Samuel van Hoogstraten

Wer war Samuel van Hoogstraten?

Samuel van Hoogstraten (Dordrecht 2.8.1627–19.10.1678 Dordrecht) war ein niederländischer Maler, Radierer und Kunsttheoretiker sowie Autor zahlreicher bekannter Trauerspiele und Lobgedichte im Barock. Er widmete sich sowohl der Porträtmalerei als auch der Genre-, Landschafts- und Historienmalerei, sowie Tierbildern und Stillleben.

Kindheit und Ausbildung

Samuel Dirksz van Hoogstraten wurde am 2. August 1627 in Dordrecht geboren. Er war der Sohn und Schüler des Malers und Mennonitischen Silberschmieds Dirck van Hoogstraten (1596–1640) und Mayken de Koning (1598–1645). Bald nach seiner Geburt übersiedelte die Familie nach Den Haag, wo Hoogstraten seine erste Ausbildung bei seinem Vater erhielt. Die Familie kehrte im August 1640, nur wenige Monate vor Dircks Tod (Dezember 1640), nach Dordrecht zurück.

Der bereits halbausgebildete Maler trat um 1643 in die Werkstatt Rembrandt van Rijns (1606–1669) ein. Dort wurde er gemeinsam mit Carel Fabritius (1622–1654 → Carel Fabritius: Der Distelfink) und Furnerius ausgebildet. Van Hoogstratens Ausbildung bei Rembrandt dauerte wahrscheinlich bis 1646; möglicherweise arbeitete er noch 1647 in dessen Atelier, obwohl in diesen zwei Jahren keine Informationen über ihn verfügbar sind.
Weitere Maler aus Dordrecht, die bei Rembrandt ausgebildet worden sind, waren Ferdinand Bol, Nicolaes Maes, Jacobus Leveck und Arent de Gelder. Als unabhängige Meister etabliert, gingen sie bald getrennte Wege und entschieden sich für einen eleganteren, farbenfroheren Stil im Einklang mit der Mode der Zeit. Nur De Gelder blieb Rembrandts „rauem“ Stil Zeit seines Lebens treu.

Werke

In Den Haag beschäftigte sich Samuel van Hoogstraten zunächst mit der Porträtmalerei. Sein Frühwerk steht unter dem Einfluss Rembrandts, wie das „Selbstbildnis“ (The Princly Collections Liechtenstein, GE 107) von 1645 zeigt.

Kurz nach seiner Lehrzeit in Amsterdam malte er dort eine „Anbetung“ (1647) ganz „im Rembrandt-Stil“, die sich heute im Dordrechts Museum befindet. Den Einfluss des Meisters erkennt man an den Farben – vor allem den Braun- und warmen Rottönen – sowie dem starken Hell-Dunkel-Kontrast. Auch die Komposition übernahm Hoogstraten nahezu wörtlich von Rembrandt. Auch seine Genrebilder weisen jenen starken Hang zum Naturalismus auf, der auch Rembrandts anheimelnde Behandlung biblischer Themen kennzeichnet.

Der früheste Beweis für Van Hoogstratens Rückkehr nach Dordrecht ist ein Gedicht, das er am 19. Januar 1648 über den Arzt Bernardus Pandelaert (um 1600–1653) schrieb. Drei Monate später, im April, wurde er in der mennonitischen Gemeinde in Dordrecht getauft. Im Jahr 1651 geriet Samuel van Hoogstraten in Konflikt mit mennonitischen Verboten, als ihn zwei Glaubensbrüder beim Tragen von Waffen bei Tageslicht erwischten, was strengstens verboten war.

Reisen

Wien

Am 16. Mai 1651 verließ Samuel van Hoogstraten Dordrecht für einen längeren Auslandsaufenthalt. Sein erstes Ziel war Wien. Am 6. August erhielt er eine Audienz bei Kaiser Ferdinand III. (1608–1657), der von seiner Kunst sehr beeindruckt war. Der niederländische Barockmaler zeigte dem Kaiser und seinem Gefolge drei Gemälde, die er aus Dordrecht mitgebracht hatte, darunter ein Trompe-l'œil Stillleben von der Art, wie er „so natürlich malte, dass viele davon getäuscht wurden“. Der Kaiser selbst, nachdem er das Stillleben ausführlich studiert hatte, räumte ein, dass van Hoogstraten „der erste Maler war, der ihn getäuscht hat“. Der Kaiser bewunderte das Bild so sehr, dass er es nur ungern zurückgeben wollte. Dafür überreichte er van Hoogstraten eine goldene Kette und ein Ehrenmedaillon, die fortan als persönliches Markenzeichen des Künstlers in vielen seiner Trompe-l’œil-Stillleben auftauchten. Es scheint ein einziges Treffen zwischen dem Maler und dem Kaiser gewesen zu sein; nichts weist darauf hin, dass van Hoogstraten als Hofmaler in Wien tätig war.

