein aufklärerisches Symbol, in „Guernica“ hält die Figur eine Lampe mit aggressiv ausformulierter Lichtaureole. Die Lichtbringerin erhellt schlaglichtartig einen Albtraum.
  • Gruppe der Mutter mit Kind in der linken Bildhälfte: motivischer Verweis auf eine Pietà-Darstellung; Macht „Guernica“ zu einer ins Profane gewendete Pas­sionsdarstellung.
  • Stier: Laut Picasso reprä­sentiert der Stier die Brutalität.
  • Pferd:  Laut Picasso reprä­sentiert das Pferd das Volk.

Picasso selbst konstatierte, dass „Guernica“ das einzige Werk in seinem Schaffen von symbolischer Natur sei. Er habe sich nur in diesem konkreten Fall einer eingängigen, etablierten Symbolik bedient, da das Werk „ein willentlicher Appel ans Volk“ sei und weil es eine „willentlich propagandistische Bedeutung“ habe.

„Meine Arbeit ist nicht symbolisch. Nur Guernica war es. Aber ein Wandgemälde ist nun einmal eine Allegorie. Und das ist der Grund, warum ich das Pferd, den Stier usw. benutzt habe.“1 (Picasso über „Guernica“ in einem Interview mit Jérôme Seckler, 13. März 1945)

Dass Pablo Picasso kaum mehr als fünf Wochen brauchte, um das Werk zu vollenden, hängt mit seiner Arbeitsweise zusammen. Der Maler kombinierte Motive und Formen aus dem eigenen Schaffen und bediente sich in der Kunstgeschichte, alles zu einer Einheit amalgamierend. So verweisen Stier und Pferd auf die Themenkreise Stierkampf und Minotaurus, mit denen sich Picasso schon seit den 1930er Jahren beschäftigte. Zu den kunsthistorisch bedeutenden Vorbildern zählt Peter Paul Rubens‘ „Schrecken des Krieges“ (Florenz), von dem sowohl Motive wie die Dynamik der Komposition entlehnt sind.

Grisaille und Stil

Die Reduktion der Farbigkeit auf Schwarz, Weiß und Grautöne prägt genauso wie der „Picasso-Stil“ der 1930er Jahre das Gemälde essentiell. Pablo Picasso betonte mit der „unmalerischen“, zeichnerischen Grisaille Linien und Formen, vielleicht wollte er damit die zeichenhafte Bedeutung des Werks hervorkehren. Bereits in den Jahren zuvor hatte er die Gleichzeitigkeit (Simultaneität) von Flächigkeit und Räumlichkeit, von unterschiedlichen Frontal- und Profilansichten der Gesichter und die fehlende Perspektive entwickelt. Vor allem die seit Mitte der 1920er Jahre entstandenen Gemälde – wie beispielsweise „La Danse [Drei Tänzerinnen]“ (Monte Carlo, Juni 1925, Tate) – zeigen, wie sich Picasso mit dieser Methode der Figurenbildung auseinandersetzte. Um 1930 gelangte er in Auseinandersetzung mit dem Surrealismus kindlich zu zeichnen. In „Guernica“ führte der Maler die Stränge seiner künstlerischen Untersuchungen zusammen: kindlich unschuldige Zeichnung, weich fließende Konturlinien der surrealen Phase, simultane Darstellungen unterschiedlicher Blickpunkte.

In den Jahren nach dem Krieg entwickelte Pablo Picasso diesen Stil weiter und verwendete die Grisaille beispielsweise für das „Beinhaus“. „Guernica“ machte seinen Schöpfer noch berühmter als er ohnedies schon war. Heute zähl das Bild zu den bekanntesten des 20. Jahrhunderts. Picasso wandelte sich gleichzeitig zu einem politischen Künstler der Kommunistischen Partei Frankreichs und erfand die Friedenstaube: Picasso: die Erfindung der Friedenstaube Der „Picasso-Stil“ wurde typisch für das Spätwerk des Malers (→ Picasso. Malen gegen die Zeit) und wird auch heute noch am schnellsten mit seinem Werk verknüpft.

