Das Landesmuseum Niederösterreich besitzt eine selten gezeigte Mappe mit 40 Aquarellen (1833/34) des Biedermeiermalers Eduard Gurk (1801–1841), die von Kronprinz Ferdinand, König von Ungarn und ältester Sohn Kaiser Franz II.(I.), in Auftrag gegeben wurde. Am 9. August 1832 wurde Ferdinand in Baden Ziel eines Mordanschlags, den er so gut wie unverletzt überstand. Im Dezember kam zu einer so schweren Erkrankung (Epilepsie), dass dem Kronprinzen sogar die Sterbesakramente verabreicht wurden. Wie durch ein Wunder genas er und gelobte, für seine zweimalige Errettung im Jahr 1833 eine Wallfahrt nach Mariazell zu unternehmen. Eduard Gurk stellte für den zukünftigen Kaiser sakrale Fixpunkte wie landschaftliche Schönheit entlang der Via Sacra dar: von der Spinnerin am Kreuz in Wien bis zur Basilika Mariazell.
Österreich / St. Pölten/NÖ: Landesmuseum Niederösterreich
26.10.2014 - 29.3.2015
Empfehlung
Die Kammermaler Erzherzog Johanns
Kurator Wolfgang Krug stellt die 40 durch ihre Detailgenauigkeit und ihre Landschaftsdarstellungen beeindruckenden Aquarelle mit Messgeschirr, liturgischen Textilien, Votivbilder und Votivgaben, Gemälden zu einer Kabinettausstellung zusammen. Erstmals werden alle 40 Blätter der „Mahlerischen Reise von Wien nach Maria Zell in Steyermark, dargestellt in drey Tagreisen und nach der Natur aufgenommen im Jahre 1833 in Begleitung Sr. Majestät des jüngeren Königs von Ungarn, Ferdinand dem Fünften, von Eduard Gurk“ in einer Schau präsentiert. Ausgehend vom Attentat auf den Kronprinzen in der Bergstraße von Baden, hängen sie in serieller Abfolge und schildern die Wallfahrt in einer dreitägigen Reise. Zu den besonders geglückten Ideen des Aquarellisten zählt, den Tagesablauf in entsprechenden Lichtstimmungen und unterschiedliche Witterungserscheinungen miteinzubeziehen.
Das Attentat auf den Kronprinzen am 9. September 1832 in Baden ging glimpflich für diesen aus. Der pensionierte Infanterie-Hauptmann Franz Reindl hatte ein Terzerol auf den König von Ungarn abgefeuert. Dieser wurde auf der Höhe des linken Schulterblattes getroffen, da aber die Kugel nicht genug Durchschlagskraft hatte, blieb sie im Futter des Überrocks stecken. Ferdinand erlitt nur eine leichte Prellung. Der Attentäter wollte sich daraufhin mit einem zweiten Terzerol selbst richten und schoss sich in den Mund. Die Kugel – in der Ausstellung zu sehen (!) – blieb ihm im Gaumen stecken; er überlebte. Wenn auch der Kronprinz durch die Kugel kaum verletzt wurde, so verschlimmerte sich dadurch (vielleicht) seine Epilepsie. Im folgenden Jahr trat daher das Thronfolgerpaar eine Wallfahrt nach Mariazell an. Es verließ Baden am 2. Juli mit der Kutsche und kam am folgenden Tag im Marienwallfahrtsort an.
Auffallend ist, dass Eduard Gurk seine Wallfahrt in Wien beginnen lässt und in drei Tagesetappen unterteilt. Zudem lässt er sie an der Spinnerin am Kreuz mit aufgehender Sonne beginnen. Neben bäuerlichen Reisenden, Fuhrwerken, Arbeiter_innen an den Feldern und Nutztieren zieht eine kaum bemerkbare Gruppe einer Fußwallfahrt von einem Bild zum nächsten. Wer einmal die rote Prozessionsfahne entdeckt hat, wird sie immer wieder finden. Die niederösterreichische Landschaft mit sanften Hügeln und rauen Gebirgszügen liegt teils sonnenbeschienen, teils von düsteren Wolken bedeckt, teils im Regen vor den Betrachter_innen. Die Kompositionen erlauben tiefe Blicke von erhöhten Positionen, detaillierte Schilderungen und immer wieder eine genaue Beobachtung des Sonnenlichts bzw. der klitschnassen Straße (z. B. in Blatt 10: Dornau). Der Himmel über Hainfeld ist in abendliches Rot und Violett getaucht, St. Veit an der Gölsen liegt im Vollmond still da. Ein einsamer Hase lässt sich auf der Straße links nicht stören, die Wallfahrer_innen, so darf vermutet werden, schlafen längst.
Berühmt ist die „Ansicht vom Annaberge gegen den Ötscher“ aus dem zweiten Tag. Vor dem Kirchenportal stehend, richtete Gurk seinen Blick gegen den massiv aufragenden Berg. Das nächste Blatt wirft den Blick zurück und zeigt die barocke Kirchenfassade im Sonnenlicht aufglänzen. Hinter dem Joachimsberg verschwindet die Sonne und am Josephsberg ist sie fast ganz verschwunden. Dieser von der Wallfahrt tief geprägten Landschaft – siehe die Ortsnamen (!) – folgen Naturdenkmäler wie der Kaiserthron mit Blick auf den Ötschergraben, der Lassingfall mit Regenbogen, die Gemeindealpe. Die Wallfahrtskirche rückt im Blatt vom „Urlaubkreuz in Weißenbach“ zumindest über die Spitzen der Kirchtürme erstmals ins Bild. Ab Blatt 34 ist das Gotteshaus ganz im Zentrum des Interesses. Vom Hauptportal führt Gurk ins Innere und weiter zur Gnadenkapelle, dem Ziel der Wallfahrt, sowie der Schatzkammer der Gnadenkapelle und dem Hochaltar.
