Eric Fischl wurde in den 80er Jahren mit Bildern von – zumeist nackten – Amerikanern und Amerikanerinnen der Mittelschicht bekannt, wobei er auch von erotischen Sehnsüchten und dem Ausleben derselben im Geheimen berichtete. Er warf einen kritischen Blick auf das gesellschaftliche Leben im trauten Heim, am Strand und den Country Clubs des Landes, ohne je pornografisch zu sein. Die von ihm ostentativ eingesetzte Nacktheit steht einer fast schon unheimlichen Gelassenheit der Dargestellten gegenüber, die man wohl so an der Ostküste Amerikas - Fischl ist auf Long Island groß geworden (!) - in der Öffentlichkeit nicht finden wird. Stattdessen fand der Künstler Inspiration an der Côte d`Azur und in Nizza, wo er erstmals völlig natürlich sich bewegende Nackte am Strand sah. Seine eigene, wie er meinte puritanische Verstörung darüber verwandelt er seither künstlerisch in mehrfigurigen Szenen, deren Inhalte ambivalent bleiben. Fischls malerisches Werk verstört seit den 80er Jahren und schreibt diese Irritation bis heute fort.
Österreich / Wien: Albertina
13.2. - 18.5.2014
Handelt es sich etwa bei den nur leicht angedeuteten Figuren der Serie „Falling Figures“ (2001) um Läufer oder um Tänzer in befremdlichen Posen? Erst die Kontextualisierung macht aus den gekonnt skizzenhaften Aquarellen eine Reaktion auf ein zeitgenössisches Drama: Fischl dachte dabei an jene Verzweifelten, die sich 9/11 aus den World Trade Towers in den Tod stürzten, nachdem sie von Feuer und Rauch eingesperrt worden waren! Die aus diesen Aquarellen resultierende Skulptur „Tumbling Woman“, die sich in einer Art unaufhaltsam rollender Bewegung befindet, wurde am ersten Jahrestag vor dem Rockefeller Center enthüllt und verursachte einen derartigen Aufschrei in der Öffentlichkeit, dass die Verantwortlichen sie zwei Tage nach ihrer Installation aus dem öffentlichen Blickfeld nahmen. Fischl wurde dabei beschuldigt, seine Karriere auf Kosten des Leidens anderer befördern zu wollen.
Die Albertina zeigt nun beides erstmals in Österreich. Diese Werke werden mit älteren und jüngeren Arbeiten des amerikanischen Malers gemeinsam präsentiert, um das Werk des Amerikaners seit den späten 70er Jahren nachvollziehbar zu machen.
Nachdem sich Fischl in den 70er Jahren zunehmend der figurativen Malerei zuwandte, war diese für tot erklärt worden und keine akademische Ausbildung mehr vorhanden. Er musste sich die Geheimnisse von Komposition, Farbe, Licht, Anatomie und Ausdruck selbst aneignen. Seine frühesten Arbeiten auf Papier wie „The Critics“ (1979) und auch die Druckgrafik-Serie „Untitled“ (1994) zeigen eine interessante Art, Komposition als eine Folge von Experimenten aufzufassen. Fischl zeichnete einzelne Figuren auf transparentem Glassin-Papier und klebte die Blätter übereinander. Dabei hatte er nicht nur die Möglichkeit, die Szenen langsam zu entwickeln, sondern konnte sie immer wieder variieren und neu ausloten.
In aktuellen Arbeiten hat er diese Vorgangsweise durch das Kompilieren von Fotografien am PC ersetzt, nachdem er sich lange gegen die digitalen Copy & Paste Technologien gewehrt hatte.
