Theo van Doesburg

Wer war Theo van Doesburg?

Theo van Doesburg (Utrecht 30.8.1883–7.3.1931 Davos) war eine der führenden Künstler, Designer, Schriftsteller und Herausgeber der geometrischen Abstraktion (→ Abstrakte Kunst). Als vielseitiger Künstler war er auch Mitbegründer und Sprecher der De Stijl-Gruppe und gab die gleichnamige Zeitschrift heraus. Kurz nach 1920 war van Doesburg auch Anhänger des Dadaismus.

In seinem Bestreben, eine universelle Kunst zu schaffen, baute Theo van Doesburg auf ein visuelles Vokabular aus elementaren, geometrischen Formen. Seiner Ansicht nach wären diese Formen für alle verständlich und an jedes Medium, jede Kunstgattung anpassbar. Mit seiner ersten Zeitschrift – „De Stijl“ (1917/18) – förderte er diese Ideen und die mit dem niederländischen Neoplastizismus und Konstruktivismus verbundenen Künstler. In der Dada-orientierten Zeitschrift „Mécano“ (1922/23) lag der Schwerpunkt auf der Beseitigung traditioneller Kunstansätze und der Förderung künstlerischer „Gegenvorschläge“. Obwohl sehr unterschiedlich, spiegelten die Veröffentlichungen zwei Seiten von Theo van Doesburgs Streben nach einer ästhetischen und sozialen Revolution wider.

Kindheit und Ausbildung

Theo van Doesburg wurde am 30. August 1883 im niederländischen Utrecht geboren und auf den Namen Christian Emil Marie Küpper getauft. Sein Pseudonym wählte er nach seinem Stiefvater Theodorus Doesburg.

Van Doesburg wollte ursprünglich Schauspieler werden und besuchte die Schule für Dramatische Kunst von Cateau Esser in Amsterdam. Rasch entwickelte er ab 1902 die Absicht, freier Künstler und Schriftsteller zu werden. Ab 1899 beschäftigte er sich mit Malerei, war aber hauptsächlich Autodidakt. Im Jahr 1908 stellte Theo van Doesburg erstmals aus. Anfangs arbeitete er in einem naturalistischen Stil, gefolgt von impressionistischen Porträts und Landschaften.

Erste abstrakte Werke

Um 1914/15 begann Theo van Doesburg mit der Abstraktion zu experimentieren, beeinflusst von den Schriften Wassily Kandinskys. Wie Kandinsky entdeckte van Doesburg in der Abstraktion jene spirituellen Eigenschaften, die er für grundlegend für alle Kunstwerke hielt. Ungegenständliche Bilder sollten Gefühle des Künstlers ausdrücken oder mystische Kräfte darstellen, die der sichtbaren Welt zugrunde liegen und die Überzeugungen der Theosophie widerspiegeln.

Während seines Wehrdiensts an der belgischen Grenze und in Utrecht (1914–1916) lernte er den Schriftsteller und Dichter Anthony Kork und den Philosophen Evert Rinsema kennen. Ab Anfang 1916 hatte van Doesburg Kontakt zu J.J.P. Oud (1890–1963), Bart van der Leck (1876–1958) und Vilmos Huszár (1884–1960) sowie Piet Mondrian (1872–1944). Sie gründeten die Künstlergruppe „De Sphinx“, und van Doesburg arbeitete am Haus für den Bürgermeister von Broek in Waterland mit. Obschon van Doesburg sich mit den abstrakten Kompositionen Mondrians, darunter der „Meer“-Serie, auseinandersetzte und diese in Veröffentlichungen besprach, orientierte er sich noch nicht am Werk seines Landsmanns.

Im Jahr 1916 stellte Theo van Doesburg Kandinskys Theorien zugunsten einer geordneteren, rationaleren Ästhetik des Kubismus in Frage und wandte sich einem mathematischen Ansatz für die Komposition zu, den er selbst erst Mitte der 1920er Jahre verwirklichen sollte. Das Hauptwerk von 1916, „Heroische Bewegung“ (Rijksdienst Beeldende Kunst, Den Haag), ist ein gänzlich abstraktes Gemälde und zeigt die Einflüsse des Futurismus und des Expressionismus des von ihm bewunderten Malers Janus de Winter (1882–1951). Ein weiterer wichtiger Orientierungspunkt waren die heute nicht mehr erhaltenen Gemälde des aus Ungarn stammenden Vilmos Huszár. Dieser inspirierte ihn zu „Die Kartenspieler“ (1916/17, Kunstmuseum, Den Haag), die er gänzlich in bunten Flächen anlegte. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade Aufträge für Buntglasfenster den Maler und Künstler Theo van Doesburg weiterbrachten.