Pity and Terror in Picasso: The Path to Guernica: Ausstellungskatalog

Neben dem Katalog mit Beiträgen der beiden Kuratoren, T. J. Clark und Anne M. Wagner veröffentlicht das Museo Reina Sofia anlässlich des 80. Geburtstags von „Guernica“ das Guernica Documentary Archive. In dem digitalen Archiv befinden sich historische Dokumente (grafisches und audiovisuelles Material), die über die Museumswebsite zugänglich gemacht wird. Einige Dokumente sind mit dem Werk selbst verbunden und andere behandeln den historischen Kontext. So finden sich Informationen über die Vorbereitung des Gemäldes, den Materialeinsatz, Komposition und stilistische Bezüge, aber auch das Verhältnis Picassos zum Spanischen Bürgerkrieg, die Beauftragung des Künstlers, die Kritikerrezeption etc. Nach seiner Erstpräsentation wurde „Guernica“ in verschiedenen Ländern gezeigt: London, Leeds und Liverpoo (England), Brasilien, Italien, Oslo, Stockholm (Schweden), Kopenhagen (Dänemark), Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien und in New York (USA). Herbert Read beschrieb das Gemälde anlässlich seiner Präsen­tation in England im Herbst 1938 als „moderne Kreuzigung.“2

Pablo Picasso vermachte das Gemälde der zukünftigen spanischen Regierung, da er die Diktatur Francos ablehnte. Am 15. November 1939 wurde im Museum of Modern Art in New York eine Picasso-Retrospektive mit dem Titel „Picasso: Forty Years of His Art“ eröffnet. Das wichtigste dort ausgestellte Werk war „Guernica“. Die Ausstellung wurde anschließend in mehreren Städten der USA gezeigt – unter anderem in Los Angeles, Chicago, San Francisco und St. Louis. Nach Beendigung der Ausstellungstournee war „Guernica“ daher bis 1981 im Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Über viele Jahr hinge es neben dem Triptychon „Abfahrt" (1932/33) von Max Beckmann.

Die Rückkehr des Bildes nach Spanien am 10. September 1981 wird thematisiert wie auch seine Rolle in der spanischen Geschichte. Picasso hatte verfügt, dass das Bild nach Spanien zurückkehren sollte, wenn „alle bürgerlichen Freiheiten“ wieder gewährleistet wären. Dass nach dem Ende der Franco-Diktatur die Monarchie wieder etabliert wurde, tat diesem Diktum keinen Abbruch. Anfangs im Prado ausgestellt, befindet es sich seit 1992 im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in Madrid. Der Teppich in der UN mit dem Guernica-Motiv zeigt welch hohe Bedeutung Picassos „Guernica“ als universelle Ikone gegen Kriegsverbrechen hat. Eine zweite Publikation widmet sich den Reisen des Gemäldes und seiner Rückkehr nach Spanien 1958.

Kuratiert von Timothy James Clark und Anne M. Wagner.

Pablo Picasso, Guernica: Bilder

  • Pablo Picasso, La Danse [Drei Tänzerinnen], Monte Carlo, Juni 1925, Öl auf Leinwand, 215,3 x 142,2 cm (Tate)
  • Pablo Picasso, Pferdekopf, Skizze für Guernica, Paris, 2. Mai 1937, Öl auf Leinwand, 65 x 92 cm (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Legado Picasso, 1981)
  • Pablo Picasso, Guernica, Paris, 1. Mai bis 4. Juni 1937, Öl auf Leinwand, 349,3 x 776,6 cm (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia)
  • Pablo Picasso, Guernica, Pferdekopf, Paris, 4. Juni 1937, Öl auf Leinwand, 349,3 x 776,6 cm (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia)
  • Besucher vor Pablo Picasso, Guernica im Museo National Centro de Arte Reina Sofia, 2. Stock, Saal 206.

