Rom – und damit die Malerei von Caravaggio – war zu Beginn des Goldenen Zeitalters das künstlerische Zentrum Europas. Junge Maler aus aller Herren Länder machten sich auf den Weg in die Ewige Stadt, wo Caravaggio eine Revolution in der Malerei ausgelöst hatte: ein neuer Realismus, noch nie gesehene Dramatik, große Gesten und das Geheimnis des Lichts. Jeder wollte die legendären Bilder mit eigenen Augen sehen! Unter den wissbegierigen Malern befanden sich die Utrechter Hendrick ter Brugghen (1588–1629), Gerard van Honthorst (1590–1656) und Dirck van Baburen (1594/95–1624).
Niederlande | Utrecht: Centraal Museum
15.12.2018 – 24.3.2019
Deutschland | München: Alte Pinakothek
17.4. – 21.7.2019
Die Gemälde der Utrechter Caravaggisten sind typisch niederländisch, denn sie verbanden ihre holländische Herkunft mit den Neuerungen Caravaggios. Baburen und Ter Brugghen malten die hässlichen Seiten der Realität: monströse Nasen, faulende Zähne, schmutzige Fingernägel. Ter Brugghen steht sogar im zweifelhaften Ruf das hässlichste aber dadurch vielleicht auch das realistischste Bilder eines Kleinkindes im 17. Jahrhundert gemalt zu haben. Das Utrecht, das sie verließen, sah in den Manieristen Abraham Bloemaert (1566–1651), der Porträtist Paulus Moreelse (1571–1638) und Joachim Wtewael (1566–1638) die wichtigsten Maler. Zumindest Bloemaert revolutionierte die Kunst seiner Zeit, indem er nach draußen ging, um Skizzen anzufertigen. Deshalb wird er der „Vater der Schule von Utrecht“ genannt. Zusätzlich bildete er sowohl Ter Brugghen wie auch Honthorst in seiner Werkstatt aus, Baburen war ein Schüler von Moreelse.
Während der Hochphase des europäischen Caravaggismus, also zwischen 1600 und 1630, lebten etwa 2.700 Künstler in Rom, wovon 572 Ausländer waren. Hendrick ter Brugghen hielt sich um 1610 in Italien auf, Dirk van Baburen arbeitete zwischen 1615 und 1612 in der Stadt, und Gerard van Honthorst war in der zweiten Hälfte der 1610er Jahre in Rom. Sie besichtigten die gleichen Kirchen und studierten die gleichen Sammlungen. Sie tauschten sich aus und malten auch. Wenn sie sich auch mit den gleichen Themen auseinandersetzten, und die gleiche Inspirationsquellen nutzten, so erzielten sie dennoch höchst unterschiedliche Ergebnisse. „Utrecht, Caravaggio und Europa” untersucht die Unterschiede zwischen den europäischen Nachfolgern des Caravaggio. Indem die Werke nach Themengruppen organisiert und präsentiert werden, werden die kulturellen Wurzeln und die Herkunft ihrer Schöpfer offensichtlich.
Gerard van Honthorst war in Rom sehr erfolgreich. Honthorsts Erfindung, seine Szenen von einer verborgenen, indirekten Lichtquelle zu beleuchten, wurde so berühmt, dass der „Gerardo delle Notti [Gerard der Nächte]“ genannt wurde. Genauso wie Dirck van Baburen erhielt er bedeutende Aufträge für Altarbilder; die Werke beider Maler wurden von wichtigen Sammlern wie dem Kardinal Giustiniani erworben, der zuvor ein Mäzen von Caravaggio war. Seine Sammlung umfasste nicht nur Bilder von Caravaggio und dessen Nachahmer, sondern auch Werke der Hochrenaissance von Raffael, Giorgione und Tizian. Die Bilder der Niederländer hingen in den Palästen der römischen Familien neben den Werken der italienischen, flämischen, französischen und spanischen Kollegen.
Ter Brugghen war der erste der späteren Utrechter Caravaggisten, der dem Ruhm Caravaggios folgend, nach Italien zog. Im Sommer 1614 ist er bereits in Mailand nachweisbar. Wann er in den Süden zog, ist nicht bekannt. Es muss allerdings erst nach dem 23. April 1607 erfolgt sein. Vielleicht kam Ter Brugghen auch bis Rom und Neapel, ein Zusammentreffen mit Caravaggio in Neapel ist reizvoll aber hypothetisch. Zumindest bleibt Hendrick ter Brugghen der einzige Utrechter Maler, der Caavaggio noch antreffen hätte können; Gerard van Honthorst und Dirck van Baburen kamen erst in den 1610ern und somit nach Caravaggios Tod in Rom an. Wann Hendrick ter Brugghen wieder zurück in die Niederlande ging, ist unbekannt.