De Stijl (1917–1931)

1917 übersiedelte Theo van Doesburg nach Leiden. Er heiratete am 31. Mai 1917 in zweiter Ehe die Verlagsangestellte Helena Milius. Gemeinsam mit Mondrian, van der Leck, Huszár, Kok, Oud und Wils gründete van Doesburg die Zeitschrift „De Stijl“ (1917–1931). Die Redaktion befand sich in Leiden, gedruckt wurde die Zeitschrift in Delft. Theo van Doesburg arbeitete als Redakteur und veröffentlichte seit 1920 unter dem Pseudonym J. K. Bonset und ab 1921 unter dem Pseudonym Aldo Camini in „De Stijl“. Als Redakteur stand Theo van Doesburg „De Stijl“ bis zu seinem Tod vor und prägte so die Ausrichtung des Blattes. Wie international und offen er sich der Avantgarde gegenüber zeigte, lässt sich u.a. aus seinen Beiträgen über Viking Eggeling und Hans Richters grafische Notationen und ihre Filme belegen. Dass er das Blatt auch als Propagandamedium für seine eigene Kunst gebrauchte, erschließt sich aus seiner überhöhten Selbstdarstellung rund um den Auftrag zum Musikcafé „L’Aubette“ in Straßburg.

Im Oktober 1917 gründeten die Maler Theo van Doesburg, Piet Mondrian, Georges Vantongerloo (1886–1965), Bart van der Leck und Vilmos Huszár gemeinsam mit dem Architekten J.J.P. Oud und dem Dichter Antony Koko in Leiden die Künstlergruppe „De Stijl“. Auch Jan Wils und Robert van 't Hoff konnten gewonnen werden, später stießen Gerrit Rietveld (1918), Cornelis van Eestren (1922) sowie Friedrich Vordemberge-Gildewart (1924) dazu. Oud unterschrieb das Manifest nicht, da er befürchtete, dass dies möglicherweise seine kürzlich zuvor erfolgte Ernennung zum Stadtarchitekten in Rotterdam gefährden könnte.

Die Künstler wollten in ihren Werken einen Zustand der idealen Harmonie erreichen, den sie als vorbildhaft für die Gesellschaft empfanden. Aus den Grundelementen bildender Kunst mit ihrem formalen Rationalismus wollten die „De Stijl“-Künstler eine neue, ideale Welt gestalten. Theo van Doesburg war „De Stijls“ prägende Persönlichkeit. Er betreute bis zu seinem Tod die Zeitschrift und formulierte die meisten programmatischen Texte. Als umtriebig Reisender lehrte er die Prinzipien von „De Stijl“ international und propagierte künstlerisch und gesellschaftliche Ziele weit über die Grenzen der Niederlande hinaus.

Zwei Formen der Abstraktion

Im Rahmen der De Stijl-Bewegung entwickelten die niederländischen Künstler zwei unterschiedliche Zugänge zur nicht-gegenständlichen Kunst, die beide wichtig für das Werk von Theo van Doesburg wurden.

Einigen Werken kann man ansehen, dass die Künstler ein noch immer wiedererkennbares Objekt oder eine Form als Ausgangspunkt ihrer Experimente und Entwicklungen wählten. Van Doesburg arbeitete mit Kartenspielern, einer sitzenden Frau oder einer Kuh, um sie auf ihre Grundformen zu reduzieren und als geometrische Formen wieder zusammenzusetzen. Indem er die Abstraktion mit der sichtbaren Welt verband, vermied Theo van Doesburg einen „dekorativen“ Zugang. Der Künstler selbst erklärte den Entwurf für das Buntglasfenster „Frauenkopf“ (1917, Kunstmuseum, Den Haag) zu einem Schlüsselwerk, verband er doch darin waagrechte und senkrechte Rechtecke miteinander:

„Ich habe ein Bildnis von Helena in Buntglas entworfen! Es schlägt das Mittelalter vollkommen in Stücke! Noch Stunden später zitterte ich, und selbst jetzt strömen Tränen in meine Augen, wenn ich die Studie ansehe. Es ist die schönste Sache, die jemals in Buntglas gemacht wurde.“ (Theo van Doesburg in einem Brief, Ende 1917)

