Pierre-Auguste Renoir (1841–1919) ist berühmt für empathische Gruppenbildnisse, sensualistische Akte und klassische Badende der Spätzeit. Gemeinsam mit Claude Monet „erfand“ er den Impressionismus und stellte auf den ersten drei Impressionisten-Ausstellungen aus. Bereits 1878 wandte er sich erneut dem Salon und dem traditionellen Figurenbild nach Antoine Watteau, Fragonard und Jean-Auguste-Dominique Ingres zu. Renoirs repräsentative Bildnisse, die Bilder der Mutterschaft und ewiger Jugend zählen zu den beliebtesten Schöpfungen der französischen Malerei des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. In Madrid und dann Bilbao fordern 77 Werke des Franzosen, der gerne der Maler des „bonheur [Glücks]“ genannt wird, zur Neubewertung heraus.
Spanien | Madrid: Museo Thyssen-Bornemisza
18.10.2016 – 22.1.2017
Spanien | Bilbao: Museo de Bellas Artes de Bilbao
7.2. – 15.5.2017
Die fünf Kapitel der Renoir Ausstellung im Museo Thyssen-Bornemisza – Impressionismus, Porträts, Landschaften, häusliche Szenen und Badende – geben bereits einen groben Überblick über die wichtigsten Themen des Malers, der ein Faible für sanfte, friedliche und familiäre aber auch erotische Sujets hatte. Der „sinnliche Blick“ Renoirs ließ ihn intime Situationen mit innerbildlichen Blick- und Körperkontakten schildern, wobei die Protagonistinnen meist an der vordersten Bildebene positionierte. Guillermo Solana, künstlerischer Direktor des Museo Thyssen-Bornemisza, kuratierte rund um dieses Konzept der Intimität eine ansprechende Überblicksschau, die mit den „Badenden an der Seine (La Grenouillère)“ aus Moskau, dem „Spaziergang“, dem „Mittagessen der Ruderer“ aus Chicago und der Studie zum „Ball im Moulin de la Gallette“ einige der berühmtesten und besten Gemälde des Impressionisten vereint.
„Was wir in unseren Gemälden aus dem Jahr 1874 wollten, waren fröhliche Akkorde [des accords gais] – Leben ohne Literatur.“1 (Pierre-Auguste Renoir, vermittelt über seinen Sohn Jean Renoir)
Im Juli 1869 revolutionierten Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir in La Grenouillère [dt. Froschteich], einem berühmten Café am Wasser und Badeort bei Croissy die französische Malerei. Zeitgenossen beschrieben den Freizeitort als
„Trouville an der Seine, Treffpunkt jener lärmenden und koketten Pariser Ausflügler, die sich im Sommer in Croissy, Chatou und Bougival niederlassen. […] Auf einem alten, fest verankerten Schleppkahn hatte man eine grün und weiß gestrichene Holzbaracke errichtet, davor lag eine Holzplattform […] In einem großen, überdachten und zu den Seiten hin offenen Saal wurden Erfrischungen aller Art gereicht; … rechts lagen die Badekabinen, Bootshäuser und Nebengebäude.“2
Die 12 m² kleine und runde Insel mit Weide wurde im Volksmund „Camembert“ genannt. Vor allem „Frösche“, wie man lebenslustige, ungebundene Pariser Mädchen bezeichnete, waren an diesem Abschnitt der Seine häufig anzutreffen. Bereits bevor La Grenouillère populär wurde, hatte die gehobene Gesellschaft dort ihre Sommerfrische verbracht. Im Juli war sogar Kaiser Napoleon III. und seine Frau Eugènie auf Besuch gekommen. Renoir berichtete, er hätte den Bade- und Vergnügungsort durch den Prinzen Georges Bibesco entdeckt, für den er ab 1868 Dekorationsaufträge in dessen Palais ausgeführt hatte.
„Ich habe einen Traum, ein Bild, die Bäder der Grenouillère, für das ich einige schlechte Skizzen [mauvaises pochades] gemacht habe, doch es ist ein Traum. Renoir, der nur zwei Monate hier verbracht hat, will dieses Motiv auch malen.“3 (Claude Monet an Frédéric Bazille über die Grenouillère-Bilder, 25. September 1869)
Dass im Jahr 1870 auch noch der aus Deutschland emigrierte Ferdinand Heilbuth erfolgreich eine Szene von „La Grenouillère“ am Salon präsentierte, zeigt, dass Monet und Renoir auf ein sehr aktuelles Thema setzten. Beide Maler hatten sich an Edouard Manets „Musik in den Tuilerien“ (1862 → Edouard Manet und Venedig) orientiert, doch der ältere Manet hatte Gesichter im Vordergrund wiedererkennbar gestaltet. Weder in Monets noch in Renoirs „Studien“ (Skizzen, wie Monet schrieb) sind die Figuren ausformuliert. Vermutlich hat Renoir drei Gemälde von der Grenouillère geschaffen. Im Vergleich zu seinem Freund Monet waren ihm die Menschen immer wichtiger. Das Gemälde aus dem Pushkin Museum zeigt die Menschenmenge, die sich am Ufer schart: Ein Kellner trägt ein Tablett über den Steg, hübsch gekleidete Damen mit Sonnenschirmen und Herren mit Zylindern, Paare unter den Trauerweiden. Was sie gerade tun, ist von geringer Bedeutung. Und dennoch ist es angesichts dieses Gemäldes nicht möglich, den sozialen Status auch nur einer Person zu erkennen. Weder Persönlichkeit noch Rang zählen, die Figuren sind Träger von Farbflecken und Licht. Dennoch ging es Renoir, wie sein Freund Georges Rivière überlieferte, um eine Lebenslust, die ihn zu den Restaurants an der Seine, den populären Tanzveranstaltungen, in die Straßen trieb. Weniger vertraut ist ihm der Einsatz von kurzen Pinselstrichen, um den Effekt von Licht und Luft einzufangen.
„Und was mir am wichtigsten an unserer Bewegung ist, ist, dass wie die Malerei von der Bedeutung des Sujets befreit haben. Ich bin frei, Blumen zu malen, und ich kann sie einfach Blumen malen, ohne dass sie unbedingt eine Geschichte erzählen müssen.“4 (Pierre-Auguste Renoir, vermittelt über seinen Sohn Jean Renoir)
Nur wenige Monate später malte Renoir „Der Spaziergang“ (1870, The J. Paul Getty Museum, Los Angeles), das wohl ebenfalls ein Paar an der Seine zeigt, wie der Strohhut mit rotem Band am Kopf des Mannes nahelegt. Zwischen 1874 und 1877 nahm Pierre-Auguste Renoir an allen drei Impressionisten-Ausstellungen teil und wurde für seine Gesellschaftsszenen und atmosphärisch gemalten Interieurs als zentrales Talent dieser neuen Bewegung gewürdigt.
