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Herbert Albrecht im KHM Zeitgenössische Skulptur in der Antikensammlung

Herbert Albrecht, Idol 1, 2016, brasil. Marmor, 108 cm, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.

Herbert Albrecht, Idol 1, 2016, brasil. Marmor, 108 cm, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.

Herbert Albrecht (* 1927) ist der bedeutendste Steinbildhauer Vorarlbergs und für seine Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur bekannt. Die Antike und das in dieser Epoche entwickelte Menschenbild dienen im Kunsthistorischen Museum als Folie und Dialogpartner für Skulpturen und Plastiken Albrechts aus allen Schaffensphasen. Griechenland Reisen und Besuche von Museen bildeten für den seit der Mitte der 1950er Jahre arbeitenden Bildhauer Inspirationsquellen und Referenzpunkte, die er jedoch in Richtung starker Stilisierung und Abstrahierung immer wieder weit hinter sich ließ. Anlass für die Ausstellung ist der 90. Geburtstag des Künstlers im Februar dieses Jahres. Mit „Kopf“ (2017, Diabas) ist eine aktuelle Arbeit zu sehen.

Suche nach dem Menschenbild

Herbert Albrecht hat von 1949 bis 1955 in Wien studiert, die letzten vier Jahre bei Fritz Wotruba (1907–1975). Mit der Ausstellung in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums kommt Albrecht, so Kurator Walter Fink, „wieder an seinen Anfang zurück. Sonntags ging man [während des Studiums] ins Kunsthistorische Museum, hier standen die großen Objekte der Weltkunst. Außerdem war es hier warm.“ Die Beschäftigung mit der griechisch-klassischen Skulptur und dem in der Steinbildhauerei ausgedrückten Menschenbild hat Albrecht nie mehr verlassen. Die in dieser Schau präsentierten Werke – Stehende, Liegende, Sitzende oder Teil eines Menschen, Torsi und immer wieder Köpfe – zeigen die lebenslange Auseinandersetzung des Vorarlbergers mit dem Menschen.

„Die Suche nach dem Menschenbild ist eine der Triebfedern, die die Kunst wahrscheinlich als allererstes angeregt hat“, resümiert Georg Plattner. Für Plattner, Direktor der Antikensammlung und des Ephesos Museums des Kunsthistorischen Museums Wien, sind die Suche nach den idealen Proportionen, Zahlen, Maßen, Magien zentrale Fragestellungen der antiken Skulptur. Der Kopf galt als grundlegendes Zuhause der Person und Persönlichkeit, weshalb dessen Konstruktion die Basis für die Maßverhältnisse des gesamten Körpers war. War in der Antike die Balance zwischen Ideal und Abbild, zwischen Konstruktion und Realismus, ein erstrebendes Ziel, so bewegt sich Albrecht zwischen Abstraktion und Stilisierung. Indem Herbert Albrecht die Formen immer weiter stilisiert, ist in einigen Fällen sogar ein „Wiedererkennen“ verunmöglicht. Einzig die Titel führen wieder auf die menschliche Ausgangsform zurück.

Stein und Bronze als wichtigste Materialien verbinden den zeitgenössischen Bildhauer mit seinen bedeutenden Vorgängern. In der Klassik wurden erstmals die Namen von Künstlern dokumentiert, seither kann Künstlerkunstgeschichte betrieben werden. Eine Auswahl von Werken war für die erste Station der Ausstellung nach Vorarlberg gereist: Zu den wichtigsten Kriterien gehörte die Materialverwendung. Während in der Antike Marmor (in Klassik der weiße Marmor) bevorzugt wurde, versammelt Herbert Albrecht die „Geologie der Welt“ (Plattner). Bronze-Skulpturen sind nur in seltenen Fällen als Originale aus der Antike erhalten, allzu oft wurden sie eingeschmolzen und das Material weiterverarbeitet.

Herbert Albrecht in der Antikensammlung des KHM

Mit „Kopf“ (1964) steht im Kopfsaal der älteste Bronzekopf, der erste abstrahierte Kopf und ein Wendepunkt in seiner Arbeit, so Fink. Weitere Arbeiten sind in den Sälen 10 bis 14 zwischen den Artefakten der Griechisch-römischen Skulptur „eingestreut“. Albrechts Skulpturen und Plastiken sind stilistisch heterogen und entwickeln sich zwischen den Polen Konstruktion (Erinnerungen an Rudolf Belling werden wach1), stilisierter Verblockung und Abstrahierung bis zur Wiedergewinnung einer michelangelesken Körperlichkeit 1980 und einer neuerlichen geometrischen Konstruktion der jüngeren Jahre.