Anfang der 1650er Jahre wandte sich Samuel van Hoogstraten von Rembrandts Malweise ab und der intimistischen Genremalerei im Stil von Pieter de Hooch (1629–1684), Jan Steen (1626–1679) und Gabriel Metsu (1629–1667) zu, wobei er zwar in der meisterhaften Ausführung von Perspektiven und Trompe-l’œil-Motiven glänzt, doch in der Finesse hinter Pieter de Hooch zurückbleibt.

Während seines etwa zweijährigen Aufenthalts in Wien (1651/53) war Hoogstraten für Kaiser Ferdinand III. tätig. Vermutlich in dessen Auftrag entstand der Blick auf den inneren Burgplatz in Richtung Nordwesten mit der für Rudolf II. errichteten Amalienburg (1582–1585/1604–1609): „Der innere Burgplatz in Wien“ (1652 dat., KHM, Wien). Anhand des als Trompe-l’oeil gemalten Zettels mit der Signatur des Malers auf dem ebenfalls fingierten schwarzen Bilderrahmen bekundet Hoogstraten seine Vorliebe für die Vermischung von Malerei und Wirklichkeit durch augentäuschende Effekte.

Samuel van Hoogstraten schuf in Wien auch das Gemälde „Alter Mann im Fenster“ (1653, Kunsthistorisches Museum, Wien, G378), das sich seit seiner Entstehung in der ehemals kaiserlichen Sammlung befindet. Hoogstraten stellte auch theoretische Überlegungen zum Verhältnis von Maltechnik und räumlicher Illusion an und stellte einen Malereitraktat zusammen. Seine Spezialität waren Trompe-l'oeils, „Augenbetrüger“, wie dieses Bild: Aus einem minuziös gemalten Fenster mit Steinrahmung blickt ein alter Mann. Einer vermutlich falschen Tradition zufolge handelt es sich um Rabbi Jom Tow Lipmann Heller (1579–1654). Er erwirkte, dass Juden in der Wiener Leopoldstadt (heute: 2. Bezirk) wohnen konnten.

Rom

Van Hoogstraten verließ Wien 1652 und reiste über Venedig und Genua nach Rom, wo er sich den Bentveughels („Vögel einer Feder“) anschloss und den Bent-Spitznamen „Batavier“ erhielt.

Wien & Regensburg

Im Jahr 1653 war Samuel van Hoogstraten wieder in Wien und folgte im Herbst Kaiser Ferdinand zum Reichstag nach Regensburg. In Regensburg traf er einen Bekannten von Joachim von Sandrart (1606–1688), dem gelehrten Benediktinermönch und Abt Gabriel Bucelinus (1599–1681), der zwischen Herbst 1652 und Frühjahr 1654 ebenfalls dort war. Bucelinus half van Hoogstraten sich den Auftrag über ein Altarbild für die Johanniskirche in Feldkirch zu sichern, an dem er zusammen mit Nicolaes Roosendaal (1634/35–1686) in Wien arbeitete. Der Abt nahm van Hoogstraten in sein „Pictorum Europae Praecipuorum Nomina“ auf, eine Handschrift mit den Namen – seiner Meinung nach – der führenden Künstler Europas. Nach seiner Rückkehr aus Rom nach Wien gesellte sich zu van Hoogstraten sein Bruder, der von ihm ausgebildete Historien- und Genremaler Jan van Hoogstraten (1629/30–1654), ebenfalls ein Maler, der bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 1654 bei ihm lebte.

Dordrecht

Van Hoogstraten war 1656 wieder in Dordrecht und schloss sich der Broederschap der Romeynen an, einer Gesellschaft von Personen, die Rom besucht hatten. Bald darauf wurde er als Meister der Münze von Holland eingesetzt. Im selben Jahr heiratete er Sara Balen (gest. 1678), eine Nichte des Stadthistorikers Matthijs Balen (1611–1691), der später die „Beschryvinge der stad Dordrecht“ (1677) schrieb und für den Samuel van Hoogstraten die Drucke entwarf.

Im September 1656 wurde Van Hoogstraten wegen ungebührlichen Verhaltens aus der mennonitischen Gemeinde ausgeschlossen. Kurz darauf, im Januar 1657, traten er und seine Frau der Niederländisch-reformierten Kirche bei. In diesem Jahr malte Samuel van Hoogstraten zwei Gruppenporträts, darunter eines (heute verschollen) der Broederschap der Romeynen und eines seiner Mitmeister der Münze. 1674 folgte ein zweites Porträt der Offiziere und Münzmeister, auf dem er sich mit dem ihm von Kaiser Ferdinand III. verliehenen Medaillon und Kette präsentierte.

London

Von 1662 bis 1667 hielt sich van Hoogstraten in London auf, wo er Kontakt zu Mitgliedern der Royal Society hatte. Für Thomas Povey (1613/14–um 1705), Sekretär des Herzogs von York, fertigte er ein perspektivisches Gemälde an, das Samuel Pepys (1633–1703) in seinem berühmten Tagebuch bewunderte. Heute besitzt die National Gallery in London die besterhaltenen „Peeping box“ des Künstlers, ein Puppenhaus als Perspektivstudie.