In den Jahren 1875/76 entstand „Tanz in der Moulin de la Galette“, mit dem sich Pierre-Auguste Renoir den Vergnügungen in einem authentischen Tanzlokal am Montmartre zuwandte. Der Maler verstand es die armen Mädchen mit Grazie und Schick auszustatten. In der Moulin de la Galette wurde Wiener Walzer getanzt, welcher der Jungend körperliche Nähe und Bewegungsfreiheit ermöglichte. Die Körperlichkeit der Figuren löst sich in Lichtflecken auf, die Skizze zu diesem Bild zielt deutlich auf Farb- und Lichtverteilung ab. Das Modellieren mit Farben (anstelle von Licht und Schatten in Form eines Chiaro-scuro) und Unterdrücken der Halbtöne in Figurenbildern schockte die Zeitgenossen. Zu den avanciertesten impressionistischen Gemälden zählen die verwilderten Gartenszenen (→ Der moderne Garten in der Malerei von Monet bis Matisse), die er in der Nähe der Moulin de la Galette festhielt. Mit dem Porträt „Madame Georges Charpentier und ihre Kinder“ feierte er am Salon von 1879 bereits großen Kritikererfolg als Gesellschaftsmaler und stellte daher auch nie wieder gemeinsam mit den Impressionisten aus.
Der als Porzellanmaler ausgebildete Pierre-Auguste Renoir, der in seiner Jugend Geld mit dem Bemalen von Fächern verdiente, studierte als einziger Impressionist zumindest zwei Jahre an der École des Beaux-Arts (April 1862–1864). 1860 hatte er Renoir für vier Jahre eine Erlaubnis, Gemälde im Louvre zu kopieren, erhalten. Dort entdeckte er die Gemälde von Peter Paul Rubens und die französischen Maler des 18. Jahrhunderts wie Antoine Watteau, François Boucher und Jean-Honoré Fragonard.
Ab 1861 vertiefte er im Atelier von Charles Gleyre seine Ausbildung, wo er Claude Monet, mit dem ihm eine lebenslange Freundschaft verband, kennenlernte5 Vor allem während der 1860er Jahre orientierte sich Renoir, inspiriert durch den Mitschüler Claude Monet, am Realismus von Edouard Manet sowie Gustave Courbet und schuf großformatige, mythologische Akte wie „Jagende Diana“ (1867), Porträts und Blumenstillleben. Ab 1862 schulte er sich gemeinsam mit Frédéric Bazille, Alfred Sisley und Monet im Wald von Fontainebleau, wo er auf Anraten von Narcisse Diaz das dunkle Asphalt-Schwarz aus seiner Palette eliminierte. Sein Salon-Debut gab der 24-jährige Maler mit dem verlorenen Bild der vor einem Feuer tanzenden Esmeralda nach Victor Hugos „Glöckner von Notre Dame“.
Als seine Lieblingsbilder bezeichnete er zudem „Die Reise nach Kythera“ (1717, Louvre, Paris) von Antoine Watteau und Jan Vermeer van Delfts „Die Kupplerin (?)“ (1656, Dresden), gefolgt von Tizians „Venus und Musik“ (um 1550, Museo del Prado). In seiner Jugend hatte er „Die Reise nach Kythera“ häufig kopiert, wie er nicht müde wurde zu betonen Vielleicht ging es Renoir um genau diese poetische Atmosphäre des Intimen, die der Rokoko-Meister in seinem berühmten Gemälde evozierte, ohne in banale Geschichten abzugleiten bzw. überhaupt im herkömmlichen Sinn etwas zu erzählen. Schon im Jahr 1877 fiel Philippe Burty die Nähe Renoirs zu den Meistern des Ancien Régime auf und betonte sogleich die nationale Note.
„Ich arbeite mit meinen Händen, das macht mich zu einem Arbeiter – einem Arbeiter-Maler.“6 (Pierre-Auguste Renoir)
Dem Meister der galanten Liebe folgte Pierre-Auguste Renoir thematisch aber auch in seiner genauen Beobachtung von Blicken und Berührungen. Renoir wollte die Dinge so sehen, wie sie wären und nicht nach einem Konzept malen. Er sprach ständig von seiner Hand, dem Berühren der Leinwand mit dem Pinsel, was sich durch die zunehmende Lähmung seiner Hände durch rheumatischer Arthritis ab 1900 zur Obsession steigerte.
Im Jahr 1878 gelang Renoir nicht nur einmal mehr der Durchbruch am Salon, sondern er sprach sich in der Folge auch vehement gegen das optische Mischen der Farben aus. Renoir wollte den direkten Kontakt mit den Gemälden forcieren. Es sah sich selbst als einen Anti-Intellektuellen und war stolz auf sein Handwerk. Dass er sich mit den Pointillisten und späten Impressionisten wie Vincent van Gogh nicht verständigen konnte, ist eine logische Konsequenz aus dieser Überzeugung (→ Postimpressionismus | Pointillismus | Divisionismus → Vincent van Gogh : Paul Gauguin in Arles). Malen bedeutete für Renoir, die Leinwand mit dem Pinsel zu liebkosen. Der virile Künstler widmete sich dabei der Darstellung von jungen Mädchen, die er als Symbole der Natur, der Schönheit und der Fruchtbarkeit einsetzte. Renoirs Bewunderung des Weiblichen ließ ihn männliche Körper und Gesichtszüge „verweiblichen“ und Buben, die bis ins frühe 20. Jahrhundert wie Mädchen gekleidet waren, feminin wirken.7 Als „Maler der Mütterlichkeit“ und Bewunderer von Weiblichkeit vertrat Pierre-Auguste Renoir dennoch die traditionelle Rollenverteilung.
„Ich war bis zum äußersten dem Impressionismus gefolgt, und ich musste feststellen, dass ich nicht malen und zeichnen konnte. Kurzum, ich war in einer Sackgasse.“8 (Pierre-Auguste Renoir)
Stilistisch wandelte sich Renoir von einem Miterfinder des Impressionismus und einem Hauptvertreter dieser Richtung (1869–1878) zu einem Anhänger des Klassizismus nach Jean-Baptiste-Auguste Ingres und Raffael. Eines der Hauptwerke dieser Periode ist „Der Zopf“ (um 1886/87), für den Suzanne Valadon Modell stand, bzw. „Frühstück der Ruderer“, „Tanz am Land“; „Tanz in Bougival“ und „Tanz in der Stadt“. Renoirs angespannte finanzielle Lage hatte sich Anfang der 1880er Jahre durch regelmäßige Bildankäufe durch Paul Durand-Ruel soweit entspannt, dass er Reisen nach Algerien (1881), Italien (1881) und Südfrankreich (1882) unternehmen konnte. Wenngleich Renoir auf den Spuren von Eugène Delacroix wandelte, als er Algerien besuchte und sich einmal mehr von dessen Farbtheorien begeistert zeigte (→ Delacroix und die Malerei der Moderne), so waren es doch die Fresken Raffaels in den Stanzen (Vatikan) und den pompeijanischen Wandmalereien in Neapel, die den größten Einfluss auf die weitere Entwicklung seiner Malerei hatten. Ausgewogene Komposition, klare Linienführung, thematische Schlichtheit und das Arbeiten im Atelier wurden in den folgenden Jahrzehnten wichtige Kriterien auch seiner Gemälde.