Besonders gut funktioniert die Aufstellung dort, wo entweder mystisches Dunkel die Skulpturen umfließt oder helle Stuckmarmorplatten hinter Albrechts meist dunkle Skulpturen einen Kontrast ergeben. Bei einigen Werken führte die strenge Orthogonalität dazu, dass sie parallel zu den Wänden aufgestellt wurden. Gleichzeitig sind die Skulpturen und Bronzen immer unterlebensgroß, was sie manchmal angesichts monumentaler antiker Marmorskulpturen fragil, schwerelos und (manchmal etwas zu sehr) zurückhaltend wirken lässt.

Kuratiert von Walter Fink

Herbert Albrecht. Stein und Bronze: Ausstellungskatalog

Sabine Haag – Andreas Rudigier (Hg.)
111 Seiten
Wien 2017
ISBN 978-3-99020-141-1

Biografie von Herbert Albrecht (* 1927)

1927 Herbert Albrecht wurde im Hinteren Bregenzerwald, in Rehmen, einem kleinen Ortsteil von Au, geboren.2 Sein Vater, Gebhard Albrecht, war Schulleiter in Rehmen, der begabten Kindern besondere Förderung zukommen ließ. Sein Onkel war Kaspar Albrecht, Bildhauer und Architekt in Au. In der Familie verkehrten Künstler wie Bregenz Karl Eyth und Bartle Kleber, aus Dornbirn der „Blaumaler“ Alfons Luger. Die Lustenauer Malerin Stefanie Hollenstein begleitete der junge Herbert Albrecht auf ihren Malausflügen im Bregenzerwald.

1933–1941 Besuch der zweiklassigen Volksschule in Rehmen.

1938 Gebhard Albrecht veranstaltet eine Ausstellung mit Schülerarbeiten. Ein Tourist kaufte ein Bild von Herbert Albrecht, der mit dem ersten verdienten Geld einen Ölfarbkasten erwarb.

1941 Wunsch Herbert Albrechts, Künstler zu werden. Eintritt in die Bildhauerklasse an der Kunstgewerbeschule in Innsbruck, wo er Schüler von Hans Pontiller wurde. Albrecht schloss Freundschaft mit Franz Pöhacker.

1944 Einberufung zum Zweiten Weltkrieg.

1945 Albrecht kam in Gefangenschaft, im Herbst kehrte er wieder in den Bregenzerwald zurück.

1946–1949 Fortsetzung und Abschluss der Ausbildung in Innsbruck. Anschließend drei Jahre in der Werkstatt von Kaspar Albrecht, um Geld für das Studium zu verdienen.

1949–1955 Akademie der bildenden Künste in Wien in der Bildhauerklasse bei Franz Santifaller. Beginn des Abendaktes bei Herbert Boeckl, den Albrecht bis zum Ende des Studiums besucht.

1951 Wechsel in die Bildhauerklasse von Fritz Wotruba. Bekanntschaft mit den Bildhauerkollegen Joannis Avramidis, Wander Bertoni, Otto Eder, Josef Pillhofer, Erwin Reiter und Andreas Urteil. Mit dabei auch der Freund aus Tiroler Tagen, Franz Pöhacker.

1955 Abschluss der Akademie. Gegen den Rat von Fritz Wotruba zurück nach Vorarlberg, Atelier in Dornbirn, später in Bregenz. Herbert Albrecht schloss Freundschaft mit dem Maler Hubert Berchtold, die bis zum Tod von Berchtold 1983 aufrecht bleibt.

1956 Erste Ausstellungsbeteiligungen: „Internationale Porträtausstellung“ in Salzburg und „Österreichische Grafik“ im Künstlerhaus Bregenz. Erster öffentlicher Auftrag durch das Land Vorarlberg für die Christophorus-Figur an der Bärentobelbrücke im Bregenzerwald.

1957 Heirat mit Brigitte Wachter. Aus der Ehe entstammen drei Kinder. Beitritt zur Berufsvereinigung der bildenden Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs, wo Albrecht noch immer Mitglied ist.

1959 Geburt des Sohnes Max

1960–1962 Entwurf und Ausführung der Portalplastik für die neu gestaltete Kirche der Abtei Mehrerau mit einem Thema aus der Apokalypse (Architekt: Hans Purin).

1962 Geburt der Tochter Aurelia; Anerkennungspreis beim „Hugo-von-Montfort-Preis der Landeshauptstadt Bregenz“. In der Jury saß Fritz Wotruba.

1965 Übersiedlung nach Wolfurt.

1967 Geburt des Sohnes Philipp († 1984). Verleihung des Theodor-Körner-Preises. Mit Franz Pöhacker in Griechenland. Albrecht begann die Serie „Mutterfiguren“, die ihn fast zwei Jahrzehnte begleitete.