Gerrit, auch Gerard van Honthorst war bereits 1620 nach Utrecht zurückgekehrt. Vielleicht hatte sich der Holländer bereits 1610 in Rom niedergelassen und eine erfolgreiche Werkstatt eröffnet; einige Forscher gehen von einer Ankunft in Italien zwischen 1613 und 1614 aus. Er erfreute sich der Aufmerksamkeit und des Schutzes der Giustiniani (vor allem Vincenzo Giustiniani), von Kardinal Scipione Borghese und des Großherzogs der Toskana, weshalb er auch als einziger Niederländer wichtige Aufträge erhielt. Vor allem die Medici bestellten zahlreiche Gemälde mit Kerzenschein, für die der Maler berühmt war. Zum einen vermittelte Kardinal Del Monte, zum anderen Giulio Mancini.
In einer direkten Kopie in der Nationalgalerie Oslo zeigt, wie er von Caravaggios lebensechter „Kreuzigung Petri“ (1616) aus der Cappella Cerasi in Sante Maria del Popolo begeistert gewesen sein muss. Ab 1617 malte Honthorst auch Altarbilder für verschiedene Familienkapellen in Florentiner und römischen Kirchen. Gleichzeitig malte Dirck van Baburen in San Pietro in Montorio. Honthorst verdankte seine Reputation den Nachtstücken. Diese waren so beliebt, dass er den Spitznamen „Gherardo delle Notti“ erhielt. Im Unterschied zu Caravaggio ist bei ihm die Lichtquelle nicht sichtbar. Gerrit van Honthorst verwendete Kerzen oder Fackeln, die entweder ganz oder teilweise verdeckt sind. Dadurch taucht er seine Kompositionen in relatives Dunkel, während das Zentrum von einer hellen Flamme beleuchtet wird. Zwar scheint der Utrechter Caravaggist wenig an Dramatik erzeugen haben zu wollen, er steigerte mit diesem Kunstgriff jedoch die Intimität der Szenen.
Nach seiner Rückkehr nach Utrecht am 20. Juli 1620 zählte die Werkstatt van Honthorsts zu den führenden Ateliers, in denen der Utrechter Caravaggismus florierte. Gerrit van Honthorsts Rolle in der Vermittlung des Naturalismus und Realismus in der barocken Malerei kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Dirck van Baburen hielt sich mit absoluter Sicherheit 1615 in Parma und 1617 in Rom auf. Vielleicht kehrte er 1621 nach Utrecht zurück. Als Dirk van Baburen wieder in die Niederlande zurückkehrte, malte er den „Jungen mit der Maultrommel“ (Centraal Museum, Utrecht). Gemeinsam mit Hendrick ter Brugghen und Abraham Bloemaert führte er damit die Musikerdarstellung nördlich der Alpen ein. Das Sujet erfreute sich in den folgenden Jahren nicht nur in Utrecht großer Popularität; man denke nur an Frans Hals‘ „Lautenspieler“ (Louvre) aus dem Jahr 1623.
Die Ausstellung „Utrecht, Caravaggio und Europa“ folgt den drei Utrechter Malern Dirck van Baburen, Hendrickt ter Brugghen, Gerard van Honthorst auf ihren Erlebnissen in Rom, wie sie davon in ihrer Malerei beeinflusst wurden und zeigt ihre bedeutendsten Werke.
Über 70 Gemälde, davon mehr als 60 Leihgaben, werden im Centraal Museum, Utrecht, und 2019 in der Alten Pinakothek, München, die Utrechter Caravaggisten neben ihren europäischen Kollegen positionieren: Italien ist vertreten durch Caravaggio, Bartolomeo Manfredi, Cecco da Caravaggio, Giovanni Antonio Galli (Lo Spadarino), Giovanni Serodine, Orazio Borgianni und Orazio Gentileschi. Dazu kommen noch der Spanier Jusepe de Ribera, die Franzosen Nicolas Régnier, Nicolas Tournier, Simon Vouet und Valentin de Boulogne, wie die Flamen Gerard Seghers und Theodoor Rombouts.
„Utrecht, Caravaggio und Europa“ ist ein europäisches Ausstellungsprojekt, das auf Gemälde von Museen und Privatsammlungen aus ganz Europa und den USA zurückgreift, darunter die Vatikanischen Museen, den Louvre (Paris), die Galleria degli Uffizi (Florenz), die National Gallery of Art of London und die National Gallery of Art of Washington DC. Dazu kommen noch Werke aus Kirchen in Rom.
Kuratiert für das Centraal Museum von Liesbeth M. Helmus.
Kuratiert für die Alte Pinakothek von Bernd Ebert.
Bernd Ebert, Liesbeth M. Helmus (Hg.)
mit Beiträgen von M. J. Bok, Bernd Ebert, Liesbeth M. Helmus, S. Hoppe, H. Langdon, V. Mauth, A. Roy
ca. 300 Seiten, mit ca. 270 Abb. in Farbe
24 x 28 cm gebunden
ISBN 978-3-7774-3132-1 (dt.)
HIRMER Verlag