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Pablo Picassos „Guernica“, ein 27 Quadratmeter großer Aufschrei gegen das Bombardement der gleichnamigen Stadt im Baskenland, wurde 1937 im Spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris erstmals dem Publikum gezeigt. Mit „Guernica“ hat Pablo Picasso ein Werk geschaffen, das nicht zuletzt durch seine bewegte Rezeptionsgeschichte zum bekanntes­ten Kunstwerk der Moderne werden sollte. Manche Kritiker bezeichnen das Bild eingedenk seiner Popularität sogar als „Mona Lisa“ des 20. Jahrhunderts. Zum 80. Geburtstag des Gemäldes richtet das Museo Reina Sofia in Madrid, wo sich das Werk seit 1992 befindet, eine Werkmonografie aus.

Unter dem Titel „Pity and Terror in Picasso: The Path to Guernica“ zeigen die Kuratoren Timothy James Clark und Anne M. Wagner etwa 150 Gemälde Picassos aus der eigenen Sammlung und internationalen Leigebern, darunter das Musée Picasso und das Centre Georges Pompidou, die Tate Modern, das MoMA und das Metropolitan Museum in New York sowie die Fondation Beyeler in Basel. Private Leihgeber wie die Familien Nahmad und Menil feiern das beeindruckende Gemälde mit. Die Ausstellung spannt den Bogen von den späten 1920er Jahren bis in die Mitte der 1940er, als Picasso wiederum einen Stilwandel einleitete. „Guernica“ soll, so die Absicht der Kuratoren, nicht als Solitär, sondern als bedeutendes Werk innerhalb eines komplexen Œuvres präsentiert werden.

Ort

Pity and Terror in Picasso: The Path to Guernica

Spanien / Madrid: Museo Reina Sofia
4.4. – 4.9.2017

Picasso Guernica, der Auftrag

Die republikanische Regierung Spaniens ernannte Pablo Picasso im Juli 1936 zum Direktor des Prado in Madrid. Im Januar 1937 beauftragte die Volksfrontregierung den in Paris lebenden Picasso mit der Ausführung eines Wandgemäldes für den Spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris. Anfangs dachte der Maler an eine völlig unpolitische Komposition wie „Maler und Modell“, die für ihn die Freiheit der Kunst widerspiegelte. Doch als am 26. April 1937 die nordspanische Stadt Guernica (baskisch: Gernica) von Flugzeugen der deutschen Fliegerabteilung Legion Condor und der italienischen Corpo Truppe Volontarie bombardiert wurde, änderte er am 1. Mai 1937 das Thema seines Bildes. Der Titel „Guernica“ wurde dem Monumentalgemälde allerdings erst einige Wochen nach seiner Anbringung im Spanischen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung gegeben. Picasso verlieh seinen Bildern in der Regel keine Werktitel, um deren Bedeutungsgehalt nicht einzuengen.

Das Riesenformat von 349,3 x 776,6 Zentimetern war durch die Architektur von Josep Lluís Sert vorgegeben. Pablo Picasso hatte demnach 27 Quadratmeter zu füllen, was dem Maler einige Probleme bereitete aber innerhalb von zwei Wochen gelang. Schlussendlich entschied sich Picasso, die Bilderzählung von rechts nach links zu führen, da die Besucherinnen und Besucher des Spanischen Pavillons den Saal rechts vom Bild betraten. Dann gingen sie in einem Abstand von etwa vier Metern daran vorbei, um in die Haupthalle zu gelangen. Pablo Picasso lässt die Figuren der Guernica-Komposition daher von rechts nach links blicken und fallen.