Die diametral andere Herangehensweise bedeutete, dass Theo van Doesburg ein zurechtgelegtes System von Linien, Formen und Farben einsetzte. Durch Wiederholung, Drehung oder Spiegelung konnte er Variationen entstehen lassen. Jedes Objekt wird so zu einem ornamentalen Motiv. Van Doesburgs farbige Glasfenster beispielsweise zeigen abstrahierte Figuren, die er in alle Richtungen drehte, spiegelte und wiederholte, so dass sie ein Muster ergeben. Um durchbrach van Doesburg die Variationen an einigen Stellen, um eine asymmetrische, spanungsvollere Gestaltung zu erzielen. Diese gerade technisch anmutenden Konstruktionen sind der niederländische Beitrag zum Konstruktivismus der 1910er und 1920er Jahre.

Bald nach der Gründung entwickelte Piet Mondrian eine Kompositionsweise, die nicht länger die Abstraktion einer wahrgenommenen Realität waren, sondern unabhängige Kompositionen. Für den Maler stellten sie metaphorische Repräsentationen der Harmonie der Welt dar, wie er 1919 erklärte. Das Gleichgewicht wurde zum Ziel der Kunst erhoben. Theo van Doesburg begann 1920 ungegenständliche, „puristische“ Kompositionen zu schaffen. Zu den bekanntesten zählt die „Große Pastorale“ (1921/22) für die Landwirtschaftsschule in Drachten. Die Darstellungen von vier landwirtschaftlichen Tätigkeiten basieren u.a. auf Vincent van Goghs „Der Sämann“ (1889/90, Privatsammlung), den Theo van Gogh abzeichnete und dessen ausgreifende Bewegung er stilisierte und dann abstrahierte. Mit jeder Skizze nimmt die Schematisierung und Geometrisierung zu. Schlussendlich zerlegte Theo van Doesburg die Figur in Dreiecke und Rechtecke, die er in Schwarz, Weiß und den Primärfarben konzipierte.

Neo-Plastizismus

Mondrian prägte 1919 den Begriff Neo-Plastizismus [nieuwe beelding], der bis heute mit De Stijl in Verbindung gebracht wird. Damit sind Kompositionen beschrieben, die horizontale und vertikale Linien bzw. Flächen in einer beschränkten Farbpalette zeigen, die in perfektem geometrischem Gleichgewicht zueinander aufgebaut werden. Die meisten dieser Werke haben eine flache Oberfläche, und die Künstler suchten, ihre Handschriften zu verstecken. Die in der Theorie entwickelte Überzeugung, alles auf gerade Linien und den drei Grundfarben aufzubauen, war für Theo van Doesburg offenbar kein Dogma. In der Architektur ist sie auch nicht vor 1923 nachweisbar.

Architektur und Design

Schon vor der Gründung von De Stijl hatte van Doesburg begonnen, mit Architekten zusammenzuarbeiten. Im Mai 1916 traf er J.J.P. Oud, mit dem er einen Kunstclub in Leiden gründete. Oud beauftragte van Doesburg sofort mit einem Buntglasfenster für ein Haus, das er baute. Weitere Glasgemälde und Farbschemata entstanden für Ouds Massenwohnprojekte im Stadtteil Spangen: 1920 eröffnete er dort eine Musterwohnung mit Farbe von van Doesburg und Möbeln von Gerrit Thomas Rietveld, der sich ebenfalls De Stijl angeschlossen hatte.

Sowohl Oud als auch Wils standen dem damals berühmtesten modernen Architekten der Niederlande, H.P. Berlage (1852–1934) nahe. Der Name De Stijl könnten von dessen Schriften über die Notwendigkeit beeinflusst worden sein, alle Künste zu vereinen und einen der Moderne entsprechenden kollektiven Stil zu entwickeln. Das Ideal der universellen Zusammenarbeit führte von Anfang an zu Spannungen innerhalb der De Stijl-Bewegung. Bart van der Leck war kurz zuvor von einem Job in Zusammenarbeit mit Berlage zurückgetreten und wütend über den kontrollierenden Einfluss des Architekten. Van Doesburg und Oud stritten sich oft über die Beziehung zwischen Malerei und Architektur. Ihr endgültiger Streit kam 1921 über van Doesburgs Entwürfe für weitere Wohnblöcke in Spangen, die Oud als störend für die Architektur ansah. Die Künstler von De Stijl glaubten, dass die Architektur denselben Entwicklungsprozess durchlaufen müsste wie die Malerei, damit ihr nicht die Rolle als bloße Dekorateurin zugeschrieben werden konnte.

