Kiki Smith (* 1954) erarbeitete sich in den letzten vierzig Jahren ein plastisches, zeichnerisches, druckgrafisches Werk, in dem der Mensch und Tier, Natur und Kosmos zentrale Stellen einnehmen. Dafür bedient sich die amerikanische Künstlerin, die aufgrund eines Engagements ihrer Mutter in Nürnberg zur Welt kam, unterschiedlichster Materialien und Methoden.
Die Tochter des Bildhauers und Architekten Tony Smith (1912–1980) wuchs in den 1950er und 1960er Jahren im künstlerisch-intellektuellen Milieu in in South Orange, New Jersey, auf. Zu den Freunden und Kollegen ihres Vaters zählten wie Jackson Pollock und Barnett Newman, aber auch Mark Rothko und Richard Tuttle. Bereits als Kind wurde Kiki Smith von ihrem Vater im Zeichnen unterrichtet, saß für ihn Modell und half ihm Modelle, für seine abstrakten Plastiken anzufertigen.
1974 bis 1976 studierte Kiki Smith 18 Monate an der Harford Art School und an der San Francisco State University, wo sie eine filmmaking class besuchte. Nach Abbruch ihrer Ausbildung übersiedelte sie nach New York, wo Smith sich dem Künstlerkollektiv CoLab abschloss. In dieser Zeit begann sie in ihrer Kunst Körperteile in Form von Abgüssen einzusetzen. Der Tod ihres Vaters 1980 verstärkte diesen Zugang noch. Fünf Jahre später arbeitete Kiki Smith drei Monate lang in der Notaufnahme eines Krankenhauses, um ihr anatomischen Kenntnisse zu vertiefen. Dabei wandte sich ihr Interesse von der Oberfläche des Körpers zum Inneren – wie der Verdauung.
Der Ausbruch der AIDS-Epidemie in den späten 1980er Jahre traf Kiki Smith persönlich, denn eine ihrer Zwillingsschwestern starb 1988 an der Infektion. Stand zuvor bereits die Fragilität des Lebens im Zentrum ihrer künstlerischen Arbeit, so verschärfte dieser Verlust diesen Zugang noch. Kiki Smith begann ganze Körper darzustellen – und dafür unterschiedlichste Materialien einzusetzen. Zudem beschäftigte sie sich mit traditionellen weiblichen Archetypen aus Religion, Mythologie und Folklore: „Virgin Mary“ (1992) erinnert frappant an ein anatomisches Modell, wenn auch die Arm- und Kopfhaltung von Madonnenstatuen übernommen wurde. Hinter dieser Repräsentation steht Smiths Interesse für historische Darstellungen der Anatomie wie „Gray‘s Anatomy“ von Henry Gray (1858) oder „Fabrica“ des flämischen Anatomen und Chirurgen Andreas Vesalius (1543). Oder anders gefragt: „Wie menschlich ist die Gottesmutter?“
„Ich bin ein großer Fan der Jungfrau Maria. Ich bin als Katholikin aufgewachsen. Zahlreiche meiner Werke beziehen sich auf die Jungfrau Maria, und in vielen Arbeiten habe ich auf unterschiedliche Art und Weise an ihr herum manipuliert, aus meinen eigenen abwegigen Interessen heraus.“ (Kiki Smith, 2009)
In den letzten Jahren wurden Tiere immer wichtiger im Kosmos Kiki Smiths. Die Natur zu erhalten, die Balance wiederzufinden, zählt seither zu ihren wichtigen Botschaften. Jüngste Arbeiten nutzen dafür auch das Geschichtenerzählen, wie die Tapisserien.
„Was mir wichtig erschien, war die Beziehung zur Natur, nicht allein zur Natur, sondern zu uns selbst, zu unserer Identität im Verhältnis zum Natürlichen, weil das Natürliche von den Menschen in der Weise beeinflusst wurde, wie Lebewesen bedroht sind.“ (Kiki Smith, 1998)