Ein Vergleich mit „Moulin de la Galette“ und „Frühstück der Ruderer“ zeigt, wie weit sich Pierre-Auguste Renoir bereits vom Impressionismus entfernt hatte, obwohl der offizielle Bruch mit dem Malstil erst um 1883 eintrat. Alle Figuren des „Frühstücks“ sind wiedererkennbar, kein impressionistischer Pinselstrich verunklärt, die Vielfalt der Farben sprüht. Weiß vermittelt zwischen den Farben, die durch Linien und eine traditionelle Hell-Dunkel-Modellierung auch flächig aufgetragen wurden. Thema des Bildes ist einmal mehr die unbeschwerte Geselligkeit und Lebensfreude (Linda Nochlin), was deutlich im Gegensatz zu Manets und Degas‘ Gruppenbildnissen steht, die nie mehr als die Summe ihrer unzusammenhängenden Einzelteile sind. In so manchem impressionistischen Gruppenporträt scheinen die Figuren auseinanderzutreiben (Manets „Frühstück im Atelier“ → Edouard Manet, der Salon und der doppelte Blick oder Degas‘ „Bellelli Familie“ → Edgar Degas), während Blicke und Berührungen in den Bildern von Renoir die dargestellten Personen miteinander verbinden.
„Es gab da ein so lustiges Restaurant, das Restaurant Fournaise. Das war ein immerwährendes Fest, und wir versammelten uns aus den unterschiedlichsten Klassen“9, erinnerte sich Ambroise Vollard. Die Ruderer und ihre Mädchen trafen einander im Restaurant Fournaise auf der Ile de Chatou (La Grenouillère entstand in der Nachbarschaft). Renoir malte Freunde und Bekannte auf der Terrasse des Restaurants, seine Freundin Aline spielt links mit ihrem Hund (seit Herbst 1880 miteinander bekannt). Vorne rechts sitzt der Maler Gustave Caillebotte rittlings auf einem Sessel, ihm gegenüber die Schauspielerin Ellen Andrée und der italienische Journalist Maggiolo. Das Blumenmädchen Angèle trinkt gerade aus ihrem Weinglas, hinter ihr steht der Kunstsammler Charles Ephrussi (mit Zylinder). Im Gegensatz zu Manets, Degas‘ oder Caillebottes beziehungslosen (oder auch belsteten) Personen sind die Figuren in Renoirs Bildern glückliche Existenzen unterschiedlichster sozialer Herkunft, die sich umeinander kümmern. Wie Guillermo Solana im Katalog Renoir. Intimacy“ formuliert, sind Renoirs Figuren besonders „empathisch“. Um diesen Effekt hervorzurufen, setzte der Maler häufig Blickachsen und Körperkontakte (Berührungen) ein. Die in diesen Jahren entstandenen drei großformatigen Tanz-Bilder bestätigen diese Beobachtung: „Tanz auf dem Land“, „Tanz in Bougival“ und „Tanz in der Stadt“ (1882/83) zeigen bei aller Unterschiedlichkeit (und vor allem im Vergleich mit „Tanz in der Moulin de la Galette“ aus den 1870er Jahren) individuelle Figuren, die in ihrer Körperlichkeit stark herausgearbeitet wurden und vitale Lebensfreude symbolisieren. Die zunehmende Akzeptanz von Renoirs Kunst zeigt sich in der Erwerbung von „Zwei Mädchen am Klavier“ durch den französischen Staat 1892. Die Loslösung von den Impressionisten zeigt sich auch an den neuen Lebensorten des Malers: Er verbrachte immer mehr Zeit in Essoyes (Champagne), dem Geburtsort seiner Freundin Aline. Im Jahr 1898 übersiedelte er mit seiner Familie nach Cagnes-sur-Mer, wo er bis zu seinem Lebensende 21 Jahre später lebte und arbeitete.
„Aline stillt ihren Sohn Pierre“ (1885/6) gehört zu den ikonischen Werken des klassischen Renoirs. Der deutsche Kunsthistoriker Meier-Graefe verglich es mit einem Gemälde eines Kölner Meisters. Renoir selbst wies ihm dabei den Weg, indem er während einer Italienreise bemerkt, dass jede stillende Frau wie eine Raffael Madonna aussehen würde. Auch seine Bewunderung für Raffaels „Madonna della seggiola“ (1514/15) wird in der Literatur immer wieder als Inspirationsquelle angeführt. Aber auch Andrea Solarios (eigentlich Andrea di Bartolo) „Madonna mit dem grünen Polster“ (um 1507–1510, Louvre) könnte inspirierend auf den Maler gewirkt haben. Im Unterschied zu den Renaissance-Madonnen betont Renoir das Geschlecht seines Sohnes und die pralle Brust seiner zukünftigen Frau. Erotik, Sexualität und Mutterschaft sind gleichermaßen in den drei Gemälden wie Bleistift- und Rötelzeichnungen thematisiert. Der Unterschied zu Mary Cassatts Darstellungen der Mutterschaft könnte nicht größer sein. Unzählige Anekdoten überliefern die Obsession Renoirs mit körperlichen Merkmalen, vor allem Brüsten. So soll er Freunden erzählt haben, dass er nie Maler geworden wäre, wenn es keine Brüste gegeben hätte. Der Bewunderer weiblicher Rundungen widmete sich im Spätwerk erneut dem weiblichen Akt in Form von Badenden.
„Ich liebe Bilder, die in mir den Wunsch erwecken, in ihnen herumzuspazieren, wenn es Landschaften sind, oder sie zu liebkosten, wenn es Frauen sind.“ (Auguste Renoir)
Bis heute überraschen Pierre-Auguste Renoirs Spätwerk, vor allem die monumentalen, rosa gefärbten Badenden, die so unterschiedliche Aufnahme erfahren haben. Einflüsse von Tizian, Rubens und Ingres sind genauso feststellbar – wie Aristide Maillols Ausruf „Ah, das sind Skulpturen!“ treffend. Und auch in diesen Jahren ist der Stil Renoirs nicht leicht zu beschreiben. Im Jahr 1910 malte er so unterschiedliche Bildnisse wie „Jean als Jäger“, das „Porträt Paul Durand-Ruel“ und die Tizian-Gemälden ähnliche „Madame Thurneyssen und ihre Tochter“. In ihnen – wie auch den Badenden – verband er Modellstudium, Erinnerung, historische Zitate und Idealisierung nach einem langen Arbeitsprozess. Seine 120 großformatigen Gemälde (vor etwa 4.000 gesamt) sind Zeugnisse eines Traditionalisten und Erneuerers der Malerei. Der in seiner Jugend Wände bemalende Künstler behielt zeitlebens die Idee von Kunst als Dekoration, Schönheit und visuellem Reichtum bei, ohne sich je einem Konzept, einem einzigen Stil verschreiben zu wollen.
Am 25. Februar 1841 wurde Pierre-Auguste Renoir in Limoges geboren. Er ist das sechste von sieben Kindern, von denen zwei in der Kindheit verstarben. Sein Vater Léonard Renoir war ein Schneider und seine Mutter Marguerite Merlet (geb. Merlet) eine Schneiderin.
