Der zweite Teil der Jubiläumsausstellung „Ästhetik der Veränderung. 150 Jahre Universität für angewandte Kunst“, der in der oberen MAK-Ausstellungshalle zu sehen ist, richtet den Blick in die Zukunft von Kunst, Bildung und Gesellschaft. „Wir wollen damit das Bewusstsein dafür schärfen, dass das 21. Jahrhundert nicht nur eine technologische Revolution von historisch einmaliger Dimension bringt, sondern auch ein Jahrhundert der Kreativität sein wird“, sagt Rektor Gerald Bast, der diese gemeinsam mit ZKM-Vorstand Peter Weibel kuratierte.
Eine Kooperation der Universität für angewandte Kunst Wien und des MAK
Österreich / Wien: MAK
15.12.2017 – 15.4. 2018
Gegliedert ist die Schau in vier Kapitel, die eine Einführung in die „Problemstellungen und Gestaltungsmöglichkeiten“ des Digital Age bieten sollen. An den Beginn stellte man die „Expansion der Künste“. Hier sind Künstler und Theoretiker (darunter auch einige ehemalige Professoren der Universität für angewandte Kunst) versammelt, deren visionäre Ideen in den 1960er- und 1970er-Jahren den Weg in die Zukunft wiesen. Unter anderem Peter Weibel selbst, auf dessen Initiative hin 1984 an der Angewandten die europaweit erste Meisterklasse für Medienkunst gegründet wurde, Hans Hollein, der mit seiner 1967 erschienenen Schrift „Alles ist Architektur” völlig neue Denkansätze lieferte, oder Alfons Schilling, der in seinem Manifest „Electronic Spaces” von 1973 die wahrscheinlich erste künstlerische Vision des Cyberspace sowie die Virtual Reality-Brille vorwegnahm. Einer jüngeren Künstlergeneration gehört der Filmemacher und Multimedia-Künstler Virgil Widrich an, der hier den von ihm entwickelten „tx-transformator“ (2000), einen „relativitätstheoretischen Filmautomat”, bei dem Zeit- und Raumachse der live aufgenommenen Bilder vertauscht werden, präsentiert. Vorgestellt wird in dem Kapitel aber auch der neue Studienzweig „Cross-Disciplinary Strategies“. „An der Angewandten hat die Zukunft eigentlich schon begonnen“, unterstreicht Bast.
In der nächsten Sektion widmet man sich dem „Social Turn“. „Unsere These ist, dass das soziale Element in Zukunft eine wesentlich größere Bedeutung haben wird“, erläutert der Rektor. Als exemplarisch in diesem Zusammenhang bezeichnet Peter Weibel die interaktive Sound- und Lichtinstallation „Lights Contacts“ (2009), die nur dann funktioniert, wenn zumindest zwei Personen gleichzeitig sowohl einander als auch eine Kugel in der Mitte berühren. Nur dann erzeugt die Installation des französischen Künstlerduos Scenocosme verschiedene Töne und Lichter, die sich auch, je nachdem wie nahe oder weit man von dieser oder einander entfernt ist, verändern. „Die Arbeit zeigt, dass man zusammen aktiv werden muss, wenn man Veränderung initiieren möchte“, so Weibel. Ebenfalls hier zu sehen ist die aus 760 weißen Seifen bestehende Installation der polnischen Künstlerin Monika Piórkowska. Die sich wellenförmig in den Raum ergießende Skulptur ist mit dem Schriftzug „Liquid Democracy“ (so auch der Titel der 2017 entstandenen Arbeit) versehen. Die Absolventin der Angewandten verweist hier auf den aktuellen Status Quo der Demokratie und die Gefahren rechtspopulistischen Denkens.
Der nächste „Turn“, den die beiden Kuratoren verhandeln, ist der „Cultural Turn“. „Das weltweite Informationsnetz hat enorme Konsequenzen. Daher wird sich auch die Funktion von Kultur als sozialem Katalysator und Kitt wandeln“, betont Gerald Bast. Die Auswirkungen der digitalen Globalisierung auf unsere Städte zeigt der Schweizer Künstler Marc Lee in seiner interaktiven Installation „10.000 Moving Cities - Same but Different“ (2013/17) auf. Dabei werden die Bilder der jeweiligen, von einem Besucher ausgewählten Stadt auf Kuben projiziert, die eine Art Skyline bilden. Die Bilder stammen dabei nicht von öffentlichen Einrichtungen oder Unternehmen, sondern aus Facebook, Instagram, YouTube & Co. Der Medienkünstler Matthias Gommel setzt sich in seiner Installation mit der Arbeit des Nanotechnologie-Pioniers Geoffrey Ozin auseinander, der an der Entwicklung von Katalysatoren forscht, die mithilfe von Sonnenlicht CO2 in Treibstoff verwandeln können („Solar Refinery“, 2015/17). Ebenfalls hier präsentiert werden Studien des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital, die sich mit den Auswirkungen von Migration auf Kunst, Bildung und Gesellschaft beschäftigen, oder Yoko Onos sich ebenfalls dem Flüchtlingsthema widmende Arbeit „Invisible People“, die heuer erstmals in Venedig präsentiert wurde. „Unsere Kultur wird sich aufgrund der Migrationsbewegungen sehr stark verändern“, ist Gerald Bast überzeugt. Schon jetzt sei der Traum einer monokulturellen Gesellschaft nur mehr eine Illusion. „Darauf müssen wir uns einstellen.“
Dass auch die Künstler selbst durch die Artificial Intelligence Konkurrenz bekommen, zeigt sich im Kapitel „Technological Turn“. Hier lässt das Künstlerkollektiv Robotlab (Matthias Gemmel, Martina Haitz, Jan Zappe) einen Industrieroboter bis zum Ende der Ausstellung ein Bild der Marsoberfläche, dessen Daten von einem zweiten Roboter verschlüsselt auf die Erde gesendet worden waren, wieder in ein Bild der Marsoberfläche verwandeln. „Er wird dabei ein Kunstwerk von unerreichbarer Detaillierung und Präzision schaffen, an das nicht einmal die Künstler der Renaissance herankommen“, weiß Weibel.
Den Schlusspunkt der Schau bildet der „Future Room“, ein Iglu-artiger Raum, der mit einer von den beiden Kuratoren in Zusammenarbeit mit Ruth Schnell und Martin Kusch konzipierten 360 Grad-Installation bespielt wird. Hier sollen Denkanstöße gegeben und Visionen für die Zukunft aufgezeigt werden. Das Publikum ist dabei aufgefordert von den Kuratoren vordefinierte Schlüsselbegriffe, die von „Artificial Intelligence“ bis „Work“ reichen, in ein Mikrophon zu sprechen, woraufhin Fragen oder Sätze ertönen wie: „Hat die natürliche Intelligenz versagt?“, „Krise der Demokratie“ oder „Verbessere die Koexistenz“. „Zukunft ist da, wo wir uns selbst darum bemühen“, sagt der ZKM-Vorstand.