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Gabriele Rothemann. Quire. Vierundzwanzig Vogelkäfige Ausstellung im MUSA, Wien

Gabriele Rothemann, Vierundzwanzig Vogelkäfige, Rauminstallation, 2009

Gabriele Rothemann, Vierundzwanzig Vogelkäfige, Rauminstallation, 2009

Gabriele Rothemann (* 1960) stellt im MUSA unter dem Titel „Quire“ erstmals eine installative Version ihrer „Vierundzwanzig Vogelkäfige“ vor. Der altenglische Begriff für Chor lässt phonetisch an „choire“ denken, welchen die vierundzwanzig Singvögel in ihren Käfigen bilden. Von „quiet“ kann keine Rede sein!

Gabriele Rothemann. Quire. Vierundzwanzig Vogelkäfige

Österreich / Wien: MUSA
28.2. – 22.4.2017

„Quire. Vierundzwanzig Vogelkäfige“ (2017)

Ausgangspunkt für diese Arbeit ist eine kleinformatige Zeichnung, die Rothemann in Süditalien anfertigte. Sie zeigt einige Vögel, die mit roten Bändern im Nirgendwo befestigt sind. Halb gefangen, halb frei blicken sie aus dem weißen Blatt heraus. In lockerer Hängung begleiten weitere, zarte Aquarelle, Rothemanns „Ideen“, wie sie sie nennt, das Vogelblatt.

Einige Jahre später entstand eine Fotoarbeit in Schwarz/Weiß, für die Gabriele Rothemann – nun in Wien – einen Wellensittich-Züchter in der Nußdorfer Straße aufsuchte. Sie fotografierte und filmte dessen Vögel, wie sie vereinzelt in alten Holzkäfigen sitzen und von einem Vorsänger-Vogel singen lernen. Wellensittich-Züchter müssen ein gutes Gehör haben, wollen sie entdecken, welcher Vogel einen besonders schönen Gesang entwickelt! Die Erstpräsentation in einer Galerie zeigte eine fotografische Auseinandersetzung mit dem Sujet: Es standen in einem Raster vier mal sechs Käfige aneinandergereiht, woraus sich auch die Zahl 24 ergab, die für die aktuelle Schau im MUSA so wichtig ist. Das Raster erinnert an minimalistische Konzeptionen (u.a. eines Donald Judd), die durch die individuellen Vögel und ihre Behausungen aufgebrochen werden. Tiere, so merkt die Künstlerin an, sind für sie Stellvertreter der Menschen. Sie sollen Betroffenheit auslösen und gesellschaftliche Verhaltensweisen enthüllen.

Berthold Ecker, Leiter des MUSA, stellte sich schon seit Jahren vor, wie die Fotoarbeit wohl als bewegte Videoinstallation aussehen könnte. Gabriele Rothemann entwarf für die alten Würfelmonitore verschieden hohe, durchsichtige Sockel und positionierte die Bildschirme über den gesamten Ausstellungsraum verteilt. So reagiert sie auf den Raum und bietet gleichzeitig einen Multi-channel-sound. Aus jedem Monitor ertönt eine andere Vogelstimme, auf jedem Bildschirm singt, schlägt oder rollt ein Harzer Roller (so der Name dieser speziellen Gesangskanarien). Auf dem Weg durch die Ausstellung nehmen die Stimmen zu oder ab, der Chor verändert sich je nach Standort, womit auch die Betrachterinnen und Betrachter Teil der Installation werden. Einzelstimme versus Chor, Natur versus Abbild derselben, Technik versus Tierisches sind die Dichotomien, in denen Gabriele Rothemann denkt. Ein „Quire“ kommt selten allein!

Ergänzt wird die domestizierte Vogelwelt durch eine Fotoarbeit „DNA“, für die Rothemann eine Luftaufnahme einer römischen Straße in der Dunkelkammer vervielfältigt und zu einem drei Meter hohen, gebrochenen, sich mit Fehlern vervielfachenden Molekül aufbaut.

Biografie von Gabriele Rothemann (* 1960)

1960 in Offenbach am Main geboren.
1981–1985 Studium der Fotografie, Kunsthochschule Kassel
1985–1987 Staatliche Kunstakademie Düsseldorf, Klasse für Malerei Prof. Fritz Schwegler
1987 Meisterschülerin
1987 Kunstfonds Arbeitsstipendium
1988–1989 DAAD Jahresstipendium USA, Los Angeles, California Institute of the Arts (bei John Baldessari und Michael Asher)
1989 Förderpreis der Stadt Düsseldorf
1992 Peter Mertes Stipendium, Bonn
1992 Arbeitsstipendium „Transfer“
1992–1994 Gastprofessur an der Schule für Gestaltung, Zürich
1994–1995 Lehraufträge an der Universität Mainz, Fachbereich Freie Kunst, Klasse für Fotografie
1996–1997 Deutsche Akademie Rom Villa Massimo
1997–2001 Künstlerische Mitarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar, Fachbereich Freie Kunst
1999 Austauschdozentur am Kent Institute of Art and Design, M.A. Fine Art, Canterbury, England
2001 Professur für Fotografie, Universität für angewandte Kunst Wien

Gabriele Rothemann. Quire. Vierundzwanzig Vogelkäfige: Bilder

  • Gabriele Rothemann. Quire. Vierundzwanzig Vogelkäfige, Installationsansicht MUSA, 2017, Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Gabriele Rothemann, Vögel, Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Gabriele Rothemann, Bock, Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Gabriele Rothemann, Wellensittich-Spiegel, Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.