Adriana Czernin hat in den letzten Jahren ein interessantes zeichnerisches Œuvre entwickelt, in dem Ornament und Selbstdarstellung auf unentwirrbare Weise miteinander verstrickt werden. Bekannt wurde die in Wien lebende Künstlerin durch ihre großformatigen, meist zart eingefärbten Blätter, in denen sich das grazile Konterfei der Künstlerin hinter gitterartigen Strukturen hervorhebt und die Muster dabei dreidimensional verzerrt. Der Galerist Martin Janda stellte Anfang 2013 neue Arbeiten der Künstlerin aus, in denen nun auch das menschliche Subjekt zu geometrischen Formen verwandelt erscheint. Dieser Veränderung im Werk ist der Katalog „Adriana Czernin“ gewidmet – dem Verschwinden und dem Hervortreten.
Österreich / Wien : Galerie Martin Janda,
15.1. - 23.2.2013
Der Katalog beginnt mit Werken der letzten drei Jahre, zeigt neue Kompositionen, die aus stacheligen, geometrischen Formen zusammengesetzt sind, bevor eine der „typischen“ Zeichnungen Czernins aus dem Jahr 2003 angeführt wird. Der Hell-Dunkel-Kontrast und die Reduktion auf die „Muster“ sind genauso neu wie der Einsatz von Aquarellfarben, deren rinnende, sich überlagernde Texturen im Gegensatz zu den glatten, schwarzen Flächen stehen. Vor allem die grau-schwarze Serie aus dem Jahr 2008 mit feder- oder fingerartigen Auswüchsen an konzentrischen Kreisen lässt ein Angstgefühl aufkommen, lässt an gestrüppartige Überwucherungen denken, aus denen es kein Entrinnen gibt. Die jüngeren Arbeiten Adriana Czernins lösen beim Durchblättern des Katalogs immer wieder Assoziationen mit Tierischem und Pflanzlichem aus. Der Eindruck des Unheimlichen begleitet die Arbeiten auf Papier auf Schritt und Tritt. Im Gegensatz dazu hält sich die logisch-konkrete Form 2012 in „Portrait Purple (Investigation oft he Inside)“ mit dem Organisch-bewegten das Gleichgewicht, während in „Me and Others (Investigation of the Inside)“ das unentwirrbare Verstricktsein des eigenen Subjekts mit den „Anderen“ thematisiert.
Martin Prinzhorn baut seinen Text über Adriana Czernin auf den Erkenntnissen der kognitiven Psychologie auf. Wie die Künstlerin von den Umrissen der Formen zu deren Füllung voranschreitet, so erfolge die Wahrnehmung vom Sehen zur Bedeutungszuschreibung. Waren die älteren Arbeiten von Adriana Czernin dadurch gekennzeichnet, dass sie ihre Selbstporträts in Muster verwob, so sind die neueren vom dynamischen Verhältnis der neben- und gegeneinander gesetzten Formen geprägt.
Die Wiener Kunsthistorikerin Catharina Kahane geht auf die seit 2009 entstehende Serie „Investigations of the Inside“ ein, deren Ornamentik mittels Drehen, Verschieben und Spiegeln generiert wird. Das Verhältnis von Figur und Grund, die Spannung aufgrund eines unklaren Raumgefüges und neuerdings die Tendenz zum Formlosen im Werk der Wiener Künstlerin. Der Aspekt der Formlosigkeit wird durch das neue Material Aquarell in die Bilder gebracht, das Rinnen der Wasserfarbe verbindet Kahane mit dem „Unkontrollierten, Lebendigen, das formal gebändigt werden muss“ (S. 47). Daher stünden die Gitterornamente für Ordnung, um die sich die Unordnung in Form von Schnüren, Boas oder Stacheldraht windet. Alles mündet in Czernins Werk im Selbstporträt, egal ob es sich um das Selbst in menschlicher oder in ornamentaler Form handelt.
Der reich bebilderte Katalog führt gut in das Werk der Künstlerin ein, beide Texte arbeiten sich an formalen und bedeutungszuschreibenden Faktoren ab. Waren die älteren Arbeiten von Adriana Czernin noch mit der Spannung zwischen dem Körperlichen und dem Ornamentalen beschäftigt, zeigt sich mit den titellosen Zeichnungen seit 2008 und der ab 2009 entstehenden Serie „Investigations of the Inside“ einen neuen Umgang mit den Materialien, dunklere Stimmungen und eine konfliktreichere Setzung von Mensch und Ornament, wobei letzteres stärker in stacheligen Umrissen eingesetzt wird. Vor allem der Aufsatz von Catharina Kahane gibt Anlass weiterzudenken – über die Bedeutung des Formlosen als Kontrast oder Bedingung der strengen Formen, das Ungeordnete, das Verschwinden des Subjekts und über das Dunkle.
Martin Janda (Hg.)
mit Texten von M. Prinzhorn und C. Kahane
Berlin 2013
Distanz Verlag