De Stijl Typografie

1919 entwarf Theo van Doesburg ein neues typographisches Alphabet. Der Künstler wollte nicht nur modernistisches Design zur Massenkultur erheben, sondern auch eine visuell passende Form entwickeln, mit der über künstlerische Disziplinen von De Stijl geschrieben werden sollte. Die Buchstaben haben keine Kurven. Sie wurden in einem Quadrat oder Rechteck eingeschrieben. Die visuelle Einheit wurde durch den ausschließlichen Einsatz von Großbuchstaben gewährleistet. Damit bewegte sich Theo van Doesburg an der Speerspitze der europäischen Avantgarde. Seine De Stijl-Schrift wurde von Künstlern wie Kurt Schwitters und Friedrich Kiesler weiterentwickelt. In den Niederlanden schufen Huszár und Baert van der Leck noch schematischere Formen. Theo van Doesburg selbst jedoch löste sich 1921 von der Schrifttype.

Es gab auch Versuche, Zeit in der Typografie auszudrücken: Bestimmte Texte überlappen einander, damit sie „gleichzeitig“ gelesen werden können, wie auf van Doesburgs Plakat für die Sektion d'Or-Ausstellung. Einige Merkmale von van Doesburgs Design- und Werbearbeit, wie der diagonale Text auf dem Cover seines Buches „Klassik, Barock, Moderne“ (1920), nehmen den dynamischen Stil seiner Gegenkompositionen von 1924/25 vorweg.

Lehrer am Bauhaus und frühe internationale Kontakte

Das Ende des Ersten Weltkriegs bedeutete für Theo van Doesburg, dass er sich wieder mit internationalen Künstlerkollegen verbinden konnte. Er lud den aus der Ukraine stammenden Bildhauer Alexander Archipenko und den italienischen Futuristen Gino Severini ein, Beiträge zum Magazin beizusteuern. Indem er im Magazin Ausstellunglisten und Leseempfehlungen (Philosophie und Künstlerpublikationen) veröffentlichte, wurde es zu einem bedeutenden Vermittler der europäischen Avantgarde. So hatte der Umzug Piet Mondrians nach Paris im Juni 1919 zur Folge, dass van Doesburgs Kontakte mit der Pariser Kunstszene gestärkt wurden.

Dank der Fürsprache von Archipenko wurde van Doesburg im Juni 1920 zum Kurator für die niederländische Abteilung der Wanderausstellung kubistischer Künstler in der Section d’Or bestellt. Unter dem Begriff „Neo-Kubisten“ wählte er auch Werke seiner Kollegen von De Stijl, Mondrian und Vilmos Huszár, wie seine eigenen. Im April 1921 stellten die drei Künstler mit der Section d’Or in Rom aus.

Nachdem Theo van Doesburg Walter Gropius (1883–1969) und Bruno Taut (1880–1938) kennengelernt hatte, gab er von 1921 bis 1922 Privatkurse zu architektonischer Gestaltung am Weimarer Bauhaus. Als van Doesburg im April 1921 in Weimar ankam, wollte er die radikalen Konzepte von De Stijl weiterverbreiten. Im Sommer organisierte er Soiréen, die von den Bauhaus-Meistern Lyonel FeiningerPaul Klee und Wassily Kandinsky besucht wurden. Während seines Unterrichts kritisierte der Niederländer das Bauhaus und argumentierte zugunsten von Objektivität, Unpersönlichkeit, Maschinenproduktion und Technologie. Obschon einige Studenten, darunter Werner Graeff, Karl Peter Rohl, Max Burchartz, and Egon Engelien von van Doesburgs Ideen begeistert waren, hielten sich die Bauhaus-Meister in kritischer Distanz.

