Für seine aktuelle Ausstellung „Fly“ schuf Hubert Scheibl eine Rauminstallation in der Orangerie des Belvedere in Wien, die sich wie eine Klammer um seine abstrakten Gemälde legt. Den Titel leitet der Künstler u. a. von einer früheren Arbeit aus dem Jahr 2005 ab, die er nahezu unsichtbar über die Eingangstür hängt – einerseits eine mögliche Hommage an das barocke Belvedere mit seinen Supraporten, andererseits auch eine Art „Easter Egg“ für die Besucherinnen und Besucher, zeigt es sich doch erst auf dem Weg hinaus.
Österreich | Wien: Belvedere, Orangerie
9.11.2016 – 5.3.2017
Anfang und Ende des Rundgangs markieren zwei Arbeiten aus der Serie „Nicotine on Silverscreen“ (2009), die mit ihrer beachtlichen Höhe von 4 Meter 20 vom Boden aufragen. Wenn der Maler auch nach eigener Aussage damit „das Toxische“ im Kopf hatte, so fühlt sich Kurator Mario Codognato in seinem Katalogbeitrag nicht ohne Grund an Fotografien aus dem Weltraum erinnert und ließ eine Aufnahme des Orionnebels von John Herschel (1833) abbilden. Den Makrokosmos im Mikrokosmos einfangen zu wollen, dem Unbegreifbaren, dem Unsagbaren ein Bild zu geben, gehört zweifellos zu den Triebfedern Scheibls Kunstproduktion.
Die von Hubert Scheibl entwickelte Abfolge von Räumen, Durchblicken und Windungen richtet sich nach der Größe und Farbigkeit der Bilder, organisiert verschieden große Volumina, bringt Rhythmus in die sonst eher schlauchartig funktionale Orangerie.
Ähnlich schwungvolle Formen zeigen auch die jüngsten Abstraktionen, „Ones“ (2014/15), in denen Hubert Scheibl virtuos „fallende Schleier“, tänzerische Gestik auf opakem Grund positionierte. Die Erweiterung der kalligrafischen Geste in die Kuvatur des Raumes fand schon in der tänzerischen Umsetzung „Try 2 Fly“ von Natalie Fend und Futurelove Sibanda parallel zu den Werken eine erste Verbindung in den Umraum der Bilder.1 Waren die „Schleier“, wenn man bei dieser Metapher bleiben möchte, in den Jahren zuvor häufig über die gesamte Bildfläche gezogen (wie in „Dave my mind is going, I can feel it …“ aus der Serie: 2001: A Space Odyssey (2007/08), so begann Scheibl in „Ones“ aus dem Jahr 2012/13 eine einzelne Geste herauszulösen und als dunkle Emanation vor einem hellen Grund zu stellen. In den Gemälden mit dem Titel „Ones“ aus den letzten Jahren erarbeitete sich der Maler und Zeichner ein Repertoire an u-fömigen Figurationen, die sich effektvoll und virtuos vor den mehrfarbigen, verriebenen Hintergründen abheben. Der Kontrast zwischen Figur und Grund, zwischen schnell gesetzter, einzelner Linie und langsam aufgebauter Fläche, ist ein grundlegendes Begehren diese Serie. Sie hebt sich mit ihrer Betonung der Schwerkraft von jenen zeitgleichen Gemälden ab, die in alle vier Richtungen gemalt, gestrichen, geritzt und geformt zu sein scheinen wie das beispielsweise wohl am Boden erarbeitete „Nicotine on Silverscreen“ (2012/13).
Scheibls Werk war ist voller Intuition und Vertrauen in die Poesie der Farbe, „abstrakt mit Erinnerungen“, wie es Paul Klee 1915 so einfach wie verblüffend formulierte.
1976–1981 Studium bei Max Weiler (→ Max Weiler. Die Natur der Malerei) und Arnulf Rainer an der Akademie der bildenden Künste in Wien
Mitte der 1980er Jahre Beginn der internationalen Ausstellungstätigkeit
Hubert Scheibl. Fat Ducks (Ausstellung im Essl Museum)
Agnes Husslein-Arco, Mario Codognato (Hg.), Hubert Scheibl. Fly (Ausst.-Kat. Belvedere 9.11.2016-5.2.2017), Wien 2016.