Griechische Vasenmalerei – und darunter führend die attische – erreichte einen hohen Stellenwert und auch eine herausragende Qualität. Obschon die dekorierte Keramik der griechischen Antike vornehmlich Alltagsagegenstände wie Transport-, Trink- oder Aufbewahrungsgefäße ziert, erreichte sie aufgrund der weiten Handelsbeziehungen der Stadt Athen eine große Verbreitung. Griechische Zeichenkunst aus den frühesten Zeiten ist nur als Gefäßmalerei erhalten. Athen etablierte sich als eines der führenden Zentren in der Keramikproduktion, da es über außergewöhnlich hochwertige, weil eisenhaltige Tonvorkommen in der Nähe der Stadt verfügte. Dieser Ton war die Voraussetzung für die Produktion besonders feiner und dünnwandiger Gefäße, deren glänzend rote und schwarze Oberflächen bis heute den Inbegriff griechischer Vasenmalerei darstellen.
Österreich / Wien: Belvedere, Orangerie
23.6. - 8.10.2017
Einfacher Liniendekor erreichte zusehends in geometrischen Mustern ein hohes Niveau. Geometrische Ornamentik: konzentrische, erstmals mit Zirkel gezogene Kreise, Mäander, Zickzack, Rauten- und Schachbrettmuster. Ab der Reifgeometrischen Phase verdrängt das Figurenbild zunehmend die Ornamente.
Bedeutung von figürlichen Darstellungen nahm zu. Große Teile der Gefäßoberflächen wurden bemalt und so vereinheitlicht. Szenen aus den griechischen Mythen waren dabei die bevorzugten Themen. Mit Hilfe der so genannten Ausspartechnik, bei der nur die Umrisse dargestellt werden, sowie Ritzungen werden Details wiedergegeben. Durch die Beimengung verschiedener Mineralien konnten neue Farben bis zu Weiß erzeugt werden.
Um 550 v.u.Z. verschwand in Athen das tragende Füllornament und die schwarzen Figuren prägten das Erscheinungsbild der griechischen Vasenmalerei. Reichtum und Präzision der Ritzungen verleihen diesen Vasen besondere Qualität. Töpfer und Vasenmaler begannen sich der Bedeutung ihrer Schöpfungen bewusst zu werden und ihre Werke zu signieren.
Die Bauchamphora wird der neue Bildträger und löst die zuvor beliebten Krater oder Kessel ab. In Athen prägten die Maler der Generation von Lydos, Amasis und Exekias die Erzählung in einem gerahmten Bildfeld, wodurch die Komposition auf eine Erzählung konzentriert wurde. Zunehmend werden die Menschen als äußerlich und innerlich bewegte Wesen aufgefasst und dargestellt.
Erfindung der „rot-figurigen Technik“: Etwa um 530 v.u.Z. begann eine Entwicklung, in der erneut Athen Vorreiter werden sollte. In Umkehrung der bisherigen Malweise wurden nun die Figuren ausgespart und im Gegenzug der Hintergrund bemalt. Der Vorteil dieser neuen Malweise war, dass die Binnenzeichnungen, etwa Körperteile, Gewandfalten und andere Details, viel feiner und exakter gemalt werden konnten, was davor zumeist nur über Ritzungen möglich war. Dieser technische Hintergrund war Voraussetzung für die feine und schöne Linienkunst, die sich in der griechischen Klassik entwickeln sollte.
Im Übergang von der Archaik zur Klassik erhalten Figuren Schwere und noch mehr Dynamik. Es treten vermehrt einzelne Figuren auf, die sich vor dem leeren Raum behaupten. Prunkvolle Gewandmuster, die in der Archaik aufwendig gemalt worden waren, verloren in der Klassik zugunsten der Linie an Bedeutung. Der detaillierte Faltenwurf der Gewänder und eine präzise Konturierung stehen im Vordergrund. Beliebteste Bildträger sind große Kratere, Stamnoi, Spitz- und Halsamphoren, sowie flache Trinkschalen auf hohem Fuß. Inzwischen sind unter den Malern Werkstatt-Traditionen nachvollziehbar. Ähnlich der Monumentalmalerei vollzieht die Vasenmalerei der Klassik den Schritt von der Zeichenkunst (linearem Ausdruck) hin zu einer malerischen Auffassung.