Den Haag

Van Hoogstraten war zurück in der Republik Ende 1667 und wurde im Januar 1668 als Mitglied der Pictura, der Malerbruderschaft in Den Haag, aufgenommen. Die Elite der Residenzstadt stellte sich Schlange, um von ihm gemalt zu werden. So saßen beispielsweise der Steuereintreiber Maarten Pauw (1616–1680) und seine Familie acht Mal für den Künstler. Im Jahr 1671 kaufte Samuel van Hoogstraten ein Haus in Dordrecht am Steegoversloot, wo auch Levecq, Maes und Abraham van Dijck (1635–1680) lebten. 1673 wurde er zum Propst der Münze gewählt.

Seine Schüler waren sein jüngerer Bruder Jan van Hoogstraten, Arent de Gelder (1645–1727), Cornelis van der Meulen und Godefridus Schalcken (1643–1706), vielleicht zählten aber auch Jacobus Levecq (1634–1675) und Nicolaes Maes (1634–1693) dazu.

Arnold Houbraken, ebenfalls einer von van Hoogstratens vielen Schülern, schrieb das Buch „The Great Theatre of Dutch Painters“, das eine Biografie seines Lehrers enthält. Diese Biografie ist die Grundlage der meisten Informationen, die wir heute über Hoogstraten haben.

Einführung in die Hohe Schule der Malkunst

Samuel van Hoogstraten kehrte 1673 nach Dordrecht zurück und verbrachte dort seine letzten Jahre damit, eine wichtige Abhandlung über Malerei zu schreiben. Seine 1678 veröffentlichtes Buch ist mit in Rembrandts Werkstatt aufgeschnappten Ratschlägen und Anekdoten gespickt.

Einige Monate vor seine Tod erschien seine wichtigste Schrift „Inleydingh tot de Hooge Schoole der Schilderkonst: anders de zichtbaere werelt [Einführung in die Hohe Schule der Malkunst]“ (1678), veröffentlicht von François van Hoogstraten (1632–96), einem Buchhändler in Rotterdam. Die Schrift über die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts zählt neben den Werken von Karel van Mander (1548–1606), Gerard de Lairesse (1640/1641–1711) und Arnold Houbraken (1660–1719) zu den Klassikern der Kunstliteratur.

In dem Buch behandelt Hoogstraten Themen wie bildliche Überzeugung und Illusionismus, die moralischen Maßstäbe des Malers und das Verhältnis der Malerei zur Philosophie, wobei es sich auf verschiedene antike und moderne Autoren bezieht. Die Abhandlung reagiert auf internationale, hauptsächlich südeuropäische Ideen zur Malerei, denen Hoogstraten auf seinen Reisen begegnet sein könnte, spiegelt aber auch zeitgenössische Debatten und Überlegungen zur Kunst in niederländischen Ateliers wider. Hoogstraten schrieb es als Fortsetzung von Karel van Manders Buch „Het Schilder-Boeck“ aus dem frühen 17. Jahrhundert über Malerei und Maler.

Tod

In seinen letzten Lebensjahren litt Samuel van Hoogstraten an einer schweren Krankheit und starb am 19. Oktober 1678 im Alter von 51 Jahren in seinem Geburtsort Dordrecht. Van Hoogstraten wurde in der Munterskapel begraben; seine Frau starb nur einen Monat später. Am 21. März 1679 wurden in seinem Haus „viele prächtige Gemälde“ versteigert.

Literatur zu Samuel van Hoogstraten

  • Piet Bakker, Samuel van Hoogstraten (2017), in: Arthur K. Wheelock Jr., Lara Yeager-Crasselt (Hg.), The Leiden Collection Catalogue, New York 2020.
  • Walter Liedtke, Rembrandt’s ‘Workshop’ Revisited, in: Oud Holland 117, Nr. 1–2 (2004), S. 68.
  • Michiel Roscam Abbing, De schilder & schrijver Samuel van Hoogstraten 1627–1678. Eigentijdse bronnen & oeuvre van gesigneerde schilderijen, Leiden 1993. Biografie auf den Seiten 31–82.
  • Samuel van Hoogstraten, Inleyding tot de hooge schoole der schilderkonst: anders de zichtbaere werelt, Nachdruck der Ausgabe Rotterdam 1678, [Doornspijk] 1969.

Beiträge zu Samuel van Hoogstraten

Samuel van Hoogstraten, Alter Mann im Fenster, Detail, 1653 datiert, Öl auf Leinwand, 111 × 86,5 cm (Rahmenmaße Tiefe inkl. Hängung 6,5 cm: 118,5 × 94,8 × 5,5 cm) (Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie)

Wien | KHM: Rembrandt – Hoogstraten


Zum ersten Mal widmet das Kunsthistorische Museum Wien Rembrandt eine große Sonderausstellung. Die Ausstellung inszeniert einen faszinierenden Dialog zwischen Werken von Rembrandt van Rijn und Samuel van Hoogstraten (1627–1678), einem seiner talentiertesten Schüler. | 2024/25