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Ulla von Brandenburg

Ulla von Brandenburg, Innen ist nicht Außen, Blick auf den Vorhang, Installationsansicht Wiener Secession 2013, Foto: Alexandra Matzner.

Ulla von Brandenburg, Innen ist nicht Außen, Blick auf den Vorhang, Installationsansicht Wiener Secession 2013, Foto: Alexandra Matzner.

Ulla von Brandenburg, Susi Jirkuff und Hannes Böck bestreiten den fünften Zyklus der 2013er Ausstellungen der Wiener Secession. Vor allem auf Ulla von Brandenburgs Installation und Filmarbeit im Hauptausstellungsraum darf man gespannt sein. Die 1974 in Karlsruhe geborene Künstlerin, die in Paris lebt, stellt ihren neuen Schwarz-Weiß Film „Die Straße“ vor. Bevor sich die Besucher_innen in den Film setzen können, müssen sie allerdings eine riesige Bühne erklimmen!

Ulla von Brandenburg „Innen ist nicht Außen“

Die materialstarke Installation kreist um das Theater und seine Fragestellungen, weshalb Bühnen und Theatervorhänge im Werk von Ulla von Brandenburg immer wieder eine wichtige Rolle spielen. Hier trifft sich die fiktionale und die reale Welt, das Fiktionale kann auf dem Realen basieren und umgekehrt. Der Aufbau reflektiert die Betrachter_innensituation: Der Zuschauerraum des Theaters wird zur Bühne des Sehens und Gesehenwerdens, das Publikum inszeniert sich selbst, das Theater spiegelt das Leben (nur der Tod ist nicht echt). Gleichzeitig arbeitet Ulla von Brandenburg mit alten Theatervorhängen, deren Patina die Faszination am Theater widerspiegeln.

Die sich wellenartig entwickelnde Bühne für den Film und die Besucher_innen wird von hinten betreten. Eine kleine Treppe führt gleich nach der Schwingtür empor, dann folgt eine schiefe Fläche bergab, dann ein riesiger orange-roter Vorhang, den die Künstlerin so bearbeitet hat, dass er die mit Quadraten strukturierte Zwischendecke aufnimmt. Die Raffung des Vorhangs erlaubt das Durchschlüpfen in den hinteren Teil des Aufbaus, der steil nach oben führt, um dann in genauso steile Zuschauerränge wieder abzufallen. Wie eine riesige Welle steht diese blau-grau lasierte Holzkonstruktion im Hauptausstellungsraum der Secession und lässt den sonst so riesig wirkenden Saal klein aussehen.

An die hintere Wand wird der neue Film von Ulla von Brandenburg, „Die Straße“, projiziert.1 Ein Mann betritt eine weiße Kulisse, die eine Dorfstraße suggeriert. Türen und Fenster werden sind einfach in die Stoffbahnen geschnitten, das Kulissenhafte kommt deutlich zum Ausdruck. Der Mann wirkt verwundert, ob seiner Entdeckung. Die Menschen, die er trifft, sind eigenartig gekleidet, verhalten sich sonderbar. Sie folgen Regeln, die man nicht kennt, nutzen jedoch bekannte Objekte wenn auch auf andersartige Weise und singen dabei ein einfaches Kinderlied. Die Melodie wirkt genauso vertraut und fremd zugleich, die weibliche Stimme geht von einer Figur zur nächsten – ein irritierendes Faktum, ist eine Stimme doch normalerweise stabil mit einer Person verbunden, ist ihr bestimmendes Kennzeichen und Trägerin von Bedeutung. Hier wechseln die sozialen Körper, die Stimme bleibt gleich. Der von der Künstlerin verfasste Text ist assoziativ, es entspannt sich kein Dialog mit dem Mann, die Melodie erzeugt jedoch eine eigene Stimmung. Meint Ulla von Brandenburg damit eine Aufsplitterung in verschiedene Persönlichkeiten oder dass diese Gemeinschaft mit einer Stimme spricht?

Der Mann ist Handelnder und Rezipient in einer Person. Nachdem er eine „Heldentat“ vollbracht hat, indem er ein maskiertes, Angst und Schrecken verbreitendes Monster, das von außen kommend die Gemeinschaft stört, wieder aus dem Innen entfernt hat, verlässt er die Dorfstraße und wendet sich wieder seiner Reise zu. Könnte es sich bei der Straße auch um die innere Welt des Protagonisten handeln? Wofür das Schauspiel steht, bleibt geheimnisvoll und schlussendlich offen. Durch die Zusammenstellung von bekannten Objekten zu neuen Zusammenhängen, erinnert die Methode Ulla von Brandenburgs an surrealistische Kompositionsprinzipien. Daher lässt sich die Frage stellen, ob es in dieser traumhaften und zugleich konstruierten Welt überhaupt ein entweder oder gibt?

„Innen ist nicht Außen“ ist eine poetische Setzung. Dem Weg der einzelnen Besucher_innen durch die Installation in der Secession entspricht die eine Kamerafahrt durch den Film. Wie der Mann ist man gezwungen, sich mit der vertrauten und zugleich befremdlich wirkenden Architektur auseinanderzusetzen. Ihre konglomerathafte Struktur und ihre Zitate aus der Welt des Theaters stehen nicht nur für eine äußere Welt, sondern können auch als Projektion des Inneren gelesen werden.

Alles ist Spiel! Alles ist Spiegel? Alles ist als Spiegelbild auf den Kopf gestellt!

Biografie von Ulla von Brandenburg (* 1974)

1974 in Karlsruhe geboren
1995–1998 studiert Bühnenbild und Medienkunst an der Akademie der Schönen Künste in Karlsruhe
1998–2004 Abschluss an der Kunstakademie in Hamburg (bei Stephan Dillemuth, Cosima von Bonin)
Ulla von Brandenburg lebt und arbeitet in Hamburg und Paris

  1. Auf einer alten Rennstrecke in Südfrankreich hat die Künstlerin das Filmprojekt in Szene gesetzt. Die alten Reifenstapel sind am Anfang und am Ende des Films deutlich erkennbar.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.