Das Gemälde sollte die kriegerischen Handlungen während des Bürgerkriegs in Spanien mit Hilfe der Kunst anklagen. Der optimistische Kubismus war während der 1930er Jahre schon längst abgelegt worden. Der Maler aus Málaga kokettierte mit dem Surrealismus, ohne sich je ganz in seinen Bann schlagen oder gar vereinnahmen zu lassen. Schon in der klassischen Phase der 1920er Jahre verbinden sich Schönheit und Monstrosität.

„Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann.“ (Pablo Picasso, Dezember 1937)

Guernicas Entstehung

Das genaue Studium des Gemäldes enthüllt, welche neuen Wege Pablo Picasso in der Entwicklung von „Guernica“ nahm: langsame Einführung von verschiedenen Räumen und Figuren, Szenen mit teils rasender, teils statischer Aktion, Gewaltszenen, Angst oder Schmerz, oft mittels zerstörter Körper dargestellt. All diese Stränge verband Picasso in seinem berühmtesten Werk.

Die Bildgenese von „Guernica“ ist durch eine Vielzahl von vorbereitenden Skizzen sowie Fotos dokumentiert. Dora Maar (1907–1997), Freundin, Muse und surrealistische Fotografin, hielt die Entstehung von „Guernica“ fotografisch fest, besser sie begleitete das Werden des Bildes mit ihrer Kamera. Insgesamt 46 genau datierte Studien und die fotografische Dokumentation Dora Maars lassen acht verschiedene Zustände des Gemäldes erkennen. Zwischen dem 1. Mai und dem 4. Juni 1937 entwickelte Picasso die langgestreckte Komposition aus dem Vorgängerprojekt „Maler und Modell“.

Vorstudien

Zwischen dem 1. und 9. Mai 1937 erarbeitete Picasso in insgesamt 46 Studien die Komposition von „Guernica“. Die erste Formulierung der Gesamtkomposition zeigt bereits einen Stier links, ein Pferd in der Mitte und eine Frau, die, vor einer Hauswand stehend, mit einer Lampe die Szenerie erhellt. Es folgen Zeichnungen, in denen er das stürzende Pferd mit geöffnetem Bauch erprobt. Sehr früh taucht die schwebende Frau mit der Petroleumlampe in der Hand auf. Gefallene, um Hilfe schreiende, um Hilfe flehende Menschen, eine Frau mit einem toten Kind im Arm, weinende Köpfe sind die wichtigsten Themen, mit denen sich Picasso detailliert auseinandersetzte.

Gleichzeitig arbeitete Pablo Picasso an einer Folge von Radierungen, die den Titel „Traum und Lüge Francos“ (1937) erhielt. Er stellte je neun Szenen auf zwei Bögen Papier zusammen. Die am 8. und 9. Mai 1937 begonnen 14 Radierungen überarbeitete er am 25. Mai mit Aquatintatechnik. Erst am 7. Juni setzte er mit der Ausführung der noch fehlenden vier Bilder der Serie ein Ende. Anfangs dachte Picasso noch, dass die einzelnen Bilder als Postkarten vertrieben werden sollten, doch während der Arbeit an ihnen nutzte er zum ersten und letzten Mal in seinem Werk eine zeitliche Abfolge von Bildeinheiten, die er nun nicht mehr zu zerteilen trachtete. Politisches Ziel von „Traum und Lüge Francos“ war das Sichtbarmachen der Untaten des Faschisten. Der stilistische Vergleich mit „Guernica“ zeigt die agitatorischen Strategien des spanischen Malers. Franco wird nicht nur als Macho und Schänder der Kultur verhöhnt, er zeigt sich auch in surreal-wabernder Form (ähnlich einem Homunculus). Demgegenüber hebt Pablo Picasso „Guernica“ – trotz seines tagesaktuellen Titels – über die Ereignisse im Baskenland hinaus. Er verwendete bewusst allgemeine Symbole und zeigt, ähnlich seinem Vorbild Peter Paul Rubens, die zerstörerische Gewalt des Krieges.