1845–1846 Die Familie zog nach Paris, wo sie in der Rue de la Bibliothèque, in der Nähe des Louvre, wohnte.
1848–1856 Pierre-Auguste Renoir ging auf die katholische Schule in der Straße, in der er lebte. Im Alter von neun Jahren erhielt er Gesangsstunden und wurde ein Mitglied des Chores der Kirche von Saint-Eustache, der vom Komponisten Charles Gounod geleitet wurde.
1849 Geburt seines jüngeren Bruders Edmond Victor.
1855 Die Familie zog in die Rue d’Argenteuil 23, in der Nähe des Palais Royal.
1856–1858 Renoir absolvierte eine Lehre als Porzellanmaler in der Firma Lévy-Frères. Er besuchte kostenlose Zeichenkurse des Bildhauers Louis-Denis Callouette, Direktor an der École de Dessin et d’Arts Décoratifs, wo er mit dem Maler Émile-Henri Laporte traf.
1858–1859 Renoir malte Fächer für seinen älteren Bruder Pierre-Henri, da die Erfindung der maschinellen Porzellanbemalung seinen Beruf verdrängt hatte. Er arbeitete auch für einen gewissen Mr. Gilbert, für den er Rollläden in einem Atelier in der Rue du Bac bemalte.
1860–1864 Renoir erhielt für vier Jahre eine Erlaubnis, Gemälde im Louvre zu kopieren. Hier entdeckte er die Gemälde von Peter Paul Rubens und die französischen Maler des 18. Jahrhunderts wie Jean-Antoine Watteau, François Boucher und Jean-Honoré Fragonard.
1861–1864 Pierre-Auguste Renoir besuchte das Atelier des Schweizer Malers Charles Gleyre bis zu dessen Auflösung. Hier freundete er sich mit Claude Monet, Frédéric Bazille und Alfred Sisley an.
1862–1864 Renoir studierte an der École des Beaux-Arts in Paris. Erstmals gemeinsam mit Monet im Wald von Fontainebleau (1862). Er absolvierte seinen Militärdienst in zwei Tranchen (Ende 1862 und Anfang 1864).
1863 Im Summer malte Renoir im Wald von Fontainebleau, wo er mit den Malern Narcisse-Virgile Diaz de la Peña und Gustave Courbet. Über Monet traf er Camille Pissarro und Paul Cézanne, beide waren Schüler an der Académie Suisse.
1864 Renoir entschied sich für eine Laufbahn als Maler: Teilnahme am Salon mit „Esmeralda“, einer Arbeit, die von Victor Hugo’s „Notre Dame de Paris“ inspiriert wurde. Er zerstörte es kurz darauf. Renoir begann, Aufträge zu erhalten. Er malte Portraits von Sisley und dessen Vater, genauso wie das seines Freundes Laporte und dessen Schwester Marie-Zélie Laporte.
1865 Renoir ist ein regelmäßiger Gast der Sisleys in Paris und des Malers Jules Le Coeur in dessen Sommerhaus in Marlotte, in der Nähe von Fontainebleau. Vielleicht traf er dort Clémence Tréhot‘s Schwester Lise, der Geliebten von Jules Le Coeur. Lise begann für Renoir als Modell zu arbeiten – in Werken wie „Eine Nymphe am Fluss“, „Die Promenade“, „Lise in einem weißen Schal“ und „Frau mit einem Schirm im Garden“ ist sie zu sehen – und wurde auch bis 1872 Renoirs Geliebte. Lise bekam zwei Kinder, Pierre und Jeanne Marguerite, die der Künstler aber nie anerkannte. Bekanntschaft mit Gustave Courbet. Mit zwei Gemälden im Salon vertreten: „Porträt William Sisley“ und „Soirée d’été [Sommerabend]“.
1866 Renoir malte „Frau in pelzbesetzten Mantel“, inspiriert von den Werken von Rubens und Leonardo da Vinci’s „Mona Lisa“, die er im Louvre gesehen hatte. Teilte sich ein Atelier mit Bazille in der Rue Visconti 20. Monet gesellte sich bald danach zu ihnen. Renoir malte mit Sisley und Le Coeur im Wald von Fontainebleau („Schenke der Mutter Anthony“).
1867 Zurückweisung seines Gemäldes „Diana“ durch den Salon, Renoir unterzeichnete eine Petition mit verschiedenen Künstlern, in dem sie erfolglos einen Salon des Refusés fordern.
1868 Bazille und Renoir mieteten ein anderes Atelier in der Rue de la Paix aux Batignolles (bis 1870), den er in „Bazille an der Staffelei“ festhielt. Malte in Chantilly. Geburt des ersten Sohnes von Renoir, Pierre, der wohl in frühen Jahren verstarb. Sein Architektenfreund Charles Le Coeur involvierte Renoir in die Dekoration der privaten Residenz von Prince Georges Bibesco in der Avenue de Latour-Maubourg 22 in Paris. „Lise mit einem Schirm“ wurde am Salon angenommen und erfolgreich ausgestellt. Renoir hatte große finanzielle Probleme. Erste Stadtansichten von Paris.
1869 Stellte im Salon aus. Die Maler Renoir, Cézanne, Degas, Pissarro, Monet und Sisley, die Schriftsteller und Kritiker Émile Zola und Théodore Duret sowie u.a. der Fotograf Nadar trafen sich mit Edouard Manet im Café Guerbois. Hielt sich im Sommer bei seinen Eltern in Voisins-Louveciennes.ielt sich Im Oktober arbeiteten Renoir und Monet an ihren ersten impressionistischen Gemälden in La Grenouillère am Ufer der Île de Croissy, an der Seine, bei Bougival und Chatou.
1870 Mit zwei Gemälden am Salon vertreten. In der ersten Jahreshälfte malte Renoir das „Porträt von Madame Clémentine Valensi Stora (L’Algérienne) [Die Algerierin]“, der Ehefrau des Pariser Teppich- und Antiquitätenhändlers Nathan Stora. Das Werk zeigt, wie sehr seine Verehrung für Eugène Delacroix gewachsen war. Er malte erste impressionistische Bilder mit großformatigen Figuren wie „Eine Nymphe am Bach“ und Die Promenade“. Geburt seiner Tochter Jeanne Marguerite (21.7.). Sie wurde von einer Amme in der Normandie erzogen, fern von ihren Eltern und kaum Kontakt zu ihrem Vater. Während des Deutsch-französischen Kriegs wurde Pierre-Auguste Renoir eingezogen und dem zehnten Kavallerieregiment zugeteilt. Seine Kompagnie wurde nach Libourne, bei Bordeaux, gesandt, wo er an der Ruhr erkrankte und im Haus eines Onkels gepflegt wurde. Sein guter Freund Bazille starb im Kampf bei Beaune-la- Rolande (28.11.).
1871 Renoir kehrte im April nach Paris zurück und erhielt einen Sicherheitspass, um zwischen Paris und Louveciennes hin- und herreisen zu können, wo seine Eltern lebten. Im Herbst mietete ein Atelier in der Rue de Notre-Dame-des-Champs 34 in Paris.
