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Kiki Smith: Biografie Werke und Leben der US-amerikanischen Bildhauerin

Kiki Smith in der Mayer‘schen Hofkunstanstalt (Foto: Bärbel Miebach, 2015)

Kiki Smith in der Mayer‘schen Hofkunstanstalt (Foto: Bärbel Miebach, 2015)

Kiki Smith (* 1954) erarbeitete sich in den letzten vierzig Jahren ein plastisches, zeichnerisches, druckgrafisches Werk, in dem der Mensch und Tier, Natur und Kosmos zentrale Stellen einnehmen. Dafür bedient sich die amerikanische Künstlerin, die aufgrund eines Engagements ihrer Mutter in Nürnberg zur Welt kam, unterschiedlichster Materialien und Methoden.

Die Tochter des Bildhauers und Architekten Tony Smith (1912–1980) wuchs in den 1950er und 1960er Jahren im künstlerisch-intellektuellen Milieu in in South Orange, New Jersey, auf. Zu den Freunden und Kollegen ihres Vaters zählten wie Jackson Pollock und Barnett Newman, aber auch Mark Rothko und Richard Tuttle. Bereits als Kind wurde Kiki Smith von ihrem Vater im Zeichnen unterrichtet, saß für ihn Modell und half ihm Modelle, für seine abstrakten Plastiken anzufertigen.

1974 bis 1976 studierte Kiki Smith 18 Monate an der Harford Art School und an der San Francisco State University, wo sie eine filmmaking class besuchte. Nach Abbruch ihrer Ausbildung übersiedelte sie nach New York, wo Smith sich dem Künstlerkollektiv CoLab abschloss. In dieser Zeit begann sie in ihrer Kunst Körperteile in Form von Abgüssen einzusetzen. Der Tod ihres Vaters 1980 verstärkte diesen Zugang noch. Fünf Jahre später arbeitete Kiki Smith drei Monate lang in der Notaufnahme eines Krankenhauses, um ihr anatomischen Kenntnisse zu vertiefen. Dabei wandte sich ihr Interesse von der Oberfläche des Körpers zum Inneren – wie der Verdauung.

Der Ausbruch der AIDS-Epidemie in den späten 1980er Jahre traf Kiki Smith persönlich, denn eine ihrer Zwillingsschwestern starb 1988 an der Infektion. Stand zuvor bereits die Fragilität des Lebens im Zentrum ihrer künstlerischen Arbeit, so verschärfte dieser Verlust diesen Zugang noch. Kiki Smith begann ganze Körper darzustellen – und dafür unterschiedlichste Materialien einzusetzen. Zudem beschäftigte sie sich mit traditionellen weiblichen Archetypen aus Religion, Mythologie und Folklore: „Virgin Mary“ (1992) erinnert frappant an ein anatomisches Modell, wenn auch die Arm- und Kopfhaltung von Madonnenstatuen übernommen wurde. Hinter dieser Repräsentation steht Smiths Interesse für historische Darstellungen der Anatomie wie „Gray‘s Anatomy“ von Henry Gray (1858) oder „Fabrica“ des flämischen Anatomen und Chirurgen Andreas Vesalius (1543). Oder anders gefragt: „Wie menschlich ist die Gottesmutter?“

„Ich bin ein großer Fan der Jungfrau Maria. Ich bin als Katholikin aufgewachsen. Zahlreiche meiner Werke beziehen sich auf die Jungfrau Maria, und in vielen Arbeiten habe ich auf unterschiedliche Art und Weise an ihr herum manipuliert, aus meinen eigenen abwegigen Interessen heraus.“ (Kiki Smith, 2009)

 

In den letzten Jahren wurden Tiere immer wichtiger im Kosmos Kiki Smiths. Die Natur zu erhalten, die Balance wiederzufinden, zählt seither zu ihren wichtigen Botschaften. Jüngste Arbeiten nutzen dafür auch das Geschichtenerzählen, wie die Tapisserien.

„Was mir wichtig erschien, war die Beziehung zur Natur, nicht allein zur Natur, sondern zu uns selbst, zu unserer Identität im Verhältnis zum Natürlichen, weil das Natürliche von den Menschen in der Weise beeinflusst wurde, wie Lebewesen bedroht sind.“ (Kiki Smith, 1998)

 

Weitere Beiträge zu Kiki Smith

 

Biografie von Kiki Smith (* 1954)

  • 1954

    Am 18. Januar 1954 Kiki Smith wurde in Nürnberg, Deutschland, als Tochter des Bildhauers Tony Smith (1912–1980) sowie der Schauspielerin und Opernsängerin Jane Lawrence (geb. Brotherton, 1915–2005) geboren. Die Eltern hatten 1943 geheiratet und lebten zwischen 1953 und 1955 aufgrund eines Engagements von Jane Smith in Nürnberg.
  • 1955