Analyse und Interpretation

Das monumentale Gemälde ist monochrom ausgeführt, sodass die klar konturierten Bildflächen sich mit grafischer Präzision und Härte ins Gedächtnis des Betrach­ters einschreiben. Es zeigt sieben Figuren und Figurengruppen. Die Komposition beginnt rechts mit einer brennenden Frau mit erhobenen Armen. Dass sie aus dem brennenden Haus laufend gemeint ist, zeigen die insgesamt sieben Zacken auf dem Gebäude und ihrem Körper. Links außen schließt eine trauernde, schreiende Frau mit totem Kind im Arm (Pietà) und ein Stier „Guernica“ ab. Diese beiden Figurengruppen rahmen das zentrale Geschehen – in der unte­ren linken Bildhälfte liegt eine Figur oder eine Statue mit zerschlagenen Extremitäten am Boden -, was die Komposition formal mit einem Triptychon verbindet. Vorbilder dafür fand Pablo Picasso in den Triptychen der deutschen Expressionisten Max Beckmann und Otto Dix. Beckmann und Dix hatten in der Zwischenkriegszeit die Schrecken des Kriegs und die Wirren der Zeit in monumentalen, dreiteiligen Werken umgesetzt.

Die Figuren türmen sich im Zentrum zu einem flachen Dreieck auf, das im Kopf des sich bäumenden, verwundeten Pferdes gipfelt. Ein Speer durchbohrt das Tier von oben. Das Tier ist Kulminationspunkt der Erzählung und Symbol für das Leid schlechthin. Zwei Lichtquellen beleuchten die monochrome Szene: Eine Deckenlampe in Form eines Auges Gottes, umgeben von Strahlen, birgt eine Glühbirne. Eine weibliche Figur hält eine Petroleumlampe darunter. Göttliches Licht, elektrische Beleuchtung und Feuer erhellen ein Bild des Grauens. In der Literatur findet sich immer wieder in Verbindung mit der Petroleumlampe der Hinweis auf die Aufklärung. Das tödlich verletzte Pferd und der stolz stehende Stier sind Symbole für die Gesellschaft Spaniens. Zwischen Pferd und Stier flattert ein Vogel erschreckt hoch. Das Pferd trampelt über einen Krieger, oder besser Leichtenteile. Sichtbar sind ein abgetrennter Arm, der noch immer den abgebrochenen Schwertstumpf umklammert hält. Für Irritation sorgt die zarte Blume (ein Lorbeerzweig?), die hier stehen geblieben ist. Der zweite Arm weist nach links, ein abgetrennter Kopf, darüber die Beine des Pferdes und ein nach links zeigender Pfeil.

Motive und Symbolik

Auffallend an „Guernica“ ist, dass es kein konventionelles Historien- oder Ereignisbild ist, fehlen doch kon­krete topografische Verweise auf den Ort der Handlung ebenso wie motivische Hin­weise auf die Aggressoren. Pablo Picasso beschreibt nicht das kon­krete historische Ereignis (auch wenn es nicht zuletzt über den Bildtitel immer mitschwingt), sondern die in der Zivilbevölkerung angerichteten Schrecken des Krieges. Dem Maler war offensichtlich wichtig, dass der Bedeutungs­gehalt des Gemäldes nicht eindeutig zu klären ist. Picasso verbindet traditionelle ikonografische Darstellungsmuster und Allegorien mit einer Bildsprache, die seiner privaten Mytho­logie und ganz individuellen Symbolik ent­springt.

  • Fackelträgerin: eigentlich ein aufklärerisches Symbol, in „Guernica“ hält die Figur eine Lampe mit aggressiv ausformulierter Lichtaureole. Die Lichtbringerin erhellt schlaglichtartig einen Albtraum.
  • Gruppe der Mutter mit Kind in der linken Bildhälfte: motivischer Verweis auf eine Pietà-Darstellung; Macht „Guernica“ zu einer ins Profane gewendete Pas­sionsdarstellung.
  • Stier: Laut Picasso reprä­sentiert der Stier die Brutalität.
  • Pferd:  Laut Picasso reprä­sentiert das Volk.