1872 Rekonvaleszenz in Bordeaux. Anfang des Jahres begann er eine Zusammenarbeit mit dem Kunsthändler Paul Durand-Ruel, der zwei Werke (u.a. „Pont des Arts“) von ihm erwarb. Das markierte den Beginn einer engen, lebenslangen Freundschaft zwischen den beiden Männern. Dennoch malte Renoir das Porträt von Durand-Ruel erst 1910. Während des Sommers arbeitete er in Argenteuil mit Camille.
1873 Über Degas lernte Renoir den Kunstkritiker und -sammler Théodore Duret kennen. Mit zwei Gemälden im Salon des Refusés vertreten. Das Café Nouvelle-Athènes wurde der neue Treffpunkt für die Künstler. Renoir traf Gustave Caillebotte. Mietete ein Atelier in der Rue Saint-Georges 35, südlich des Montmartre. In dieser Zeit distanzierten sich die Le Coeurs von Renoir, nachdem der Maler sich für die junge Marie Le Coeur interessiert hatte. Während des Sommers besuchte Renoir die Monets in Argenteuil, wo er erneut ein „Porträt von Madame Claude Monet“ sowie „Monet malt in seinem Garten in Argeteuil“ malte. Vielleicht war sie auch das Modell der „jungen Frau in Weiß lesend“; beide Maler sahen eine Menge von Caillebotte. Am 27. Dezember gründete er die Société Anonyme Coopérative des Artistes Peintres, Sculpteurs et Graveurs gemeinsam mit Monet, Sisley, Pissarro, Degas, Morisot und Cézanne.
1874 Erste Impressionistische Ausstellung in Nadars Atelier am Boulevard des Capucines 35 (April–Mai). Renoir präsentierte sechs Gemälde und ein Pastell.
1875 Anna-Henriette oder Alma-Henriette Leboeuf begann für Renoir zu sitzen. Der Maler nannte sie Margot und hatte vermutlich eine Affäre mit ihr. Sie könnte die Frau in dem dunklen Kleid in „Nach dem Essen“ sein.
Am 24. März organisierten Renoir, Monet, Sisley und Morisot den Verkauf ihrer Werke im Hôtel Drouot. Die Auktion war ein Misserfolg. Renoir traf den Verleger Georges Charpentier, der ihm die Dekoration seines Stiegenhauses anvertraute und viele Werke bei ihm beauftragte, darunter das bekannte „Porträt von Madame Georges Charpentier und ihrer Kinder“ (Herbst 1878). Er freundete sich mit dem Zollbeamten und Sammler Victor Choquet an, für den er Familienbildnisse malte. Im Frühling und im Sommer hielt er sich in Argenteuil auf, wo auch Monet und Sisley malten. Hier traf er Père Fournaise, den Besitzer des Restaurants auf der Insel Chatou. Fournaise’s Tochter Alfonsine, die zwischen 1875 und 1882 oft für Renoir Modell saß, könnte auch das Modell für „Die Träumerin“, obwohl auch die Schauspielerin Jeanne Demarsy in Frage kommen könnte. Renoir begann sein ambitioniertestes Werk – „Le Moulin de La Galette“ – in Montmartre, wo er ein Atelier in Rue Cortot 12–14 mietete. Hier malte er auch im wilden Garten („Frau mit Sonnenschirm im Garten“).
1876 Zweite Impressionisten Ausstellung in der Galerie Durand-Ruel: Renoir war mit 18 Werken vertreten (April–Mai). Malte im Garten der Rue Cortot und in der Moulin de la Galette. Aufenthalt in Champrosay beim Schriftsteller Alphonse Daudet.
1877 Mit 21 Werken Teilnahme an der dritten Impressionisten-Ausstellung: „Bal du Moulin de la Galette [Tanz im Moulin de la Galette]“, 1876 (Musée d’Orsay, Paris, das zentral gehängt wurde); „La balançoire [Die Schaukel]“, 1876 (Musée d‘Orsay). Malte das erste Porträt der Schauspielerin Jeanne Samary, die an der Comédie Française engagiert war. Renoir vertrieb Mac Lean Zement, mit dem er in seinen Wandgemälden experimentierte. Caillebotte borgte ihm Geld für das Geschäft, das allerdings desaströs endete. Erneut Auktion impressionistischer Gemälde im Hôtel Drouot. Mittwochs-Künstlertreffen im Restaurant von Eugène Murer am Boulevard Voltaire.
1878 Renoir illustrierte Émile Zolas Roman „Das Paradies der Damen“. Präsentierte „Im Café“ und „Die Tasse Schokolade“ am Salon (Mai).
1879 Tod von Renoirs Modell und Geliebte Margot (Ende Februar). Entschied sich gegen eine Teilnahme an der vierten Impressionisten-Ausstellung und präsentierte die vier Porträts von Jeanne Samary und Madame Charpentier am Frühlingssalon. Erste Einzelausstellung mit Pastellen und Porträts in den Räumen von Charpentiers wöchentlicher Zeitung „La Vie moderne“ (Juni–Juli), für die Renoir auch Illustrationen machte. Der Bankier und Diplomat Paul Bérard lud Renoir in sein Schloss nach Wargemont, in der Nähe von Dieppe und Berneval, ein, wo der Maler viele Porträts (und vielleicht „Rosen in einer Vase“, frühe 1880er Jahre) und wenige Landschaften und Seestücke ausführte. Ende 1879 traf Renoir die junge Schneiderin Aline Charigot, die zuerst für ihn posierte, und die er zehn Jahre später heiratete.
1880 Renoir brach sich bei einem Radunfall den rechten Arm und malte mit der linken Hand. Keine Teilnahme an der fünften Impressionisten-Ausstellung (April), sandte vier Werke in den Salon. Verbrachte den Sommer meist in Chatou. Malte das „Frühstück der Ruderer“.
1881 Da Durand-Ruel regelmäßig bei ihm Bilder kaufte, konnte sich der Maler erstmals Auslandsreisen leisten. Renoir reiste in Algerien für fast zwei Monate und folgte dem Beispiel von Delacroix (März–April). Keine Teilnahme an der sechsten Impressionisten-Ausstellung (Mai–Juni). Teilnahme am Salon mit zwei Gemälden, u.a. dem „Porträt der Töchter von Louise Cahen d’Anvers“. Reise nach Italien (Ende Oktober–Dezember), um Ingres Vorbild zu folgen und die klassische Kunst wie die Renaissance Meister zu studieren: Renoir besuchte Venedig, vielleicht Padua und Florenz, Rom (wo er die Fresken Raffaels bewunderte) und Neapel (wo er die Pompeijanischen Gemälde sah und in der Bucht von Salerno malte), Kalabrien, Sorrento und Capri. Traf James Whistler.
