Das wunderbar gelegene Museum of Modern Art Louisiana in Dänemark widmet dem wichtigen deutschen Fotokünstler Andreas Gursky (* 1955 in Leipzig) eine Einzelausstellung, die wohl so ziemlich die wichtigsten Arbeiten aus der inzwischen 25-jährigen Schaffenszeit in Humlebæk zusammenführt. Der bei Hatje Cantz erschiene zweisprachige Katalog (dt./engl.) gibt daher einen guten Überblick über die Entwicklung des Fotografen, wobei die Anordnung der Bilder nicht chronologisch erfolgt. Das sich in Serien entwickelnde Werk Gurskys wird nach ästhetischen Gesichtspunkten aufgefächert, die frühen, noch wenig digital bearbeiteten Fotografien mit den bereits ikonenhaften „Gurskys“ der jüngeren Jahre abwechselnd präsentiert. Doch auch so wird die Veränderung der Motivwelt, gleichsam der Sprung vom vom Rhein zum Schweben über dem Ozean, deutlich.
Dänemark | Humlebæk: Louisiana Museum of Modern Art
13.1. – 13.5.2012
Die beiden am Ende des Katalogs angeführten Texte des Kurators Poul Erik Tøjner und des Semiotikers Frederik Stjernfelt führen prägnant in das Werk ein. Im Zentrum von Stjernfelts Beobachtungen stehen Überlegungen über das bei Gursky auffallend große Bildformat, die Tiefenschärfe der Bilder, Idealisierung, perspektivische Verzerrung, Rasterstrukturen, gesellschaftliche Strukturen und der Einzelne sowie Draußen. Die klugen Überlegungen bilden, so würde ich meinen, die Basis, auf welcher der Text von Poul Erik Tøjner aufruht. In dem stark assoziativen, von rhetorischen Fragen durchzogenen Katalogbeitrag stellt der Kurator Gursky Werk in den Kontext der Malerei, ohne jedoch auf vorbildhafte Werke der Vergangenheit zu rekurrieren. Stattdessen sucht er, das Medium außen vor zu lassen. „Mehr Künstler als Fotograf im herkömmlichen Sinn“ sei Gursky für ihn (S. 120). Auch wenn sich der Autor dessen voll bewusst ist, zeigt sich in der Struktur seiner Argumentation, dass „der Kampf der Fotografie um Anerkennung“ und ihre Verbindung mit Wirklichkeitswiedergabe noch nicht abgeschlossen ist. Gursky wird als „großartiger Geschichtenerzähler“ eingeführt, der nicht nur unübertroffene Orte aus ungeahnten Blickwinkeln aufgenommen und sie dann am Computer weiter objektiviert hat, sondern dessen Großformate auch spektakuläre Motive detailreich und scharf in Szene zu setzen wissen.
Die Strategie Gurskys multiple Blickwinkel per Mausklick zu einem „vielansichtigen“ Bild zu verschmelzen, konvergiert mit seinem Interesse für Masse und Individuum wie auch für Form und Struktur. Er stellt Situationen und Momente der Erhabenheit her und nutzt ein Minimum an Narrativität, um das Typische unserer Welt zu zeigen. Von Leipzig quasi in Welt ausgezogen, reihen sich so Bilder von deutschen Bergwerken an Korbflecht-Werkstätten, vom Kriegsschauplatz auf den Börsen an die Anonymität von Hochhäusern, von Massenveranstaltungen an vereinsamte Meisterwerke der Malerei, vom detailreichen Blick auf Mülldeponien an romantisch-abstrahierende Lichtreflexe in verseuchten Gewässern. Klare Strukturen und der oftmalige Einsatz von Rastersystemen sollen dabei helfen, „die Welt im Griff zu behalten“, wie der Fotograf dereinst anmerkte.