In der Vertikalen Galerie der VERBUND-Zentrale (Am Hof 6a, 1010 Wien) zeigt Gabriele Schor bis 30. März 2011 erstmals in Österreich eine repräsentative Auswahl von Fotos der Schweizer Künstlerin Loan Nguyen, Jahrgang 1977. Die Sammlungsleiterin hat die Fotokünstlerin 2004 auf der Kölner Messe entdeckt und seither kontinuierlich Arbeiten angekauft. Inzwischen besitzt der Verbund 21 Arbeiten von Nguyen, deren Stärke, so Schor, in ihrer Augenblickshaftigkeit, dem Gleichgewicht zwischen Objekten, Landschaft und Menschen sowie ihrer meditativen Grundstimmung liegen. „Prinzip Zartgefühl“ beschreibt daher nicht nur die zurückhaltende Farbigkeit der Fotografien, sondern vor allem die Auswahl der Orte und die Inszenierungen Nguyens.
Österreich / Wien: Vertikale Galerie im VERBUND, 1010 Wien
bis 30.3.2011
Für Loan Nguyen ist Fotografie ein höchst subjektives Medium und die Bildauswahl eine Interpretation der Realität. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist immer die Frage, wie ein Objekt mit seiner Umgebung verbunden ist. Oft zeigt sie sich selbst in einer höchst absurden Situation. So stellte sich in „Débarcadère“ (2000) auf einen Anlegesteg und blickt ins Wasser. Ihre Haltung wirkt stoisch, ihr Gesicht entspannt. Was zieht ihre Aufmerksamkeit im Wasser auf sich? Nguyen scheint etwas zu tun, nichts verrät jedoch, was es genau ist. Sie ist ganz in ihr Tun versenkt, hat keine Beziehung zum Betrachter und erinnert dadurch an ein im Spiel versunkenes Kind.
Dass es sich bei Nguyen hauptsächlich um inszenierte Fotografie handelt, müsste höchstwahrscheinlich nicht extra betont werden. Dennoch möchte ich an dieser Stelle hervorheben, dass sie die Wirklichkeit nicht bloß abfotografiert, sondern „zum Zweck ihrer fotografischen Ablichtung allererst hervorbringt“ (Kathleen A. Edward, Acting Out, Washington 2005, S. 16). So erzeugt die Schweizerin Einblicke in Szenerien, die nicht nur auf den ersten Blick absurd-poetisch wirken, da sie über das Wirklichkeitsversprechen der Fotografie eine Realität fingieren, deren Geschichte jedoch erst durch den Betrachter erzählt werden muss.
Doch wie und was erzählt Nguyen? Bewusst komponierte Bildausschnitte, pastellige Farbtöne und sanfte Farbigkeit, skurrile Kombinationen von Bildelementen, Verdoppelungen von Motiven als Bild-im-Bild sind die wichtigsten Stilmittel, derer sich die Fotografien bedient, um ihre Konzepte umzusetzen. Was sie erzählt, lässt sich vielleicht am besten mit der Verbindung der Objekte zueinander erklären. Immer ist sie selbst das Subjekt ihrer scheinbar ins Leere laufenden Erzählungen. Sie tut etwas, lässt jedoch offen, was das genau ist oder zu welchem Zweck dieses Tun erfolgt. Geschichten entwickeln sich daher erst außerhalb des Bildes, jenseits des eingefrorenen Moments, im Kopf des Betrachters. Diese Unaufdringlichkeit der Bilder und das Fehlen von Andeutungen eines Davor und des Danach machen die Arbeiten von Nguyen zu Oasen der Stille, die zu freien Assoziationen einladen, indem sie sich als poetische Andeutungen möglicher Sinnzusammenhänge der Narrationserzeugung elegant entziehen.