1882 Anfang des Jahres Aufenthalt in Palermo. Im Januar Rückkehr nach Frankreich über Marseilles, wo er mit Cézanne bis März in L’Estaque malte. Erkrankte an einer Lungenentzündung reiste daher im Frühling zur Erholung nach Algerien. Lehnte erneut das Angebot ab, an der siebten Impressionisten-Ausstellung im März teilzunehmen und stellte ein Porträt am Salon aus. Trotz seines Protestes konnte er seinen Kunsthändler Paul Durand-Durel nicht davon abhalten 21 seiner Werke für die Ausstellung bereitzustellen. Im September beauftragte ihn Durand-Ruel mit den Porträts seiner Kinder in Dieppe. Die drei Söhne von Durand-Ruel stiegen in das Familiengeschäft mit ein.
1883 Renoir verließ den Impressionismus zugunsten eines klassischeren Stils mit trockener Zeichnung, der gemeinhin als seine „Ingres“ oder Ingreske oder Trockene Periode bezeichnet wird (bis ca. 1887). Diesen Stil bezeichnete Pierre-Auguste Renoir als „aigre“ (sauer/bittersüß). Monet und Renoir besuchten Cézanne. Die junge Suzanne Valadon begann, für Renoir zu posieren. Er malte „Der Zopf“. Die Galerie Durand-Ruel präsentierte eine große Retrospektive mit 70 Werken. Der Katalog enthält ein Vorwort von Théodore Duret. Renoir nahm an Manets Begräbnis am 4. Mai teil. Im Juli besuchte er Gustave Caillebotte in Petit Gennevilliers, wo er dessen Lebensgefährtin Charlotte Berthier porträtierte. Im September besuchte er Jersey und Guernsey mit Aline und im Dezember die Côte d’Azur mit Monet. Ende des Jahres begann Caillebotte einmal im Monat ein Abendessen im Café Riche zu organisieren: Er traf sich dort mit den Impressionisten Pierre-Auguste Renoir, Claude Monet und Alfred Sisley. Diese Treffen fanden zehn Jahre lang statt.
1884 Pierre-Auguste Renoir entschied sich, keine Werke mehr zum Salon einzureichen (bis 1890). Im Sommer reiste er nach La Rochelle, das Camille Corot oft gemalt hatte, und weiter nach Wargemont mit den Bérards, wo er „Nachmittag der Kinder in Wargemont“ malte. Traf sich mit Cézanne in Marseilles. Es entstanden die drei berühmten Tanz-Bilder: „Tanz in Bougival“, „Tanz auf dem Land“ und „Tanz in der Stadt“.
1885 Geburt seines Sohnes Pierre (23.3.). Caillebotte wurde der Taufpate. Doktor Étienne Goujon beauftrage Renoir mit Porträts seiner vier Kinder, incl. jenes von Étienne. Während des Sommers mietete Renoir ein Haus in La Roche-Guyon bei Giverny, wo er mit Aline und Pierre wohnte. Sie luden Cézanne ein, der mit Hortense Fiquet und ihrem gemeinsamen Sohn Paul kam. Renoir und seine Familie reisten im Herbst erstmals in Alines Heimatstadt Essoyes (Champagne). Renoir malte ein Porträt von Jeanne Trinquesse, der Ehefrau seines Zahnarzt-Freundes Paul Paulin, der auch Bildhauer, Sammler und Händler war. Paulin schuf später eine Büste von Renoir und tauschte diese gegen das Bildnis seiner Frau mit schwarzen Handschuhen. Berthe Morisot richtete jede Woche ein Abendessen bei ihr zu Hause aus, zu denen Renoir oft gemeinsam mit Stéphane Mallarmé eingeladen wurde. Diese Abendessen fanden etwa zehn Jahre lang statt. Renoir litt an Depressionen.
1886 Berthe Morisot besuchte Pierre-Auguste Renoir in dessen Atelier, da sie seine Bilder der Mutterschaft sehr bewunderte. Morisot bemerkte dabei nicht, dass diese Werke Aline und Pierre zeigen, genauso wie sie die genauen Familienverhältnisse Renoirs nicht kannte. Im Februar sandte Renoir acht Werke in die Ausstellung von Les XX in Brüssel. Im April Teilnahme an Durand-Ruels großer Ausstellung „Works in Oil and Pastel by the Impressionists of Paris“ in New York. Renoir beschickte die New Yorker Schau mit 38 Werken – aber nicht die achte und letzte Impressionisten-Ausstellung im Mai. Zwischen Juni und Juli nahm Renoir mit den „Badenden“ an der „Fünften Internationalen Ausstellung“ teil, die Durand-Ruels Rivale, Georges Petit, in seiner Galerie ausrichtete. Reiste danach nach La Roche-Guyon und in die Bretagne mit Aline und Pierre.
1887 Renoir malte Julie Manet in ihrem Pariser Domizil (auf Anfrage ihrer Mutter Berthe Morisot). Im September besuchten er und seine Familie den Sammler Eugène Murer in Auvers-sur-Oise, wo er sich mit Pissarro traf. Bekanntschaft mit Stéphane Mallarmé. Beendete die „Großen Badenden“.
1888 Im Februar lud Cézanne die Renoirs ein, ihn in Jas de Bouffan in Aix-en-Provence zu besuchen, aber sie verließen es schnell wieder mit der Bemerkung, dass „ein dunkler Geiz über dem Haus“ läge. Renoir besuchte Caillebotte in Petit Gennevilliers (September). Die Renoirs verbrachten den Winter in Essoyes, wo Pierre-Auguste Renoir idyllische Landschaften mit Wäscherinnen und Traubenlesern malte. Litt an einem akuten Anfall von rheumatischer Arthritis und Gesichtsparalyse aufgrund einer verschleppten Erkältung.
1889 Renoirs erholte sich Anfang des Jahres langsam wieder. Der Journalist und Sammler Robert de Bonnières beauftragte ihn mit einem Porträt seiner Frau. Renoir lehnte eine Teilnahme an der „Exposition Universelle“ in Paris ab. Im Sommer mietete er das Haus von Bellevue in Montbriand, bei Aix-en-Provence, von Cézannes Schwager. Beide Künstler malten den Mount Sainte-Victoire. Erlebte eine Krise und hegte Zweifel an seiner eigenen Malerei.
1890 Mit fünf Werken Teilnahme an der Ausstellung von Les XX in Brüssel. Hochzeit mit Aline in Paris (14.4.). Renoir erkannte seinen Sohn Pierre an. Monate später zogen sie in die Rue de Girardon 13, Château des Brouillards, am Hügel von Montmartre. Letzte Teilnahme am Salon (Mai–Juni), mit „Die Töchter von Catulle Mendès“. Aus finanziellen Gründen konnte sich Renoir nicht an der öffentlichen Subskription zum Erwerb von Manets „Olympia“ beteiligen. Im folgenden Jahr spendete er 50 Francs. Während des Sommers verbrachte er drei Wochen mit Morisot und ihrem Ehemann Eugène Manet in Mézy.
1891 Renoirs Arthritis verschlechterte sich, und er begann die Winter in Cagnes und Tamaris-sur-Mer (Südfrankreich) zu verbringen. Der Architekt Paul Gallimard begann Renoir-Gemälde zu sammeln und wurde auch ein guter Freund. Tod von Chocquet. Während des Sommers besuchte Renoir, erstmals gemeinsam mit Aline und Pierre, die Manet-Morisot Familie in Mézy. Anfang Herbst verbrachte er einige Tage mit Caillebotte in Petit Gennevilliers. Renoir malte viel Variationen des Themas Mädchen lesend oder musizierend, die sehr dem Geschmack der Zeit entsprachen.