    Geburt ihrer Zwillingsschwestern Seton (*1955) und Beatrice (1955–1988). Rückkehr in die USA, wo Kiki Smiths Familie in South Orange, New Jersey, lebte. Die elterliche Villa war zugleich das Studio ihres Vaters, der Kiki Smith im Zeichnen unterrichtete und für den sie Modelle seiner abstrakten und ungegenständlichen Skulpturen aus Papier herstellte. Tony Smith ist einer der bekanntesten Bildhauer der 60er Jahre in den USA und gilt als ein Wegbereiter des Minimalismus. Zum Freundeskreis der Familie gehörten die berühmten Künstler des Amerikanischen Abstrakten Expressionismus wie Jackson Pollock und Barnett Newman, aber auch Mark Rothko und Richard Tuttle.
  • 1950er–1960er Jahre

    Kiki Smith wuchs im künstlerisch-intellektuellen Milieu auf. Ihr Vater, der Architekt, Maler und Bildhauer Tony Smith, entwarf 1962 den ersten autonomen Kubus („Die“) der Kunstgeschichte, eine Skulptur die für die Entwicklung der Minimal Art prägend wird.
  • 1970

    Nach dem Tod von Barnett Newman fertigte die 16-jährige Kiki, die sich für Volkskunst und die dekorativen Künste begeistert, für dessen Witwe eine Decke an.
  • 1972

    Studium „Industrial banking“ bei Manpower Training Act, Newark, NJ
  • 1974–1975

    Nach Abschluss der High School nahm Kiki Smith achtzehn Monate Unterricht an der Harford Art School und an der San Francisco State University, wo sie eine filmmaking class besuchte.
  • 1976

    Umzug nach New York City. Sie wurde Mitglied des Künstlerkollektivs CoLab (Collaborative Projects, Inc.) und stellte ihre ersten anatomischen Bilder, auf denen abgetrennte Körperteile und Organe zu sehen sind, aus. Von Beginn an steht der menschliche Körper im Zentrum ihrer Arbeit.
  • 1980

    Tod des Vaters. Kiki Smith begann sich mit Lebendabgüssen von Körperteilen zu beschäftigen.
  • 1982

    Erste Einzelausstellung „Life Wants to Live” in The Kitchen, New York, NY.
  • 1985

    Um ihre anatomischen Kenntnisse zu vertiefen, arbeitete sie drei Monate in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Dadurch reifte der Entschluss sich den inneren Vorgängen im menschlichen Körper und einer klinischen Darstellungsweise desselben zuzuwenden. Werke: „Glass Stomach“
  • 1987

    „Rips“ besteht aus Terracotta „Knochen“, die mit Fäden verbunden sind und an der Wand hängen.
  • 1988

    Kiki Smith hatte ihre erste Einzelausstellung in der Fawbush Gallery in New York. Tod ihrer Schwester Beatrice an AIDS. Der Ausbruch der Aids-Epidemie in den späten 1980ern wurde zur entscheidenden Zäsur des künstlerischen Umgangs mit Ideen und Vorstellungen des menschlichen Körpers. Smith begann, ganze Körper (anstelle von Körperteilen) darzustellen, wozu sie so unterschiedliche Materialien wie Bienenwachs, Papier, Bronze verwendete. Der weibliche Körper steht für sie als ein Ort der politischen und sozialen Bedeutung. „Digestive System“ (Privatbesitz) 1990 Ihre Ausstellung im Projects Room im Museum of Modern Art in New York brachte der Künstlerin internationale Anerkennung.
  • 1992

    Von der weiblichen „Form“ wandte sich Kiki Smith traditionellen weiblichen Archetypen aus Religion, Mythologie und Folklore zu: „Virgin Mary“ (Pace Gallery, New York) erinnert an ein anatomisches Modell.
  • 1993

    Erste Teilnahme an der Biennale von Venedig
  • 1994

    „Lilith“ (Museum of Fine Arts, Boston)
  • 1995

    Kiki Smith las einen Zeitungsbericht über tote Vögel, die unweit von ihrem Haus in New Jersey tot vom Himmel fielen, nachdem sie durch eine Pestizidwolke geflogen waren. Davon inspiriert schuf Kiki Smith die Installation „Untiteld (Crows)“
  • 1998

    Kiki Smiths erste Skulptur im öffentlichen Raum wurde in der University of California, San Diego, aufgestellt.
  • 1999

    Teilnahme an der Biennale von Venedig.
  • 2000

    Kiki Smith wurde die Skowhegan Medal for Sculpture verliehen.
  • 2001

    „Rapture“ (Pace Gallery, New York)
  • 2003

    Ausstellung im Museum of Modern Art in New York
  • 2005

    Teilnahme an der Biennale von Venedig; Ausstellung im Walker Art Center, Minneapolis; sie erhielt den Athena Award von der Rhode Island School of Design für ihre Verdienste um die Druckgrafik. Zum Mitglied der American Academy of Arts and Letters, New York, NY, gewählt.
  • 2006

    Das TIME Magazin kürte Kiki Smith zu einem der „100 wichtigsten Menschen, die unsere Welt verändern“ (TIME 100: The People Who Shape Our World).
  • 2007

    Kiki Smith wurde von der Royal Academy of Arts in London zum Honorary Royal Academician ernannt.
  • 2009

    Teilnahme an der Biennale von Venedig
  • 2012

    Kiki Smith wurde von Hillary Clinton die U.S. State Department Medal of Arts
  • 2017

    Teilnahme an der Biennale von Venedig.
  • Kiki Smith lebt und arbeitet in der Lower East Side in New York City.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.