Fischl entspinnt eine Geschichte rund um die Menschen, die er fotografiert hat, wobei der Aufbau einer größtmöglichen Spannung zwischen den Beteiligten und den sie umgebenden Objekten das Ziel ist. Warum sich ein Mensch gerade umdreht, wie sich die Aussage eines Bildes ändert, wenn andere Protagonisten auftauchen, das sind die Fragen, die den Maler umtreiben. Was Fischls Protagonisten und Protagonistinnen tun und treiben, ob es sich um „Freunde, Liebhaber oder andere Konstellationen“ handelt, bleibt meist offen und so der Fantasie der Betrachter überlassen.
Mit nackter Haut wie auch mit der Serie „Falling Figure“ hält er seinen Zeitgenossen einen Spiegel vor. Die heftige Reaktion auf die fallenden Körper verrät weniger über die künstlerischen Qualitäten von Fischls Werken als den wunden Punkt, den er damit getroffen hat. Dass der Künstler dafür weder anatomisch korrekt oder detailverlieb arbeiten muss, zeigen auch die ausgestellten Skulpturen. Allesamt eher roh, kein Finish, nicht einmal alle Finger sind vorhanden. Dass er sie in einer Stilsprache des ausgehenden 19. Jahrhunderts gestaltete und auch in Bronze goss (Verweise auf Rodin und Maillol sind omnipräsent!), gehört zu den irritierenden Faktoren dieser Schau. Fischl nutzt das Potenzial des Erzählens, oder besser des Andeutens und nicht explizit Sagens in seiner figurativen Kunst, um ein Kino im Kopf hervorzurufen. Ohne den Kontext geraten die nackten Personen jedoch allzu leicht zu Tänzer_innen in virtuosen Posen. Die Einsamkeit des weißen Blattes, das aufsteigende Mitgefühl und das Grauen – also das Wissen um die Umstände – sind es, was die Betrachter und Betrachterinnen gefangen nimmt und schaudern lässt. Vielleicht ist in diesem Fall Kunst nur ein Impulsgeber, fernab von realistischer Wiedergabe oder Inszenierung (wer stürzt schon nackt), sich mit dem gehörten Unerhörten auseinanderzusetzen.
Fischl skizziert weder auf dem Papier noch auf der Leinwand, sondern geht gleich mit der Ölfarbe an den Malgrund. Im Künstlergespräch in der Albertina betonte er seine Verbundenheit mit Manet und Degas. Manets offener Pinselstrich und Degas` Einsamkeit hätten ihn besonders geprägt. Das ist trotz der modernen Themen und Figurenkonstellationen Fischls Bildern deutlich anzusehen. Wie auch in den Werken der Impressionisten geht es in seiner Bildsprache um eine scheinbare Spontaneität und Momenthaftigkeit, ein zeittypisches Verhalten inklusive. Ersteres erreicht er mit einem lockeren Strich, der schon an Bravur reicht, und letzteres mit Hilfe von Fotografien als Erinnerungsstützen und Analysemedium.
Dass Fischl selbst seine berühmten Strand-Szenen jedoch als Metaphern für das Leben schlechthin deutet, d.h. die Menschen zwischen dem Wasser als Symbol für den Ursprung und dem Land als Symbol für Gegenwart und Zukunft positioniert, wirkt reichlich übertrieben. Nichts in seinen Bildern deutet eine solche Lesart an, zu banal und alltäglich wirken ihre Protagonisten trotz deren paradiesischer Nacktheit. Ist eine Aufladung der Räume mit Bedeutung und deren verbale Bereitstellung wirklich nötig, um im Kunstgeschäft heute Bestand zu haben? Wäre nicht allein schon die Überbetonung einer Spaßgesellschaft in ihrem Hedonismus, wie es sich wohl in seinen allerneuesten Werken noch einmal stärker ankündigt und in der Albertina reichlich zu entdecken ist, eine ausreichende „Erklärung“ seiner in der Wiederholung manchmal auch langweiligen Kunst? Und ist diese Reaktion – nämlich Langeweile – ebenfalls Ausdruck einer zeitgenössischen Erwartungshaltung, die im Kunstbusiness sich dem olympischen Prinzip eines Schneller, Höher, Stärker verschrieben hat? Nun ja, ohne wirklich Antworten auf diese Fragen geben zu können, liegt ein möglicher Reiz in Fischls Bildern in deren Sprachlosigkeit, wodurch sie zu einem Stellvertreter für so ziemlich alles werden können.