1892 Im Frühjahr erwarb der französische Staat „Junge Mädchen spielen Klavier“ um 4.000 Francs. Renoirs große Retrospektive in der Galerie Durand-Ruel mit 110 Werken ist ein durchschlagender und auch finanzieller Erfolg. Im Mai und Juni reiste er mit Paul Gallimard nach Madrid und Sevilla. Er ist fasziniert von den Gemälden von Velázquez, Goya und Tizian im Prado. Renoir und seine Familie reisten in die Bretagne (Herbst). Malte das Porträt von Stéphane Mallarmé.
1893 Gallimard arrangierte Renoir als Mallehrer für die Cousine seiner Frau Jeanne Baudot, die auch die Tochter von Renoirs Arzt ist.
1894 Tod von Caillebotte (21.2.), der seine Sammlung an impressionistischen Gemälden dem französischen Staat hinterließ. Caillebotte vermachte ein wichtiges Werk seiner Sammlung Pierre-Auguste Renoir, seinem Testamentsvollstrecker. Renoir wählte Degas‘ „Die Tanzklasse“. Renoir und seine Familie verbrachten den Sommer in Essoyes, wo sie die junge Gabrielle Renard, eine entfernte Cousine von Aline, als Kindermädchen engagierten. Gabrielle wurde eines von Renoirs Lieblingsmodellen. Geburt des Sohnes Jean am Montmartre (15.9.). Seine Taufe fand zwei Jahre später statt, und seine Taufpaten sind Jeanne Baudot und Georges Durand-Ruel.
1895 Tod von Berthe Morisot (2.3.). Pierre-Auguste Renoir kümmerte sich um Berthe Morisots Tochter Julie Manet, da diese nun Vollwaise ist. Während des Sommers lud er Julie und ihre Cousinen Paule und Jeanne Gobillard, genauso Waisen, in die Bretagne ein. Ende 1895 oder Anfang 1896 traf Renoir den Kunsthändler Ambroise Vollard. Überwarf sich mit Cézanne.
1896 Monet, Degas und Renoir, gemeinsam mit Julie Manet, stellten eine posthume Ausstellung der Werke von Morisot in der Galerie Durand-Ruel zusammen (März). Im Sommer reiste Renoir mit Martial Caillebotte, Gustaves Bruder, nach Bayreuth, um Wagner Opern zu besuchen. Der Maler reiste weiter nach Dresden, um Johannes Vermeers „Kupplerin“ zu sehen. Tod von Renoirs Mutter in Louveciennes (November).
1897 Am 9. Februar wurde Caillebottes Sammlung nach mehreren Jahren Streit im Musée du Luxembourg ausgestellt. Julie Manet sah die spanisch inspirierte „Gitarre spielende Frau“ in Renoirs Atelier. Ende des Sommers fiel Renoir in Essoyes vom Rad und brach sich den rechten Arm das zweite Mal. Im Herbst setzte er seine Malstunden mit Julie Manet und ihren Cousins weiter fort. Er produzierte eine Serie von Werken, darunter Porträts und Genregemälde, von Christine und Yvonne Lerolle, den Töchtern seines guten Freundes, bekannten Salonmalers und Sammlers Henry Lerolle.
1898 Ausbruch der Dreyfus Affäre, neben Degas, Cézanne und Auguste Rodin entwickelte Renoir eine Anti-Dreyfus-Haltung. Im Februar reiste Renoir erstmals nach Cagnes-sur-Mer, bei Nizza. Im Sommer kaufte er ein Haus in Essoyes. Nahm mit Julie und ihren Cousins an Mallarmes Begräbnis in Valvins teil (11.9.). Im Oktober reiste er mit Paul Bérard, Abel Faivre und Joseph Durand-Ruel nach Holland, um Vermeers Gemälde und die Rembrandt Ausstellung in Amsterdam zu sehen. Renoir verkaufte Durand-Ruel Degas‘ „Die Tanzklasse“ (12.12.), was Spannungen mit Degas verursachte.
1899 Verbrachte den Winter in Cagnes-sur-Mer und Nizza. Tod von Sisley (29.1.). Renoirs Gesundheit verschlechterte sich, zweiwöchige Behandlung in Aix-les-Bains (August). Marie Dupuis, bekannt als „la Boulangère [die Bäckerin]“ begann, für die Renoirs in Paris zu arbeiten. Auch sie posierte für den Maler jahrelang.
1900 Die ersten Monate in Grasse. Erste Einzelausstellung mit 68 Werken bei Bernheim-Jeune (Jänner bis Februar). Sandte elf Werke für die „Exposition Universelle“ in Paris ein. Zum Ritter der Ehrenlegion berufen (16.8.). Renoirs fortschreitendes Rheumaleiden deformierte seine Hände und Arme.
1901 Geburt seines Sohnes Claude („Coco“) in Essoyes (4.8.). Die Galerie Paul Cassirer in Berlin präsentierte 23 Werke von Renoir (Mitte Oktober–November).
1902 Auf Empfehlung seines Arztes zog Renoir nach Le Cannet, bei Cannes. Gemeinsam mit seinem Maler-Freund Albert André, die Familie folgte nach. Renoirs rheumatoide Arthritis verschlechterte sich.
1903 Renoir lebte während des Winters im Süden und verbrachte die Sommer in Paris und Essoyes. Mietete die Villa la Poste in Cagnes-sur-Mer, wo er sich mit Unterbrechungen bis 1908 aufhielt. Tod von Pissarro in Paris (13.11.). Renoir nahm am Begräbnis teil. Ende des Jahres wurden Fälschungen von Renoirs Gemälden am Kunstmarkt entdeckt. Reiste nach Paris am Beginn des folgenden Jahres, um das Problem zu lösen.
1904 Maurice Denis und dessen Frau Marthe besuchten Renoir in Cagnes-sur-Mer (Frühling). Die Gesundheit des Künstlers verschlechterte sich während des Sommers. Der Herbstsalon in Paris widmete Renoir einen Raum mit 35 Gemälden, die ein großer Erfolg wurden. Der Sammler Maurice Gangnat begann Werke direkt vom Maler zu kaufen.
1905 Renoir nahm die Arbeit nach einigen Monaten Paralyse wieder auf. Er malte nun einige seiner sinnlichsten Akte. Durand-Ruel organisierte eine große Impressionisten-Ausstellung in den Grafton Galleries in London, darunter 59 Werke von Renoir. Tod von Paul Bérard und Auktion seiner Sammlung in der Galerie Georges Petit (Mai). Im Sommer ließ sich Renoir in Essoyes ein neues Atelier bauen. Ehrenpräsident des Pariser Herbstsalons.