Picasso selbst konstatierte, dass „Guernica“ das einzige Werk in seinem Schaffen von symbolischer Natur sei. Er habe sich nur in diesem konkreten Fall einer eingängigen, etablierten Symbolik bedient, da das Werk „ein willentlicher Appel ans Volk“ sei und weil es eine „willentlich propagandistische Bedeutung“ habe.

„Meine Arbeit ist nicht symbolisch. Nur Guernica war es. Aber ein Wandgemälde ist nun einmal eine Allegorie. Und das ist der Grund, warum ich das Pferd, den Stier usw. benutzt habe.“3 (Picasso über „Guernica“ in einem Interview mit Jérôme Seckler, 13. März 1945)

Dass Pablo Picasso kaum mehr als fünf Wochen brauchte, um das Werk zu vollenden, hängt mit seiner Arbeitsweise zusammen. Der Maler kombinierte Motive und Formen aus dem eigenen Schaffen und bediente sich in der Kunstgeschichte, alles zu einer Einheit amalgamierend. So verweisen Stier und Pferd auf die Themenkreise Stierkampf und Minotaurus, mit denen sich Picasso schon seit den 1930er Jahren beschäftigte. Zu den kunsthistorisch bedeutenden Vorbildern zählt Peter Paul Rubens‘ „Schrecken des Krieges“ (Florenz), von dem sowohl Motive wie die Dynamik der Komposition entlehnt sind.

Grisaille und Stil

Die Reduktion der Farbigkeit auf Schwarz, Weiß und Grautöne prägt genauso wie der „Picasso-Stil“ der 1930er Jahre das Gemälde essentiell. Pablo Picasso betonte mit der „unmalerischen“, zeichnerischen Grisaille Linien und Formen, vielleicht wollte er damit die zeichenhafte Bedeutung des Werks hervorkehren. Bereits in den Jahren zuvor hatte er die Gleichzeitigkeit (Simultaneität) von Flächigkeit und Räumlichkeit, von unterschiedlichen Frontal- und Profilansichten der Gesichter und die fehlende Perspektive entwickelt. Vor allem die seit Mitte der 1920er Jahre entstandenen Gemälde – wie beispielsweise „La Danse [Drei Tänzerinnen]“ (Monte Carlo, Juni 1925, Tate) – zeigen, wie sich Picasso mit dieser Methode der Figurenbildung auseinandersetzte. Um 1930 gelangte er in Auseinandersetzung mit dem Surrealismus kindlich zu zeichnen. In „Guernica“ führte der Maler die Stränge seiner künstlerischen Untersuchungen zusammen: kindlich unschuldige Zeichnung, weich fließende Konturlinien der surrealen Phase, simultane Darstellungen unterschiedlicher Blickpunkte.

In den Jahren nach dem Krieg entwickelte Pablo Picasso diesen Stil weiter und verwendete die Grisaille beispielsweise für das „Beinhaus“. „Guernica“ machte seinen Schöpfer noch berühmter als er ohnedies schon war. Heute zähl das Bild zu den bekanntesten des 20. Jahrhunderts. Picasso wandelte sich gleichzeitig zu einem politischen Künstler der Kommunistischen Partei Frankreichs und erfand die Friedenstaube: Picasso: die Erfindung der Friedenstaube Der „Picasso-Stil“ wurde typisch für das Spätwerk des Malers (→ Picasso. Malen gegen die Zeit) und wird auch heute noch am schnellsten mit seinem Werk verknüpft.