Die Vedutenserie von Eduard Gurk war nicht als Vorlage für eine weitere Verbreitung gedacht, sondern diente dem persönlichen Gebrauch durch die kaiserliche Familie. Einzelne Blätter widerholte der Wiener Künstler für die kaiserliche Guckkastenserie, an der er gleichzeitig arbeitete. Von den Habsburgern ging die „Mahlerische Reise von Wien nach Maria Zell“ in den Besitz der Fürsten von Liechtenstein über. Im Februar 1966 erwarb das Niederösterreichische Landesmuseum sie von Ulrich Georg Prinz Liechtenstein.
Am 17. November 1801 wurde Eduard Gurk1 in der Lange Gasse 14 (heute Nr. 20) in der Josefstadt, einem Vorort von Wien, als Sohn des Bibliothekars des Fürsten Esterházy, Joseph Ignaz, und dessen Frau Maria Anna Gurk geboren. Sein Vater war künstlerisch tätig und baute mechanische Orgeln und Spieluhren.
Englandreise und Studium der dortigen Aquarellmalerei
1819 Rückkehr nach Wien und Hauskauf in Penzing. Joseph Gurk quittierte seine Anstellung beim Fürsten Esterházy und widmete sich ganz der Kunst.
ab 1820 Eduard Gurk lernte die Kunst des Kupferstechens und Kontakt mit de, k. k. Hof- und Kammermaler Johann Baptist Hoechle (1754–1832) sowie dessen Sohn Johann Nepomuk Hoechle (1790–1835)
Ab 1822 Teilnahme an Ausstellungen an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Der Verleger Tranquillo Mollo beauftragte Vater und Sohn Gurk, Vorlagen für Darstellungen der wichtigsten Monumente und Denkmäler von Wien anzufertigen.
1823 Das Album „Wien’s vorzüglichste Gebäude und Monumente“ in Zusammenarbeit mit Sigmund Ferdinand von Perger und Josef Lutz erschien und erfreute sich großer Nachfrage.
1824 Carl Meidmanns „Die Rosenbaum’sche Gartenanlage“ mit Illustrationen von Eduard Gurk.
„Wien’s Umgebung. Nach der Natur gezeichnet und gestochen von Joseph und Eduard Gurk“ (Ausführung und Stiche) mit 60 handkolorierten und durchnummerierten Blättern
„Erinnerungen an Wien“
ab 1825 „Mahlerische Ansichten aus Carlsbad, Marienbad und Franzensbrunn“. Serie aus Anlass der Krönung von Kaiserin Karoline Auguste in Pressburg gemeinsam mit Hoechle.
1825 Für die „Wiener Pferdefuhrwerke“ von Johann Baptist und Johann Nepomuk Hoechle war Eduard Gurk der Stecher.
1828 Für die „Darstellungen aus dem Übungslager bei Traiskirchen“ von Johann Baptist und Johann Nepomuk Hoechle war Eduard Gurk der Stecher. Erste Darstellung einer Giraffe aus der Menagerie des Lustschlosses Schönbrunn.
1829 „Abbildungen des neuesten Adjustierung der Türkischen Armee in Constantinopel 1829“ (Verleger Mollo) – eine Reise ins Osmanische Reich ist nicht überliefert.
1830 Im März überschwemmte die Donau die Vorstädte Wiens, und Gurk stellte den Kronprinzen beim Helfen dar. Im Gefolge des Kronprinzen reiste Gurk nach Preßburg, um dessen Krönung zum König von Ungarn zu dokumentieren: „Erinnerungs-Blätter an die Krönung S.K.H. des Erzherzogs Kronprinzen Ferdinand zum König von Ungarn in Preßburg d. 28. Sept. 1830“
1830er Arbeit an den Guckkastenbildern für das Kaiserhaus: zeitgenössische historische Ereignisse, Kaiserbesuch in Teplitz, böhmische Krönung von 1836, besonders beliebte Aufenthaltsorte, Naturdenkmäler.
1833 „Dokumentation“ der Wallfahrt Ferdinands nach Mariazell und Beginn der Arbeit an der kaiserlichen Guckkasten-Serie.
1834 „Mahlerischen Reise von Wien nach Maria Zell in Steyermark, dargestellt in drey Tagreisen und nach der Natur aufgenommen im Jahre 1833 in Begleitung Sr. Majestät des jüngeren Königs von Ungarn, Ferdinand dem Fünften, von Eduard Gurk“
1836 Am 12. Januar bewarb sich Eduard Gurk um die durch den Tod Hoechles vakant gewordene Stelle des k. k. Hof- und Kammermalers. Bis zu seinem Tod wurde er als solche nicht bestätigt, arbeitete aber in dieser Position. Am 7. September Krönung Ferdinands zum König von Böhmen in Prag.
1838 Krönung von Ferdinand zum König der Lombardei in Mailand. Stiftete sein Vermögen und seine beiden Häuser testamentarisch den „armen Kranken der Gemeinde Penzing“. Aus dem Erlös wurde das St.-Rochus-Spital in Penzing errichtet.
1840 Im August brach Gurk zu seiner letzten großen Reise auf: Mariazell, Salzburg, Innsbruck, Meran, Como, Villa Lagarina bei Rovereto, Saida, Jerusalem, Beirut.
Am 31. März 1841 starb Eduard Gurk an einem typhösen Fieber und wurde in Jerusalem beigesetzt.