1906 Maurice Denis und Ker-Xavier Roussel besuchten Renoir in Cagnes-sur-Mer. Rodin besuchte Renoir in seinem Pariser Atelier (Ende Juni). Im September kam ihn Aristide Maillol in Essoyes besuchen, da er von Vollard beauftragt wurde, eine Büste des Malers anzufertigen. Tod von Paul Cézanne in Aix-en-Provence (23.10.).
1907 Kauf eines alten Landgutes namens Les Collettes in Cagnes-sur-Mer (28.6.), wo er sich ein Haus und zwei Ateliers bauen ließ und 1908 einzog. Das Metropolitan Museum erwarb „Madame Charpentier und ihre Kinder“.
1908 Vollard besuchte ihn in Cagnes-sur-Mer im Mai, Renoir malte sein Porträt. Auch Aristide Maillol besuchte den Malere, danach fertigte Renoir kleine Skulpturen aus weichem Wachs, die seinen Sohn Coco zeigen. Im Herbst zog er nach Les Collettes, wo er Monet und dessen Frau Alice empfing (Dezember). Setzte sein Testament auf.
1909 Im Juli gewann sein Sohn Pierre, der am Conservatoire National d’Art Dramatique in Paris studierte, den ersten Preis im Tragödienfach. Er wurde ein berühmter Schauspieler in Frankreich. Die junge Madeleine Bruno posierte für Renoir, v.a. zwischen 1908 und 1919. Renoir bewunderte Monets „Seerosen“ in der Galerie Durand-Ruel.
1910 Paul Durand-Ruel und dann Maurice Denis besuchten Renoir in Cagnes-sur-Mer. Denis sah das Vorwort von Renoir für die neue französische Edition von Cennino Cenninis „Il libro dell’arte“, übersetzt vom Maler Victor Mottez, durch, die 1911 publiziert wurde. Malte ein großformatiges Porträt seines Sohnes Jean (März–August) – bereits aus dem Rollstuhl heraus und Paul Durand-Ruel. Die 9. Internationale Ausstellung (Biennale) von Venedig (April–Oktober) präsentiert eine Renoir Retrospektive mit 37 Werken. Im August reiste Renoir mit seiner Familie auf Einladung des wohlhabenden Intellektuellen Doktor Friedrich Thurneyssen nach Wessling am See bei München. Malte einige Porträts der Familie, darunter „Madame Thurneyssen und ihre Tochter“. Besuch der Alten Pinakothek und den vielen Rubens Gemälden dort.
1911 Der deutsche Kritiker Julius Meier-Graefe veröffentlichte die erste Monografie über Pierre-Auguste Renoir (franz. 1912). Zum Offizier der Ehrenlegion berufen (20.10.). Im November mietete Renoir eine Wohnung in Nizza, um näher an der Schule der Kinder und seinen Ärzten zu sein.
1912 In der Überblicksausstellung „100 Jahre französische Kunst“ in St. Petersburg beinhaltete viele Werke von Renoir. Gemeinsam mit Rodin zum Ehrenpräsidenten des Salon Pictural von Marseilles berufen (Mai). Vollständig gelähmt bis Ende des Frühjahrs. Auch wenn er wieder seine Arme bewegen konnte, blieb er gelähmt. Depressionen, da er nicht malen konnte. Der amerikanische Sammler Alfred Barnes erwarb sein erstes Renoir-Gemälde und begann, eine Gruppe von 180 Werken des Künstlers zusammenzutragen.
1913 Maurice Denis besuchte Renoir (Februar). Im gleichen Monat wurden fünf Bilder von Renoir auf der Armory Show in New York gezeigt. Am 17. Februar meldete sich Renoirs Sohn Jean, der zukünftige Filmemacher, für drei Jahre zum Ersten Dragoner Regiment der Französischen Armee. Obwohl seine Hände völlig deformiert sind malte Renoir Porträts von Gertrude, der Frau vom deutschen Sammler Karl Ernst Osthaus, und der Dichterin Alice Vallières-Merzbach. Im März präsentierte die Galerie Bernheim-Jeune eine große Renoir Retrospektive mit 52 Werken des Malers. Der Katalog enthält ein Vorwort von Octave Mirbeau. Vollard empfahl Piere-Auguste Renoir mit dem Bildhauer Richard Guino in Essoyes zusammenzuarbeiten. Mary Cassatt zufolge, entließ Ende des Jahres Aline Gabrielle, die als Renoirs Pflegerin angestellt war.
1914 Im Februar zeigte Durand-Ruel in New York eine Ausstellung mit 33 Gemälden von Renoir. Ausbruch des Ersten Weltkriegs (3.8.). Pierre und Jean wurden einberufen und beide verwundet. Im Oktober quartierte Renoir etwa 60 Soldaten in Les Collettes ein.
1915 Anfang des Jahres begann die rothaarige Andrée Heuschling, bekannt als Dédée, für Renoir zu posieren. Jean Renoir, der Dédée im Jahr 1920 heiratete, wurde im Frühling ernsthaft verwundet. Tod von Aline an einem Herzinfarkt (27.6.) in Nizza, nachdem sie ihren Sohn dort im Krankenhaus besucht hatte. Renoir malte eine neue Version von „Mutterschaft“ (1885/86) als Denkmal für ihr Grab. Im Herbst schuf er eine Serie von Keramiken mit seinem Sohn Claude. Gabrielle kehrte nach Les Colletes zurück. Sie heiratete den amerikanischen Maler Conrad Hensler Slade nach Renoirs Tod.
1916 Renoir empfing Pierre Bonnard in Cagnes-sur-Mer. Teilnahme an der Paris Trienniale im Jeu de Paume (März–April) mit Leihgaben von Vollard. Malte hauptsächlich Badende in den verbleibenden Jahren.
1917 Tod von Degas (27.9.). Im Oktober und November präsentierte das Kunsthaus Zürich eine Ausstellung über französische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts mit 60 Werken von Renoir. Henri Matisse besuchte ihn in Les Collettes (31.12.).
1918 Malte „Porträt von Adèle Besson“, der Frau des Kritikers George Besson, Gründer und Chefredakteur von „Les Cahiers d’aujourd’hui“. Sommer in Cagnes-sur-Mer, wo er Kunsthändler und Maler, darunter Théo van Rysselberghe und Paul Signac, traf. Nach Ende des Ersten Weltkriegs (11.11.) kehrte Jean nach Les Collettes zurück.
1919 Matisse besuchte Renoir mehrmals in Cagnes-sur-Mer. Renoir zum Kommandeur der Ehrenlegion bestellt (Februar). Im August lud ihn Paul Léon, Direktor der Gemäldesammlung, in den Louvre ein, um die Installation des Gemäldes „Madame Georges Charpentier“ zu überwachen. Im September reiste Léon nach Essoyes, um Pläne für eine Ausstellung im folgenden Frühjahr zu besprechen.
Am 3. Dezember 1919 starb Pierre-Auguste Renoir im Alter von 78 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung in Les Collettes. Er wurde anfangs in Nizza beerdigt, allerdings wurden seine Überreste 1922 nach Essoyes transferiert und neben dem Grab seiner Frau beigesetzt. Zu den in seinem Atelier gefundenen Gemälden zählen „Frau zieht einen Schuh an“ und „Das Konzert“.