0

Winterthur | Reinhart am Stadtgarten: Adriaen van Ostade Haarlemer Genremaler als scharfer Beobachter in Malerei in Druckgrafik

Adriaen van Ostade, Der Leiermann, Detail, um 1647

Adriaen van Ostade, Der Leiermann, Detail, um 1647

Der Haarlemer Maler Adriaen van Ostade (1610–1685) gilt gemeinhin als humorvoller Schilderer des Landlebens der einfachen, niederländischen Bevölkerung, der Bauern und Handwerker, ihrer Dorffeste und Jahrmärkte, ihrer Zechereien und geselligen Begegnungen auf der Dorfstraße.

Insbesondere wegen des satirischen Charakters, der karikaturistischen Überzeichnung der Figuren und ihres moralisierenden Gehalts waren seine barocken Gemälde beim städtisch-bürgerlichen Publikum beliebt. Denn Bier und Weinkrüge, Pfeifen und Spielkarten waren geläufige Symbole für Unsitten und Laster. Damit sah manch zeitgenössischer Betrachter sein eigenes genussvolles Verhalten widergespiegelt und fand sich zur Mäßigung ermahnt. Gleichwohl erfreute man sich an den kurzweiligen Sujets und konnte über die „komischen“ Bauern lachen.

Waren für den jungen Van Ostade die lautstarken Bauernsatiren seines Malerfreundes Adriaen Brouwer (1610–1638) prägend, setzte Ende der 1640er Jahre ein grundlegender Wandel seines Stils ein. Unter dem Eindruck von Rembrandt van Rijn (1606/1607–1669) wandte er sich erstmals der Radierkunst zu. In den Radierungen entwickelte er eine neue, eigene Sichtweise auf das Landleben. An die Stelle ausgelassener Trinkgelage trat der gesittet geleerte Krug Bier oder Wein. Der satirische Blick wich einer neutraleren, geradezu intimen Alltagsbeobachtung. Van Ostade schilderte die Sitten und Verhaltensweisen, die Freuden und zwischenmenschlichen Beziehungen der einfachen Bevölkerung erstmals mit Empathie und feinem Humor.

Adriaen van Ostade in Winterthur

In der Ausstellung „Adriaen van Ostade: The Simple Life“ mit zwei erstrangigen Gemälden aus dem Frühwerk und erlesenen Radierungen wird der besondere Charakter seines druckgrafischen Schaffens, sein Stilwandel zu einer einfühlsamen Handschrift nachvollziehbar. Mit Sensibilität und seiner Fähigkeit, menschliche Emotionen darzustellen, schuf der vielseitige Peintre-Graveur ein einzigartiges Œuvre, in dem das niederländische Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl seiner Zeit für uns heute lebendig wird.

Kuratiert von Andrea Lutz.
Quelle: Kunst Museum Winterthur

Adriaen van Ostade in Winterthur: Bilder

  • Adriaen van Ostade, Der Leiermann, um 1647
  • Adriaen van Ostade, Interieur mit Fischerfamilie, um 1635, Öl auf Holz (Kunst Museum Winterthur, Geschenk der Stiftung Jakob Briner, 2018)
  • Adriaen van Ostade, Trinkende Bauern, um 1645, Öl auf Holz (Kunstmuseum St. Gallen, Vermächtnis Ernst Schürpf, 1945)
  • Adriaen van Ostade, Der leere Krug, Radierung (Kunst Museum Winterthur, Geschenk der Stadt Winterthur aus dem Legat David Eduard Steiner, 1875)
  • Adriaen van Ostade, Der Leiermann, 1647, Radierung (Kunst Museum Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart)
  • Adriaen van Ostade, Der Charlatan, 1648, Radierung (Kunst Museum Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart)
  • Adriaen van Ostade, Die Familie, 1647, Radierung (Kunst Museum Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart)
  • Adriaen van Ostade, Der Familienvater, 1648, Radierung (Kunst Museum Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart)

Weitere Beiträge zur Kunst des Barock

2. März 2024
Catharina van Hemessen, Selbstbildnis an der Staffelei, 1548 (Kunstmuseum Basel, Schenkung der Prof. J.J. Bachofen-Burckhardt-Stiftung 2015)

Basel | Kunstmuseum: Geniale Malerinnen vom 16. bis 18. Jahrhundert Erfolg durch/trotz Familien und Gesellschaft | 2024

Die Ausstellung präsentiert rund 100 Werke herausragender Künstlerinnen dreier Jahrhunderte: Erstmals wird der familiäre Kontext, in dem die Künstlerinnen ihre Karriere entwickelten, thematisiert und durch die Gegenüberstellung mit Werken ihrer Väter, Brüder, Ehemänner und Malerkollegen sichtbar gemacht.
17. Februar 2024
Clara Peeters, Stillleben mit Lilien, Rosen, Iris, Stiefmütterchen, Akelei, Nebelliebe, Rittersporn und anderen Blumen in einer Glasvase auf einer Tischplatte, flankiert von einer Rose und einer Nelke, Detail, 1610 (National Museum of Women in the Arts, Washington)

Ghent | MSK: Künstlerinnen der Niederlande zwischen 1600 und 1750 Kunst von Frauen im niederländischen Barock | 2026

17. Februar 2024
Rubens Werkstatt, Merkur und Argus, 1636–1638, Öl/Lw, 180 x 298 cm (Prado, Madrid, Inv.-Nr. P001673)

Madrid | Prado: Rubens’ Werkstatt Atelier – Werkstatt – Inspirationsquellen | 2024/25

Wie arbeitete Peter Paul Rubens mit den vielen Assistenten in seinem Atelier zusammen? Diese Ausstellung im Prado untersucht sowohl die Arbeitsweise als auch auf den physischen Ort in Antwerpen mit Rubens' Sammlung und Skizzen.

Aktuelle Ausstellungen

21. April 2024
Kiki Smith, Sky, Detail, 2011, Jacquard-Tapisserie, 287 x 190,5 cm (© Kiki Smith, courtesy Pace Gallery, Foto courtesy the artist and Magnolia Editions, Oakland)

Remagen | Arp Museum: Kiki Smith Verwobene Welten | 2024

Die in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entwickelte Schau vereint rund 50 Werke, im Zentrum stehen ihre großformatigen, gewebten Wandteppiche.
20. April 2024

Venedig | Biennale 2024 Foreigners everywhere / Stranieri ovunque

Adriano Pedrosa zum künstlerischen Leiter der „60. Biennale von Venedig 2024“ ernannt.
19. April 2024
Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Detail, 1808–1810 (© Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger)

Berlin | Alte Nationalgalerie: Caspar David Friedrich Die Wiederentdeckung | 2024

Berlin feiert die Wiederentdeckung Caspar David Friedrichs im Jahr 1906 mit seiner ersten Friedrich-Ausstellung. 60 Gemälde & 50 Zeichnungen kommen aus nationalen und internationalen Sammlungen, um Themen wie Friedrichs Bilderpaare zu entschlüsseln.