Pity and Terror in Picasso: The Path to Guernica: Ausstellungskatalog

Neben dem Katalog mit Beiträgen der beiden Kuratoren, T. J. Clark und Anne M. Wagner veröffentlicht das Museo Reina Sofia anlässlich des 80. Geburtstags von „Guernica“ das Guernica Documentary Archive. In dem digitalen Archiv befinden sich historische Dokumente (grafisches und audiovisuelles Material), die über die Museumswebsite zugänglich gemacht wird. Einige Dokumente sind mit dem Werk selbst verbunden und andere behandeln den historischen Kontext. So finden sich Informationen über die Vorbereitung des Gemäldes, den Materialeinsatz, Komposition und stilistische Bezüge, aber auch das Verhältnis Picassos zum Spanischen Bürgerkrieg, die Beauftragung des Künstlers, die Kritikerrezeption etc. Nach seiner Erstpräsentation wurde „Guernica“ in verschiedenen Ländern gezeigt: London, Leeds und Liverpoo (England), Brasilien, Italien, Oslo, Stockholm (Schweden), Kopenhagen (Dänemark), Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien und in New York (USA). Herbert Read beschrieb das Gemälde anlässlich seiner Präsen­tation in England im Herbst 1938 als „moderne Kreuzigung.“4

Pablo Picasso vermachte das Gemälde der zukünftigen spanischen Regierung, da er die Diktatur Francos ablehnte. Zwischen 1939 und 1981 war „Guernica“ daher im Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Über viele Jahr hinge es neben dem Triptychon „Abfahrt“ (1932/33) von Max Beckmann.

Die Rückkehr des Bildes nach Spanien am 10. September 1981 wird thematisiert wie auch seine Rolle in der spanischen Geschichte. Picasso hatte verfügt, dass das Bild nach Spanien zurückkehren sollte, wenn „alle bürgerlichen Freiheiten“ wieder gewährleistet wären. Dass nach dem Ende der Franco-Diktatur die Monarchie wieder etabliert wurde, tat diesem Diktum keinen Abbruch. Anfangs im Prado ausgestellt, befindet es sich seit 1992 im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in Madrid. Der Teppich in der UN mit dem Guernica-Motiv zeigt welch hohe Bedeutung Picassos „Guernica“ als universelle Ikone gegen Kriegsverbrechen hat. Eine zweite Publikation widmet sich den Reisen des Gemäldes und seiner Rückkehr nach Spanien 1958.

Kuratoren: Timothy James Clark und Anne M. Wagner

Pablo Picasso, Guernica: Bilder

  • Pablo Picasso, La Danse [Drei Tänzerinnen], Monte Carlo, Juni 1925, Öl auf Leinwand, 215,3 x 142,2 cm (Tate)
  • Pablo Picasso, Pferdekopf, Skizze für Guernica, Paris, 2. Mai 1937, Öl auf Leinwand, 65 x 92 cm (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Legado Picasso, 1981)
  • Pablo Picasso, Guernica, Paris, 1. Mai bis 4. Juni 1937, Öl auf Leinwand, 349,3 x 776,6 cm (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia)
  • Pablo Picasso, Guernica, Pferdekopf, Paris, 4. Juni 1937, Öl auf Leinwand, 349,3 x 776,6 cm (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia)
  • Besucher vor Pablo Picasso, Guernica im Museo National Centro de Arte Reina Sofia, 2. Stock, Saal 206.

Weitere Beiträge zu Pablo Picasso

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  1. Picasso explique, Picasso. Propos sur l’art, hg. von Marie-Laure Bernadac und Androula Michael, Paris 1998, S. 49.
  2. Herbert Read, zit. n. Ludwig Ullmann, Picasso und der Krieg, Bielefeld 1993, S. 103.
  3. Picasso explique, Picasso. Propos sur l’art, hg. von Marie-Laure Bernadac und Androula Michael, Paris 1998, S. 49.
  4. Herbert Read, zit. n. Ludwig Ullmann, Picasso und der Krieg, Bielefeld 1993, S. 103.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.