1969 Mehrere Gestaltungen von Kirchenneu- und -umbauten (Bürs, Dornbirn, Hombrechtikon/ CH, Saulgau/D).

1970 Gewonnene Wettbewerbe: Bronzeskulptur vor dem WiFi in Dornbirn, Brunnen vor der Pädagogischen Akademie in Feldkirch.

1971 Übersiedlung des Ateliers nach Wolfurt.

1972 Gründung der Gruppe Vorarlberger Kulturproduzenten durch Kulturschaffende aus Vorarlberg, Durchführung der „Bregenzer Randspiele“.

1973 Ehrengabe des Landes Vorarlberg für Kunst und Wissenschaft.

1978–1980 Gewinn des Wettbewerbs und Ausführung der „Großen Mutterfigur“ für den Autobahnrastplatz Frutz bei Feldkirch.

1980 Verleihung des Berufstitels Professor und Studienreise nach Südfrankreich. Einzelausstellung im Bregenzer Künstlerhaus, wo Herbert Albrecht erstmals mit Malerei vertreten war. Seine Bilder sind stark durch die Bildhauerei geprägt.

1983 Arbeit am großen Bronzekopf vor dem neuen Juridicum in Wien (Architekt: Ernst Hiesmayr).

1984 Herbert Albrechts Sohn verunglückte in der Silvretta tötlich. Studienreise nach Griechenland: Athen, Korinth, Epidauros, Olympia und Delphi.

1987 Freiraumgestaltung bei der ehemaligen Zentrale der Vorarlberger Illwerke in Bregenz (abgeschlossen 1989): „Sitzende Figur“, Kärntner Marmor, H. 200 cm (Architekt: Ernst Hiesmayr). Herbert erhielt den Internationalen Kunstpreis des Landes Vorarlberg. Dabei Aufstellung der drei Monumentalskulpturen „Abel“ (1985), „Hiob“ (1986) und „Ikarus“ (1987) vor dem Vorarlberger Landhaus.

1988 Langer Aufenthalt in Lanzarote, wo Bilder mit vulkanischen Motiven entstehen. Ausstellung im ORF Dornbirn, Präsentation der Monografie zu Herbert Albrecht.

1992 Retrospektive bei der Berufsvereinigung der bildenden Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs im Bregenzer Künstlerhaus (Katalog). Zweite Studienreise nach Lanzarote.

1998 Eröffnung des Skulpturengartens beim ORF Landesstudio in Dornbirn.

2002 Ausstellung im ORF Vorarlberg, dabei Verleihung des Ehrenkreuzes für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse durch Kunst-Staatssekretär Franz Morak.

2007 „Albrecht und Zeitgenossen – Positionen österreichischer Bildhauerei seit 1945“ mit 26 österreichischen Bildhauern bei der Berufsvereinigung bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs im Bregenzer Künstlerhaus.

2012 Ausstellung zum 85. Geburtstag, Galerie Welz, Salzburg.

2014 Erinnerungsreise zu jener von 1984: Peloponnes mit Korinth, Epidauros, Olympia und Delphi.

2017/18 Ausstellung „Herbert Albrecht. Stein und Bronze“ im Vorarlberg Museum (20.7.–3.9.2017) und im Kunsthistorischen Museum Wien (19.9.2017–14.1.2018)

Herbert Albrecht lebt und arbeitet in Wolfurt, in der Nähe von Bregenz.

Herbert Albrecht im Kunsthistorischen Museum: Bilder

  • Herbert Albrecht in seinem Atelier © Foto: Gabriel Rüf
  • Herbert Albrecht bei der Arbeit © Foto: Gabriel Rüf
  • Herbert Albrecht zwischen seinen Werken in der Antikenabteilung des KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Herbert Albrecht, Eulenkopf, 1972, Bronze, poliert, H. 17 cm, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Herbert Albrecht, Idol 1, 2016, brasil. Marmor, 108 cm, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Herbert Albrecht, Kopf zerlegbar, 1973, Bronze, poliert, H. 27 cm, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Herbert Albrecht, Kopf, 1968 (li), 1964 (re), Bronze, H. 24 cm (li), 18 cm (re), in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Herbert Albrecht, Kopf, 2004, Glaukonit, H. 40 cm, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Herbert Albrecht, Sitzende Figur, 1995, Irish Black, H. 38 cm, B. 60 cm, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.
  • Herbert Albrecht, Torso, 1980, russischer Marmor, H. 49,5 cm, Ausstellungsansicht KHM, September 2017 © Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.

  1. Im Gespräch erzählte Herbert Albrecht, dass ein Kunstkritiker in den 1950er Jahren diesen Vergleich schon einmal gezogen hätte. Dann er hat er sich mit dem Berliner Plastiker beschäftigt und dessen Werk entdeckt.
  2. Die Biografie folgt der Publikation zu dieser Ausstellung, S. 13–15.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.