Dennoch prägte Theo van Doesburg das Bauhaus. Die ungarischen Bauhaus-Künstler Andor Weininger, Farkas Molnár, Marcel Breuer und Alfred Forbat gehörten alle zum Zirkel van Doesburgs. Sie bildeten die Gruppe „KURI“, was für Konstruktion, Utilitarismus, Rationalität und Internationalität stand. In ihren Werken rezipierten sie die Charakteristika der De Stijl Kunst: Quadrate und Rechtecke mit unmodulierten Farbblöcken. Die Bedeutung von De Stijl wurde 1925 offiziell bestätigt, als die theoretischen Schriften von Oud, Mondrian und van Doesburg in den Bauhaus-Schriften veröffentlicht wurden.

„Die Forderung nach reinen Ausdrucksmitteln, vom Stijl zuerst formuliert, ist eine Tatsache geworden.“1 (Theo van Doesburg, 1927)

Dada und Konstruktivismus

Für Theo van Doesburg bestand eine grundlegende Einheit zwischen der anarchischen Dada-Bewegung und der geordneten Ästhetik von De Stijl. Im Oktober 1921 schrieb er an Tristan Tzara, dass ihm der dadaistische Geist immer mehr gefallen würde. Es wären nur die Mittel andere. Daher glaubte van Doesburg an die Möglichkeit eines Kontakts, ja einer Synthese zwischen Dadaismus und Entwicklungen in der „ernsthaften modernen“ Kunst. Dennoch schrieb er seine Dada-Beiträge und Kunstwerke unter dem Pseudonym J.K. Bonset.

Als J.K. Bonset veröffentlichte Theo van Doesburg im Januar 1922 die erste Ausgabe der dadaistischen Rezension „Mécano“. Der Titel soll an die Maschine als Symbol für funktionale Effizienz, Präzision und Geschwindigkeit anspielen. Die Orientierung an Wissenschaft und Technik war ein häufiges Anliegen der Avantgarde-Künstler, obwohl die Dadaisten eine kritischere und humorvollere Haltung dazu einnahmen. Das Magazin spiegelte diese Vielfalt wider und zeigte seltsame Amalgame geordneter oder ungeordneter Konstruktionen und eine Verschmelzung von Stilen und Disziplinen.

Gleichzeitig knüpfte Theo van Doesburg Verbindungen zu konstruktivistischen Künstlern wie El Lissitzky, László Moholy-Nagy, Sándor Bortnyik und Lajos Kassák, deren einflussreiches Magazin „MA [Heute]“ van Doesburgs Schriften veröffentlichte und seine Arbeiten präsentierte. Die Konstruktivisten teilten seinen Glauben an die breite Anwendung abstrakter Prinzipien in verschiedenen Disziplinen und die Transformation des Alltags.

Im September 1922 organisierte Theo van Doesburg in Weimar einen Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten in der Hoffnung, dadurch eine einheitliche Avantgarde zu fördern. Dem Unternehmen war kein großer Erfolg beschieden. Nach dem Kongress schloss sich van Doesburg noch den Dadaisten für eine Reihe musikalischer und poetischer Soirées in Jena und Hannover an. Im folgenden Jahr nahm er an einer Dada-Tour durch Holland teil, auf der unter anderem eine von Huszár entworfene Tanzpuppe zu sehen war.

Elementarismus: dynamisches De Stijl (1924–1928)

Gerade als Theo van Doesburg 1924 in „De Stijl“ ein Manifest veröffentlichte, in dem er behauptete, dass „Malerei, die von der architektonischen Konstruktion getrennt ist, keine Existenzberechtigung hat“, begann er erneut an Staffelei-Bildern zu arbeiten. In den folgenden Jahren schuf van Doesburg eine Reihe von „Kontra-Kompositionen“, die noch weiter über seine Kunstpraxis der 1910er Jahre hinausgehen sollten.

Seit sich van Doesburg 1923 in Paris niedergelassen hatte, verbrachte er viel Zeit mit Mondrian und begann, die Grundprinzipien des Neo-Plastizismus-Konzepts seines Kollegen in Frage zu stellen. Van Doesburgs neuer Ansatz, der Elementarismus, sollte auf das verzichten, was er als klassisch-abstrakte Komposition bezeichnete. In seiner Kunst wollte er alles hintanstellen, was darauf hindeuteten könnte, dass die Anordnung von Linien und Farben nach Geschmacks- und Urteilsmaßstäben lediglich die Verfeinerung eines traditionellen Kunstbegriffs und nicht Ausdruck eines neuen wäre.