Die letzte Blüte der griechischen Vasenmalerei ist in Großgriechenland nachvollziehbar, wohin wohl schon in attischer Zeit Töpfer und Vasenmaler ausgewandert sind. Im Unterschied zur Klassik sind spätklassische Vasen mit besonders schönen oder außergewöhnlich realistischen Darstellungen gefüllt.
In der Archaik wurde der menschliche Körper zu einem Hauptthema in der Vasenmalerei. Eine wichtige Veränderung war, das Auge im Profil darzustellen. Erst nach dieser Entdeckung des gerichteten Blicks für die Bildkunst konnten nun auch Gedanken, inneres Empfinden und Emotionen thematisiert werden. Neben Szenen der antiken (attischen) Mythologie finden sich auch Darstellungen aus den Lebenswelten der Antike: Szenen aus dem Alltag, körperliche Ertüchtigung im Gymnasion, Musik, Tanz und Feiern, das Symposion, Liebeswerben und auch derbe Szenen und Vergnügungen oder der Tod.
Die Herstellung attischer Keramiken erfolgte in einem aufwendigen Prozess der Materialvorbereitung, dem Formen durch einen Töpfer und der Bemalung durch einen Maler. Danach konnte durch das Brennen der Irdenware sowohl die charakteristische Farbigkeit wie auch Haltbarkeit der Gefäße erzeugt werden.
Die Entdeckung zahlreicher Gräber in Unteritalien ließ das Interesse an attischen Vasen Mitte des 18. Jahrhunderts enorm ansteigen, da erstmals unversehrte Objekte geborgen werden könnten. Wohl zu jener Zeit wurde auch der italienische Begriff „vaso [Vase]“ geprägt, der uns heute noch – leicht irreführend – von antiken „Vasen“ sprechen lässt. Da im 5. Jahrhundert v. u. Z. enorme Mengen in die Kolonien in „Großgriechenland“ (Magna Graecia) exportiert wurden, verfügten die Forscher der Aufklärung über reiches Material. Die Grabbeigaben dienten im Leben als Prunkgefäße und waren daher den Verstorbenen ins nach antiker Vorstellung wenig beschauliche Jenseits mitgegeben worden.
Im Jahr 1734 gründeten englische Aristokraten die „Society of Dilettanti“ und finanzierten 1750 bis 1753 eine Griechenland-Expedition. Die Architekten James Stuart (1713–1788) sowie Nicholas Revett (1720–1804) schufen die ersten präzisen und systematischen Aufzeichnungen der wichtigsten Denkmäler Athens, die sie 1762 unter dem Titel „Antiquities of Athens“ herausgaben. Bereits ein Jahr später rekonstruierte der deutsche Historiker Johann Joachim Winckelmann die Entwicklung der griechischen Kunst mit Hilfe von römischen Kopien. Der wichtigste Sammler war der damalige britische Botschafter in Neapel, Sir William Hamilton (1730–1803), dessen Kollektion an so genannten Etruskischen Vasen wurde publiziert und 1772 vom British Museum erworben.
Die Keramiken wurden mit großer Begeisterung aufgenommen und sehr bald in aufwendigen Tafelwerken reproduziert. Die griechische Vasenmalerei hat damit wesentlich zum Erwachen der Begeisterung für die griechische Klassik und die Rezeption antiker Kunst allgemein beigetragen, die im Stil des Klassizismus einen ersten Höhepunkt fand. Von Anfang an schätzte man die überaus hohe Qualität, die Präzision und die Perfektion der Keramiken sowie die Harmonie der Darstellungen. Zweifellos ist die die antike griechische Vasenmalerei bis heute einer der bedeutendsten Gattungen der antiken Kunst.
Georg Plattner, Linienkunst in der klassischen Antike. Die attische Vasenmalerei des 5. Jahrhunderts v. Chr., in: Klimt und die Antike (Ausst.-Kat. Belvedere 2017), Wien 2017, S. 44–49.
Kim Sloan (Hg.), The British Museum: Enlightenment. Discovering the World in the Eighteenth Century, London 2003.
Karl Schefold, Die Griechen und ihre Nachbarn, Propyläen Kunstgeschichte Bd. 1, Berlin 1984.
John Boardman, José Döring, Werner Fuchs, Max Hirmer, Die Griechische Kunst, München 1976.