1948 Geboren in New York und aufgewachsen in Port Washington, Long Island.
1968–1969 Kunststudium am Phoenix Community College; Wechsel zur Arizona State University, um dort seinen BFA abzulegen.
1970–1972 Studium am California Institute for the Arts in Valencia; diese Schule wurde von Walt Disney kurz vor seinem Tod gegründet und galt als radikalste Kunstschule des Landes; Fischl lernt dort David Salle, Ross Bleckner, Matt Mullican und Barbara Bloom kennen.
1972–1974 Uzug nach Chicago und Arbeit als Aufseher im Museum of Contemporary Art.
1974–1978 Unterrichtet Malerei am Nova Scotia College of Art and Design in Halifax, Kanada.
1975 Eric Fischl begann mit der Arbeit an einer fiktiven Erzählung über eine Fischerfamilie in Ezählungen, Objekten, Wortspielen, Liedern und Wandmalereien. Erste Einzelausstellung in der Dalhousie Art Gallery in Halifax, Kanada.
1977 Zeichnet auf transparentem Glassinepapier, das er in Schichten übereinander lagert. Mit seiner Partnerin und zukünftigen Ehefrau, der Künstlerin April Gornik, reist er vier Monate lang durch ganz Europa und besucht Museen, Kathedralen und Denkmäler.
1978 Umzug nach New York
1980 Erste Einzelausstellung in New York in der Edward Thorp Gallery; Sein Bild „Sleepwalker“ mit einem masturbierenden Jungen sorgte für Aufsehen.
1982 Zweite Ausstellung in der Edward Thorp Gallery, wo er seine Arbeit „Bad Boy“ zeigt; Fischl und Gornik kehren nach Europa zurück und besuchen zum ersten Mal St. Tropez, wo sie das hedonistische und schillernde Strandleben der Riviera erlebten, das in späteren Jahren als Inspirationsquelle für zahlreiche Gemälde, Zeichnungen und Drucke Eric Fischls dient.
1984 Erste Ausstellung in der Mary Boone Gallery.
1985 Eine Überblicksausstellung von Gemälden, die von der Mendel Art Gallery in Kanada organisiert wird, ist an verschiedenen Ausstellungsorten in den USA und Europa zu sehen.
Fischl beginnt eine Reihe von Monotypien, die in dem Buch „Scenes and Sequences“, veröffentlicht von Peter Blum Editions 1986, erscheinen.
1986 Fischls Ausstellung „Eric Fischl: Scenes Before the Eye“ mit Drucken und Zeichnungen wird an mehreren Ausstellungsorten in den USA gezeigt.
1987 Teilnahme an der documenta 8 in Kassel, Deutschland. Er und seine Frau reisen nach Indien, wo er sich zu einer Serie von Arbeiten inspirieren lässt.
1990 Einzelausstellung in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien.
1996 Residency an der American Academy in Rom, Italien.
2001 Fischl reise für seine erste Ausstellung in der Jablonka Galerie in Köln nach Deutschland, wo er an seinem „Krefeld Project“ arbeitete.
2002 9/11 lässt Fischl, Aquarelle von fallenden und taumelnden Figuren anfertigen, die ihn zur Skulptur „Tumbling Woman“ inspirieren.
2007 Präsentation des Skulpturen-Projekts „Ten Breaths“ gemeinsam mit Aquarellen von fallenden Figuren in der Kestnergesellschaft in Hannover, Deutschland.
2013 Veröffentlichung seiner Memoiren „Bad Boy. My Life On and Off the Canvas“.
Lebt und arbeitet mit seiner Ehefrau April Gornik in Sag Harbor, New York.