Auf der Ausstellung „L'Art d'aujourd'hui“ in Paris im Jahr 1925 zeigte Theo van Doesburg eine Reihe von „Kontra-Kompositionen“ mit Diagonalen. Sie waren nicht nur visuell dramatischer als zuvor, sondern schienen auch Assoziationen mit der Natur und dem menschlichen Körper abzulehnen, welche in den horizontal-vertikalen Kompositionen indirekt inhärent waren. Angesichts dieser Herausforderung fühlte sich Mondrian nicht mehr imstande, weiter etwas zu De Stijl beizutragen. In der Zwischenzeit hatte van Doesburg jedoch andere Künstler, darunter César Domela und Friedrich Vordemberge-Gildewart in Deutschland, rekrutiert, deren Herangehensweise dem Konstruktivismus näherstand. Diese Künstler behandelten das Kunstwerk als ein Objekt, das zwischen Malerei, Skulptur und Architektur angesiedelt war.

Während die Diagonale das berühmteste Merkmal von Theo van Doesburgs späteren Gemälden geworden ist, haben sie auch noch andere bemerkenswerte Eigenschaften. Um „ästhetische Spekulationen“ zu eliminieren, stützte er alle seine Kompositionen auf Gitter, die ähnlich anti-natürlich waren. Während die frühe De-Stijl-Theorie Linie und Fläche als widerstrebende Elemente betrachtete wurden, die ausgeglichen werden sollten, wurde ihre Beziehung nun vielfältiger und oft weniger bestimmt. In einigen Kompositionen dominiert die Linie, in anderen die Farbflächen. Farben werden nicht moduliert, sondern häufig aneinandergestoßen, um dissonante Effekte zu erzielen. Wenn der ursprüngliche Ansatz von De Stijl darin bestand, die Grundelemente der Malerei zu identifizieren und sie harmonisch auf einer ebenen Fläche darzustellen, erzeugte van Doesburgs „Gegen“-Praxis visuelle Unsicherheit, Störung und dynamische räumliche Effekte. Rückblickend sind fast alle diese Merkmale in Theo van Doesburgs früheren Gemälden zu erkennen. Das ist auch in seinem Interesse an anderen Medien wie Musik, Film und Grafikdesign grundlegend. Aber erst Mitte der 1920er Jahre isolierte er ihr Potenzial in der Malerei, um den Betrachter aus einem Zustand des Gleichgewichts herauszureißen, und um „unserer Vorstellungskraft eine neue Dimension zu verleihen“.

Architektur und Design (1923–1930)

Der junge niederländische Architekt Cornelis van Eesteren traf van Doesburg 1922 in Weimar. Im folgenden Jahr arbeiteten sie an einer Serie von Architekturmodellen zusammen. Die Strukturen der Gebäude basieren auf Ebenen, die frei im Raum schweben und in den Nichtfarben Weiß, Grau und Schwarz, ergänzt durch die drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau gestrichen sind. Sie entwarfen Häuser, die keine geschlossenen Kuben, sondern offene Räume sind, in denen Außen und Innen miteinander verschmelzen. Malerei ist in diesen Architekturmodellen nicht nur eine Dekoration, sondern gibt dem Raum einen rhythmischen Impuls.

Van Eesterens und van Diesburgs Modelle für ein Privathaus und ein Künstlerhaus wurden in der Effort Moderne Gallery in Paris im Oktober 1923 ausgestellt. Während ihre Architekturvisionen nie Realität wurden, verwirklichten andere De Stijl-Künstler wie Gerrit Reitveld im Rietveld-Schröder Haus in Utrecht 1924 und Oud im Café Unie in Rotterdam 1925 ihre Ideen. Umso bedeutender war die Einladung des Künstlerpaars Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp an Theo van Doesburg, ihnen bei der Gestaltung der Vergnügungsstätte „L’Aubette“ in Straßburg zur Seite zu stehen.

„L’Aubette“ war ein Café, Restaurant, Tanzsaal und Kinokomplex, der zwischen 1926 und 1928 einer Neugestaltung unterzogen wurde. Sophie Taeuber-Arp hatte den Auftrag bekommen, da sie einen Architekten benötigte, dachte sie an Theo van Doesburg. Der Niederländer war aufgefordert, den großen Saal, der für Feste und Filmvorführungen genutzt wurde, zu gestalten. Doch stellte er das Projekt in einer Sondernummer von „De Stijl“ so dar, als hätte er allein die künstlerische Leitung inne. Die Zusammenarbeit stellte sich als schwierig heraus.
Van Doesburg widmete sich dem Auftrag im Sinne eines Gesamtkunstwerks, d.h. er schuf sowohl die Wandmalerei wie auch die Tische und die Aschenbecher. Entsprechend seiner Vorstellung vom Elementarismus positionierte er Rechtecke und Quadrate. Die Menschen sollten sich im Gemälde wähnen und nicht davor, war sein Argument. Die von ihm und seinen Mitstreitern geschaffene Atmosphäre löste allerdings nicht die Ruhe und Harmonie aus, welche noch Jahre zuvor das Ziel von De Stijl war. Bereits ab den 1930ern fanden Veränderungen statt, so dass „L’Aubette“ nur noch als teilweise Rekonstruktion existiert.

Für sich selbst und seine dritte Ehefrau Nelly baute Theo van Doesburg 1929/30 ein Künstlerhaus in Meudon. Dort bediente er sich eines rationelleren und mathematischeren Designs. Auch der Einsatz von Farben war reduzierter, was allerdings mehr im fehlenden Budget denn am unvollendeten Zustand bei van Doesburgs Tods begründet lag.

Art Concret

Die Verfechter der Abstraktion und der nicht objektiven Kunst fühlten sich vom Aufstieg des Surrealismus in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre bedroht und empfanden das Bedürfnis, sich zusammenzuschließen. Es entstanden zwei rivalisierende Formationen: Michel Seuphor und Joaquín Torres-Garcias „Cercle et Carré“, die im März 1930 ins Leben gerufen wurde und Schöpfer aller Disziplinen und aller modernistischen Stile vom figurativen Kubismus bis zum Konstruktivismus und De Stijl zusammenbrachten; und van Doesburgs „Art Concret“, die im folgenden Monat gegründet wurde und dessen ästhetische Grundlagen so rigide waren, dass die Mehrheit der Künstler, die er ansprach, ihre Treue auf das gegnerische Lager übertrug. Nur die jungen Künstler Léon Tutundjian, Jean Hélion, Otto Carlsund und Marcel Wantz haben das Art Concret-Manifest unterzeichnet, während Walmar Shwab nur zugestimmt hat, in der beiliegenden Broschüre zu erscheinen. Ihre Proklamation forderte eine universelle Kunst, die aus Ebenen und Farben besteht, die klar, präzise und mechanisch ausgeführt würden. Form und Rhythmus wurden von mathematischen Prinzipien bestimmt, während der abstrakte Film ein Modell für die Kombination von Raum und Zeit in einem einzigen Kunstwerk darstellte. Radikaler bekräftigte es auch, dass „ein Kunstwerk vor der Ausführung vollständig vom Verstand entworfen und geformt werden muss“ und dass „ein Bildelement keine andere Bedeutung als sich selbst besitzt“. Bis zum Sommer 1930 hatten sich beide Gruppen aufgelöst.

Abstraction-Création

Am 12. Februar 1931 gründete Theo van Doesburg gemeinsam mit Georges Vantongerloo und Hans Arp eine dritte Gruppe mit dem Titel „Abstraction-Création“, die sich ausschließlich der nicht-figurativen Kunst widmete:

„Abstraktion, weil einige Künstler die Konzeption der Nicht-Figuration durch die fortschreitende Abstraktion natürlicher Formen erreicht haben. Schöpfung, weil andere Künstler direkt durch eine rein geometrische Ordnungsauffassung oder durch die ausschließliche Verwendung von allgemein als abstrakt bezeichneten Elementen wie Kreisen, Ebenen, Balken, Linien usw. zu einer „Nicht-Figuration“ gelangt sind.“

Auf dieser einvernehmlichen Grundlage war dies neu. Die internationale Gruppierung sollte sechs Jahre überleben und sich einigen hundert Mitglieder anschließen, darunter Arshile Gorky oder Alexander Calder.

Tod

Theo van Doesburg starb am 7. März 1931, nur wenige Wochen nach der Gründung der Gruppe „Abstraction-Création“, an einem Herzinfarkt in Davos.

  1. Theo van Doesburg, in: De Stijl, Nr. 79–84 (1927), S. 4; Hans L. C. Jaffé, Der Stijl 1917–1931. Der niederländische Beitrag zur modernen Kunst, Berlin/Frankfurt a. M. 1965, S. 37.